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Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad. <

Hummer 136

Fernruf 179.

Müäbsä, Mittwoäi, äen 16. )uni 1920.

Fernruf 179.

54. )slirgsng

Die Negierungskrisis.

Tie Entschließung der Sozialdemokratie.

^ Am Sonntag vormittag tagten in gemeinsamer Sitzung in Berlin der Parteivorstand und die Reichstagssraktion der sozialdemokratischen Partei. Zu Beginn besprach Reichskanzler Miller den Ausfall der Wahlen und führte den sozialdemokratischen Mißerfolg auch auf ge­wisse unpolitische Fragen- Zurück, so ach die Erhöhung des Brotpreises und auf den Steuerabzug vom Lohn «nd Gehalt. Weiter habe das Verhalten des Verbands, insbesondere Frankreichs, gegenüber dem deutschen Volk üuch nach Friedensschluß weite Kreise des Volkes den nationalistischen Parteien 'in die Arme getrieben. Der Reichskanzler untersuchte dann die Frage, ob sich unter Ausschluß der Deutschen Volkspartei aus den bisherigen Koalitionsparteien eine tragfähige Regierung im Reichs­tag finden lasse, und kam Zu einer Verneinung der Frage. Er wies daraus hin, daß die oberschlesischen Abgeordneten immer noch an der Ausrede gehindert werden, Zoo man auf ihre Stimmen verachten müsse. Ohne diese Stimmen aber verfüge die bischerige Koali­tion auch nickt mehr über eine schwache ziffernmäßige Mehrheit- Weiter kam der. Redner auf die Stellung LU sprechen, in die die von der bisherigen Regierung an- gestellten sozialdemokratischen Beamten im Fälle des Aus­scheidens der Sozialdemokratie aus der Regierung kommen würden. Keiner dieser Beamten dürfe den Matz ver­laßen, ohne daß er dazu gezwungen werde. Man müsse unter allen Umständen die Posten zu Aalten suchen, schon für den Fall, daß die Mehrheitssozraldemvkrätie später wieder ^gezwungen" würde, die RegierunaZu übernehmen. Wenn es in der letzten Zeit geheißen habe, daß der Reichspräsident keine Lust mehr habe, im Falle des Ausscheidens der Sozialdemokraten aus seinem Posten zu verblechen, so müsse man von ihm verlangen/daß er «uS Politischen Gründen das Opfer bringe, so lange wie möglich ausWharren. Der Umstand, daß im Falle des Ausscheidens das Heer in die Hände einer sozialisten­reinen Regierung kommen würde, macht dem Redner weniger Bedenken, woW aber muh man sich! im Salle einer Koalition mit der Deutschen Volkspartei fragen, was denn aus der Sozialisierung des Kohlenbergbaus und aus der Beschneidung der Gewinne der KoMenmagnaten werden solle.

In der Aussprache sprach ein Redner für das Ver­blechen in der Regierung, die übrigen Redner vertraten «men ablehnenden Standpunkt.

Minister David führte aus: Wir sind unter allen Umständen gezwungen, unter dem parlamentarischen Sy­stem aus dem Wcchlausfall die Folgerungen zu ziehen. Das Volk hat sich durch den Wahlausfälk die jetzige Lage selbst bereitet. ' Es liegt, wie es sich gebettet hat. Wir haben früher viel geredet von dem Unverstand der Massen, »er Wahlausfall hat gezeigt, daß der Unverstand noch lange nicht überwunden ist.

Preußischer Ministerpräsident Braun: Wie die Dinge heute liegen, müssen wir vor allen Dingen eins können: warten. Wir gehen schweren Zeiten entgegen und sollten! uns auch deswegen nicht in unsicher politische Situationen

Gegeben.

