Der Kampf gegen den Polenvertrag
Deuischnatioimle Interpellation im Reichstag
TU. Berlin, 20. Nov. Die dcutschnationale Reichstags, fraktion hat im Reichstag folgende von den Abgeordneten Graf Eulenburg, v. Lindeiner, Frhr. v. Freytag-Lorringho- ven und Hoetzsch Unterzeichnete Interpellation eingebracht:
„Nach amtlicher Nachricht hat die Neichsregierung am 31. Oktober d. I. ein Abkommen mit Polen geschloffen, dessen Inhalt zwar öffentlich bekannt, in Deutschland aber »och nicht amtlich mitgeteilt ist. Dabei sind unter Berufung auf Artikel v Absatz 3 des Pariser Planes Forderungen des Reiches, der Länder und zahlreicher deutscher Privatpersonen und durch internationale Rechtsprechung vielfach anerkannte deutsche Rechte preisgcgebcn, andererseits aber die fortgesetzten polnischen Rechtsbrüche nachträglich legitimiert worden. Der Verzicht auf das Wiederkaufsrecht Ist ein Verzicht auf ein Recht, das Polen nicht zustand und zudem in seiner Wirkung für die Sicherung des Deutschtums in keiner Weise ausreichend, zumal sowohl bezüglich der Anwendung der sogenannten Grenzzonenverordnung und anderer gesetzlicher Vorwände, wie in der Optantenfrage, ein klarer RechtSzu- stand nicht geschaffen ist. Ebenso ist in der StaatSangehörig- keitsfrage ohne Grund und ohne Sicherung für Deutschland der Nechtsboüe» der Wiener Konvention von 1921 und der Verhandlungen des Völkerbundsrates in Madrid verlassen worden.
De» deutsche« Verzichte« steh«« nicht ansreicheude polnische Garantien und ein ungeheurer moralischer und politischer, materieller «nd rechtlicher Gewinn Polens gegenüber.
Diese Preisgabe deutscher Ansprüche ist nm so unverständlicher, als sie noch durch die Zugeständnisse eines sogenannten kleinen Handelsvertrages mit Po- len verstärkt wird. Die Einräumung der Meistbegünstigung a» Polen unter Fortfall der Kampszölle ohne Wiederherstellung der Autonomie in Deutschland und einer entsprechenden Ausgestaltung des deutschen Zolltarifs mutz angesichts der hohen polnischen Zollsätze die deutsche Industrie schwer schädigen uirü das Kohlen kontingent, daS Polen angeboren sein soll, würde die bestehenden Absatzschwierigkeiten des deutschen Kohlenbergbaus nicht nur in Ober- und Nie.
derschlesien, sondern in ganz Deutschland und damit die Arbeitslosigkeit erheblich verschärfen. Für die Landwirtschaft aber und somit für das gesamte Deutschtum der Ostmark würde die geplante Regelung, zumal wenn noch ein Schweinekontingent hinzutritt, während Polen seine Dumpingmaß- nahmen aufrecht erhält, geradezu den vollen Zusammenbruch bedeuten.
Ist die Regierung bereit: a) im deutschen Reichstage alsbald Auskunft über den Stand der deutsch-polnischen Verhandlungen zu geben, insonderheit den Wortlaut des para- phterten Abkommens und authentische Zahlen über das Aus. matz der beiderseiten Zugeständnisse mitzuteilen? b) Bei den Verhandlungen mit Polen die lebenswichtigen Interessen der gesamten deutschen Wirtschaft, insbesondere der Ostmark und der Landwirtschaft, sowie die berechtigten Forderungen der Deutschen diesseits und jenseits der heutigen Grenze zu wahren? c) Alles zu vermeiden, was als eine freiwillige Anerkennung der heutigen unhaltbaren Grenzverhältnisse im Osten angesehen werden könnte?"
*
Warschauer Massenkundgebungen gegen das deutsch-polnisch- Abkommen.
