Zwischen den Haager Beratungen

Die am 30. August beendete erste Haager Beratung über den Aoungplan sollte nach rascher Arbeit von 7 Organi. sationsausschüssen für die Ingangsetzung des Aoungplancs Anfang Oktober durch eine zweite Beratung ergänzt wer­den. Inzwischen ist es Ende November geworden und nun wirdamtlich" mit dem Beginn der Haager Schlußberatung am 7. Dezember gerechnet. In dem gleichen Augenblick weiß man schon, daß bas Weihnachtsfest genügend Spielraum für die plausible weitere Hinausschiebung der endgültigen Be­schlußfassung Uber den Boungplan bis nach Neujahr bieten wird.

Durch einen Machtspruch der Regierungen wäre es natür­lich möglich, das Tempo der sieben Ausschüsse, die der Präsi­dent der Haager Konferenz, der belgische Ministerpräsident Jaspar, nach Berlin, Mainz, VadeiEaden und Paris ge­schickt hat, wesentlich zu beschleunigen. Der Berhandlungs- stoff dieser Ausschüsse ist schon so stark erschöpft, teilweise sind sie sogar schon abgeschlossen, daß Brianb in seiner Unterhal­tung mit dem freundlich, aber entschieden auf den Schlußakt drängenden deutschen Botschafter Hoefch mit anderen Aus- flüchten einen längeren Aufschub begründen mußte. Das geschieht in der Überzeugung, daß der Zeitgewinn die Lage Englands und Deutschlands weiter verschlechtern und die Frankreichs vorteilhafter gestalten wird. Hinsichtlich Deutsch- lanvs wird diese Auffassung Briands durch den jüngsten Be­triebsbericht des Reichsfinanzministeriums ebenso überzeu- gend für ihn wie betrübend für uns gestützt; Verfchlimme- rung der schwebenden Schuld, Verschlechterung der Kassen­lage, Verminderung der Einnahmen infolge der durch Steu. ern und Abgaben gedrosselten Wirtschaftsentwicklung und wachsende Finanzverwüstung infolge ungedecktersozialer" Ausgaben sind auch jetzt wieder die Kennzeichen unserer Neichsfinanzwirtschaft. Bezüglich Englands sieht sich Briand in der Stellung des Mannes, der seine Krise hinter sich hat, gespannt auf den Augenblick eines Zusammenstoßes, der ihm Unterhaltung, anderen Wunden und Schmerzen verschafft.

Die indische Krise ging an Macdonald vorüber, weil man in England so verantwortungsbewußt und so vernünftig ist, in allen Lebensfragen des Landes wenigstens nach außen eine geschlossene und unerschütterliche Front zu zeigen, in die nicht einmal parteipolitischer Egoismus eine Bresche zu schlagen vermag. Aber die inneren Schwierigkeiten der Labour-Ne- gterung aus dem Wirtschafts-Durcheinander der Neichsteile, der Arbeitslosenfrage und dem Ringen um Arbeitszeit und Löhne der Bergarbeiter werden sich in den nächsten Wochen doch nur vermehren und die englische Schwungkraft bei der zweiten Haager Beratung lähmen. Deshalb findet sich Eng­land mit dem Wunsche nach einer baldigen und raschen Ernte des Aoungplancs an der Seite Deutschlands.

Im Stellungskrieg der Ausschußberatungen hat sich Deutschland im großen und ganzen wacker durchgeschlagen. Zweifelhafter Gewinn bleibt die Liquidationsabmachung mit Polen. Viele dringliche Wünsche Deutschlands sind auch im Ausschuß für die Neuordnung der Verhältnisse der Reichs­bahn offen geblieben. Das Reich gewinnt stärkeren Einfluß auf das größte Unternehmen der Erde. Aber dieser Erfolg wird beeinträchtigt durch die Gewißheit, daß neue soziale For­derungen auf Kosten der Betriebssicherheit und der Verkchrs- verbilligung, die allein für die Allgemeinheit der Wirtschaft und des Volkes und insbesondere auch für die Entlastung des Arbeitsmarktes von Bedeutung werden könnten, sich durchsetzen werden. Besseres zu berichten ist aus dem Organi­sationsausschuß für die internationale Tributbank. Schacht hat wenigstens die Aussicht erkämpft, daß der Sitz der Bank nach Basel kommt. Wir behalten damit Hoffnung auf die Mitverfügnngsmöglichkeit über unser eigenes Geld, wenn wir auch nicht sicher sind, Im BaselerKirschgarten" der klassische Varockbau ist künftiges Heim der Bank nur süße Früchte pflücken zu können.

