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Nr. 226.
Amts- und Anzeigeblatt für den Oberarntsbezirk Calw.
88. Jahrgang
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«illamin Ml. Aul Sammclanzeigcu kommt ein Zuschlag von l<»°^ — ilcrnlpr.il.
«MMtimeMt der LeMm Reichslagr.
Die erste Sitzung
Mittwoch, den 28. September 1821.
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LezugSpreiä: In der Stadt mit Lrägerlohn Mt. 12.66 vierteljährlich. Pcsrbezugtz- preis Ms. 12.96 mit V-ftellgeld, Schluß der Anzeigenannahme S Nhr vormittag-.
Zrrr innerpsLiiischen Lage
Berli», 27. Sept. Der Reichstag trat nach der Sommerpaufe -eilte nachmittag 3 Uhr wieder zusammen. In einer längeren Lchrache gedachte der Präsident der während der Pärlamenis- ftnen verstorbenen Mitglieder des Hauses, die fast alle dem Zentrum angehörte», des Abg. Dr. Hitze, dem die deutsche Sozialgesetzgebung viel zu verdanken habe, des Abg. Trim- iern, ehemaligen Staatssekretärs und Führers des Zentrums, des Abg. Reichsgerichtsrats Bur läge, eines eben- Ms suhlenden Parlamentariers, sowie des Abg. Reitzhaus fEoz.) Besonders erschütternd habe die Ermordung des Abg. EizLerger gewirkt. Durch sie sei unser Land in schwere Unruhen gestürzt worden, da Erzberger nicht einem vereinzelten Fanatiker oder blinden Idealisten, sondern dem kaltblütigen llebersall ungeschickter Mordgesellen zum Opfer gefallen fei. Trzberger habe oft in hartem Kampf gestanden und da könnten hm manchmal Fehler unterlaufen sein aber er glaube, daß die Geschichte Erzberger einst geben werde, was gewisse Zeitgenossen ihm versagt hatten. Schließlich gedachte der Präsident' dei schweren Katastrophe in Oppau und versprach namens des Reichstags dessen Mitwirkung, um das Elend zu mildern — Das Haus trat sodann in die Tagesordnung ein, die als ersten Punkt eine Anzahl Neiner Anfragen verzeichnet?. Eine entsprechende Anstage der Deutschen Volkspartei wurde regierungsseitig dahin beantwortet, daß mit der Aufhebung der Sanktionen auch die dem Absatz deutscher Flaschenweine entgcgenstehen- den Hemmungen beseitigt würden. Auf weitere Anfragen derselben Partei wurde von der Regierung die Erklärung abgegeben. daß die in den „Süddeutschen Monatsheften" veröffentlichte Eegenrechnung über Grausamkeiten der Feinde an wehrlosen Eesangenen und deutschen Einwohnern amtlich den deutschen Auslandsvertretungen bekanntgegeben worden sei, daß die Regierung sich aber den Zeitpunkt der Verwertung des Materials Vorbehalten müsse, da sie der politischen Gesamtlage Rcch- »ng zu tragen habe. Die Vorlegung einer Denkschrift über die Wen der Vesatzungstruppen, die Kosten des Apparats der siriegsgcsellschastcn und die Höhe des deutschen Volksoermögcns «erde erfolgen, doch nehme deren Fertigstellung noch geraume Zeit in Anspruch. Der Reise des Schriftstellers Maximilian Karden »ach Amerika stehe die Regierung völlig fern. Eine Frage der Unabhängigen, ob der Wehrministcr den Kapp-Re- klle» Löweuseld befördert und Kapitänleutnant Ehrhardt mit «all« Pension entlasten habe, wurde regierungsseitig verneint. Die Pension werde nicht ausbezahlt, ehe er ermittelt sei. — - Schließlich wurde das Gesetz über den Luftverkehr einer Leideren Kommission überwiesen, der Gesetzentwurf betreffend Dttpslichtung zur Auskunft über die militärfiskalischen Gelder W deren Herausgabe in zwei Lesungen angenommen und um stb Uhr dix nächste Sitzung auf morgen nachmittag 2 Uhr an- brraumt, auf deren Tagesordnung u.a. die Interpellation betresst das Unglück in Oppau steht.
