Amtsblatt für wtl-bad Anzeiger und Tagblatt für das obere Enztal.
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Dr»e «ed «erlag der «Lildbader BerlagSdraSerei
«chriftl.: LH. »ack, Heide t, «ttldba».
Nr. 3
Montug, Z. ^emusr 1920
)kckrgsng 54
Für jeden Tag mein Teilchen Freudigkeit im neuen Jahr halt mir bereit, - />
daß ich's am Morgen mehm und trage durch die Stunden,' daß ich's wie eine Kraft zu jeder Arbeit bringe und leg's an Last und Lust, an groß und kleine Tinge, bis ich in allein deine Spur gesunden,
Herr, der du sie mir schenkst, die Freudigkeit, I'
— so segne mir das Jahr, die neue Zeit!' '
" - ^ch-M. Feesche. ,
Wocye.:rmrdf chau.
Das alte Jahr hat einen üblen- Tlbsbied genoinrnen. Ter ganze Westen usid der größte Mil Süvorutschlands wurde durch Ueb e rsch w em mung e n heüngesuchft -ri? inan sie seit ölst Jchreu nicht mehr erlebt hat. Der Schaden, der unser armes Land betroffen hat, ist mit vielen Millionen zu brrechnen. Eine Unsumme von Arbeit und Mühen ist vernähtet. Gar schlimm ist es, daß die Versorgung mit Kohlen auf mehrere »Tage vollständig unterbrochen wurde md nicht wenige Fabriken, Elektri- ziläls- und GaL.ocrlchsi.ch gezwungen,, de:: einzustellen oder nanMt zu beschränken: In den größeren Städten erhält mau für den Gewerbebetrieb und für den häuslichen Mars nur noch, die knappste Ration von Gas, was umso empfindlicher ist, als die Brennstoff- Versorgung so im Argn liegt. Es wird manchem nicht leicht werden, sich mitdeiu nötigen Mut für das neue Jahr, zu poappnen, in dem, der Friedensvertrag zur wirtschaftlichen un« finanziellen' Auswirkung kommt und die neuen Steuern in Kraft treten. Und immer wieder neue KchuM treten aus. ,Das Reichsnotopfer, die Reichseinkomrenstener, die Kapitalertragssteuer die Laudessteuer, die lmsatzsteuer und die vielen andern neuen Steuern richen für den Reichsbedarf noch nicht aus; eben noch Mrde eine-Aufwandssteuer angeknndigt. Gewiß, wid heute noch sehr viel Geld zum Fnrster hiuausgeworfen.und dm Leuten, die das fertig bringen, wäre ein kräfiger Aderlaß wohl zu gönnen. Aber man muß leider fürchten, daß die Verschwender,
. die man zum größten seil bei den „neuen Reichen" zu suchen hat, es nach wie or verstehen, sich um das Steuerzahler! zu drücken. Da anderen, den Ehrlichen oder „Dummen", wie man -sirauch nennt, wird zum Verschwenden nicht viel-übrig Eben. Es wird auch schwierig sein, die Grenzen zwische', angemessenem und übermäßigem Aufwand festzufetzen, strner wird eine Kürzung de r Pensionen twn Offlerm und Beamten beabsichtigt in solchen Fällen, wo dr Empfänger eines Ruhegehalts Nebeneinkünfte bezieht.'Tie Pensionen kosten zweifellos viel Geld md je mir Beamtenstcllen geschaffen werden, desto höher werden uch die Pensionsausgaben. Aber es ist zu berücksichtigen,saß es sich bei den Ruhegehältern um wohlerworbene Rech handelt,.die Kürzung ist demnach nicht nur eine Sfter-, sondern auch eine Rechtsfrage. Jedenfalls-'wärtzu vermeiden, daß das Gesetz den Charakter üner Soserbesteuerung der Pensinäre erhielte. Tie Zeus ur, d im allgemeinen in der republikanischen Versaßuna aushoben ist, soll durch den jüngst "^iness^Enturf eines- Gesetzes über die B d-
aufsichtigung d ch t spie lth e a ter oder Kinos für dieses Gebiet wieMst ausgenommen werden. Das ist aufrichtig zu begrüßen, deM^svas nachgerade in manchen Kinos geboten wird, ist enisachftkandalös. Ein Mitglied der französischen MilitärinisstbLJn Berslin, Dr. Got hat über seine Eindrücke in Deutschland und speziell in Berlin ein Buch 'geschrieben. Er hat auch die Berliner Kinos 'bemcht und die sogenannten „Ausklärungssilms" des Tr- Magnus .Hirschfeld besichtigt. Mit Beziehung darauf schreibt Dr. Got, in Paris könne man allerhand erleben, aber Berlin sei der „Kaustall der Welt". Wenn die Regierung da kräftig' zugreift, so erwirbt sie sich den Dank der,Nation — und der anständigen Kinos. — Zu den Gesetzentwürfen, die von der Nationalversammlung im neuen Jahr beraten werden, gehört neben dem Betriebsrätegesttz! fldas am 13. Januar auf die Tagesordnung kommt) die Arbeitslosenversicherung, die einen wesentlichen Bestandteil M Bau der sozialen Gest'tzgeblittü DOüMandZ bilden ^itd. Tie,Versich
rung soll alle Arbeiter und Angestellten ohne Ausnahme des Berufs, sofern ihre Stellung nicht durch langfristigen Vertrag gesichert ist, umfassen, das Gebiet wird also sehr groß sein. Sehr groß werden aber auch die Kosten der Versicherung sein, da wir im nächsten Jahr und wohl noch länger hinaus mit einem Darniederliegen wenigstens eines Teils der Industrie und mit erheblicher Arbeits--- losigkeit zu rechnen haben werden. — Die Zölle für. Waren, die nach Deutschland hereinkommen, sollen nach dem Zugeständnis des Pariser Obersten Rats vom 1. Januar 1920 ab zunächst aus 3 Monate wieder in Gold oder Goldeswert bezahlt werden. Ob die Erlaubnis sich auch auf den Warenverkehr aus dem besetzten Gebiet/ das ,„Loch im Westen", erstreckt, war aus -er amtlichen Mitteilung nicht, ersichtlich. Bei der Verzollung ist der Tarif vor dem Krieg zugrunde zu legen; wird in jetziger deutscher Papierwährung bezahlt, so ist ein Zuschlag von 900 Prozent zu entrichten, der Friedenszoll ist also gerade verzehnfacht.
