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(Enztalbote)

Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

für das obere Enztal.

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

Nummer N4

Mii^baä, vonneistag, öen 20. Mai 1920.

54. ^aftrgang

Das engl. Adwiralstabswerk.

In London ist unlängst das englische Admiralstabs- H»rk über den Weltkrieg erschienen, das über die eng­lische Politik vor dem Krieg wertvolle Aufschlüsse gibt Hnd hie bekannten Denkwürdigkeiten Lord Fishers in «merkenswerter Weise ergänzt.

-luS den Denkwürdigkeiten Lord Fishers, der 1904 N- 1910 Erster Seelord der britischen Admiralität war, irsußte man bereits, daß der Krieg gegen Deutschland »on langer Hand sorgfältig vorbereitet war. Lord Fisher hat mehrfach betont, daß es sein Lebensziel war, Deutschland niederzuschmettern und sei­lten Seehandel zu vernichten. Mit Stolz wird in dem Admiralstabswerk, wie wir derWürtt. Ztg." entnehmen, ausgesprochen:Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß diese für die Bestätigung unserer Machtmittel ge­schaffene Maschinerie einen Grad von Vollständigkeit er­reicht hat, der kein Seitenstück in unserer Geschichte hat. Knter der Leitung Lord Fishers war schon bis 1910 «ine Art Mobilmachnngsplan ausgestellt worden. 1611 setzte Minister Asquith einen ständigen Unteraus­schuß ein, dessen Aufgabe die gemeinschaftliche Rüstung aller Behörden ans den kommenden Krieg war. Das «Kriegsbuch" war mit aufs sorgfältigste durchgearbeiteten Terminen versehen, jedem Departement war ein beson­deres Kapitel für seine Kriegsvorbereitungen Vorbehalten; pb enthielt schließlich die Mobilmachung in vier Ab­schnitten. Bis ins kleinste war alles vorgesehen, wie der gesamte staatliche Aparat, Heer und Verwaltung, rei­bungslos und solange wie möglich ohne Kenntnis der Oeffentlichkeit Zusammenarbeiten sollte. Kabel und Presse­zensur, Schiff- und Hafenüberwachung, Fremdenkontrolle, Handelsbeziehungen mit Freund und Feind, wirtschaftliche Vorbereitungen aller Art waren darin eingeschlossen. Es wurde immer genau geprüft, ob etwa die Maßnahmen ei­ne- Departements die eines anderen störend beeinflus­sen könnten." 3 1/2 Jahre hat der Ausschuß für die Fer­tigstellung dieses Buchs gebraucht. Besonders wurden auch die Erfahrungen aus der Agadir-Zeit verwertet. Wie hat die englische Presse damals getobt, als England in des deutschen Presse seine strategischen Vorbereitungen uachgewiesen wurden. In jedem Departement saßen Tag Md Nacht Offiziere oder Beamte für die Durchführung der ersten Maßnahmen bereit. Tausende von Telegram- en lagen übersichtlich geordnet da. Jeder nur mögliche cief war geschrieben und verschlossen. Den wichtigsten Hrift- und Drucksachen war eine Vorzugsbeförderung sttskchert. Das ganze System war im Juni 1914 fertig. GA waren damals nur noch einige Unterausschüsse, die Evndervorbereitungen treffen sollten.

Am 16. Juli war die gesamte englische Flotte, 460 Wimpel, zu einer Probemobilmachung versammelt wor­den. Am 23. sollte sie aufgelöst werden. Die österreichi­sche Note au Serbien veranlagte die Admiralität nun m Gegenmaßnahmen. Am 25. Juli wurden alle Dührerstellen besetzt. Am 27. Juli kabelte Grey an den Botschafter Buchanan in Petersburg, daß die Fort- fttzung der Mobilmachung der englischen Flotte das dent- lWle Anzeichen dafür sei, wie irrig die Auffassung. in Berlin und Wien sei, England würde abseits stehen blei- An. Am 28. Juli erneute Verschärfung der Lage. Es W zwar richtig, muß der Verfasser hier eingestehen, Saß die deutsche Negierung Neigung zu einer kriegsvor- " rgenden Verständigung mit England zeigte. Trotzdem sich die Admiralität zu entscheidenden selbständigen -ritten veranlaßt. Am 29. Juli ging die englische Ute mit abgeblendcten Lichtern durch die Nordsee nach eapa Flow. Die belgische Frage, die später den Kriegs- ^rwaud für den Beschützer der kleinen Nationen abgab, war dainals noch nicht da. Die volle Mobilmachung Akschah vom 1.3. August. Am 3. August, nur 4 Uhr nachmittags, war alles erledigt. Der fast sinnlosen frän­kischen Angst vor einem Ueberfall ihrer Küsten war ichon vor der englischen Kriegserklärung dadurch Rech­nung getragen worden, daß die im Oktober 1913 ver­einbarte englisch-französische Kanalverteidigung schon am ^ August in Tätigkeit trat. Grey hatte dem fran­zösischen Botschafter schon am 2. August die Unter- '"'ümg der englischen Flotte zugesichert. Aus den Zu- ' inenbängen in den Schilderungen des englischen Wer- - mgibt sich, daß allem Anschein nach Lord Hal-

