Nr. 78.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

96. Jahrgang.

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Mittwoch, 6. April 1921.

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Die französische Invasion«

Die ZeitungNationen" in Lhristiania bringt einen Ar­tikelErbfeinde" von dem Schriftsteller Andreas Hauklaird. Darin heißt es: Wieder ist die lateinische Rasse auf dem Einmarsch in Germanien. Die Rsmer- invasion (das heißt feindlicher Einfall in fremdes Gebiet) wurde durch die Niederlage des Varus im Teutoburger Walde ausgehalten. Durch den damaligen Sieg der Deutschen Wurde die germanische Welt, der auch die skandinavischen Länder an- gehörcn, davor bewahrt, römische Provinzen und lateinisiert zu werden. Ohne die Tapferkeit der germanischen Blutsverwand­ten wäre jetzt wohl wenig von unserer Nationalität übrig. Das lateinisierte Frankreich hat diese Einfälle in Deutschland wieder ausgenommen, als ob di« römische Nachsucht mit dem lateinischen Geiste den Franzosen ins Blut übergegangen wäre. Zn den Gegenden, wo die Franzosen jetzt etnmarschierj find, können sie von einer Burg- und Schloßruine zur anderen gehen, die ihre Vorväter ge brandschatzt haben. Sollte Frank­reich bezahlen, was er nur in den Rheinlanden früher ge brand­schatzt und vernichtet hat, auch in Süddeutschland, würde Deutschland wohl mehr Milliarden gnthaben, als Frankreich jetzt von ihm fordert. Deutschland ist niemals Fankreichs Erb­feind gewesen, dagegen Frankreich beständig derjenige Deutsch- lands.

Der Verfasser zählt dann Frankreichs unaufhör­liche Plündern ngs- und Verwiistungszüge in Deutschland auf und fährt fort: Es ist schauerlich, wenn man sich richtig in alle Leiden hineinzuversetzen sucht, dis das deutsche Volk jahrhundertelang immer wieder hat aushalten müssen. Auch für 1870 trägt Frankreich die Schuld. Das siegreiche Deutschland empfing die Friedens­unterhändler mit aller Höflichkeit, behandelte es als Unter­händler und Gesandte und begnügte sich mit 5 Milliarden und rin paar Provinzen, die größtenteils von Deutschsprechenden bewohnt sind. So kurz ist die germanische Erinnerung an er­littenes Unrecht, so gering die Rachsucht der Germanen, das sie nicht mehr taten, um das Unrecht der Jahrhunderte zu rächen und den Erbfeind triumphierend nicderzuschlagen. Wie anders verhalten sich die Franzosen jetzt gegenüber den geschlagenen Deutschen. Gibt es eine Verhöhnung, die Frankreich Deutsch­land ersparen will? Deutschlands Unterhändler wurden sin- gesperrt hinter Stacheldrahtgitter und nicht empfangen als Unterhändler, sondern als Sklaven, die nur Befehle von Her­ren anzuhören hatten, und als Schadenersatz wird ein« phanta­stisch hohe Summe verlangt. Die römische Rachsucht gegenüber dem Besiegten lebt ungemildert in den kateinistertsn Franzosen. Wäre Deutschland eine Stadt wie KarthaM, so würden die Lateiner unserer Zeit sicher wie die alten Römer jedes lebendige Geschöpf, jeden Mann, jede Frau und jedes Kind unter den rauchenden Trümmern begraben haben. Deutschland zeigte 1870, daß es nicht Frankreichs Erbfeind war. Frankreich leigt heute, daß es Deutschlands unerbittlicher Erbfeind ist. Ständig kommen Schriftstücke ans Tageslicht, die zu beweisen scheinen, daß Frankreich den Krieg beschlossen hatte, bevsr er ausbrach, daß es nur auf eine Gelegenheit wartete. Zsurös wurde ermordet, weil er dies zu sagen wagte und vor dem Kriege versuchte, die europäischen Friedensfreunds in Bewe­gung zu setzen, um Frankreich und Rußland zu verhindern, »en Krieg zu entflammen, den wie er wußte Frank­reich beschlossen hatte. Die Behauptung von einer Meinschuld Deutschlands am Kriege wird deshalb von keinem unparteiischen mehr geglaubt.