Der Geschäftsplan.
Berlin, 27. Sept. Der Aeltestenrat des Reichstags beschäf- sich seiner heutigen Sitzung vor der Plenarsitzung mit dm Geschijstsplan für die nächsten Tage. Morgen wird das «glück xon Oppau zur Aussprache kommen. Der Donnerstag M von einer Plenarsitzung frei bleiben, damit der auswärtige ««schütz den amerikanischen Friedensvertrag behandeln kann «t die Fraktionen zu « den allgemeinen politischen Fragen «llling nehmen können. Am Freitag wird die große politische «Mache beginnen, die an die Verordnung des Reichspräsi- "ten vom 28. August und die dazu gehörigen Interpellationen «grmüpst wird. Am Freitag wird wahrscheinlich der ameri- Kzll, ^.^°*wver1rag im Plenum behandelt werden. Nach Wutz dieser Debatte soll der Reichstag bis zur Beratung « vteuervorlagen im letzten Drittel des Monats Oktober — Das Reichstagsgebäude ist heute in den k» « - .^flaggt. So wird es nach besonderer Verordnung ^ 2 , "^prästdenten Lobe in Zukunft an allen Tagen sei», ^ *!^"^ungen statsinden, eine Gepflogenheit, die auch von Parlamenten anderer Länder geübt wird.
"üe Borsttzende der Zentrumspartei.
hi! an» Reichstagssraltion der Zentrumspartei
->« » n ^ verstorbenen Abg. Trimborn den Abg. Marx Pilus, n" 2k*^enden gewählt. Das Amt des Zweiten "Eibl in der Hand des Abg. Becker-Arns- 'vntter Vorsitzender wurde der Abg. Euerard.
Vorläufige Einigung zw.fchen Bayern und dem Reich.
München, 27. Sept. Vor Eröffnung der Sitzung des Verfas- sungsausschusses wurde dem Ausschuß eine Vorlage der Regierung unterbreitet, in der miigetoilt wird, daß bei den am 21. September 1821 in Berlin stattgefundenen Verhandlungen zwischen dem Reichskanzler und dem Reichsminister des Innern, sowie dom bayerischen Ministerpräsidenten und dem bayerischen Minister des Innern vorbehaltlich der Zustimmung des bayerische» Gesamtministeriums und des bayerischen Landtags vereinbart wurde, daß die Verordnungen des Reichspräsidenten vom 28. und 3V. August 1821 zurückgenommen und durch eine neue Verordnung ersetzt werden, dir spätestens am 2g. September 1821 erlassen werden soll, daß die bayerische Staatsregierung die Verordnung über den Ausnahmezustand spätestens am 8. Oktober 1921 mit Wirkung vom 18. Oktober 1921 außer Kraft setzen wird, daß die Zustimmung des bayerischen Gesamtministeriums und des Vcrfassungsausschuffes des bayerischen Landtags mit dem vereinbarten Entwurf der neuen Reichsverordnung und zur Aufhebung des Ausnahmezustands in Bayern dem Reichskanzler rechtzeitig zum 28. September 1821 mitgeteilt werden wird, daß zwischen der Rcichsregieruug und der bayerischen Staatsregierung Uebereinstimmung darüber besteht, daß die Landesregierungen nach wie vor berechtigt sind, bei Gefahr im Verzug auch weiterhin einstweilige Maßnahmen zu treffen, die über den Inhalt der neuen Verordnung hinausgehen und denen gegenüber die Reichsregierung eine loyale Haltung cinnehmen wird, und daß die bayerischen Volksgerichte mit dem aus Artikel 18 Absatz 4 der Reichsverfastung gestützten bayerischen Ausnahmezustand nicht.in Zusammenhang stehen und daher durch diese Verhandlungen nicht berührt werden. Das Ecsamt- ministerium hat den Vereinbarungen am 27. September 1921 zugestimmt. Der Vorlage der Regierung ist der aus den Vereinbarungen hervorgegangene Entwurf der Verordnung des Reichspräsidenten beigelcgt.