Nach den sieben Ausschüßen, die mit Ausnahme des für uns weniger wichtigen für die Ostreparationen ebenso wie schon der Vankausschuß ihre Arbeit jeden Tag abschlte. ßen könnten, werden zunächst noch die Juristen eine Überprü­fung der Beschlüsse und ihres Wortlauts vornehmen. Ihre Tätigkeit könnte sicher so beschleunigt werden, daß wir wenig­stens noch vor Ablauf des Jahres erfahren, wie der Aoung- plan endgültig aussicht. Eine tatkräftige Arbeit unserer Ne­gierung in dieser Richtung wäre von größter Bedeutung für die Volksgefamtheit.

Elsäßischer Protest

gegen die französischen Festungsbauten

--- Straßburg, 21. Nov. Die heftige Ablehnung, der in Elsaß-Lothringen die neuen französischen Befestigungsanla­gen begegnen, hat erneut in einer öffentlichen Versammlung Ausdruck gesunden, wobei der autouomistische Abgeordnete Dahlet und andere heimatrcchtliche Führer sprachen. Es wurde in einer Entschließung gegen die zahlreichen Enteig­nungen Einspruch erhoben, durch die zahlreich: Landwirte wertvollsten Boden verlieren, ohne daß die gezahlten Eut- eignung.sätze wie in der Vorkriegszeit dem wirklichen Wert entsprechen. Die bereits in der Ausführung begriffenen Kriegsprojekte werden verurteilt, da siein Widerspruch stehe» mit den Versprechungen, die im Weltkriege gemacht worden sind, und aus Elsaß-Lothringen ein Fcstuugsglacis machen sollen, während cs eine Brücke bilden will zwischen Frankreich und Deutschland". Die unproduktiven Milliar. denausgabcn für ein solches Werk seien eine skandalöse Ver­schwendung, mährend Frankreich für wichtige hygienisch« und soziale Fortschritte kein Geld aufbringcn könne.

Amerika und die Londoner Konferenz

Die amerikanische Abordnung

TN Ncwyo'k, 21. Nov. Präsident Hoover hat jetzt die Namen der Mitglieder der amerikanischen Abordnung für die Londoner Fünfmächtckonscrcnz bekanntgcgcben. Ver­treter der Vereinigten Staaten sind: Marinesekretär Adams, der Londoner Botschafter General DawcS, der Botschafter in Mexiko Morrow und der Gesandte in Brüs­sel Gibjon. Außerdem gehören der Abordnung Staalsje»

Ungarn und die Ost-Reparationen

Die Pariser Ostrcparationskonserenz hat mit einem Mißerfolg der sogenannten Gläubigerstaaten geendet. Schuld daran ist der feste Wille der ungarischen Negierung, keiner Einschränkung der ihr nach dem Trianonvertrag zustehenden kärglichen Rechte zuzustimmen. Auf der Pariser Konferenz spielten die Ansprüche der Tschechoslowakei, Südslawiens und Rumäniens die erste Rolle. Im Gegensatz zu den ver- hältnismäßig glatt verlaufenden Auseinandersetzungen die­ser drei Staaten mit Oesterreich und Bulgarien, liefen sich die Verhandlungen mit Ungarn bald fest. Das lag nicht nur an der Materie, sondern in nicht geringem Maße auch an der Einstellung der Kleinen Entente zu ihren drei Berhand- lungsgegnern. Ungarns aktive, offen auf eine gründliche Re­vision des Trianonvertrages gerichtete Politik hat auch nicht die geringste Mclderung des Gegensatzes zu allen drei Glie­dern der Kleinen Entente zugelassen. Unversöhnlicher denn je stehen sich die ehemaligen Feinde gegenüber. So ging auch das Streben der Gegner Ungarns dahin, diesem Land einerseits erhöhte Lasten aufzubürden, andererseits sich eige­nen Verpflichtungen nach Möglichkeit zu entziehen. Gelegen­heit dazu gab die Optantenfrage. Das Trianondiktat ent­hält die Bestimmung, daß unbewegliche Güter ungarischer Staatsangehöriger, die auf den abgetrennten Gebieten lie­gen, von jeder Sequestierung und Enteignung ausgenom­men und daß aus dieser Vorschrift sich ergebende Streitfragen von gemischten Schiedsgerichten zu schlichten sind. Die na­mentlich von seiten Rumäniens unter dem Schein einer so­ziale» Agrarreform vorgenommeuen Enteignungen des Be­sitzes ungarischer Optanten bilden nun schon seit Jahren einen Streitpunkt zwischen den beiden Staaten, da der Siegerstaat die zweifelsfreie Entschädigungspflicht gegenüber den ungarischen Staatsangehörigen nicht erfüllt. Die vor­gesehene schiedsgerichtliche Regelung hat Rumänien dadurch Hintertrieben, daß es seinen Vertreter ans dem eingesetzten Schiedsgericht zurückberufen hat. Der Bölkerbnndsrat, an den sich Ungarn beschwerdeführend wandte, ist einer Stel­lungnahme bisher stets ausgewichen, indem er die beiden Gegner immer wieder auf den Weg unmittelbarer Verhand­lungen wies, zuletzt bei seiner Tagung im September, wo beschlossen wurde, das nächste Mal die Verhandlungen unter der Leitung des englischen Ministers Henderson stattfinden zu lassen. Rumänien hat nun in Paris die Forderung auf- gestellt, baß die Optantenfrage noch vor der Gesamtrepara­