Nach längeren Beratungen wurde daun einstimmig fol­gende Entschließung gefaßt:

Reichstagsausschuß und Parteiausschuß der Sozialdemokrati­en Partei beschäftigten sich am Sonntag in gemeinsamer atzuna mit der Lage, die durch den Wahlausfall entstanden Pt- Einstimmig kam die Ueberzengung zum Ausdruck," daß ose Beteiligung der Sozialdemokratie an der Regierung aus- > erschlossen ist. Nachdem die Unabhängigen es abgelehnt haben, och an einer Regierung zu beteiligen, die den Schutz der - Republik, und die revolutionären Errungenschaften der Ar­teiter,- Angestellten und Beamten übernimmt, haben sie die Verantwortung für eine Lage zu tragen," in der nur die Vildung einer rein bürgerlichen Regierung möglich ist. Eine Fortsetzung der bisher betriebenen Koalitionspolitik mit Zen- trum und Demokraten wird zurzeit als unmöglich betrachtet.

Der fehlgeschlagene Versuch.

Der Vorsitzende der Deutschen Volkspartei, Dp. Hein­is, den der Reichskanzler für Sonntag zu sich gebeten Vktte, war am Samstag in später Abendstunde aus Dres­den in Berlin eingetrofsen und wurde am Sonntag mittag vvm Reichspräsidenten Ebert empfangen. Im Dause h« Unterredung übertrug der Reichspräsident- dem Par- Führer die Bildung des neuen Kabinetts und Dr.

diesen Auftrag an. Seine erste Handlung

N,

tMk^vaß'er sich "mit der'Anfrage cm vre sözialdeml Reichstagsfraktion wandte, ob sie im Lause des Sonntags bevollmächtigte Vertreter zu ihm senden wolle. Er er­hielt eine bejahende Antwort mit der Ankündigung, daß der Reichskanzler Müller und der Sraktionsvorsitzende Lobe sich bei ihm einfinden würden. 'Zu der Besprechung erschienen in Begleitung Dr. Heinzes Abg. v. Kar - dorff. Die Sozialdemokratie war vertreten durch! den Reichskanzler Müller und den Vorsitzenden der sozial­demokratischen Fraktion der Nationalversammlung Löbe. Auf die Frage des Abg. Dr. Pernze nach der Stellung der soziMemokratischen Partei erklärte der Abg. Löbe, daß es seiner Partei aus außer- und innerpolitischen Gründen entsprechend dem gefaßten Beschlüsse der Partei­konferenz nicht möglich sei, an ein gedeihliches Zu­sammenarbeiten mit der Deutschen Volkspartei zu glauben, wobei ausdrücklich hervorgehoben wurde, daß irgendwelche Bestimmungen aus dem Wahlkampf in keiner Weise mit­sprechen dürften oder nntsprächen. Daraufhin hat der Mg. Dir. Heinze den Auftrag zur Kabinettsbildung in die Hände des Reichspräsidenten zurückgelegt.

Die neue Lage.

Der ,>LokaIanzeiger" berichtet, daß die Unterredung Zwischen Ebert und Dr. Heinze nur kurz war. S:e- trug einen ganz förmlichen Charakter. Dr. Heinze hatte die Absicht, die Fühlung mit den alten Mehrheitsparteien erst aufzunehmen, wenn die Stellungnahme der Sozial- «emo traten klar wäre. Er und mit ihn: die Deutsche Lolkspartei hätten die ehrliche Absicht gehabt, eine Ver­kündigung mit den Sozialdemokraten herbeizuführe«. ^urch die entschiedene Ablehnung der Mehrheitssozia!- -emokraten wurde die Lage von Grund aus geändert. Tie Entschließung der Mehrheitssozialdemokraten bedeutet,,daß unterstreichen sämtliche bürgerliche Parlamentarier, mit wnen der Vertreter desLokalanz." noch Fühlung nahm, ine Kamvsaniaae des Proletariats an das Bürgertum. Dieses Habe daher die Pflicht, sich zusammenzuschließen und ein bürgerliches Kabinett zustande zu bringen, nach­dem Heinzes ehrliche Absichten sich durch die sozialdem. Entschließung zerschlagen haben. In Kressen der bürger­lichen Parteien rechnet man damit, daß der Reichspräsi­dent von sich ans neue Schritte unternimmt. Er dürfte nunmehr an das Zentrum, und zwar an Dr. Trim- bvrn mit der Aufforderung wegen der Neubildung des Kabinetts yerantreten. In den Kreisen der Deutschen Volkspartei glaubt man, daß auch ein rernes Wirtschafts- kavinetk sich wird zustandebringen lassen.