München, 27. Sept. Aus den vereinbarten Abänderungen der Verordnung des Reichspräsidenten ist hervorzuheben, daß für Verbote und Beschlagnahmungen die Landcszentralbehd'rden oder die von ihnen bestimmten Behörden zuständig find. Der Reichsminister des Innern kann die Landeszentralbchörden um den Ausspruch eines Verbots oder Beschlagnahme ersuchen. Glaubt die Landeszentrakbehörde, einem solchen Ersuchen nicht entsprechen zu können, so teilt sie dies spätestens am zweiten Tage nach dem Cmpsang des Ersuchens dem Reichsminister des Innern mit und ruft gleichzeitig die Entscheidung des vorgesehenen Ausschusses an. Entscheidet sich der Ausschuß für das Verbot oder die Beschlagnahme, so hat die Landeszentralbehörde die erforderlichen Maßnahmen sofort zu treffen. Der Reichsrat wählt die Mitglieder des Ausschusses und deren Stellvertreter aus seiner Miite. Der Ausschuß entscheidet in der Besetzung von sieben Mitgliedern, die nach freier kleberzeugung erkennen. Den Vorsitz führt ohne Stimmrecht der Reichsminister des Innern oder ein von ihm bestimmter Stellvertreter. — Abg. Dr. Wohlmuth (Bayer. Vp.). Vorsitzender des Verfassungsausschusses, begründete einen Antrag, wonach der Ausschuß der Vollversammlung empfehlen soll, es sei gegen die von der bayerischen Staatsregierung getroffene Vereinbarung keine Erinnerung zu erheben. Was jedoch den Zeitpunkt der Aushebung des bestehenden bayerischen Ausnahmezustands anlang«, so bleibe es dem pflichtmüßigen Ermessen der bayerischen Staatsregierung überlassen, zu verurteilen, wann sie den angemessenen Zeitpunkt für gegeben erachte. — Ministerpräsident Graf Lerchenfeld betonte, es sei einer der Programmpunkte, zu versuchen, die Zwischen der Reichsregierung und der bayerischen Regierung seit längerer Zeit aus Anlaß der Verordnung des Reichspräsidenten bestehende Spannung auf dem Wege von Verhandlungen, wenn möglich zu beseitigen. Es sei auch tatsächlich eine seiner ersten Amtshandlungen gewesen, in Berlin mit dem Reichskanzler zu verhandeln. Auf Grund zeimaliger Rücksprache sei man zu dem heute vorliegenden Ergebnis gekommen.
Miinchev, 28. Sept. Im Verfassungsausschuß des Landtags wurde.nach längerer Debatte ein Antrag der USP. auf sofortige Aufhebung des Ausnahmezustands abgclehnt. Der Antrag Dr. Wohlmuth wurde gegen 6 Stimmen angenommen. Den Anträgen der Regierung wurde mit allen gegen 5 Stimmen der Bayerischen Mittelpartei zugestimmt.
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Die deutsch-demokratische Partei für Vieth und eine Erbreitung der Regierung.
Berlin, 28. Sept. In einer gemeinsamen Besprechung der demokratischen Fraktionen des Reichstags und des prcußis^en Landtags sar man einmütig der Ansicht, daß die breite Koalition von der Mehrheitssozialdemokratie bis zur Deutschen Volkspartei für unsere gesamte staatliche und wirtschaftliche Entwickelung besondere Bedeutung habe, weil sie die einzige Grundlage sei, aus der eine stetige Politik ausgcüaut werden könne. Die Versammlung gab weiter der Meinung Ausdruck, daß die Regierungsbildung im Reich nur ei« Kabinett Wirth sein könne. Man ließ gleichzeitig keinen Zweifel varan, daß von der Deutschen Bolkspartei ein offenes und unzweideutiges Bekenntnis zur demokratischen Republik zu verlangen sei. Ferner sprach man sich dahin aus, daß es wünschenswert sei, die Umbildung der Regierungen im Reich und in Preußen möglichst bald und gleichzeitig vorzunehmen.
