Versammlung des Landwirtschaftlichen Hauptverbands.
ii.
Protest gegen politische Entrechtung des Bauernstands.
Darauf erstattet Dr. Munzingcr seinen Bericht gegen eine politische Entrechtung d:s Bauernstands, der in folgender Entschließung zusammeng.'faht ist: „Der Landwirtschaftliche tzaupt- oerdand Württembergs stellt vor der Öffentlichkeit fest, daß Li: württcmbergischen Landwirte nicht länger willens sind, stch rls Staatsbürger minderen Rechts ansehen zu lassen. Sie verlangen zur Durchführung der von der Verfassung gewährleisteten Gleichheit vor dem Gesetz: 1. alsbaldige Einführung.» ves Arü' tszwangs bzw. eines "Streikverbots, solange sie semst noch die Zwangswirtschaft erdulden müssen, 2. Rückgängigmachung und Niederschlagung sämtlich r Strafen wegen Lieferversäumniste, 1. Verbot des Entzugs zuständiger GcnutznMel (z. B. Zuckcr), 4. Umgestaltung der Wahlegrsetze, daß das Recht der Waglec gegenüber den Parteileitungen besser gesichert wird, 5. Besserstellung der Landwirtschaft b i dr Zusammensetzung des Reichs« wirtschastsrats. Sie erklären ferner gegenüber jenen Bcruss- ständen, bei denen die Erzwingung von Rechten und Vorrechten durch Streik oder Streikdrohung schon zur Gewognhelts- fache geworden sind, daß sie in Zukunft das Recht zur Arb^its« riiistcstung. d. h. Einstellung der Lieferungen auch für sich in Anspruch nahmen werde», snüs Lebensrechte der Landivi-tschast oder der Volksgestnnthcit durch andere^, Berufsstände oder d:e Regierung in Frage gestellt werden. Sie verzichtet auf stdcs Streikrccht, wenn dies vvnseitcn der anderen Stünde auch geschieht." Auch diese Entschließung wurde etnstimmsg ange ommen.
Unterdessen war Staatspräsident Bios mit Ministerialdirektor Erleumaier im Saat erschienest. Der Vorsitzende Hornung de- zriißte ihn unter lautem Beifall der Versammlung.
Freie Bewirtschaftung der Milch.
Regiernngsrat Strobel erstatrete dann das Gsgenreferat zur Frage der Zwangsbewirtschaftung. Seine Ausführungen, wie die des Berichterstatters Dr. Munzing«:', wurden vielfach vor- ninutentangem. stürmischem Beifall und schärfsten Zwischen.»!? i unterbrochen. Strobel legte der Versammlung eine weitere En - schließnng vor: „Wir fordern von der Staatsregierong bezüglich der Zwnngsbewirtschastnng landwirtschaftlicher Erzeugnisse, daß l. für das Wirtschaftsjahr tstr/O anfzuheben ist: die Bewirtsche - tuna von Getreide, tznlsenfriichten und Kartoffeln, 2. die Beivirl-. ichastung von Wein, Obstwein, Gespinstpflanzen, Oelfrüchte«, Tabak, Eiern, sowie von Rindvieh und Schweinen ist sofort aus- zuheben, 3. die Bewirtschaftung von Milch soll nur tznsosicn rufrcchterhalten werden, als -es die Versorgung von. Kindern, kranken und Alten erfordert, 4. Aste übrigen landwirtschast» schaftlichen Erzeugnisse sind freizngeben." — Gegen Punkt R erhob sich aus der Verla.iimlunZ lebhafter Widee'prnch und es wurde der Antrag des Referenten abgelehnt und dafür freie Bewirtschaftung der Milch gefordert. st-ßF,..