Diese Ausführungen in einem angesehenen Blatte der iren- ralcn Staaten verdienen in aller Öffentlichkeit verbreitet zu werden: werzen sie doch ein recht bezeichnendes Licht aus un­sren größten Feind, Frankreich, der täglich auf neue Mittel sinnt unser Dasein zu erschweren und die alleinige Schuld an sun Weltunglücke Deutschland in die Schuhe schiebt. Es naht vielleicht di« Zeit, wo die Geschichte, wie immer, alle Böller richtet. -

Zur mrsryürLLgen Lage.

Driand zur Lage Frankreichs

^ gegenüber DeutM-md.

In der gestrigen Nachmittagssitzung des ftan- "silchen Senats wurde da- Budget für auswärtige Angelegenheiten * Senator Flandin, der ehemalige Präsident von Tunis, rach über die Stellung Frankreichs im Osten. Er drückte sein Be- - ?"Eer aus, daß Palästina eine englische Kolonie geworden , ' ° . 4 Frankreich Rechte auf das Heilige Land habe. Der ^gewählte Senator Henry de Jouvenel sprach über die Lage in im Anschluß an die Wiederanknüpfung der Handelsbe­

ziehungen zwischen England und Rußland. Schließlich ging der Senator zur Reparationssrage über. Sie sei ein französisch-deut­sches Problem geworden, anstatt ein internationales Problem zu bleiben. Europa müsse durch ein Abkommen aller interessierten Staa­ten reorganisiert werden. Viviani könne dem Präsidenten Harding begreiflich machen, daß, wenn man schon Frankreich keine Priorität auf die Forderungen an Deutschland gewahre, man diese Priorität nicht für seine Forderung an Rußland verweigern dürfe. In den Verhandlungen, die nach dem Verfalltag, dem 1. Mai, stattfinden würden, müßten die Vereinigten Staaten ein Wort mitsprechen und zur Reorganisation Europas beitragen, wenn sie nicht gezwungen werden wollten, noch einmal nach Europa zu kommen, um die Zivi­lisation zu retten. Hierauf ergriff Ministerpräsident Briand das Wort. Das Problem, das erwartet werde, sei das der Lage Frankreichs gegenüber Deutschland.' Wenn Frankreichs finanzielle Situation ernst sei, so sei das eine Folge des paradoxen Anstandes der siegreichen Nation, die durch den schlechten Willen ihres Schuld­ners gezwungen sei, die Lasten aufzubringen, die diesem zusielen. Der Vertrag von Versailles existiere für die Ausführung, aber die drei Großmächte müßten sich verständigen. Die Politik, die er be­treibe, sei die einzig richtige. Welches sie die Lage nach dem Bruch von London? In Spaa und in Paris habe man ein Abkommen getroffen. Da dies zurückgewiesen sei, bestehe nur noch der Vertrag von Versailles. Die Reparationskommission habe darnach Deutsch­land die Zahlungen zu nennen, die es zu entrichten habe. Briand sprach alsdann von den Sanktionen. Der Zolltarif am Rhein sei nunmehr ausgestellt. Deutschland habe sich des Vertrags bedient, um die Alliierten zu verhindern, vor dem 1. Mai zu verhandeln. Wenn dieser Verfalltag verstrichen sei, dann kehre man zum gemeinen Recht zurück. Wenn Deutschland versuche, sich noch seiner Verpflichtung zu entziehen, dann werde eine starke Hand auf Deutschland nicder- fallen. (Lebh. Beifall.) Alles, was Deutschland besitze, garantiere die Schuld. (Lebh. Beifall.) Man werde Zwang anwenden, von dem auch die deutschen Großindustriellen nicht ausgeschlossen sein würden. Ein Teil der deutschen Bodenrcichtümer müsse zur Zah­lung herangezogen werden. Der entscheidende Augenblick nahe her­an, in dem Frankreich im Einverständnis mit seinen Verbündeten fest entschlossen sei, das letzte Wort zu haben. Er beklage das deutsche Volk. Es werde aber in kurzem erfahren, daß das Recht auf der Seite der Alliierten stehe und daß man entschlossen sei, zu seiner Forderung zu gelangen, wenn nötig mit Gewalt. Briand ant­wortete dann den Interpellanten, die zu Beginn der Sitzung zu Wort gekommen waren. Zum Schluß kam Briand auf das Aben­teuer des Exkönigs Karl zu sprechen. Es handle sich darum, Ver­pflichtungen zu erfüllen, die man gegenüber der Tschechoslowakei, Südslawien und Italien übernommen habe. Die Rückkehr des Königs hätte zu Blutvergießen Anlaß geben können und das allein richtige war die Haltung Frankreichs. Auch das Vorgehen Griechenlands beklagte Vriand. Griechenland habe mag klar zu verstehen gegeben, welche Gefühle man habe. Das Vorgehen Frankreichs in derOrient- frage habe aber den Griechen bewiesen, daß Frankreich sein« ge­heiligten Rechte wahren wolle. Der Senat vertagte dann di« Wei­terberatung ans heute Mittwoch Nachmittag.