tionsfrage in Paris geregelt werden müsse, und vorgeschla­gen, die von Ungarn nach 1943 zu leistenden Zahlungen soll- ten zur Entschädigung der Optanten verwandt werden. Hier ist einzuschalten, daß die Neparationsverpflichtungen Un­garns zurzeit bis zum Jahre 1943 festgelegt sind, und zwar hat es jährlich zehn Millionen Goldkronen lacht Millionen Mark) abzuführen. Die ungarische Regierung vertritt der rumänischen Forderung gegenüber den Standpunkt, daß die Ansprüche der Optanten solche von Privatpersonen an de« rumänischen Staat seien und deshalb mit den rein politischen Reparationsverpflichtnngen nicht verquickt werden dürften. Es besteht auf einer Regelung durch die vorgesehenen Schiedsgerichte und verweist auf den Genfer Beschluß vom September. Außerdem macht cs geltend, daß es über 1911 hinaus wohl zur Bereinigung einiger mit den Reparationen nicht unmittelbar zusammenhängender finanzieller Streit­fragen bereit sei, aber Lasten, die auch nur annähernd die jetzige Jahresrate erreichten, nicht auf sich nehmen könne. Das sei, wie es bei der Ucbernahme der bislang geltenden Verpflichtungen habe annehmen müssen, auch nicht beabsich­tigt gewesen.

Wie es nicht anders zu erwarten war, fand Rumänien in der Tschechoslowakei einen Sekundanten. Eine Auslassung des amtlichen Tschechoslowakischen T.-K.-Büros kennzeichnet den Standpunkt seiner Regierung dahin, daß diese sich nie­mals der Rechtsprechung von gemischten Schiedsgerichten beugen könne, weil damit das Kapitulativnssystem, wie es in China uud anderen Staaten lTürkei, Aegypten) bestanden habe und z. T. noch bestehe, für die Tschechoslowakei ein- geführt würde. Diese Verlautbarung vergißt, daß es sich um eine klare Bestimmung des Trianonvertrages handelt, die auch für die Tschechoslowakei durch Ratifikation binden­des Recht geworden ist.

Da beide Parteien, Ungarn auf der einen, die Kleine Entente, namentlich Rumänien, auf der anderen Sette, an ihrem Standpunkte festhielten, auch eine formelle Einigung der so gern zur Rettung internationaler Konferenzen be- schrittene Weg nicht gefunden wurde, schließt die Pariser Konferenz, was Ungarn anbelangt, mit einem offenen Miß­erfolg ab. Ungarn hat trotz seiner Lage inmitten dreier haß­erfüllter, schwerbewaffneter Feinde ein Scheitern der Ver­handlungen in Kauf genommen, um seine Rechte zu wahren.

krctär Stimson und die Senatoren Reed (Pennsylvania) und Robinson (Arkansas) an. Als Berater werden die Ad­mirale Pratt und Johnes die Abordnung begleite».