Tie Aussprache. '
In der nun etnsetzenden Aussprache kamen zum 2vori: uven kand - Ilssctd. Locher-Nereeheim, Adorno-Kattenberg, Schiel«. Wurzach, Dinqler-Calw, Hummel u. u. Staatspräsident Blrt führte aus: Durch mein Erscheinen habe ich wohl bewiese.« daß der Negierung das Herz nicht in die Hosen fällt. A'^ Vorgänge bei der Landwirtschaft verfolge ich aufs genaueste unü ich anerkenne die Leistungen der Landwirtschaft vollauf. A H die Beschwerden, die zu mir dringen, beachte ich, ich wc i>> die heute gehörten Klagen Berlin oonragen und dafür sorg », daß sie zur Berücksichtigung gezogen werden. Ich kann Ke n« Versprechungen machen, da wir von der Relchsregierung und Nationalversammlung abhängig sind. Ich Kanu nur versichern, daß ich kein Vorurteil gegen die Landwinschast habe, and laß ich die vielen Beschwerden und Wünsche, dic^ in den Verhältnissen begründet sind, zur Kenntnis der maßgebenden Stellen orlnge.r werde (Zustimmung und Widerspruch).
Der Pvijitzmde dankte dem Staatspräsidenten und wünschte, daß sein Emstuß gleichermaßen in Berlin wie beim württ. Er- nährungsminislerinm zur Geltung komme.
Lekoiiomierat Vogt begründet hierauf folgenden Antrag: „Die heutige V r ammlung richtet an die würtlembergische Staatsrcgie- runci Las dringende Ersuchen, sofort eine größere Summe (50 000 Marks als Prämie nnszuwcrfen zur Erforschung des Errcgers ' der furchtbar auftretlndcn Maul- und K micns-uche." Auch dieser Antrag fand Annahme.
Die B.r'amm'ung beschäftigte sich dann noch mit dem Landwstt- schasttich n Wochinb all, mit einem Antrag der Handwcrkskammer Ulm zur gewcrb'ichen Arbeitszeit und nahm zu den Wahlen eine Enstchiießmig an, daß nur die Kandidaten gewählt' mcrden sollen, Li: dcn Forderungen der Landwirtschaft, nanmntlich nach in der Frage der Zwangswirtschaft, volle Gerechtigkeit widerfahren lassen. Nach 7stüadiger Berhandkmg wurde die Tagung geschlossen.
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Dm Tagung des Landw. Hauptverbandsst deren Teilnehnier- zahl auf über 3000 angegeben wird, nahm noch eine Reihe von Entschließungen an, in denen u. a. eine Entschädigung für den herabgesetzten Häutezuschlag der Zeit vom 12. bis 10. Ap:i! verlangt wird. Die Persammlung sprach dem Ernähru:gs- minister Gras das schärfste Mißtrauen aus und verlangt von den maßgebenden Parteien die Besetzung des Postens durch einen anderen'Mann. Für das Handwerk, das im Haupt- und Nebenberuf für die Landwirtschaft arbeitet, so.ll der llstundige Arbeitstaa einaesübrt werden, widrigenfalls der Verband jede
Berantwortuna für die rechtzeitige Ablieferung und Ernte ab- lchnt. Der Achtstundentag sei für die Landwirtschaft, die nicht von dem jeweiligen -Willen der Regierung, sondern vom Wetter abhängig sei. eine Unmöglichkeit.
Württ. Landtag.
- Stuttga-t, 21. Mai.
(96. Sitzung.) Der Kehraus des Landtags mar reichlich lang. Zuerst wurden sechs kleine Anfrage» erledigt und zwei weitere in den Papierkorb geworfen, weil die Fragesteller nicht zu- gcgen waren. Ans den Antworten der Minister ging hervor, baß die Pslizeimchr-Schar 1 zwar in Göppingen bleibt, .aber bald ans der Knabenschule ansauartiert wird, Laß die Aufhebung der Z.ckirbenü tschaftung eine starke Prstssteigerung bringen würde und daß dis Regierung nichts davon wisse, ob in den letzten 4 Monaten für 36 Millionen Mark Zucker ins Anstand ging: ferner daß wegen der Erwerbung von Grundstücken durch Ausländer die Stäatsregierung sich mit Ler Reichs- regieruug in Verbindung gesetzt und daß sie keine Nachricht davon hat, ob in den Fildergemeinden lagerndes Sauerkraut zur Felderdüngung verwendet würle.