TU, Warschau, 30. Nov. Im Rathaussaal und in der Warschauer Technischen Hochschule fanden große Massenkundgebungen gegen das deutsch-polnische Abkommen statt. Beide Veranstaltungen gingen vom nationalen Lager bzw. vom polnischen Westmarkenverbanb und den nationaldemokrati- schen Studentenverbänden aus. Daß die Stimmung äußerst erbittert war, geht schon daraus hervor, baß die akademische Jugend versuchte, in großen Gruppen bis zur Philharmonie vorzuüringen, wo Ministerpräsident Switalski eine Rede hielt. Es wurden gegen Deutschland und das Abkommen gerichtete Rufe, wie etwa „Fort mit den Deutschen!" laut. Ein starkes Polizeiaufgebot zu Fuß und zu Pferde zerstreute die Massen auf dem Theaterplatz. Die Straße, in der daS deutsche Gesandtschastsgebäude liegt, war von beiden Seiten durch Polizciketten abgcriegelt, da man vermutlich mit deutschfeindlichen Kundgebungen rechnete. Zu Zusammenstößen mit der Polizei ist es hier jedoch nicht gekommen.
Ehe und Strafrecht
Der Reichsjustizminister verteidigt die Strafvorschrist, der Gtrafrcchtsausschuß lehnt sie ab.
Der Reichstagsausschuß für das NclchSstrafgesetzbuch setzte seine Beratungen beim 23. Abschnitt des Entwurfs fort, der die Verbrechen gegen die Ehe und Familie betrifft. Es sind in den Paragraphen 310 bis 810 Strafbestimmungen wegen Doppelehe, Ehebetrug, Ehebruch, Entziehung eines Minderjährigen aus der elterlichen Gewalt, Verletzung der Unterhaltspflicht, Verlassen eines Kindes und Personenstandsfälschung getroffen.
Zunächst beschäftigte sich der Ausschuß mit dem Para- graphen 312 (Ehebruch), der nach dem Entwurf wie folgt lautet: „Wer die Ehe bricht, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft. Die Tat wird nur auf Verlangen des verletzten Ehegatten und nur bann verfolgt, wenn die Ehe wegen Ehebruchs geschieden worden ist. War zur Zeit der Tat die eheliche Gemeinschaft der Ehegatten aufgehoben, so kann das Gericht von Strafe absehen."
In der Aussprache nahm der Reichsjustizminister von Guerard das Wort. Er betont«, er wolle keinen Zweifel darüber lassen, baß er eine Streichung dieser Strafvorschrift nicht für erträglich halte. Fast alle Kulturstaaten hät- ten an der Strafbarkeit des Ehebruchs festgehalcn. Sowjet- rußland dürfte in dieser Beziehung ausgeschaltet werben, da es ja einen von den europäischen Staaten völlig abweichenden Aufbau des Familien- und Ehelebens eingeführt habe. In England unterliege der Ehebruch der Aburteilung durch geistliche Gerichte, und auch der neue Schweizer Entwurf halte an der Strafbarkeit des Ehebruchs fest. Allgemein glaube man auf die kriminelle Bestrafung des Ehebruchs nicht verzichten zu können. Wenn von verschiedenen Selten die Strafwürdigkeit und die Zweckmäßigkeit der Strafbarkeit vom Standpunkt staatlicher strafrechtlicher Auffassung aus verneint werde, so könne er sich dieser Auffassung nicht anschlietzen. Die Ehe sei eine der wichtigsten Grundlagen des Staates überhaupt. Auch die Verfassung habe dem Rechnung getragen. Der Minister erklärte weiter, er könne nicht zugeben, baß das Strafrecht ein untaugliches Mittel im Kampf um die Reinerhaltung der Ehe sein soll. Wenn die Zahl der Bestrafungen wegen Ehebruchs an den tatsächlich vorkommenden Fällen gemessen auch verhältnismäßig gering sein möge, so liege das bei vielen anderen Tatbeständen des Strafrechts ganz ähnlich, und die Zahl der Verfolgungen könne für die Beurteilung der Strafwürdigkeit überhaupt nicht ausschlaggebend sein. Der Minister betonte des weiteren, daß eine Verurteilung des Ehebruchs durch das bürgerliche Recht keineswegs genüge, da dieses ja insbesondere nicht den Dritten treffe, der in die Ehe eines anderen frivol eingreise. Besonders gegen diesen Dritten müsse der Staat einschreiten können. Ernste Beachtung verdiene der Einwand, daß der Strafantrag häufig nur aus Nachebcbürfnts gestellt werde oder daß man mit der Drohung des Strafantrages günstigere Scheidungsbedingungen erpressen wolle. Indessen könnte man gleiche Bedenken gegen zahlreiche andere Strafbestimmungen erheben, auf die nach allgemeinem Urteil nicht verzichtet werden könne. Weiteste Kreise würden einen Verzicht auf den strafrechtlichen Schutz der Ehe einfach nicht verstehen. Eine solche Maßnahme des Gesetzgebers würde sicherlich nicht verstanden werden. Möge die Strafandrohung auch für viele keine Schranke sein, für viele andere schaffe sie wirksame Hemmungen.
