K
llummer 134
(Euztalbote)
Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt
für das obere Cnztal.
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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.
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Fernruf 179.
- Die „wirklichen" Kriegs-: osten.
Unter diesem Stichwort B ' Tagen, wie
wir der „Köln. Ztg." entncl - La.. vor dem Banker's Institute Edgar Crn.-.mond einen Bortrag, dessen Inhalt sich allgemeiner Beachtung empfiehlt, da sr einen Ncbcrblick der finanziellen Lage in den sämtlichen Kriegsländern gestattet. Freilich sind solche Zahlen, wie er sie geben konnte, sozusagen unverbindlich, allein einen gewissen Begriff von der allgemeinen Finanzlage geben sie immerhin. Crammond geht davon «ns, daß, der Nennwert der Kriegsschuld eines einzelnen Staates nicht notwendigerweise den Hauptbestandteil der wirklichen Kriegskosten bildet, da es sich bei inländischen Anleihen nur um die Uebertregnng des Vermögens von einem Teile des Volkes auf den andern handelt.
Er beginnt seine Uebersicht mit dem Bereinigten Königreich Großbritanni en und schätzt den Kapital- wert der Kriegsruhegelder aus 1300 Millionen Pfund Sterling (26 Milliarden Goldmark), die von der britischen Regierung im Ausland ausgenommenen Anleihen aus 1300, den Verkauf von britischen Anteilen an Kapitalanlagen rm Auslande auf 1000, die Verluste an Schiffen und Ladungen sowie durch Versäumnis der Erneuerung an Eisenbahnen, Hafenanlagen, Maschinen, Werkstätten, Wohnhäusern und sonstigen Gebäuden auf 1600, zusammen also auf 5200 Millionen Pfund Sterling.*) Dem stellt er gegenüber: 1. die Anlage und Ausrüstung neuer und die Instandsetzung älterer Werke, die in großer Zahl den neuentstandenen Anforderungen gerecht werden sollten; 2. die Kapitalanlagen im Ausland während des Kriegs in Gestalt von Darlehen an die Verbündeten und die Kolonien; 3. den Wert der von Deutschland bereits abgelieferten Vermögensstücke und den der gemäß dem Friedensvertrag übernommenen Gebiete. Diese Posten insgesamt zu rund 2009 Millionen Pfund -sterling angenommen, verbleibt ein Vermögeusverlust hurch den Krieg von 3290 bis 3500 Millionen. Zwar läßt sich nicht bestimmen, bis zu welchem Maß die Preise sich befestigen werden, allein Crammond nimmt an, daß der tatsächliche Wert des Gelds in dem ganzen Vereinigten Königreich heute 40 v. H. weniger beträgt als 1914. Indem er den Wert des Volksvermögens vor denn Krieg mit 16500 Millionen Pfund ansetzt, würde sich also nach dem heutigen Geldwert dieses Vermögen auf 27 500 Millionen stellen oder nach Abzug des oben errechueten Neinverlusts auf 24 000 Millionen. Demnach würden die tatsächlichen Kriegskosten für das Vereinigte Königreich einen Betrag ergeben, der 12,7 v. H- oder einem Achtel des Volksvermögens entspricht.
4 Was das Britische Reich mitsamt den Kolonien «ngeht, das in weitem Maß in den Krieg einbezogen worden ist, so läßt sich die Schätzung des .Volksvermögens und Volkseinkommens der einzelnen Gebiete, unter denen auch Aegypten erscheint, gegenwärtig im Vergleich zu 1910 in folgende Tabelle zusammenfassett, die Zahlen alH Millionen Pfund:
' 1919 isio -
-;t ß.,-w j : .wßM. Volks- Volks- Volks- Volks-
- ' - ' vermag, «inkomm, vermög. cink.
Vereinigtes Königreich 24 000 4 300 15 882 2 016 Kanada " - , 5 000 750 2072 259
Australien i ' 2 900 450 1312 164
Südafrikanischer Bund 1200 200 600 (5
Neuseeland 480 80 320 40
Indien ^ 6 000 1200 3 600 608
Ägypten 1300 220)
Kronkolonien, Besitzungen ^ ) 1200 I/O
^ und Schutzgebiete_ 3 200 450) _ /
Z^st 44 08Ö 7650 24 986 3 332
Diese Zahlen, bemerkt Crammond, eignen sich) streng genommen, nicht zum Vergleich, da in dein Geldpand namhafte Verschiebungen eingetreten sind, im übrigen di» Wertbemessung in den einzelnen Reichsteilen nicht gleichmäßig mar. Immerhin läßt sich behaupten, daß der Krieg' das Reich als Ganzes w irisch ältlich in erheblichem Maße gestärkt hat und daß dessen künftige Entwicklung in einem günstigen Licht erscheint. (Das war ja für England auch der Zweck des Krieg».)
*1 Die sämtlichen Zahlen in diesem Aufsatz beziehen sich ein- h blich auf Millionen Pfund Sterling (1 Psd. Sterling -w ^»ftniark). -
Milädaä, Montag, äen 14. duni 1920.