Ans- die Anfrage des Abg. Wider (P P.) wegen der Verwendung von 10 Millionen Mark für die Wahlnrbeit zugunsten der Regierungsparteien antworn;! Siaatsprä.ixnt Vlr-s, der „Heimatdienst" habe weder diese Summ: anzesord:rt, noch erhalten. — Arbeitsminister Leipart gab zu, daß der frühere sozialdemokratische Arbeitersekretür Matiutat nachgesucht habe, ihm seine Arbeitersekretarialsjahre in die pmsionsberechtigte Dienstzeit einzurcchuen, was zuiä,sig sei.
Das neue Besoldungsgesetz, das für die Beamten und Lehrer 140, für die Pfarrer 20 Millionen mehr als bisher im Jahre anfordcrt, wurde nach Befürwortung durch den Finanz- minister bezüglich der Beamten einstimmig, bezug ich der Pfarrer mit allen Stimmen gegen die der 4 Unabhängigen angenommen. Der Finanzminister verwahcte sich gegen die Angriffe auf seine Person wegen der seinerzeitigen Gehaltsvoraus- zahlnng von 8ÜÜ Mark die nicht zurückb zah t werden müssen: vielmehr werden 600 Mark a's Ansgleichszah'.ung entsprechend der Tariferhöhung der Arbeiter-angerechnci, und nur 201 Mk. müssen in Monatsbeträgen von SO Mk. zurückerstattet werden. Eine Nachprüfung der Besoldungsordnung ist bis zum 31. Oktober vorzunehmen. Die Äocksschu lehre: werden den mittleren Beamten gleichgestellt, die Lehrerinnen de» Lehrern: für sie kommt das 6. Scminarjahr. Die Teuerungszulagen für alle
Die 3. Lesung des Amtsblat g sctzes wurde mir Rücksicht auf eine Eingabe des Städtetags bis nach den Wahlen zurückgestellt.
Im Eilzngstempo wurde das Gesetz über den Verkche mit Grundstücken im Gebi:t d:s Neckarkanrl- er edigl, La- eine» Streifen von einem Kilometer Breire zwischen Heiitnonn und Plochingen der freien Verfügung der Eigentümer entzieht. Die Redner des Bauernbunds und der Demokratie erhoben ihre schwersten Bedenken gegen die ü.e.stü.z.e Verabschiedung ohne genaue Prüfung bei einem so schweren Eingriff in Las P.ivat- eiqentum. Das Gesetz wurde a'eer in a! en 3 Lesungen bei einem ch zwei Dritteln leeren Hanse ' jchiießlicti mit den Stimmen ltlcr Rcgiernnasparteicn gegen die der Bürgerpartei und des Bauernbunds, "die sich der Abstimmung enthalte», angenommen.
Auch, die Verlegung des Forfiuntenichts von Tübingen nach Frciburg erhielt Gesetzeskraft. Ein bauernbündlerischer Antrag ruf Freigabe von Hans und Flachs wurde abgelehnt, aber die steberlassuna eines größeren Quantums an die Erzeuger be-
oerringert sein und wohl auch in seiner Zusammensetzung einige Aendc'rungen aufweisen.
Württemberg.
