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Frrnsprecher Nr. S

verantwort!. Schriftleitung: Friedrich Hans Scheele Druck und Verlag der K. Oelschläger'schen Buchdruckeret

Nr. 275

Freitag, den 22. November 1929

102. Jahrgang

Eröffnung der Pariser Saar-Konferenz

Drei Ausschüsse sollen die Vorarbeiten leisten

Die Wirtschaftslagen im Vordergrund.

TU Paris, 22. Nov. D'e deutsch-französischen Saar­oerhandlungen wurden am Donnerstag vormittag um 11 Uhr in dem großen Spcisesaal des französische« Außenmini­steriums am Quai dOrsay eröf,net.

Geheimrat von Simson erschien als erster von der deutschen Abordnung in Begleitung des deutschen Botschaf­ters vo.. Hoesch. Letzterer nahm an den Verhandlungen aber nicht teil. Die Sitzung begann mit einer Begrüßungs­ansprache des französischen Ministers für öffentliche Arbei­ten, P e r n o t, der den bekannten Standpunkt der franzö­sischen Negierung zu den kommenden Verhandlungen dar- legte und den Wunsch aussprach, baß die Verhandlungen zu einer engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit beider Län­der führen möchten. Von Simson dankte für die freund­liche Begrüßung und antwortete ausführlich unter Darle­gung der deutschen Gesichtspunkte.

Es wurde beschlossen, drei Ausschüsse einzusetzen: 1. Unterausschuß für Bergwerksfragen,- 2. Unterausschuß für Handels, und Zollfragcn; 3. Unterausschuß für juri­stische Fragen. Ferner wurde vereinbart, daß diese Unter­ausschüsse zusammentreten sollen, sobald ihr Arbeiitspro- gramm von dem Vorsitzenden der beiden Abordnungen sest- gelegt worden ist.

Die deutsch-französischen Thesen.

In den Saarverhandlungcn ist sofort mit der Einsetzung der drei Kommissionen begonnen worden, da auf beiden Seiten die Auffassung vertreten wurde, Laß man möglichst bald mit der technischen Bearbeitung der einzelnen Fragen beginnen müsse Der Hauptstrcitpunkt ist nach wie vor die Auffassung, ob auch die politische Seite dex Saarsrage er­örtert werden soll od r nicht. Deutschland hält das politische Problem für das wichtigste, während sich die Franzosen aus

wirtschaftliche Fragen beschränken wollen. Fast die ganze französische Abendpresse vertritt daher übereinstimmend die Auffassung, baß die Behandlung der politischen Fragen nicht zu den Aufgaben der Konferenz gehöre. Der Temps erklärt, Frankreich sei bereit, anzuhörcn, was das Reich vor­zuschlagen habe, doch bewahre sich Frankreich seine Hand­lungsfreiheit. Es könne sich für die Franzose« um nichts anderes handeln, als um die wirtschaftliche Regelung einer rein wirtschaftlichen Frage.

Brian- über die Saarverhandlungen.

Am Donnerstag abend behandelte die Kammer die Inter­pellation FranklinBouillons,Ler erklärte, die Saar- verhaudlungcn feien begonnen worden im Gegensatz zu den Erklärungen der Negierung. Briand sagte: Ich bin über­zeugt, als guter Franzose gehandelt zu haben, indem ich vor 1935 die Saarfrage anschneiden ließ. Ich hielt es für unsere Aufgabe, mit der Neichsregierung darüber zu verhandeln. Ich verstehe nicht die Erregung des Herrn Franklin Bouil­lon, da das Parlament über das Ergebnis der Beratungen zu beschließen haben wird. Ich habe Dr. Stresemann darauf aufmerksam gemacht, daß die politischen Rechte der Saar­bevölkerung geschützt werden müßten. Wie kann man unter diesen Umständen von der Freigabe des Saargebicts sprechen? Die Verhandlungen sind wirtschaftlicher Natur, und da es sich vor allem um die Bergwerke des Saargebiets handelt, ist der Minister für öffentliche Arbeiten zum Vorsitzenden der französischen Abordnung berufen. Morgen werde Ich vor dem Auswärtigen Ausschuß sprechen und werde ihm beweisen, daß die Besorgnisse Franklin Bouillons unberechtigt sind.