vane ocr rsrganyator der englsicyen mupungen ge­wesen ist. Es kann keinem Ziveifel mehr unterliegen, daß der hohe Grad der englischen Kriegsbereitschaft kriegs­fördernd gewirkt und den vielen noch zögernden eng­lischen Politikern das Konzept verdorben hat.

Neues vom Tage.

Die schwarze Schmach und Spa in der Nationalversammlung.

Berlin, 19. Mai. Wie verlautet, wird die Regierung am Donnerstag eine in der Nationalversammlung ein- gebrachte große Anfrage (Interpellation) über die schwarzen Franzosen beantworten, dagegen über die Konferenz i.n Spa keine Erklärung abgeben.

In derDeutschen Mg. Ztg." wird dazu ausgcführt, Zeitbestimmung der Konferenz wie die Nachrichten über die Entschädigung sind schwankend. Es scheine vergessen zu werden, daß die Goldmark immer noch das Zehnfache der Papiermark ist. Wenn die Konferenz überhaupt noch einen Zweck haben solle, so dürfe die Entscheidung nicht schon im Voraus getroffen werden. Die deutsche Re­gierung fei bereit, über das Mögliche der Leistungen zu sprechen, die Grundlagen der Einladung dürfen sich aber nicht verschieben.

Vernehmung vor Angeschnldigten.

Berlin, 19. Mai. Die in der ersten Liste der Entente derKriegsverbrechen" beschuldigten Deutschen sind vom Oberreichsanwalt in der Zeit vom 7. bis 20. Juni zur Vernehmung nach Leipzig geladen worden.

Unbegründete Beschuldigung.

Berlin, 19. Mai. Gecpn Matrosen einmer englischer Kriegsschiffe war in einigen Blättern die Beschuldigung erhöhen worden, sie hätten sich an minderjährigen Mäd­chen in Hamburg schwer vergangen. Auf Vorstellungen der Reichsrcgierung leitete die englische Marinebehörde eine Untersuchung ein und sie teilte als Ergebnis mit, daß die Beschuldigungen sich als völlig grundlos erwiesen hätten. Tie deutsche Regierung hat nun nach amtlicher Mitteilung dem britischen Geschäftsträger ihr Bedauern ausgesprochen, daß die Beschuldigungen fälschlicherweise gegen den guten Ruf der britischen Marine erhoben worden seien.

Aerzte und Krankenkassen.

Berlin, 19. Mai. Während sich im Reich durch den Abbruch der Verhandlungen zwischen Aerzten und Krankenkassen die Verhältnisse zugespitzt haben, scheint sich in Berlin eine Einigung anzubahnen. Den bei­derseitigen Beauftragten wurde für weitere Verhandlun­gen freie Hand gelassen. Den Verhandlungen wird ein Entwurf über die freie Aerztewahl zu Gru.nde gelegt werden, der von den Aerzten ausgearbeitet wor­den ist.

Der Kamps aus den Hamburger Wersten.

Hamburg, 19. Mai. Nachdem vor einigen Tagen die Schiffswerft von Blohm und Voß wegen des Streiks der Angestellten den Betrieb geschlossen hatte, hat nun auch die Vulkanwerjt den Betrieb eingestellt. Sämtliche große Wersten Hamburgs sind stillgelegt.

Das Parlament des Freistaats Danzig.

Berlin, 19. Mai. Ter Danziger Volksrat wird sich nach den Wablergebimseu zusammeusetzen aus 34 Deutsch- Nationalen, 21 'Unabhängigen, 19 Mehrheitssozialisteu, 17 Zcntrumsvertretern, 12 Abgeordneten der Freien wirt­schaftlichen Vereinigung, 10 Demokraten und 7 Polen.

29V Millionen Mark Patzgebnhren.

Berlin, 19. Mai. Aus Kreisen, die dem polnischen Generalkonsulat in Berlin nahestehen, wird mitgeteilt, daß mau in polnischen Regieruugskreiseu damit rechnet, daß der polnische Staat aus den Gebühren für Pässe allein mit einer Einnahme von 200 Millionen Mark rechnet. Ter größte Teil dieser Gebühren soll sich aus den nach Ostpreußen ausgestellten Pässen zusammensetzen. Bei diesen soll dasür Sorge getragen werden, daß sie immer nur für kurze Zeit ausgestellt, möglichst oft er­neuert und je nach der Länge der Dauer mit höheren Gebühren belastet werden. .Heute verlangt man für einen Paß für einen Monat nach Ostpreußen bereits 20 Mk. gegen 10 vor einigen Monaten, für 2 Monate 40 Mk. usw. Man hof't, daß die Summe von 200 Millionen Mk. durch andauernde Steigerung auch erhöht werden könne.