Stuttgart, 21. Mai. (Die Landesvorschlags- liste der Zentrumspartei.) Die Landesvor- schlagsliste der Zentrumspartei setzt sich in folgender Weise zusammen: 1. Landgerichtsdirektor Walter-Ellwangen; 2. Justizminister Bolz-Stuttgart; 3. Frau.Professor Rist- Stuttgart; 4. Arbeitersekretär Andre-Stuttgart; 5. Gutsbesitzer Adorno-Kaltenberg; 6. Schulrat Pollich-Stutt- gart; 7. Frl. Eugenie Metzler-Stuttgart; 8. Pfarrer Stiegele-Untermarchtal; 9. Fabrikant Herzer-Gmünd; 10. Privatnngestellter Vögele-Stuttgart; 11. Bahnhofvorsteher Banmann-Spaichingen; 12. Schreinermeister We- ber-Gosheim; 13. Weingärtner Salch-Löffelstelzen; 14. Kaufmann Hugo Hotz-Eßlingen; 15. Frl. Schneider, Lehrerin in Offenau.
Wahlvorschlag der Deutschen demokratischen ParteifürdieReichstagswahl. 1. Hauß- mann, Conrad, Rechtsanwalt, Stuttgart; 2. Wieland, Philipp, Dr. Ing., Fabrikant, Ulm; 3. Herrmann, Karl, Handwerkskammersyndikus, -Reutlingen; 4. Herrmann, Hugo, Bauer, Blaufelden, OA. Gerabronn; 5. Heust, Theodor, Dr., Schriftsteller, Heilbronn-Friedenau; 6.
Planck, Frl., Mathilde, Schriftstellerin, Beuren, OA. Nürtingen: 7. Sigel, Walter, Dr. Stuttgart; 8. v.
Blume, Wilhelm, Dr., UniversitükZprvsessor, Tübingen; 9. Flad, Fritz, Tuchweber und Gemeinderat, Nenhausen, OA. Urach; 10. Spiest, Franz Xaver, Landwirt und Mühlebcsitzcr, Gebrazhofen, OA. Lentkirch; 11. Bäuerle, Theodor, Direktor, Stuttgart; 12. Ehni, Ella, Kaufinannswitwe, Stuttgart; 13. Schwarz, Karl, Bäckermeister und Gemeinderat, Stuttgart; 14. Fischer, Johannes, Redakteur, Stuttgart.
Stuttgart, 21. Mai. (Vom Rathaus.) Der Gemeinderat hat das Schulgeld an den höheren und Mittelschulen so erhöht, dast jährlich mit einem Mehranfall von 285 000 NU. gerechnet werden kann. Die Hnnoeabgabe wurde aus 80 Mk. für den ersten und l20 Mk. für den zweiten Hund eines Besitzers erhöht. In Stuttgart sind zurzeit 6009 .Hunde angemeldet. Vom 1. Juni ab'wird eine F> emdcnwohnsteuer erhoben, die - 10 Prozent von Beträgen über 2 Mk. an betragen soll. Steuerfrei sollen aber gemeinnützige Ansteckten, Pensionen, Privatwohnnngen nstv. bleiben. Zur Deckung des Aufwands für Klein- und Notwohnung:» werden weitere 11 Millionen Mark ausgenommen.
Pttihittgen a. Enz, 2l. Mai. (Kriegerdenkmal.) Tie Spenden für das .Kriegerdenkmal haben einen Betrag von mehr als 12 000 Mk. ergeben. Die Stuttgarter Künstlervereinignng wird ausgesordert, der Stadt Entwürfe einznreichen.
Sersheim, OA. Baihingen, 21. Mai. ^(M ü hletisch ließ ung.) Wegen Unzuverlässigkeit ist die Mühle des Besitzers Heinrich Grau bis 30. Juni geschlossen worden.
Plochingen, 21. Mai. (Diebs Volk.) Im November v. Js. wurde in der-Spinnerei von Heinrich Otto in Wendlingen nachts eingebrochen und für 1500 Mk. Stoff von den Webstühlen gestohlen. Durch Haussuchungen in Köngen wurde die Mare beigeschafft. Drei der Beteiligten, Rudolf, Hugo und Rosa Kämmerer, sind verhaftet.