Ministerpräsident Tardieu bezeichnet? die Aussprache über die Saarverhandlungen als unnütz, schädlich und zweck, los und beantragte ihre Vertagung. Di« Vertrauensabstim­mung ergab eine Mehrheit von 837 gegen 244 Stimmen für die Negierung.

Das Hilfsprogramm

Vier Beschlüsse der Reichsregierung

zur Stabilisierung bex Weizen- und Noggeupreise.

TU Berlin, 22. Nov. DasBerliner Tageblatt" ver­öffentlichte am Donnerstag abend, offenbar gestützt auf In­formationen des demokratischen Neichsernährungsministers Dietrich, Einzelheiten über das vom Neichskabinett be­schlossene Agrarprogramm. Es handelt sich im wesentlichen um folgende vier Punkte:

1. Solange die Preise für Weizen und Roggen unter einem gewissen Richtpreise bleiben, wird zu dem auto­nomen Zollsätze von 7S0 Mark und 7. Mark ein Aus» gletchszuschlag in Höhe von 2.50 Mark erhoben wer» den. Die Richtpreise sind noch nicht endgültig festgesetzt, man darf aber annehmen, daß sie ungefähr in der Höhe von 27Ü Mark für die Tonne Weizen und 230 Mark für die Tonne Roggen liegen, während der tatsächliche Marktpreis am Samstag für Weizen 227 Mark und für Roggen 1S5 Mark betragen hat.

2. Das Neichskabinett hat ferner beschlossen, daß ein be­stimmtes R o g g e n q u a n t u m in einer noch festzusetzen, den Höhe auf Lager genommen wird, um den Roggen» markt von dem unmittelbaren Preisdruck zu befreien, der von dem starken landwirtschaftlichen Notangebot ausgeht. Dieser Roggen wird durch Vergällung für die menschliche Nahrung unbrauchbar gemacht und durch eine Prämie in Höhe von 40 Mark für die spätere Verwendung zu Futterzwecken verbilligt. Durch diese Prämie, die den Transport des NoggenS vo» Osten nach Westen verbilligen soll, soll die Ausgabe von Einsuhrscheincn erspart werden.

8. Grundsätzlich tritt ferner eine befristete Zoll- crhöhung für Futtergerste von 2 auf 8 Mark ein, jedoch mit einer >chr wesentlichen Einschränkung, die die Interessen der westdeutschen Schweinezüchter wahrt.

4. Weiter ist im Anschluß an die handelspolitische Ver­ständigung mit Polen anzunchmcn, daß der Getrcidehandel, soweit er sich mit der N o g g e n a u s f u h r beschäftigt, in beiden Ländern in einer syndikat mäßigen Bin- düng zusammengefaßt wird. Die Einzelheiten stehen noch nicht fest. Ebensowenig die genaue Form dieser syndikats- mäßigen Bindung. Sicher aber ist, daß diese Zusammen­fassung des Noggenansfuhrhandels in den beiden Ländern, die in Europa Haupterzeuger des Roggens sind, nicht ge­schehen kann, ohne eine gemeinschaftliche deutsch- polnische Zusammenarbeit, aus Grund deren die geschäftlichen Dispositionen getroffen werden. Diese vier Methoden hat das Neichskabinett soeben gebilligt.

Zum Schluß bemerkt das Tageblatt, es sei für den Han­del und für das Mühlcngcwerbe sehr wichtig, daß der von der Grünen Front angestrebte B e i m a h l u n g S z >va n g

für die Landwirtschaft

weder für Weizen noch für Roggen eingeführt sei und daß damit der Ausbau einer großen zwangswtrtschaftlichen Kon­trollorganisation verhindert worden fei. Vorübergehend ist bekanntlich der Vermahlungszwang für die Monate Dezem­ber -und Januar auf 50 Prozent erhöht worden. Die An­griffe der Grünen Front gegen das jetzige Gefrierfleisch- kontingent, so schließt das Blatt, seien abgeschlagen.