Entschädigung für die Besetzung des Maingaus.

Genf, 19. Mai. Für die 41tägige Besetzung des. Maingaus soll eine Entschädigung von 1917 Millio­nen Franken gefordert werden. Wer glauben wollte, daß die deutsche Regierung diese Entschädigung fordere, würde sich arg täuschen; die Franzosen erheben nach dem PariserTemps" diese Entschädigung für ihren Ver­tragsbruch. Das ist wohl das stärkste Stück, das sie sich geleistet haben. Vermutlich wollen sie der deut­schen Entschädigungssorderung den Wind aus den Segeln nehmen, denn die Reichsregierung hat beim Einrücken der Franzosen in Frankfurt erklät, daß sie sich Schaden­ersatzansprüche Vorbehalte. - >

Aus dem besetzten Gebiet.

Wiesbaden, 19. Mai. Tie Vereinigung der in den. Rheinlanden ansässigen französischen und belgischen In­dustrie protestiert in Plakaten im besetzten Gebiet gegen- die Gesetze und Verordnungen der Reichsregierung, durch welche das Loch im Westen verstopft wurde. Sie ver­langen die Aushebung dieser Gesetze und Verordnungen;^ andernfalls würden sie ihre Regierungen bitten, dafür, zu sorgen, daß Art. 270 des Friedensvertrags angewen­det werden, der erlaubt, in den Rheinlanden 'einen be­sonderen Zolltarif einzusühren. Der Protest bewegt sich in sehr scharfen Ausdrücken gegen die Reichsregierung.

Poineare hat genug.

Paris, 19. Mai. Poineare übermittelte Millerand sein Rückrrittsgesnch als Mitglied der Wiedergutmachungs­kommission.

Millerand wird im Finanzausschuß und im Aus­schuß für auswärtige Angelegenheiten am Samstag über die Besprechungen von Hythe Bericht erstatten.

Ter Streik in Frankreich.

Paris, 19. Mai. In der Kammer brachte der Minister für öffentliche Arbeiten, Le Trocqueur, den Gesetzentwurf über die Neuregelung der Verwaltung der französischen Eisenbahnen ein. Die Kammer trat dann in die Be­ratung der 11 Interpellationen über den Streik ein. Der Sozialist Duratour verteidigte den Streik und die C. G. T.

Der Sekretär der Gewerkschaft der Eisenbahner, Le- veque, ist gestern verhaftet worden.

Die Gasarbeiter haben beschlossen, die Arbeit wieder auszunehmen.

Beschwichtigung der indischen Mohammedaner.

London, 19. Mai. Ter Vizekönig von Indien hat in einer Botschaft an die Mohammedaner Indiens er­klärt, die Friedensbedingungen für die Türkei seiennach eingehender Befragung der mohammedanischen Vertreter aller Länder" aufgestellt worden und summten völlig mit, den für die Friedensverträge maßgebendenhohen Grund-, sätzen" überein. Den Mohammedanern unter britischer, .Herrschaft werde vollkommene religiöse Freiheit zuge-l, sichert. Ob diese Botschaft wohl großen Eindruck- machen wird? ^ ^

Der Streik in Italien.

Rom, 19. Mai. In St. Michel (Prov. Venedig), haben streikende. Landarbeiter das Rathaus völlig zer­stört, weil die Behörde sich weigerte, ihnen die Arbeits­losenunterstützung auszuzahlen. Nach den Blätter ha­ben die Post-, Telegraphen- und Fernsprechangestellten in ganz Italien mit Ausnahme Mailands die Arbeits- hemmuna aufgegeben. ^ s :'

Krieg im Osten.

Amsterdam, 19. Mai. Wie dieAssociated Preß", aus Moskau meldet, ist in Mittel- und Nordrußland das Kriegsrecht verkündet worden. - -

Haag, 19. Mai. WieNieuwe Courant" aus London meldet, sollen die Bolschewisten die in Baku festge­nommenen auswärtigen Missionen wieder auf freien Fuß gesetzt haben mit Ausnahme der englischen, die zur Arbeitsleistung im Hafen gezwungen werde.

TieTimes" meldet, daß die bolschewistischen Trup­pen die persische Grenze überschritten haben. ,

Llohd George wiederhergestellt.

Paris, 18. Mai. (Havas.) Lloyd George ist nach Iwndon zurückgekehrt, nachdem sich sein Gesundheitszustand gebelfert hat. . .