Tuttlingen, 21. Mai. (Dieberei.) Dem Leder- warensabrikanten Buch Holz wurden Ende November v. Js. ein geschlachtetes Schwein, sowie- mehrere 100 Eier und Wein, und im Februar ds. Js. für 10 000 Mk. Leder gestohlen. In der Nacht zum Montag wurde wieder eingebrochen und für 12 000 Mk. Herren- und Tamenkleiderstofse entwendet. Ter Dieb wurde in der Person der ledigen Haustochter Lina KanPP, genannt Kappler, von hier, festgestellt. Die Täterin genoß im Hause volles Vertrauen. Die Kleiderstoffe konnten noch abgcnommen werden in dem Augenblick, als- sie diese in dcn Abort werfen wollte. Einen kleinen Teil des gestohlenen Leders hatte die Mutter der Diebin noch versteckt gehalten. Die Elster wurde an das Amtsgericht eingeliefert. .
Evang. Landesstznsde.
vp. Stuttgart, 2l. Mai. Am Freitag wird die K ir ch en v e r f a ssu ng verabschiedet. Aus Pen Verhandlungen ist noch hervorzuheben, daß an der Wahl des Kirchenpräsidenten ans Lebensdauer mit großer Mehrheit festgehalten und eine Entschließung angenommen wurde, bei der Ernennung der geistlichen Mitglieder des Oberkirchenrats möge ans engere Verbindung zwischen Kirche und Innerer Mission Bedacht genommen werden. Das ganze Verfassungsgesetz wurde dann in namentlicher Abstimmung einstimmig angenommen. In erhebenden Ausführungen bringen der Präsident der Landeskirchenversammlung Dr. v. Haffner, der Präsident des Konsistoriums v. v. Zeller und der Mitberichterstatter Röcker Dank und Segenswünsche für die künftig nach dieser -Verfassung lebende Kirche zum Ausdruck. — Hierauf wird einstimmig nachdrücklicher Protest gegen die Verwendung schwarzer Truppen zur Besetzung deutschen Gebiets erhoben. Nachdem noch über Eingaben der Organistenvereine eingehende, aber noch nicht abgeschlossene Beratungen stattgefnnden haben, vertagt sich^das Hans auf Mittwoch nach Pfingsten.
ED _
Ev. LandeKkirchenversammlmtg.
, vp. Stuttgart, 20. Mai. Am Donnerstag tritt man m tue 2. abschließende Lesung des Ki r ch en v e r s a s- sungsgesetzes ein. Es wurden noch einige Acnde-
Die wilde fiummel.
Roman von Erich Friesen.
iO l^octletrung.)
itck' ' , st, 13. .
»Hallo!» ' '' "
Peitschengeknall und Pferdegetrappel. ' '
Wie der Wind sänst der zweiräderige Buckh mit feinen beiden Insassen den Wannsee entlang.
Tie Wangen, des jungen Mädchens sind heiß gerötet vor Jugendlnst. In den ernsten Augen des Man- ^ »es glimmt ein Funke von Bewunderung, wenn sie «uf die schlanke Gestalt blicken, die, kerzengerade auf- terichtct, mit männlicher Kraft die feurigen Pferde in Zaui.. hält.
Heute mittag hatte Norbert Gräfin Klothilde und ihr Mündel zu einer Spazierfahrt in die Umgebung des Wannsee abgeholt. Ihre Exzellenz willigte ein, leuszeud zwar, aber was tut man nicht für seine Mündel! Voller Todesangst saß sie hoch oben auf dem luftigen Gefährte, jeden Augenblick eine Katastrophe erwartend. Und als Norbert nach dem Mittagessen, das sie in einem idyllisch gelegenen Restaurant eingenommen, eme weitere Fahrt nach Potsdam zu, vorschlug —- La wehrte sie entsetzt ab.