Nach lebhafter Aussprache wurde Paragraph 812 mit 14 Stimmen der Demokraten, Sozialdemokraten und Kommunisten gegen die gleiche Stimmenzahl der übrigen Parteien, also mit Stimmengleichheit abgelehnt. Schließlich fand Paragraph 810 des neuen Entwurfes mit 15 Stimmen Annahme. Er lautet: Wer eine Ehe schließt, obwohl er verheiratet ist, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer mit jemandem eine Ehe schließt, obwohl dieser verheiratet ist. Die Verjährung ruht, bis eine der beiden Ehen aufgelöst oder für nichtig erklärt wird."
Umzug der Rheinlandkommijsion nach Wiesbaden
TU Koblenz, 20. Nov. Die Beamten und Angestellten der Interalliierten Nheinlandskommission, an ihrer Spitze -er französische Oberdelegierte Tirard, haben Koblenz verlassen, um sich nach Wiesbaden zu begeben, wo sie heute ihre Arbeiten aufnchmen werden.
Der Neichskommissar für die besetzten Gebiete hat mitgeteilt, baß das Neichskommissariat für die besetzten Gebiete am 1. Dezember nach Wiesbaden übersiedeln wird. Die Dicnsträume werden sich in Wiesbaden im Haus Lan- genbeckplatz 3 befinden.
In den letzten Tagen hat die Koblenzer Räumung wettere Fortschritte gemacht. Französische Soldaten sind im Straßenbild kaum noch bemerkbar. Das frühere Veklei- dungsamt des 8. Armeekorps ist der deutschen Verwaltung wieder übergeben worden.
Gegen die Internalionalisierung der Saargruben
Angesichts des für den 21. November vorgeschlagenen Beginns der Pariser Saarvcrhandlungen betont die „Saarbrücker Zeitung", Laß alle Berliner Amtsstellen, die mit der deutschen Saarabordnung etwas zu tun haben, genau so fest wie die Saarbevölkerung von der unbedingten Notivendigkeit der Rückkehr der Saargruben in den deutschen Staat überzeugt sind. Trotzdem sei eine erneute ein- deutige Erklärung aller Kreise der Saarbevölkcrung, daß sie unler keinen Umständen von dieser Forderung herunter- gchcn würde, dringend erforderlich, um in Paris endgültig ein Gemisch von Tatsachen und Gerüchten zu beseitigen, als ob im Saargebict für eine Privatisierung und Jnter- nationalisiernng Stimmung vorhaude« sei, oder gemacht werde» köuue.
Der deutsche Außenhandel im Oktober
Leichte Verminderung des Ausfuhrüberschusses.
TU Berlin, 20. Nov. Im Monat Oktober sind die Einfuhr und Ausfuhr Deutschlands gestiegen. Die Einfuhr im reinen Warenverkehr um 68,8 Millionen auf 1106,7 Millionen, die Ausfuhr im reinen Warenverkehr einschl. der Neparationssachlieferung-rn um 49,5 Millionen auf 12539 Millionen Mark. Darnach ergibt sich eine Aktivität der Handelsbilanz einschl. der Reparationssachlieferungcn von 147 Millionen Mark (September 166 Millionen Mark). Ohne die Reparationslieferungen, die im Oktober einen Wert von 89 Millionen Mark gegenüber 69 Millionen Mark im September hatten, beträgt der tatsächliche Ausfuhrüberschuß im Oktober 63 (im Vormonat 99) Millionen Mark. Auf der Seite der Einfuhr weisen alle Warengrup- pen gegenüber dem Vormonat eine Zunahme auf. Die bedeutendste Steigerung trat bei Tcxtilrohstosfen (außer Wolle), insbesondere Baumwolle, ferner bei Wollgarnen und anderen Textilfertigwaren ein. Auch die Kraftfahr- zeugeinfnhr stieg. Bei Lebensmitteln steht einer stärkeren Abnahme der Einfuhr von Gerste eine vermehrte Einfuhr von Südfrüchten, Schmalz und Fischen gegenüber. Die Steigerung der Ausfuhr ist in erster Linie eine Folge des höheren Auslandsabsatzes von Fertigwaren, vornehmlich von elektrotechnischen Erzeugnissen, Eisenwarcn, Maschinen, Leder, Röhren usw. Auch die LebrnsmittclauSfuhr ist gewachsen, dagegen die Ausfuhr von Rohstoffen und halb- fertigen Waren zurückgcgangcn. Hieran war namentlich die Steinkohlcnauöfuhr beteiligt.