Die Unabhängigen lehnen atz.
Wie bereits berichtet, hat Reichspräsident Ebert den Reichskanzler Hermann Müller beauftragt, sich mit der Unabhängigen sozialdemokratischen Partei, der zweitstärksten des Reichstags, wegen deren Beteiligung an der neu zu bildenden Regierung in Verbindung zu setzen. Auf ein diesbezügliches Schreiben Müllers hat jedoch der Abgeordnete Crispieu namens der Partei der Unabhängigen die Aufforderung abgelehnt. Crispieu erklärte, die Unabh. soz. Partei stehe auf dem Standpunkt des rücksichtslosen proletarischen Klassen- kampfs mit dem Ziel der Beseitigung der kapitalistisch- militaristischen Klassenherrschaft. Sie erstrebe die Besitzergreifung der politischen Macht durch das Proletariat und dessen Alleinherrschaft bis zur Verwirklichung des Sozialismus. Für die Unabh. soz. Partei komme nur eine rein^oziali- stische Regierung in Betracht, in der sie die Mehrheit habe, den bestimmenden Einfluß ausübe und in der ihr Programm die Grundlage der Politik bilde.
Das Berliner Blatt der Unabhängigen, die „Freiheit", schreibt zu der Ablehnung, sie sei eine Selbstverständlichkeit. Müller habe der Partei der Uttabhängig'M das Unmögliche zngemntet, sich an einer Sammelrygierung mit Bürgerlichen zu beteiligen und damit die Fortsetzung der gegenwärtigen Richtung zu ermöglichen. Tie Partei habe aber erfahren, was die jetzt zusammengebrochene Koalition eines Teils der Arbeiterschaft mit dem Zentrum und den Demokraten bedeute.
Der sozialdemokratische „Vorwärts" führt aus, die Unabhängigen g'anb'en auch jetzt noch, Deutschland 'ganz allein regieren zu können," obwohl am 6. Juni nur 4,8 Millionen Stimmen für sie und 20,4 Millionen gegen sie abgegeben worden sind. Das deutsche Volk werde jetzt die Regierung erhalten, die die Unabhängigen gewollt haben,' nämlich die Führer, nicht die Wähler. Diese werden über den Erfolg ihrer Stimmenabgabe vor Erstaunen ans den Rücken fallen. Die Unabhängigen hätten Bedingungen stellen können, die die Sozialdemokraten in ihrem Bestreben,, das Steuer weiter links zu drehen, unterstützt hätten.
Tie Bedingungen, die in der „Freiheit" für den Eintritt in eine rein sozialistische Regierung ohne Bürgerliche veröffentlicht und die vom „Vorwärts" als für die Sozialdemokratie annehmbar bezeichnet worden waren, sind folgende:
1. Eittmafsuiic- und Auflösung aller g-genrevolntionären Verbände, Mannschaflsersatz aus den Reihen der organisierten Arbeiterschaft, politisch zuverlässige Führer. 2. Aufhebung des Ausnahmezustands, Frei'assung aller verhafteten Revolutions- Kämpfer und umfassende Amnestie. 3. Bestrafung aller an dem , Kapp-Ilmsinrz beteiligten Gegenrevolutionäre und der für das Hinmorden von revolutionären Kämpfern Verantwortlichen. 4. Durchführung der Sozialisierung, beginnend auf dem Gebiet des -Bergbaus und der Krafterzeugung — Kohle, Wasserkraft und der Elektrizität —, Wetterführung der Sozialisierung der zu- sammcngefafftcn Eisen- und Stahlerzeugung, des Transport- und Verkehrswesens, sowie anderer hochentivickc-ter Industrien, umfassende -Kommuna'i ierung. S Ueber'.ühng des Grotzgound- besitzes und der Großfürsten in gesellschaftliches Eigentum. Die gesamten landwirtschaftlichen Betriebe- sind durch Bereitstellung aller technischen und wirtschaftlichen Hilfsmittel, durch Förderung der Genossenschaften zur höchsten Leistungsfähigkeit zu bringen. 6. Sicherung der Lrbsnsmlttelverforgung der städtischen Bwöikcrun', stäkst? Belänpfu g des Leiensmittelwuchers. 7. Ausbau der sozialen Gesetzgebung. Anpassung der Löhne, Gehälter, Renten und Unterstützungen an die Kosten der Lebenshaltung, wirksame Schutzmas, ahmen zur Erfüllung der Arbeitskraft. 8. F enndschastüche Brzlehnn-en zu allen Völd-rn. Friede mit Rußland. Erfüllung der sich aus dem Friedens- veriraa, ergebenden Bedingungen.
Weitere Bemühungen.