Der Reichskommissar für die deulschen Rußlandkolonislen

Das Reichskabinett hat beschlossen, Ncichsmittel zum Ab­transport und für den vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland der vor Moskau anz sammelten deutschstäm-

migen Kolonisten ..s c ReichSkommissar für

die Betreuung der Kolonisten wurde der Neichslagsabge- ordnete Stücklen bestellt, der ähnliche Aufgaben bereits mit Erfolg gelüst hat.

»

Deutsche Geistliche in der Lowjctnkraine verhaftet. Wie dieDAZ." aus Charkow meldet, wurde iu den letzten Tagen in der Sowjetukraine eine Reihe deutscher Geistlicher verhaf­tet. <sie werden beschuldigt, basAuswanücrungösieber" der deutschen Bauern künstlich erzeugt und geschürt zu haben. Unter den Verhafteten befindet sich der älteste der Mennoni- tcnsckte, Ediger, und der Leiter der evangelisch-lutherischen Kirche der Nordukraine, Birth.

Russischer Einmarsch in China

Schwere Kämpfe an der russisch-chincsischeu Grenze.

TN. London, 21. Nov. Tic beiden Orte Talai-Nor «nd Manbschuli, in bereu Nähe Kämpfe ansgrbrochen waren, sind nach ergänzenden Mitteilungen aus Mulde» durch die Sow- jettrnppcn eingenommen worden. Tex Einmarsch der Russen erfolgte erst nach sehr heftigen Zusammenstößen mit größere» chinesischen Armecteilcn, in deren Verlauf die Chinesen sehr große Verluste gehabt haben sollen. Am Dienstag mittag nm 12 Uhr bauerte» die Kämpfe »och an. Tie Stärke der beteiligten Sowjcttrnppcu wird mit mehr als einer Division angegeben, die mit Tanks, Flugzeugen und moderner Artille­rie ansgcrüstct sind. Auch an andcrcu Stellen der Front gin­gen Sowjcttruppcn auf chinesisches Gebiet über.

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Abschaffung der gemischten Gerichte in Schanghai

Schwierigkeiten zwischen der chinesischen Regierung nnd dem Diplomatischen Korps.

TU Peking, 21. Nov. Zwischen dem Diplomatische« Korps und der chinesischen Negierung ist es zu neuen Schwierigkeiten gekommen. Die chinesisch« Negierung er­suchte das Diplomatische KorpS, Vertreter für Verhand­lungen über die Abschaffung der gemischte« Gerichte i, Schanghai zu entsenden. Das Diplomatische Korps lehnte es aber ab, Vertreter für die Verhandlungen zu entsenden, da es für derartige Verhandlungen nicht zuständig sei. Der Negierung wurde unheimgcstellt, sich mit den ausländischen Konsuln in Schanghai wegen der beabsichtigten Verhand­lungen in Verbindung zu setzten. Die chinesische Negierung hat diesen Vorschlag des Diplomatischen CorpS abgelehnt und beschlossen, auf die Teilnahme ausländischer Vertreter an den in Aussicht genommenen Verhandlungen zu vcrzich. ten. Die gemischten Gerichte werden daher ohne Mitwir, knng der ausländischen Diplomatie von der chinesische« Re, giernng abgeschafft werden.

Ritterliche Gegner

Der frühere deutsche U-Boot-Kapitän Ernst HaShagen ist von dem englischen Seeoffizier Commander Norman LewiS nach England eingeladen worben, um ln Neadiug einen Bor- trag zu halten. Commander LewiS war während des N- Boot-Krieges von Kapitän Hashagen gefangen genommen worden und hat jetzt aus Dank für die ihm widerfahren« rit­terliche Behandlung seinen früheren Gegner eingeladen. Auf der Veranstaltung selbst führte Kapitän Hashagen auö, er wisse, baß es eine Zeit gegeben habe, in der der Kapitän eines deutschen U-VootcS nicht gerade der populärste Mann tu England gewesen sei. Er glaube auch nicht, daß man selbst heute das Gegenteil sagen könne, aber es sei wenigstens zu hoffen, daß sein Auftreten als Gast in England als Anzeichen dafür gewertet werden dürfe, daß sich die Welt wiederfindr. Sowohl der englische als auch der deutsche Offizier wurden von den zahlreichen Teilnehmern der Veranstaltung stürmisc* bejubelt.

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Krieges, die kurz nach der Gefangennahme des englischen Ossi ziers gemacht wurde. Sie zeigt von links nach rechts: Com. mandcr LewiS, Kapitänleutuant Hashagen und Marinc- ingeuieur Schmidt.