Nr. 63.

Amts- und Auze'igcblatt sur den OLeramLsbe^irk Ca!m.

93. Jahrgang.

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Zll Dis eeMN«t. zerZriW ker Noze«...

> Pt. Der sehr ehrenwerte englische Premierminister Lloyd Eeorge hat im Lauf der letzten Londoner Konferenz die Acußcrung getan, daß die Ententegenossen selbst ein großes Interesse an einem freien »n» glücklichen Deutschland Hütten, wovon dieses allerdings nach sehr weit entfernt sei. Lloyd George ist zweifellos ein Mann, der über bedeutende Geistesgaben verfügt. Man kann ihm daher nicht den Vorwurf machen, daß ihm etwa Mangel an gesundem Menschen­verstand diese Acußcrung in den Mund gelegt hat, wohl aber kann man aus dieser Bemerkung schließen, wie hoch er das Begriffsver­mögen derer cinzuschähen beliebt, an die diese Auslassung gerichtet war. denn wohl selten hat die Rede eines Mannes mit seinen Hand­lungen in krasserem Widerspruch gestanden, als hier.

Hast du den Wunsch, daß man dir glaube» soll,

Dann, bitte, nimm den Mund nicht gar so voll,

Uno denk daran, daß hier wie überall

Die Tat ist Trumpf, das Wort nur leerer Schall.

Nie hat man so verzweifelte Anstrengungen gemacht, ein gr ßcs, rrbüiftmcs und geistig hochstehendes Volk zu vernichten und den eigenen Interessen zu opfern, als es jetzt von seiten der Entente Deutschland gegenüber geschieht. Jedes Mittel ist recht, wenn cs nur unsere Feinde auf dem Wege zu diesem Ziel einen Schritt vor­wärts bringt. Da werden die unsinnigsten Forderungen ausgeklü­gelt, die ein Mensch von nur mäßigen! Begriffsvermögen als un­erfüllbar erkennen muß, ganz ohne Frage in der sicheren Erwartung, daß Deutschland sic ablehnt, um dann der Welt glauben machen zu können, daß cs nur am schlechten Willen des deutschen Volkes liegt, wenn nicht endlich Ruhe und Frieden in Europa einkchrt. Dabei kann gäb'kein Zweifel obwalten, daß die wahren Ruhestörer in Frankreich und England zu suchen sind. Müde des grausamen Spie­les und in Beherzigung des Grundsatzes:Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende" hat sich das deutsche Volk endlich dazu aufgerasst, die wahnsinnige Erpressungspolitik, die in de» Pariser Beschlüssen zum Ausdruck kommt, nicht gutzuhcißcn. Es war wirklich allerhöchste Zeit, der Entente zu Gcmüte zu führen, drß Deutschland nicht länger gewillt ist, sich zum Spielüall ihrer Launen hcrzugcLcn und alles zu bewilligen, was man im tollen Siezerübermut von ihm fordert. Ist eS dvu) ein geradezu ungeheuer­liches Verlangen, Menschen für eine Tat verantwortlich und haft­bar machen zu wollen, denen der unanfechtbare Beweis ihrer abso­luten Unschuld zur Seite steht, weil sie zur Zeit dieser Tat über­haupt noch nicht lebten. An dem Grundsatz, noch Angeborene für die Handlungen ihrer Eltern nicht büßen zu lassen, hat man von jeher sesigehalicn, sofern darüber Menschen zu bestimmen hatten, die nicht auf der alleruntersten Kulturstufe standen. An einer an der Ermordung Alexander ll. von Rußland beteiligten und deshalb zum Tode durch den Strang verurteilten Nihilistin wurde beispielsweise die Strafe deshalb nicht vollzogen, weil sie sich in anderen Umständen befand, und man dem menschlichen Empfinden Raum gab, das werdende Kind mit der Mutter nicht dem Tode zu überantworten. Von derartigen Gefühlsduseleien scheinen aber die Gewalthaber in Frankreich und England nicht angekränkelt zn sein. Mit kalter Vachgier sucht man nach Mitteln und Wegen, um nicht nur die jetzige Generation, sondern auch die Kinder und Kindcskinder vor den Triumphwagen der Entente zu spannen und sie zu harter Fron­arbeit zu zwingen. Derartige Unmenschlichkeiten muffen ßch früher oder später rächen. Not macht erfinderisch. In Kriegen ber Zukunst werden Gewehre und Kanonen wahrscheinlich nicht wehr die wichtigsten Abwehrmittel darstellen. Eine einzige große Er­findung auf kriegstcchnischem Gebiet kann über Nacht ein entwaff- netes und wehrlos gemachtes Volk zu einem furchtbaren Gegner heranreifen lassen und ihm die Ueberlcgcnheit über eine wafsenstar- rende Nation sichern. Das sollten sich auch unsere Feinde hinters Thr schreiben, zumal ja gerade das deutsche Volk in letzter Zeit ge- tingsam bewiesen hat, daß es bezüglich der Ecfinderqualität seinen Gegnern über ist. Gegen jedes Recht und Gesetz nimmt sich die En­tente neuerdings heraus, deutsche Ortschaften mitten im sogenannten Frieden zu besetzen. Dabei rechnen die Franzosen jedenfalls auf eine Durchdringung der Bevölkerung in den besetzten Gebieten mit hm durchaus fadenscheinigen Kultur und mit einer späteren An- medeiung dieser Gebiete an Frankreich. Wenn sie sich dabei nur "A-t gründlich verspekulieren, denn mit ihren Absichten liefern sie