Kleine politische Nachrichten
Das ZolländerungSgefetz vor dem Ncichskabinctt.
In der Kabtnettssitzung am Dienstag erfolgte unter Vor- sitz des Reichskanzlers eine eingehende Durchberatung des Entwurfes eines Gesetzes über Zolländerung (Zolltaris- novcllc). Der Entwurf wird nach Klärung einiger noch ofscnstehendcr Fragen dem Neichswirtschaftsrat und dem NeichSrat zugeleitct werden.
2 Millionen Mark für die notleidenden bayrischen Hopsenbaucru. In einer der letzten Sitzungen im bayrischen LandwirtschaslSminisicrinm wurde beschlossen, den notleidenden Hopsenbauern aus dem Agrarsonös eine Summe von 2 Millionen Mark zur Erhaltung der Existenzen sofort zur Verfügung zu stellen. Die Verteilung wird durch die landwirtschaftlichen Genossenschaften erfolgen.
Was Polen an dem dentsch-polnischrn LlquidationS- abkominen auszusetze» hat. In einem Leitartikel seht bas oppositionelle Warschauer Blatt ABC seine Angriffe gegen den polnischen Außenminister wegen der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Abkommens fort. Das Blatt fordert dabei ohne Umschweife die restlose Verdrängung der deutschen Minderheit ans den früheren preußischen Gebieten. So heißt es u. a., baß man daS Recht der Entdeutschung Po- senS, Pommcrcllens und Ostoberschlesicns für keinerlei finanzielle Vorteile preiSgcben dürfe. Der Boden müsse dem Polentum zurückgewonncn werden und man dürfe die Vor- Posten des deutschen „Dranges nach dem Osten" nicht in den polnischen Westmarken dulden.
Bnchari« «ns -ex kommunistischen Partei ausgeschlossen. Nach Meldungen aus Moskau teilt die amtliche Telegra- phen-Agentur der Sowjetunion mit, daß das Zentralkomitee der kommunistischen Partei beschlossen habe, die Rechtsopposttton aufzulösen und ihre Führer, darunter Bu- charin, Nykow und Tomskt aus der Partei auszuschlicßen. Bucharin hat mttgeteilt, daß er diesen Beschluß nicht anerkennen könne.
Der „Vater des englische« Parlaments" gestorben. Der Abg. O'Connor, seit langem als „Vater des Parlaments" und «ine über den Parteien stehende Persönlichkeit bekannt und geehrt, ist im Alter von 81 Jahren gestorben. Er gehörte dem Parlament seit 1836 an und befand sich unter der bei den letzten Wahlen bis auf wenige Abgeordnete zusammrngeschrumpften Gruppe, die bei den Wahlen traditionell ohne Opposition blieb. Seit 1917 war er Vorsitzender der britischen Filmzensnrstelle.
Präsident Hoover empfiehlt Maßnahme« zur Hebung der Wirtschaftslage. Im Rahmen vorgesehener Besprechungen zwischen dem Präsidenten Hoover und Jndustrieführern empfing Hoover die Präsidenten der amerikanischen Hauptbahnen und machte sie darauf aufmerksam, daß die Negierung de» Versuch unternommen habe, durch verschiedene Maßnahmen, die Herabsetzung der Einkommensteuer und Erhöhung der Bauprogramme zur Besserung der Wirtschaftslage beizutragen. Die Eisenbahnen, die Hauptabnehmer von Stahl, Zement und Kohle, könnten ähnlich Helsen.
Die Wahlen in Preußen
Am Sonntag wurden in Preußen die Gemeindevertre« tungen sowie die Kreis» und Provinziallandtage neu gewählt. Die letzten innerpolitischen Ereignisse hatten Las allgemeine Interesse in hohem Grade geweckt, weshalb denn auch durch.
NWW
--
WZ«
weg ein für Kommunalwahlcn äußerst hoher Prozentsatz der Wahlbeteiligten erreicht wurde. Jede der Parteien bot das letzte Mittel auf, um ihre Anhänger au die Wahlurne zu führen. In Berlin wurden sogar, wie in unserem Bilde zu sehen ist, die Schwerkranken durch besondere Sanitäts- Mannschaften zum Wahllokal transportiert.
-""-".NM . . - ,