lieber die Gründe, die Dr. Heinze zur Rückgabe des Auftrags an den Reichspräsidenten veranlaßte, erfährt derLokalanz." noch weiter: In der Deutschen Volks- Partei ist man der Ansicht, daß ein Wirtschaftskabinett nicht von der Deutschen Volkspartei, sondern von wirt­schaftlichen Körperschaften gebildet werden muß. Die Zu­sammenfassung eines bürgerlichen Blocks aber muh nach Ansicht Dr. Heinzes öon der stärksten bürgerlichen Partei, dem Zentrum, vorgenommen werden.

Die Reichstagsfraktion der Deutschen Volkspartei tritt am 14. Juni nachmittags 4 Uhr im Reichstag zusammen. Gleichzeitig- tagt die Deutsch-nationale Fraktion. Das Zentrum berät Dienstag vormittag. . Die Demokraten werden am Mittwoch tagen. Wie einige Morgenblätter erfahren haben, wollen die Demokraten erst die Stellung­nahme des Zentrums abwarten. , o

Diewirklichen" Kriegskosten.

^ ii.

Zu Frankreich übergehend, gibt Crammond zu­nächst folgende Schätzung der Verluste: 2150 Mil­lionen Pfund Sterling an KriegsruAegeldern und Zu­wendungen: 2200 für Verluste an liegendem Gut, Schissen usw.; 1400 für Anleihen im Ausland und Verkauf frem­der Wertpapiere: 500 an Rückständen für Unterhalt von Häusern, Gebäuden usw., zusammen 6250 Millionen, wogegen die Wiedererwerbung von Elsaß-Lothringen für. eitlen Geldwert von vorläufig 800 Millionen in Rech­nung zu stellen ist, so daß ein Reinverlust von 5450 Millionen Pfund Sterling bleibt. Das Volksver- mögen Frankreichs wurde vor dem Krieg auf 12 008 Millionen Pfund geschätzt. Wenn man annimt, daß der Franken sich schließlich aus 50.V. H. von seinem Wert vor dem Krieg festsetzt, so würde dieses Vermögen jetzt

24 000 Millionen darstcllm, abzüglich des angenommenen Verlusts von 5450 Millionen aber aus 18 500 Millionen. Demnach chat Frankreich ein Viertel seines Volks- Vermögens ein gebüßt, wenn, man die von Deutschl- land zu leistende Entschädigung nicht berücksichtigt. Im übrigen hält der Vortragende Frankreich für viel reicher, als allgemein angenommen wird, und glaubt, daß es sich 'wie nach 1870 rasch erholen werde.

Bei Italien werden folgende Verluste aufgezählt: 600 Millionen Pfund Sterling Mr Kriegsruhegelder; 300 für Verluste an Schiffen, Gebäuden usw., 1000 «n Schulden und Darlehen im Ausland und 200 an Rück­ständen und Entwertung, zusammen 2100 Millionen. Den Wert der Italien durch den Friedensvertrag zu­gesprochenen Gebiete mit 200 Millionen angenommen, bleibt ein Reinverlust von 1900 Millionen." Vor dem Krieg wurde das Volksvermögeu aus 4480 Millionen ge­schätzt, was bei einer Festsetzung des Wertes der Lira auf 50 v. H. des damaligen Werts 8960 Millionen aus­machen würde, nach Abzug der Kriegskosten noch.7100. 20 v. H. oder ein Fünftel des Volksvermögeus vor dem Krieg sind verloren gegangen.