Beweis, daß sie den deutschen Volkscharaktcr ganz falsch rin- ichätzen. Druck erzeugt Gegendruck. Das deutsche Volk hat sich aber »malz größer erwiesen und ist sich seiner Zusammengehörigkeit niemals mehr bewußter gewesen, als in Zeiten bitterer Not. Wenn .. e Feinde glauben mit Drangsalen das deutsche Volk kleinzu­legen, so dürsten sie sich vielleicht auch vom Gegenteil überzeugen ften. Sie werden das deutsche Volk um so fester zu einem stabl-

harten Block zusammen schmieden, je eifriger sic se.ne Zerstückelung und Un!erdr":^ung beirelb.n. Ruhe unö Gcduld wollen wir den wahnwitzigen Anstrengungen unserer Feinde cnigcgcnsteüen. Leisten sie doch zurzeit gründliche Arbeit für die sichere Erneuerung des schwergeprüften deutschen Volkes.

D»e 8chu!d cm EsttiiLlege.

H.?t.Für. die Alliierten ist die deutsche Schuld am Kriege fundamental/ erkiärtc Lloyd George. Mit der Anerkennung oder Ablehnung dieser Schuld steht oder fällt daher der Versailler Ver­trag, samt Wiedergutmachung oder wenigstens moralischer Begrün­dung hiezu. Die'Staalsmn r d.r Entente tcg'cn d.s.-alb größten Wert auf jede Stimme und um so mehr, wenn diese aus Deutsch­land kam, die ihnen in dieser Frage zu Hilfe kam. Ter Versailler Vertrag basiert gleichfalls auf dem Evangelium von der deutschen Schuld und der Vertrag trägt die Unterschrift der deutschen Rcgic- rungsvertreicr. Die ^Inicrschrift aber ist erpreßt und kein geschrie­benes oder ungeschriebenes Gesetz auf der Welt erkennt Erpressungen.