Maßnahme« zur Stützung des Noggenmarktes.

Amtlich wird ans Berlin mitgeteilt: Bekanntlich tritt die Zolltarifnovelle vom 17. August 1925 am 31. Dezember d. I. außer Kraft. Wenn sie nicht verlängert werden würde, wür­den nicht nur wichtige Agrarzölle, sondern auch eine große Reihe sehr wichtiger JndustrlezStte in Fortfall kommen. Es ist beabsichtigt, In Verbindung mit der Verlängerung der ge­nannten Zollnovclle, die im Sommer des Jahres unerledigt gebliebenen zollpolitischen Fragen auf fand» wirtschaftlichem Gebiete zu regeln und daneben einige dringliche Maßnahmen auf dem Gebiet der Markt- regulierung zu treffen.

Es handelt sich zunächst um baS Getreidemonopol, bei dem wiederum die Roggenfrage im Vordergrund steht. Infolge der guten Noggenernten der beiden letzten Jahre sind große Überschüsse vorhanden, die preisdrückcn auf den Markt wir­ken. Der Gedanke, durch Einführung eines Bcimahlungs- zwanges von Roggen zum Weizen einen vermehrten Noggeu- verbrauch zu erzielen, hat sich infolge unüberwindlicher tech­nischer Schwierigkeiten als «ndnrch'ührbar heransgestellt. Es bleibt daher «nr übrig, einen Anreiz znr verstärkte« Roggenversütterung z« geben. Dies soll dadurch erreicht werden, daß verbilligter Roggen ans dem Osten nach dem Westen geschafft «nd dort zusammen mit niedrig verzollter Gerste den Schwcinemästern -«geführt wird. Dadurch wird ans der einen Seite eine Entlastung der Noggenmärkte des Ostens erreicht, ans der anderen Seite eine stärkere Verfüt- tcrung von Roggen im Westen «nter gleichzeitiger Sicherung des GerstenbezngcS für die Schweinemästex zu dem bisheri­gen Zollsätze. Wer nicht den Nachweis erbringt, daß er der­artigen verbilligten Roggen z« Fütternngszweckcn gekauft hat, wird in Ankunft Gerste nur. z« erhöhte« Zollsätze«, nämlich S Nm^ beziehen können.

Als weitere Maßnahme znr Stützung deS Noggenmarktes ist die Einlagerung einer größeren Menge Roggen beabsich­tigt. Für Roggen und entsprechend für die übrigen Getreide­arten wird ferner erwogen, die Zölle den jeweils geltenden PreiSverhältnisscn anzupassen.

Ferner werden auf dem Gebiet der V t eh - n n d F l e i s ch. zölle, die im Handelspolitischen Ausschuß des Reichstages behandelt worden sind, Maßnahmen zn treffen sein, die den Beschlüssen Leö vorgenannten Ausschusses im wesentlichen entsprechen.

Tages-Spiegel

Die Saarkonfereuz wurde gestern in Paris mit Ansprachen der Delcgatiousführer eröffnet. Es wurde die Einsetzung von drei Ausschüsse» beschlossen.

In maßgebenden Londoner Kreisen erwartet man, daß die zweite Haager Konserenz in der erste« Woche des Januar zusammentreten wird.

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Der englische Außenminister Henderso« empfing gestern dr« deutsche» Botschafter in London z« einer Unterhaltung über Einberufung «nd Verhandlnngsgegcustände der Haager Konferenz.

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Die Neichsregierung hat ans Antrag des Neichsernährnngs- ministers vier Beschlüsse gefaßt, welche Maßnahmen znr Stützung der Weizen- und Noggeupreise vorsehe«.

*

Gestern trat ein deutsch-polnisches Abkommen in Kraft, das den deutschen Flugzeuge« die überflicgung des Korridors im Luftverkehr mit Ostpreußen «nd de« polnischen Flngzen- gen die Überflicgung deutschen Gebietes auf dem Luftwege zwischen Pos-« «nd Kattowitz sowie zwischen Danzig und Warschau gestattet.