Mit der Ablehnung der Unabhängigen ist der Auftrag des Reichskanzlers Müller erledigt. Berliner Blät^ tern zufolge wird der Reichspräsident nunmehr voraussichtlich den Zenirumsführer Trimborn mit der Kabinettsbildung beauftragen. Ti ser werde verbuchen, aus Zentrum (67 Mandate), Sozialdemokratie (110), Föderalistische Partei (21) oder wenigstens deren einem Teil, der Bayerischen Volkspartei f12) und den Demokraten (45) die alle Koalition wieder herznstellen, die insgesamt 243 bzw. 234 Mandate hätte, also eine unbedingte Mehrheit von nur 25 bzw. 14 Mandaten. Würde auch dieser Versuch scheitern, so wird wahrscheinlich Dr. Stresemann oder Dr. Heintze (Deutsche Volks- Partei mir 61 Mandaten) der Auftrag znfallen,' doch wird eine Enistheidung wohl erst getroffen werdest nach-
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54. sjaffi-gang
dem die sozialdemokratische Parteikonferenz am 13. Juni Stellung genommen "haben wird. "j
Der Parteivorstand der Bayerischen Volks- partei erklärte, die Bayerische Volkspartei könne sich an jeder Koalition beteiligen, der die Unabhängigen nicht angehören. 1
Der „Berliner Lokalanzeiger" ist der Ansicht, selbst wenn die Sozialdemokratie von der neuen Regierung sich fermhalten sollte, wären die bürgerlichen Parteien einschließlich der Demokraten stark genug, eine feste Koalition zu bilden, da sie von 461 Mandaten (die Gesamtzahl der Reichstagsabgeordneten hat sich nachträglich etwas geändert) 269 haben, cllso über eine Mehrheit von 77 Stimmen verfugen. Tie „Tägl. Rundschau" (Stresemann) dagegen sieht in dem etwaigen Ausschluß der Sozialdemokratie einen schweren Fehler. Wenn sie sich weigern würde, der Koalition beizutreten, so hätte sie die Verantwortung zu tragen.
Die Zentrumsfraktion ist auf Dienstag, den 15. Juni nach Berlin einbernfen. /
Voraussichtlich wird der Reichstag am 24. Juni znsammentreten. -----—^
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Nerres vom Tage.
Heeres« und Marinekammer. -
Berlin, 13. Juni. R-eichSwrhrminister Geßler hak die Errichtung einer Heeres- und Marinekammer ungeordnet, die dem Chef der Heeresleitung und dem Chef der Admiralität unterstellt werden und dem Reichswehrminister gls beratende Behörde zur Seite stehen sollen.
Aus der Bremer Schiffahrt. ^
Bremen, 13. Juni. Vier Bremer Aktienreedereien, der Norddeutsche Lloyd, Hansa, Argo und Neptun, planen eine finanzielle Vereinigung zur Abwehr fremder Kapitaleindringlinge. Man denkt an einen Finanztrust, der von jeder der vier Gesellschaften bestimmte Posten Aktien in dauernden Besitz nimmt. I-
Abrcise der internationalen Kommission ans Schleswig.
Flensburg, 13. Juni. Die internationale Kommission wird mit ihren Truppen- in den nächsten Tagen abreisen. Ein großer Dampfer ist bereits auf der Förde einge-, troffen. Tie deutschen Verwaltungsbehörden und das Militär werden sodann die zweite Zone wieder besetzen, die erste geht völlig an Dänemark über. . . , ,
Amerikanische Fleischsendung.
Berlin, 13. Juni. Wie die „Boss. Ztg." berichtet, hat das Handelsamt in Washington die deutsche Regierung benachrichtigt, daß mit amcMFanischen Fieischaus- fubrsirmen ein Kredit von 45 Mill. Dollar (etwa 1800 Mill. Papiermark) vcreinbarll sei. Mit der Verschiffung des Fleisches könne sofort begonnen werden.
Zur Regierungskrise in Oesterreich.
Wien, 13. Juni. Der niederösterreichische Arbestcr- rat faßte eine Entschließung, die sich gegen eine bürgerliche Regierung richtet und die Arbeiterschaft aufrnft, im Falle einer solchen Regierungsbildung in den Generalstreik cinzntreten. ^
Giolitti für Aufnahme der Mittelmächte in den Völkerbund.
Rom, 13. Juni. „Stampa" meldet, daß Giolitti in seinen Verhandlungen mit den Parlamentariern zur Bildung des Kabinetts sich für die Einbeziehung der früheren Mittelmächte in den Völkerbund ausgesprochen habe.
Bom Völkerbund.
London, 13. Juni. Wahrscheinlich wird der Untcr- richtsminister Fisher England bei der Sitzung des Völkerbnndsrats am 14. Juni vertreten, wo über das Ersuchen Persiens betreffend die Besetzung Enzelis durch die Bolschewisten beraten werden soll. Der Vertreter Frankreichs wird Bourgeois sein. Es ist das erste Mal, daß der Völkerbund auf Grund Ersuchens eines Mitglieds zusammentritt, um als Friedensvermittler auf- zutreten. Einer der beiden Parteien, Sowjet-Rußland, ist nicht Mitglied des Völkerbunds und die Bnndessatzung sieht für diesen Fall vor, daß der'betreffende Staat aufge- fordrrt werden kann, für den vorliegenden -trestfall die einem Mitglied obliegenden Verpflichtung znnehmen.
Krieg im Osten.
^ Kopenhagen, 13, Juni. Ejnem Telegramm guA.