Die Hilfe kam den Staatsmännern der Entente also nicht von unseren Verantwortlichen Regicrungsmänneru, wohl aber von ande­rer Seile aus Deutschland. Es konnten sich ja nach dem Zusammen­bruch IN8 die Herren Eisncr, Förster, Montgelas, Kautsky, Har­den und wie die Edlen sonst noch heißen, Gcrlach nicht zu vergessen, nicht genug darin tun, die deutsche alleinige Schuld am Kriegefest- zustellcn". Gierig wurde drüben natürlich jedes derartige Zeugnis, das in den eigenen Kram hineinpaßle, registriert und wieder gegen uns verwertet. Ob es von verantwortlicher oder unverantwortlicher Seite kam. das ist der Entente dich ganz gleichgültig. Jede der­artige Stimme trug dazu bei, sie selbst zu entlasten und das war doch die Hauptsache. Und in Deutschland waren anscheinend vergessen King, Edward Grey, Poincare, Telcassc, JswotSky, Hartwig, ver­gessen waren die Lehren des Prozesses Suchomlinow und derun­politische" Deutsche konnte sich doch seinen Reim darauf nicht machen, daß nunmehr der Riegel, der sich in den Landweg von Kairo nach, Indien schob, die deutsche Vagdadbohn, wcggcschoben war, daß der Riegel, der sich zwischen Kairo und Kapstadt schob, Deutsch-Ostafrika, weggcsch: bcn war, daß usw. usw. ... Wir wollen hier die Schuld am Kriege nicht untersuchen, wir wollen von den Leuten sprechen, die unseren Feinden die deutsche Schuld am Kriege zugegeben und ihnen somit zum Fundament des Versailler Vertrages verholfen haben. Zu einem großen Teil können diese Männer nicht den Anspruch erheben, als Deutsche zu gellen, sie sind cs nicht. Man kann sie allenfalls noch als international bezeichnen. Eisner und den Tschechen Kautsky. Graf Montgelas unü Maximilian Harden. Sie sind demnach nie berufen im- Nomen Deutschlands zu sprechen Vei einem weiteren Teil tritt der typische deutsche Zug hervor, der Selbstbczichtung und Selbstkasteiung in der Hoffnung, dem Feind damit zu Gefallen zu sein. Merkwürdig kann nur berühren, daß eine deutsche Negierung einem Mann wie Kautsky die Sichtung der deut­schen Akten übertragen konnte. Und wie haben sich diese Herren, voran Montgelas und Kautsky, gemausert! Heute erklären sie, daß nach genauem Studium der Akten die Schuldfrage doch etwas anders aussteht, als cs ihnen im ersten Augenblick den Anschein gab. Aber was geschehen ist. ist nicht mehr ungeschehen zu machen. Nun müssen wir unsere Hoffnung auf die Zeit setzen nnd auf das histo­rische Gesetz, daß sich die Wahrheit doch Bahn bricht. Wir müssen bezahlen und leiden, weil wir im Kriege unterlegen sind. Das ist so gewesen, solang: es eine Weltgeschichte gibt. Dagegen aber müssen wir uns verwahren, daß wir leiden und zahlen müs­sen, weil wir mutwillig den Krieg herausbeschworen und ange­fangen hätten. Es ist absurd und unmoralisch, die Aussage des An­klägers in einem Streit als feststehendes Endurteil hinzunchmcn. Di« Schuld am Kriege soll untersucht werden. Deutschlands und Oester­reichs Archive sind geöffnet, die unserer Feinde mögen sich auch öff­nen. Unparteiische sollen untersuchen und dann richten. Trifft uns dann der Schuldspruch, gut. Bis dahin aber hat kein Mensch das Recht, einschuldig" zu sprechen und auf solchem Schuldspruch ein Gebäude aufzuführen. Wer das bislang getan, der möge es vor sich verantworten. Die Geschichte wird ihn richten. Das kann lange dauern und wir können indessen vor die Hu de gehen. Denn die Gewissen sind weit ... An dem deutschen Grab aber haben Män­ner, die sich Deutsche nennen, eifrig mitgeschaufelt. Anstatt nationale Würde zu bewahren, gibt es immer wieder Deutsche, die auf zwei Seiten Wasser tragen wollen. Jeder, der s o handelt, gehört an den Pranger. Vor Gericht werden sie nicht verantwortlich sein, aber der deutsche Fluch soll sie treffen.

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Der Fluch der Sanktionen.

L-euisu-e HegemnaMahmetr.