Halbwilde Afrikaner die Herren am Rhein.

Stockholm, 5. April.Svcnska Morgsnbladct* bringt unter der Ueberschrist .Wie Haß großgezogen wird" einen Brief eines Schwe­den aus dem Rheinland. Darin wird festgestcllt, daß trotz aller französischen Dementis im ganzen besetzten Gebiet etwas mehr als 24 000 farbige Truppen weilen. Die Erbitterung gegen die Fran­zosen sei überall groß infolge ihres herausfordernden rücksichtslosen Auftretens und ihres Wohllebens ans Kosten Deutschlands, sowie wegen der gegen deutsche Aeußerungen betriebenen Spionage in Cafes, Restaurants nsw. Es sei ein Schimpf, halbwilde Afrikaner mit ganz anderen Begriffen von Moral und Kultur zu Herren über deutsche Städte und Dörfer zu machen. Die Nachrichten über Ver­gewaltigungen deutscher Frauen seien keineswegs übertrieben. Nicht einmal in Städten, viel weniger in Dörfern seien allein ausgehende Mädchen abends sicher. Der durch die französischen farbigen Trup­pen großgezogene Haß werde sich noch nach Menschenaltcrn rächen. ' Die Franzosen täuschten sich, wenn sie glaubten, das Rheinland mit diesen Methoden in IS Jahren französisch zu machen. Auch ihr Versuch, auf friedlichem Wege durch Kulturpropaganda zu französt- sieren, sei sehlgeschklagen. Der Artikel schließt: Indessen bleibt ja wie bisher der Weg der Gewalt, da wo der Weg der Ueberzeugung mißglückt. Es steht so aus, als ob die Franzosen sich nicht abhalten lassen würden, ihn zu betreten.

Dicke Lust in England.

London, 4. April. Die .Morning Post" schreibt zum Berg­arbeiterstreik, eS sei klar, daß die Bergarbeiterführer gegen die konsti­tutionelle Regierung Sturm liefen und daß, wenn ihren Forderungen

stattgegeben werde, di« Verwaltung des Landes in die Hände der Ge­werkschaften übergehen werde. Bei einem solchen Streik gebe es kein Kompromiß, da jedes Kompromiß einer Kapitulation gleichk.mmen würde. Im Hinblick auf di- angeblichen Vorgänge in Deutschland und Italien könne man als wahrscheinlich und sogar als sicher an­nehmen, daß der gegenwärtige Streik von den Revolutionären be­nutzt werde, um ihre Ziele zu erzwingen. Wenn Regie­rung und Volk fest zusammenstehen würden, würde jedoch die Revo­lution geschlagen werden.

London, 5. April. Wie die Blätter melden, ist bisher eine Besserung der Streiklage nicht eingetreten. Infolge Kohlenman- gels mußten bereits viele Werke schließen. Di« Zahl der Ar­beitslosen wächst. DerMorning Post" zufolge scheint es, daß der Arbeiterdreibund bei seiner morgigen Sitzung weniger einig sein wird, als ursprünglich angenommen wurde.Daily Herald" behauptet, Militär und Marine seien bereits in Be­wegung gesetzt worden, um drastisch gegen jede Art von An­ruhen vorzugehen.Daily Expreß" sagt, entweder werde der Streik durch die Anstrengungen des Staats gebrochen oder er werde sich zu einem Zustand entwickeln, der ganz gut Revolution genannt werden könne.