Der Friede soll nun endlich in nächster Woche zustande kommen. Wenns nur auch wahr ist! Reichlich ein halbes Jahr hats gedauert, bis nach dem Stillstand der Waffen der Friedensvertrag unterzeichnet wurde, und über ein halbes Jahr ist weiter verstrichen, ehe es so weit war, daß er in Kraft gesetzt werden soll. Immer .w'N't'?,, neu? Ste ins des Anstoßes entdeckt oder in den Weg gelegt. Endlich soll mrd dem ^sch tu ßprn-.!7tollem Ende gemacht sein. Dieses Protokoll ist im Grunde aenommen nichts als eine Blankovollmacht für den Ver-, band, „auf Grund der Bestimmungen des Friedensvertrags und des Völkerrechts" auf unabsehbare Zeit mit Deutschland anzufangen, was er will. Die deutsche Regierung hat sich gesträubt, das Protokoll zu unterzeichnen, schließlich mußte sie es doch tun. Ob die Gefangenen nun wirklich alle herausgegeben werden, werden wir ja bald sehen. Zunächst kommt die Liste derjenigen,^ die wegen „Verbrechen" — solche sind ja nur von Deutschen begangen worden — aüsAliefert werden sollen. Ob das so glatt'gehen wird? Von den 400000 Tonnen Hafenmaterial müssen sofort nach Wahl der englischen Kommission, die schon in Hamburg ist,. 192000 Tonnen ausgeliefer't werden. Ob der Rest uns ganz oder teilweise erlassen wird, entscheidet diese Kommission. Aber nicht darauf kommt es an, wieviel Tonnen nachgelassen werden, sondern was uns genommen oder gelassen wird. Die fünf Kreuzerschiffe sind ebenfalls sofort abzugeben. Das ist die „Verständigung", von der die französische Presse befriedigt sprach. In nächster Zeit soll dann auch die erste „Bölkerbundskonferen z? einberufen werden, natürlich ohne Deutschland.
Tie Bolschewisten haben gegen den General De- nikin neue Erfolge errungen; dessen Heer soll überhaupt dank der weise berechneten ungenügenden Unterstützung durch England in der Auflösung begriffen sein. Koltschaks Ministerium in Sibirien soll mit einem Eisenbahnzug verunglückt sein, aber Japan und Amerika werden, wie gemeldet wird, Koltschak mit Truppen und Geld unterstützen. England führt indessen mit der Sovjetregiermig — gegen- den Willen Clemenceaus — Verhandlungen, angeblich über den Austausch von Gefangenen, in Wahrheit zweifellos über ganz andere Tinge. Es ist'nicht mehr geheuer im Weltreich. Die muselmanischen Indier haben auf einem Kongreß in Delhi am 23. Nov. beschlossen, wenn der Friede mit der Türkei nicht befriedigend ausfalle, die englischen Waren zu boykottieren. Es leben über 60 Millionen Mohammedaner in Indien. Auch die Hindus sind rebellisch und der edle General Dy rer ließ unter der Bevölkerung in Amritsar ein furchtbares Blutbad anrichten. Das wird man den Engländern gedenken. In Aegypten gärt es weiter und die aufständische Bewegung ist bis in den Sudan vor- gedrungcn, wo der Düika-Stamm einer englisch-ägyptischen Heeresabteilung eine schwere. Niederlage beigebracht lM., ...
Wie der Frieden zustande kam.