Berlin, 17. L.urz. ^m w.iUichaiis-po.tl.icycn A-isschuß führte gestern RAchs.virtschastsministcr Tr. Scholz u. a. aus. eine Rechis- grunölage für die sogenannten Sanktionen sei im FricdenSoerlrag nicht gegeben. Sie würden außerordentlich jchwier.ge Verhältnisse in Deutschland schassen und cs sei nolwenoig, Gegenmaßnahmen zu lr.sfen. Ter Feinüounü verkenne, daß Deutschland weniger v.n seinem Gegner, besonders auch England, werde kaufen können, wenn sein Außenhandel durch die verlangte üOprozentige AusjNhrabgabe gedrosselt werde. Der Außenhandel werde sich neue Wege suchen müssen. Diese neuen Wege dem Handel zu erleichtern, sei Pflicht der Rcichsregierung. In Frage komme eine Erweiterung der Aus- suhrftciliste, der Mengen Kontrolle auf verschiedenen Gebieten, Ab­bau brr Aussuhrabgabe, sowie als Gegenmaßnahme gegen die drohende Minderbeschästigung der Industrie eine energische Wieder­belebung des Baun'.arlts unü Wiederaufbau der Handels,lotte, fer­ner Erweiterung der produktiven Erwcrbsioftnfurjorge. Einsuhr- k.mlrolle für überflüssige Auslandswaren. Vorkehrungen gegen ein neues Loch im Westen, sowie eine Verringerung d.s Verbrauchs übcrftüssigcr Einfuhrwaren durch Erhebung von Abgaben. Bespre­chungen über die Beamtensragen im besetzten Rheinland mit Brr- lrclern der Nheinlande ständen bevor. Hierauf führte Minister des Auswärtigen Dr. Simons u. a. aus. es handle sich darum, wie ww aus der gegenwärtig hochgcjpannien und gefährlichen Lage der deutschen Wirftchast am besten hcrauskommen. Dr. Simons fuhr fort: Die deutsche Wirtschaft muß fähig gemacht werden, den An­sturm der Zwangsmaßnahmen zu ertragen und die großen Gefahren abzuwchrcn, die auf dem Gebiet der Arbeitslosigkeit aus ihnen er­wachsen. Sie muß aber gleichzeitig neben dieser negativen Aufgabe des Krschallens gegenüber den Zwangsmaßnahmen der Gegner sich auch schon p.sitiv vorbcreiten auf das, was später kommen soll, denn darüber, sagte der Minister, sind nur uns wohl alle ewig, daß wir über kurz oder lang zu Verhandlungen kommen werden und das um so sicherer, je ruhiger wir unsere gegenwärtige Lag: üvcrocnkcn> je fester unsere Nerven sind. Ich bin der Meinung, daß sich jetzt erwiesen hat: die Methode unserer Gegner, schon jetzt aus iange Zeit hinaus Ziffern für die deutschen Finauzleistungen in Annuitäten scst- zusctzcn, vat Fiasko gemacht. W.r müssen die Sache jetzt von der anderen Seile ansasscn unü die Wicdcrausbauabgabc in oen Mittel­punkt unserer ganzen Vorbereitungen stellen, wozu, wie der Mi­nister bemerkte, ein möglichst genauer Plan für den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete festgcflellt werden muß. Dieses Problem hängt aber eng zusammen mit dem Siedclungspr. klein in Deutsch.and, denn wir können unsere Straft bei der eigenen Not nicht ausschließlich in den Dienst der Gegner stellen. Tr. Simons hält deshalb dafür, daß der Plan der W.edciaufdautätigkeit mit ganz großen Zügen in Angriff genommen werden muß und bittet dabei vor allen Din­gen um die Mitarbeit aller Wirtschaftskraft des deutschen Voiles. Aber sie genügen noch nicht, um aus der schweren Lage der euro­päischen Gcsamtwirtschast herauszukommcn. Außerdem müsse ein Mittel gesunden werden, um der dringenden Kapitalnot der fran­zösischen Wirtschaft eine Möglichkeit der Milderung zu verschaffen. Das können wir, sagte Dr. Simons, auf die Tauer nur mit unserer Arbeit, die wir als Gewährleistung und Sicherheit für eine Anleihe Ansehen, mit der wir den französischen Finanzbedürfnissen ent- gcgcnkommen können. Auch diese Frage muß bedingt geprüft wer­den. Sie ist sehr viel schwerer als die erste und kann sehr viel weniger von uvS gelöst werden, weil sie viel unmittelbarer aus die internationale Zusamm:,larbeit abgcstcllt ist. Aber auch hier mußten wir Vorbereitungen treffen, damit wir, wenn dann die Zeit gekom­men sei, wo wir nnS wieder an den Verhandlungstisch setzen, mit wirklich ausgcarbeitcten Plänen kämen. Unbedingt müsse hier etwas von uns geschehen, weil die Gegner sich mit den Annuitäten fest- gerannt hätten, mit denen man aber niemals weiter komme. Wenn die Zeit gekommen sei, müßten wir bereit sein, vielleicht bereiter, als das früher der Fall war.

Die Zustände in Rußland.

Zur Lage.

Nach einem direkt aus Petersburg eingetroffenen von nicht- bolschewistischer Seite stammenden Citnationsbericht, der dem Berliner Tageblatt" vcktzlicgt, wird davor gewarnt, die Soro- jetregierung bereits als so erschüttert anzuschen, wie viele Sen­sationsmeldungen glauben machen könnten. Während im Aus­land über blutige Straßenkämpse in Petersburg berichtet würde, ging in der Stadt das Leben in der gewöhnlichen Weise weiter. Die Straßen waren abends erleuchtet und der äußere Bild der Stadt unversehrt. lieber die Lage in Kronstadt sagt der Bericht, daß unter den dortigen Ausständischen Uneinigkeit