Das EMfioiiMglM i« SW».
Am die Aufklärung der Ursachen.
Ludwigshafen, 27. Sept. Im Direktionsgebäude der Badische.» Anilinwerke in Ludwigshasen gab heute vormittag Generaldirektor Professor Dr. Bosch der Presse zunächst einige Aufklärungen über die Verhältnisse dcS Werkes Oppau. Was die Explosion angehe, so sei auf die erste schwächere die ungeheure Explosion gefolgt, die das Werk zum Einsturz brachte und den großen Krater bildete. Hier hatte sich das Lager von Ammon-Sulfat-Salpeter befunden. Ueber die Ursache der ersten Explosion fehlt jede Vermutung. Eine Verdächtigung dritter Personen komme jedoch nicht in Frage. Die Direktion hossc, daß nach Herstellung der Gebäude der Betrieb wieder ausgenommen werden könne. Die Fabrikation des bisherigen Produkts werde nicht wieder ausgenommen werden, solange nicht über die Zersetzung des Produkts Klarheit herrsche.
Die Zahl der Opfer.
Ludwigshafen, 27. Sepl. Die 4. Totenliste weist 11 Namen auf, sodaß die Zahl der bis jetzt festgestellten Toten 414 beträgt. Die Zahl der noch nicht erkannten Toten beträgt auch heute noch 75. Die Zahl der seitens der Angehörigen als vermißt gemeldeten Personen ist um 70 auf 160 gestiegen.
Das Hilfsmerk.
Berlin, 28. Sept. Die Berliner Stadtverordnetenversammlung bewilligte gestern den vom Magistrat vorgeschlagenen Betrag von 100000 Mark für den ReichShilfSauSschuh für Oppau.
Berlin, 28. Sept. Die Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund und die Afa fordern zur Katastrophe von Oppau, daß die durch die Katastrophe als völlig unzulänglich erwiesenen Unfallverhütungs- Vorschriften einer grundlegenden Nachprüfung unterzogen werden. Die bestehenden völlig ungenügenden Unfallentschädigungsbestimmun- gen machten die sofortige Inangriffnahme einer Reform der Unfallversicherung der Reichsversicherungsordnung notwendig. Zur sofortigen Linderung der entstandenen Notlage sei durch Reichsgcsetz zu bestimmen, daß eine der Geldentwertung Rechnung tragende Entschädigung den von dem Unglück Betroffenen und ihren Hinterbliebenen zu zahlen ist. Zur Deckung der zu leistenden Entschädigungssumme seien die mit dem Oppaucr Werk verbundenen Jndustriekon- zerne in stärkstem Maße heranzuziehen.
Saarbrücken, 27 Sept. Die Regierungskommission des Saargebiets hat für die Opfer des Unglücks von Oppau 600 000 Mark bewilligt.
Die Tagung des Völkerbunds.
Endlich Beschränkung der Redezeit. — Blockade- fragen. — Die Aushungerung der Zivilbevölkerung unter Amständen gestattet!
Genf, 26. Sept. Heute vormittag trat die Vollversammlung des Völkerbunds nach der Berichterstattung durch Schanzer- Jtalien in die Beratung über die Blockadeftage ein. Da einige Vorschläge der Kommission eine teilweise Aenderung des Artikels 16 bedeuten, wurde beschlossen, über diesen Teil der Resolution erst nach neuerlicher Berichterstattung der Kommission die Abänderungsanträge zum Palte abzuftimmen.
Um die Tagung nicht allzusehr in die Länge zu ziehen, wurde ^ie Redezeit aus 15 Minuten beschränkt. Ueber die voraussichtliche Dauer der völkerbun-staguug will heute nachmittag das Präsidium der Versammlung beraten.
Genf, 26. Sept. (Nachmittagssitzung der Völkerbundsver- fammlung.) Die Völkerbundsversammlung widmete heute ihre ganze Sitzung der Blockadefrage, ohne zu einem Abschluß zu gelangen, sodaß die Abstimmung erst morgen erfolgen kann. Die Sitzung war zweifellos eine der wichtigsten der bisherigen