Der englische Berichterstatter Harris, der während der ganzen Dauer der Friedensverhandlungen in Paris weilte, hat seine Eindrücke in einem soeben erschienenen Buch niedergelegt, und was er darin erzählt, ist einfach niederschmetternd. Man fragt sich.erstaunt, wie es möglich ist, bas? ein so.bedeutender.geschichtlicher Au
genblick. ein so kleines Geschlecht finden konnte, das ln keiner Weise geeignet war, die schweren Aufgaben durch- zuführen, die ihm gestellt waren. Harris hat den Mut, den Frieden schlecht zu nennen. Er hätte nur dann gut sagen können, wenn man die Grundlage aufrecht erhalten hätte, auf der der -Wajfenstillstand aufgebaut war: Wilsons -vierzehn Punkte. Wäre man in Paris dazu bereit gewesen, dcmu hätte dem Waffenstillstand wenige Wochen später ein Vorfrieden folgen müssen. Aber diesem widersetzte sich Lloyd George, der erst seine Khakiwahlen in.Sicherheit haben wollte. Als schweren Fehler bezeichnet es Harris, daß die Konferenz in Paris in einer Atmosphäre abgehalten wurde, die infolge der Kriegsschrecken noch sehr aufgewühlt war und beeinflußt durch das unausgesetzte Bombardement einer leidenschaftlichen Propagandapresse. Obwohl sich Wilsons erster Punkt gegen die Geheimdiplomatie aussprach, hielt man bloß Geheimsitzungen ab. Als amerikanische und englische Journalisten dagegen protestierten, beschloß man, bei Vollsitzungen Journalisten als Zuhörer zuzu- lassen,'ünd hielt von diesem Augenblick an — nie mehr eine Vollsitzung ab.
Ewig denkwürdig bleibt Harris Bericht, wie sich Wilson, Clemenceau und Lloyd George auf die Sitzungen der Konferenz'vorbereiteten. Nicht etwa, daß sie die immerhin schwierigen Probleme, die zu lösen waren, studiert hüuerr," sondern Elsmrnces». und Löchd-George erzählten Wilson Witze und Anekdoten. Ein wenig beteilig ten sich an diesen Erzählungen auch die weniger bedeutenden Persönlichkeiten der Konferenz.
Die Entscheidung über alle Fragen lag in den Händen Wilsons, Clemenceaus und Lloyd Georges, die „sichtlich schlecht geeignet waren, schwierige und verwickelte internationale Streitfragen zu lösen". Wilson gab Schritt für Schritt seine vierzehn Punkte frei, es gelang ihm nicht, seine Kollegen zu überzeugen, daß die Annahme feiner vierzehn Punkte alle vorher beschlossenen Geheimverträge hinfällig machte. Wegen seiner „weltfremden" Ansichten wurde Wilson nur verlacht und Clemenceau erklärte, wörtlich — Harris verbürgt sich für diese Aeußerung —,' er ziehe es vor, mit dem Obersten Honst zu verhandeln, der praktisch rede; Wilson rede wie Jesus Christus.
Es führte zu weit, all die Einzelheiten in Harris' Buch über- die Lösung der Finanzfragen, Arbeiterkonferenz, Stellung zu Rußland, Ernährung Europas anzuführen. Besonders wertvoll ist seine Schilderung der „Geburt des Völkerbund s". Eines Tages, 10 Minuten nach 5 Uhr, erhob sich Clemenceau und fragte:' „Wünscht noch jemand zu sprechen?" 5 Uhr vorüber — alles wollte natürlich nach Hause. Clemenceau fuhr fort: „Niemand verlangt das Wort. Ich bringe die Resolution zur Abstimmung. — Angenommen." Niemand hatte eine Ahnung, worüber abgestrmmt worden war. Dann verlang!« )er englische Minister Barnes, Vertreter der Arbeiterpartei, das Wort, um, wie er sagte, zum nächsten Punkt )er Tagesordnung, zur Völkerbundssrage, zu sprechen. Lr erhielt das Wort nicht, da er, wie Clemenceau sagte, wenige Minuten früher selbst für dst debattenlose AüMH me der Völkerbundsbestimmungen gestimmt hatte: -
Auf diese Weise also kam der vielleicht wichtigste .Mil des Versailler Friedens zustande. Mau kann nicht sagen, daß Harris Erzählungen die Hochachtung vor d^n Schöpfer dieses Werkes zn steigern geeignet wären, und man kann nur hoffen, daß sich der von -Harris mitgeteilte Ausspruch des Generals Smuts baldigst erfüllen möge: „Gott schreibt einen ganz anderen. Frieden, als dieser, ist,",
? " Neues vom Tage.
Die Trennüng von Staat und Kirche, -ft
Berlin, 2. Jan. Zu der Meldung, daß es sich bei den Verh'.udlungeil im Preußischen Kultusministerium mit dem Nuntius Pacelli in- der Hauptsache um die Neubesetzung. des erzbischöflichen Stuhls in Köln gehandelt habe, erfährt die „Voss. Zeitung": Zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl besteht ein Staatsvertnrg, der bei der Wahl der Bischöfe durch die Kapitel dem Staat eine gewisse Mitwirkung zusichert. Aehnlich liegt der Fall in Bayern, wo die Mitwirkung des Staats durch ein formelles Konkordat geregelt ist. Nun.hat man in Weimar beim Verfassungswerk den Grunds^ der Trennung von Kirche und Staat ausgesprochen, ohne irgendwie dar-