Der Gesamtverlust Belgiens durch den Krieg kann man auf 550 Millionen Pfund Sterling schätzen. Das Volksvermögen war vor dem Krieg nach amtlicher Be­rechnung 1200 Millionen gryß. In der Annahme eines heutigen Geldwerts des Franken von 50 v. H. des Stands vor dem Krieg wären es 2400 Millionen. Die Verbündeten haben nun die Schuld, die Belgien bei ihnen hatte, etwa 240 Millionen, auf Deutschland über­tragen, außerdem soll Belgien die ersten 100 Millionen erhalten, die Deutschland zahlen wird. Somit würden als Kriegskosten 210 Millionen ungedeckt bleiben, die aus der allgemeinen Entschädigung zu beglei­chen wären. Nach Abzug des öon Großbritannien und Frankreich übernommenen Anteils Belgiens an den Aus­gaben des Kriegs, der von Deutschland zu tragen ist, fragt es sich, ob der Verlust an Volksvermögeu bei Bel-« gien mehr als 10 v. H. ausmacht. Es ist mit Aus-i nähme von Japan aus dem Krieg mit einer verhältnis­mäßig kleinern Zunahme an seiner öffentlichen Schuld hervorgegangen als irgend ein anderer Kriegsstaat. Es erholt sich erstaunlich schnell und dürfte in wenigen Jahren die Kriegsverluste wettgemacht haben.

Japan verdankt dem Krieg ein starkes Gedei­hen. Seine Schiffahrt hat eine Vermehrung von 1708 000 aus 2 325 000 Tonnen zu verzeichnen. Seine Goldrücklage ist von 35 auf 180 Millionen Pfund gestie­gen. Das Volksvermögen dürfte sich verdoppelt ha­ben und gegenwärtig um 4700 Millionen bewegen.

Was die Berei nigten Staaten angehl, so hat der Krieg einen bemerkenswerten Wandel in ihren Wirt- . schriftlichen Veziehungen zu Europa hervorgcrufen., Wäh­rend 1914 die Vereinigten Staaten'bei Europa mit 2000 Will. Pfund Sterling verschuldet waren, ist es heute ge­rade umgekehrt, Europa schuldet ihnen den gleichen Be­trag. 'Die amerikanischen Kapitalmächte freilich, meint Crammond, zeigten auffällig wenig Verständnis für die- Vorteile, die ihrem Land durch geschickte Geldanlagen im Ausland erwachsen könnten. 191 4wurde das Volks- Vermögen der Union auf 42 000 Millionen geschätzt, heute erreicht es 70 000 oder 80000 Millionen. Nimmt man die Kaufkraft des Dollars zu 70 v. H. des Ver­hältnisses vor dem Krieg an, so ist festzustellen, daß in fünf Jahren das V o lks v erm ö g en in den'Ver- einigten Sta aten um 30 v. H. zugen o n: m e n hat.

Am Schluß der Uebersicht erscheint Deutschland mit zunächst 3500 Millionen als Verlust an Kapital­wert durch Abgabe der ihm abgenommenen Ge­biete, 600 Millionen für Verluste an Schiffen, Gütern, gemünztem Geld, Eisenbahnfahr­zeugen usw., weiteren 600 Millionen für Entwer­tung an Fabriken und Werkstätten, Eisenbahnen, Wohn­häusern usw., 2500 als Kapitalwert der Kriegsruhe- gelder, 1500 an Einbuße«: von Anlagen in den ehe­maliger: Kolonien und im Ausland, zusammen 8 7 00 Millionen Pfund Sterling. Da 1913 das Volksvermögeu Deutschlands auf 165 00 Millionen ge­schätzt wurde, «oürdö es sich gegenwärtig, bei der An­nahme, daß die Mark sich auf 50 v. H. des Werts vor dm: Krieg festsetzeu könnte, auf 33000 Millionen stellen. Auf dieser Grundlage hat das deutsche Volk etwa 2 6 v. H. seines Vermögens ein gebüßt, einschließ­lich seiner Handelsflotte, seiner sämtlichen kolonialen Be-

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