Reichstags-Programm und Rechenschaftsbericht der Deutschen demokratischen Partei.
Es galt, den Staat herauszuretten aus der militärischen Niederlage, aus dem Zusammenbruch der alten Staats- eknrichtung und der Finanzen, aus Gärung und Not, aus Arbektsentwöhnung, Geldentwertung und Preisrevolution, aus den grausamen Bedingungen eines brutalen Feindes, aus Bürgerkrieg und Staatsstreich.
Die Nationalversammlung hat diese übergroße Aufgabe in Angriff genommen. Sie hat den Anfang mit der Wiederherstellung der Ordnung gemacht. Ein Grund ist gelegt. Es «ruß weiter gebaut werden.
Die Wählerschaft, beim Abschluß der Nationalversammlung zur Wahl des ersten Reichstags aufgerufen, erhebt die Frage: Ob die Abgeordneten ihren Grundsätzen und ihrem Wahlprogramm zur Nationalversammlung treu geblieben sind? Geschehenes konnte nicht ungeschehen gemacht, der siegreiche Feind konnte nicht aus dem durch die Niederlage wehrlosen Land vertrieben/ der Finanznot und der Geldentwertung nicht mit äußeren Mitteln gesteuert werden.
Aber die Nationalversammlung bat die Hände nicht kn den Schoß gelegt und die Deutsche demokratische Partei hat ihr Wahlprogramm vom 19. Januar 1919 zu verwirklichen begonnen und ihr Versprechen ekngelöst.
Das demokratische Programm hatte gefordert r
1. Die Aufrechterhaltung "Ver Relchselnhttt —
2. Eine neue, freie Verfassung —
3. Religionsfreiheit und GewiffenSschutz —
4. Hebung deS Volksbildungswesens —
5. Feste Reglerungsgrundsätze —
S. Anbahnung der VerkehrSeinheit —
7. Vereinheitlichung der Wasserstraßen —
8. Innere Kolonisation und Ansiedlung —
S. Gerechte Steuerverteklung mit scharfer Progression —
10. Abschaffung der Adelsvorrechte —
11. pflege der Kriegsbeschädigten —
12. Förderung der Sozialpolitik —
13. Gemeknwirtschastliche Ausgestaltung der Prlvatmonopole —
14. Vertretung der BerufSstände bei Gesetzesvorbercitung —
Die demokratische Arbeit hat erreicht:
Die ReichSeinhett ist bewahrt.
Die freieste Verfassung der Welt ist geschaffen.
Die Freiheit des Gewissens und der Religion ist geschützt
wie nie zuvor.
Die Einheitsschule ist eingeführt als Grundlage wichtiger Reformen. Die konstitutionelle RegkerungSwekse und der legitime Einfluß des Volkswillens ist verwirklicht.
Die Reichseisenbahnen sind durch Verfassung und Vertrag zur Wahrheit geworden.
DaS Reich hat alle Wasserstraßen übernommen und den Neckarkanal auszuführen begonnen.
DaS Siedlungsgesetz mit seinen Agrarreformen ist geschaffen, das Ftdekkommißvorrecht aufgehoben.
Ein großes Reformwerk mit schärfster Kriegsgewinn- und Erbschaftsbesteuerung ist in Kraft gesetzt.
Alle Adels- und Standesvorrechte sind ausgehoben.
Große Summen find für die Kriegsbeschädigten auSgeworfen. Einschneidende soziale Resormgesehe sind erlassen.
Ein einheitliches Reichs-ElektrizktätSgeseh ist erlassen.
Ein Reichswkrtschaftsrat für die Landwirtschaft, Handwerk, Arbeiter, Angestellten und Unternehmer ist geschaffen.
Auf vielen Gebieten war die Gesetzgebung tätig. Die Geschichte wird aussprechen: Noch nie hat eine Volksvertretung während eines einzigen Jahres unter den allerschwersten Bedingungen mehr gearbeitet. Viele schwere Nbel konnten noch nicht behoben werden. Die Entwertung des deutschen Geldes, diese Ursäche der Lebensmkttelüberteuerung und Lohnumwälzung war Folge der riesigen Kriegsverschuldung, des Zwangsfrkedens, der Arbektsentwöhnung und der Arbeitseinstellungen. Der Mangel des Ordnungsgeistes auch unter den Truppen und einem Teil der Beamtenschaft konnte mit Gesehen nicht beseitigt, dem Feind das vergewaltigte Land nicht abgenommen werden. Keine Regierung und Staatsgewalt, auch nicht die monarchische, deren Politik zu dem schlimmen Ende geführt hat, kann mit einem Schlag das, was geraubt und zertrümmert ist, erneuern und den zerstörten Staatskredit wiederherstellen. Dazu sind Jahre und Jahrzehnte nötig. Das Vertrauen der Handelswelt des Auslandes kann und muß durch ruhige Zustände und durch rastlose Arbeit zurückgewonnen werden.
Aber die Nationalversammlung hat mehr getan als Gesetze gemacht: Sie hat eine Rekchsregierung geschaffen und getragen. Die Regierung hat das Staatssteuer ergriffen und die Diktatur der Straße nkedergehalten. Den Staatsstreich, den die Verschwörer des alten Systems verbrecherisch gewagt haben, hat sie entschlossen niedergeschlagen und abgeschnürt. Nur das Vorhandensein einer Volks-Regierung und einer festen Mehrheit ermöglicht die Überwindung des Zusammenbruchs: Der Arbeitswille kehrt zurück, die Staatsautorität hebt sich trotz der planmäßigen Verunglimpfung durch viele »staatserhaltende" Elemente, die Volkswirtschaft beginnt sich zu beleben. Die Preise sinken, und die Währung steigt!
Die Deutsche demokratische Partei hat durch ihre fähigsten Männer in der Regierung ebenso entschlossen und klar gehandelt wie im Parlament. Sie ist den Förderungen und Lockungen der Reaktion ebenso bestimmt entgegengetreten wie den Übertreibungen des Sozialismus. Sie hat die Vorrechtsforderung in den acht Gewerkschastsforderungen abgelehnt.
Im neuen Reichstag
gilt es, das große, schwere Werk der Wiederaufrichtung Deutschlands fertzufetzen, die Reichsverfaffung zu schützen und auf ihr wetterzubauen.
Das Ziel ist:
Eine Nation zu bleiben. — Die Freiheit nach außen und im Innern herzustellen. — Gleichmäßigen Volkswohlstand zu erarbeiten. — Weltgeltung zu erringen. — Gerechtigkeit zu verwirklichen. — Die Leistung und Gesittung zu erhöhen.