Der englische Schatzkauzler Snowden gab vor dem Unterhaus eine Erklärung über die Freigabe des deutsche« Eigentums ab, wonach dem Reich etwaige Überschüsse des Liquidations- erlöscs auf Reparationskonto kreditiert werden sollen.

*

I« Kassel begann gestern der deutschnationale Reichspartek» tag. Neben dem Bericht des Partcioorsitzcnden sind zahl­reiche Vorträge ans die Tagesordnung des Parteitages ge­setzt, die unter dem Thema:Ter geistige und wirtschaftliche Kamps gegen den Marxismus" znsammengcsatzt werden.

Die Regierungsbildung in Baden

Die Wahl des Staatspräsidenten und der neuen Minister.

TU. Karlsruhe, 22. Nov. Der badische Landtag nahm in seiner Sitzung am Donnerstag abend die Wahl der Regie­rung vor. Von der evangelischen Volkspartei, den Kommu­nisten, den Deutschnationalen und den Nationalsozialisten wurden vor der Wahlhandlung Erklärungen abgegeben des Inhaltes, daß sie sich bei der Negicrungswahl der Stimme enthalten würden. Im Hairse waren 80 Abgeordnete an. wesend.

Zum Innenminister wurde der bisherige Präsident des Nechnungshcscs, Dr. Wittemann sZ.j mit 49 Stimme« ge­wählt. Zum Justiz- «nd zum Kultus- und Unterrichtsmini» fter sin Personalunion) wurde der bisherige Innenminister und Ncichstagsabgeordnete Dr. Nemmele sSoz.) mit 49 Hz«. S1 Stimme« gewählt. Znm Finanzmiaister wnrdc Dr. Schmitt sZ.), der bisher schon diese» Posten inne hatte, mit 48 Stim­me« gewählt. Mit der gleichen Stimmeuzahl wnrde der sozial­demokratische Abgeordnete «ad erste Vizepräsident Maier, Stadtrat i« Heidelberg, zum Staatsrat gewählt.

Znm Staatspräsidenten wnrde Finanzminister Dr. Schmitt sseit einem Jahr schon Staatspräsident) «nd zu seinem Stell­vertreter Minister Dr. Nemmele mit 48 bzw. 49 Stimmen gewählt.

Die Abgeordneten der Deutschen Dolkspartei, der Demo­kraten, der Wirtschaftspartet und -er Bauernpartei gaben weiße Zettel ab.

Das Seebeben im Atlantik

TN. London, 22. Nov. Einer Neuyorker Meldung zufolge berichtete der Kapitän des White Star-DampfersOlympia" bet seiner Ankunft in Neuyork, baß LaS Schiff am Montag nachmittag 640 Meilen von Neuyork entfernt bei vollkommen ruhiger See einige heftige Stöße verspürte. Der Kapitän habe zunächst angenommen, daß eine der beiden Schisssschrau- ben abgesprungen sei. Es habe sich jedoch ergeben, daß es sich um die Ausläufer eines Erdbebens gehandelt habe. Der Vor­gang verursachte große Aufregung unter den Passagieren.

Flutwelle« au -er SLLküste Neufundlands.

Wie aus St. Johns gemeldet wird, sind noch immer die Drahtverbindungen mit dem Bebengebiet im Süden Neu­fundlands unterbrochen. Der DampferPortia" brachte die ersten Meldungen. Daraus geht hervor, daß die Südküste Neufundlands am Montag zwischen 17,06 ühr und 19,35 Uhr Neuyorkcr Zeit von zwei fünf Meter hohen Flutwellen, die durch das Seebeben hervvrgcrufcn wurden, heimgesuchi wurde. Das Wasser drang weit ins Innere des Landes. Zahlreiche Fischerfahrzeuge werden vermißt.

Weitere Meldungen besagen, baß durch Überschwemmun­gen infolge deS Seebebens 27 Personen ertranken. Auf der Burin-Insel wurden 16 Häuser wcggeschwemmt, wobei 18 Personen umkamcn. Auch in anderen O""'- '' "-css-cr Sach­schaden angcrichtet worden.