„Nicht um die Welt!" stöhnte sie. „Geht allein! Ich halte inzwischen hier mein gewohntes Mittagschläf- chcn." Tenn die gute Gräfin Klothilde, die so viel aufs Acußere hält und sich durch allerlei Hilfsmittelchen „ewige Jugend" verschafft — wenigstens äußerlich — ist bcgucm geworden, zumal enges Korsett und hoch- haü!ge E::. .cl-hen nicht zur. Behaglichkeit Zeitragen.
Sr kutschierten Norbert und Liane allein davon. Und die wilde Hummel läßt ihrem Uebermut einmal nach Herzenslust die Zügel schießen und tobt sich aus durch rasend schnelles Fahren — eine Erfrischung für ihre kraftstrotzende Natur nach der wochenlangen Gefangenschaft, wie sie es bei sich nennt.
Auch Norbert fühlt sich zufrieden. Er läßt sich erzählen von ihrem früheren Leben, von Büffel-Goldfeld, von den „Jungens" — —
Und voll kindlicher Begeisterung plaudert sie uni gibt ihm ein naturgetreues Bild ihres ganzen Seins.
Mil steigendem Wohlbehagen hört er ihr zn.
Ohne, daß er es weiß, erwärmt sich sein Herz mehr und mehr- für das liebreizende Geschöpf, das ihm sc unverhohlen seine Sympathie zeigt.
Sv vollständig sind die beiden in ihrer Unterhaltung vertieft, daß sie nicht die große schwarze Wolke bemerken, die schon lange dränend am .Himmel stand und nun plötzlich rasch nüherkommt. Einzelne Tropfen beginnen zu fallen.
Und nun — Regen, Regen, Negen: in feinem Ge- slcker, in plätschernden, dicken Tcopsen, in schiefen, eiligen Strahlen, als ob die ganze Reichshauptstadt mitsamt ihrer Umgebung vom einsturzdrohenden Himmel gründliches Turchfiltrieren benötige.
Tai Mädchen lacht zwar und meint: „Gut, daß di« Frau Tante nicht dabei ist! Mir schadet es nichtsck Aber ihrem Begleiter wird die Sache doch unheimlich, je mehr die Kleider durchnäßt werden.
Und kein Schutzdach in absehbarer Nähe!
Rasch entschlossen zieht er stinen Uniformmantel aus und will ihn dem Mädchen Überhängen.
Lachend wehrt sie ab. ^
..Ich erkälte mich nie!"
Cr besteht auf seinen Wulm. Und schließlich duldet sie es, daß er sie sorgsam in den Mantel oinhnlckt, wobei seine Hand ihr Haargelock berührt und einmal sogar ihren rosigen Nacken streift.
Warm durchzuckt es den Mann. In einer Plötzlichen Aufwallung beugt er sich nieder und lehnt den dunklen Mädchenkopf für einen Augenblick an seine Schulter.
„Liane!" flüstert er bewegt. „Liebes, kleines Mädchen!"
Nicht schreckt sie in falscher Scham zurück. Nur dis Augen schließt sie in seliger Erwartung, was nun kommen werde.
„Habe ich Sic erschreckt?" fragt er sanft.
Sie schüttelt den Kopf.
' „Sind Sie mir böse?"
„Nein." ' '
Ihre kindliche Offenheit und Wahrhaftigkeit treibt ihm das Blut der Beschämung^ in die Stirn — für einen stolzen Charakter wie Norbert ein fast unerträglichess Gefühl. Er hat nicht geglaubt, daß es ihm so schwer würdep werde, das ausznsprechen, was doch gesagt werden muß. Doppelt schwer, da er jetzt weiß, daß sic ihm völlig vertraut, während er —
- „Wir kennen einander erst kurze Zeit —" beginn! er zögerndi
„Kaum vierzehn Tage!" nickt sie lebhaft.
„Und haben in dieser Zeit einander nicht gar ofi gesehen."
„Viermal!" erwidert sie prompt, an den Fingern abzählend.