London, 6. April. DerStar" meldet, daß es in den sbst- tischen Erubenbezirken zu erneuten "Zusammenstößen zwischen streikenden Bergarbeitern und Arbeitswilligen kam, bei denen Vetriebseinrichtungen zerstört und Polizisten und andere Per­sonen verwundet wurden. Demselben Blatt zufolge ist für Heer und Flotte Arlaubssperre verhängt worden. Abwesende Heeresangehörige sind zu ihren Einheiten zurückgerufen worden. Evening Standard" meldet, daß Lloyd George von allen seinen Freunden bedrängt werde, Neuwahlen zu veranstalten unter der Begründung, daß die Bergarbeiter das Schicksal des Landes in seine Hand gelegt hätten.

Der griechische Rückzug in Klemasien.

Ptris, 6. April. Der Agence Havas wird aus Könstantl- nopel gemeldet: Es wird berichtet, daß die griechischen Trup­pen Afium-Karahissar geräumt haben und sich auf ihre Aus­gangslinie zuriickziehen.

Konstantin»-«!, S. April. (HavaS,) Das Ringen bei Eskische- hir dauert an. Die griechischen Truppen find in die Defensive ge­drängt und haben Boden verloren. Nach dem griechischen Bericht sollen die griechischen Soldaten mehr ermüdet und moralisch er­schüttert sein. Zahlreiche Deserteure und Verwundete strömen nach Brussa, wo Verstärkungen erwartet werden. Nach den letzten Nach­richten ist die Nordgruppe der griechischen Armee in vollständiger Auflösung. Die türkische Armee, die Veledschik besetzt hat, nutzt ihren Vorsprung nicht aus.

Paris, 5. April. Havas berichtet aus Konfiantinopel: Obwohl die Möglichkeit eines griechischen Vormarsches nach Angora augen­blicklich nicht besteht, wurden Vorbereitungen zur Verteidigung der Stadt getroffen. Die natürlichen Hindernisse an der Eiscnbahn- strecke EskischehirAngora wurden verstärkt und Jozgad und Ka- stambul als Verteidigungsplätze eingerichtet. Außerdem haben die Kemalisten eine große Verteidigungslinie KoniaCäsaräa errichtet, wo die Armee Ciliciens und die auS den verschiedenen Gegenden Kleinasiens und des Kaukasus herankommenden verfügbaren Kräfte konzentriert werden.

Athen, 5. April. Alle Pressenachrichten ans Syrien stim­men darin überein, daß der erste Teil der militärischen Opera­tionen in Kleinasien beendigt ist. Die den Operationen ge­steckten Ziele seien erreicht worden. Durch die Einnahme von Afium Karahissar seien di« kemalistischen Truppen in Silizien daran gehindert worden, mit starken kemalistischen Kräften vor- zngehen. Nach Erkundigungsvorstößen von Enkischehir gingen die griechischen Truppen auf ihre Stellungen bei Kowalitza zu­rück. Eie besetzten einen Punkt 40 Kilometer von Asium Kara- hissa. 10 Flugzeuge bombardierten Eskischehir und stellten Vrandwirkrmg fest.

Amerika zu den Forderungen der Entente an Deutschland.

London, 4. April.Daily Mail" meldet aus Newyork: Vor der Absendung der amerikanischen Note an Deutschland, die nach Mel­dungen englischer Blätter in Berlin bereits bekannt zu sein schien, hat eines der höchsten Mitglieder des Kabinetts den Washingtoner Berichterstatter derDaily Mail" empfangen und die Haltung der amerikanischen Regierung gegenüber Deutschland auseinandergesetzi.

Persönlichkeit erklärte, die Vereinigten Staaten seien der An­sicht, daß die an Deutschland gestellten Forderungen gerecht seien. Sie habe hinzugefügt, zweifellos in Erwiderung auf den Vorschlag des deutschen Außenministers, daß die Vereinigten Staaten deutsche Obligationen als Teil der Bezahlungen der alliierten Schulden an Amerika annehmen würden.

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