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Nr. 274

Amis- unä Anzeigeblatt für äen Oberamtsbezirk Calw

Donnerstag, den 21. November 1929

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102. Jahrgang

Die Pariser Saar-

Lösung der politischen Fragen erst nach Weihnachten

Man rechnet mit einer langen Konfcrenzdauer.

L4l, Paris, 2t. Nov. Tic Spannung, mit der man dem Beginn der Saarvcrhandlungen in Paris entgegensah, hat sich in den letzten Tagen gemindert, da man heute die Auf­fassung vertritt, daß die Taarabordnung ihre Arbeiten gleich nach ihrem Zusammentritt auf Unterausschüsse verteilen ivird, um mit der Bearbeitung der zahlreichen technischen Fragenzu beginnen. Diese Prüfung dürfte Wochenin Anspruch nehmen, woran sich eine längere Weih­nachtspause schlichen wird. Erst nach Weihnachten dürfte an die politischen Fragen nnd au den Versuch ihrer Lösung heran­getreten werden.

Soweit die Diplomaten vorgearbeitet haben, ist eine Eini­gung darüber erzielt worden, drei Ausschüsse einzusetzen, womit jedoch nicht gesagt ist, daß nicht im Laufe der Verhand­lungen weitere Kommissionen gebildet werden. Der erste Ausschuß hat die Textä'nöerung des Versailler Vertrages zu formulieren und juristische Fragen zu erörtern, so­fern nicht noch ein besonderer Justizausschuß ins Leben ge­rufen wird. Der zweite Ausschuß soll sich mit den Gruben. Problemen befaßen. Ihm obliegt sehr wahrscheinlich die Regelung der Rückgabe der Saargruben an Preußen und Bayern, weiter die Belieferung Frankreichs mit Saarkohlen. Er soll aber auch eine Regelung über den Abbau saarländi­scher Kohlen von der lothringischen Seite treffen. Bekannt­lich haben sich die Franzosen unter der Grenze hindurch an die Kohlenschätzc herangemacht. Der dritte Ausschuß schließ­lich ist den handelspolitischen Fragen gewidmet. Er hat ein Abkommen ausznarbeiten, das das Saargebict

Konferenz beginnt

wieder in das deutsche Zollgebiet hinüberleitet und dabei die französischen wirtschastspolittschen Interessen berücksichtigt.

Staatssekretär von Simson, der Führer der deutschen Delegation, hat es für notwendig gehalten, engsten Kontakt namentlich mit den interessierten Gruppen des Saargebiets hcrzustellen. Es ist vereinbart worden, daß die Ausschüße des Saargebicts der deutschen Delegation Hilfsstellung lei­sten sollen. Es handelt sich hier um den ständigen Beirat, der sich aus Vertretern des Handels, der Industrie, der Ar­beitnehmer und der politischen Parteien zusammensctzt. Dane­ben wird ein besonderer technischer Ausschuß existieren, dem Techniker und namentlich Bergwerkssachverständige angehö- ren. Weiler steht der Grenzlandanlschuß zur Verfügung, den die Saarparteien gesondert gebildet haben.

Es liegt Arbcitsstoff in sehr großem Umfang vor. So­bald das Ergebnis skizziert ist, wird noch der Völkerbund ein. zuschaltcn sein, der nach dem Versailler Vertrag die Aussicht im Saargebiet führt nnd auch die vorgesehene Abstimmung zn überwachen hat. Man darf wohl annehmen, daß in Genf die Bürokratie möglichst vollständig auSgeschaltet wird, damit hier nicht neue unnötige Verzögerungen entstehen und die Rückgliederung des Saargcbietes womöglich bis Ins nächste Jahr hinein verschoben wird. Da im Januar der Völker­bund doch zusammentritt, sollte man schon bei dieser Ge­legenheit eine Entscheidung hrrbeiftthren, vorauSges.tzt aller, dings, daß bis dahin schon in Paris eine Einigung erzielt wurde. Andernfalls wird die Entscheidung erst im September fallen.

Die deutsche Abordnung für die Saarverhand­lungen ist gestern nachmittag in Paris eingetrosfen. Die erste Sitzung wird heute nm 11 Uhr im Speisesaal des Außen­ministeriums am Quai d'Orsay stattfiirden.

Tages-Spiegel

Heute beginnt in Paris die Saarkonscreuz, welche voraus» sichtlich mehrere Wochen i« Anspruch nehme« wird. Die politischen Fragen werde» erst nach Weihnachten zur Verhandlung gestellt, wenn die Wirtschastsfragen gelöst sind.

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Der frauzösische KricgSminister Maginot will einen Ees-'tz- cutumrf einürij.gen, iu dem ex Verstärkung des Kriegs» Materials fordert.

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Die Handelsvertragsverhandlurlge» mit Polen nehmen i« Warschau ihren Fortgang, trotz starker LuirLgcbunge« der Vevölkcruug gcge« de» neue« Vertragssntwnrf.

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Tie Wiener Polizei war in der Nacht zum Mittwoch in Alarmbereitschaft, weil wilde Gerüchte über Putschabsich- tcu dex Hetmwchr umginge«. Tie Heimwchrsührer de, meutiere» Liese energisch.

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Im Pariser Außenamt fanden französisch-italienische Ve, sprechunge» über die Londoner Seeabrüstungskonseren- statt.

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In der französische» Kammer hat Tardieu eine« Gesetzent» wurf über den Getrei-ehandel eingcbracht, der Schutzmaß» nahmen für Getreide, Wein, Viehzucht nnd Zuckerrübe« vorsieht.

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Der chinesische Gesandte in Brüssel ist von Landsleute« überfalle« und schwer verletzt worden.

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Die Sowjettruppen in der Mandschurei habe« die chinesi» schcn Strcitkräste geschlagen und sind in chinesisches Ge» biet eingcdrungen.

Weitere Aufrüstung in Frankreich

Kriegsminister Maginot fordert Verstärkung des Kriegsmaterials

TU. Paris, 21. Nov. Kriegsminister Maginot hat gestern in der Gegend von Straßbnrg die am Montag im Gebiet Metz, Diedenhofen begonnene Besichtigung der neuen fran­zösischen Grenzbefestigung fortgesetzt. Am Nachmittag ist er nach Paris zurückgekehrt. Zu einem Vertreter desMatin" sagte er:Wir müssen noch schwere Anstrengungen machen. Aber was ich gesehen habe, ist nicht entmutigend, im Gegen­teil, es ist besser als ich dachte und sehr gut angelegt."

Ferner kündigte er nach seiner Rückkehr die Einbringung eines Gesetzentwurfes an, dessen Einwirkung auf die Genfer Landabrüstungsverhandlungen außerovdentlich sein werde. ES liegt in der Absicht der französische« Negierung, eine methodische Steigerung des Kriegsmaterials durchzuführe«. Der Gesetzentwurf verlangt, daß die Volksvertretung beson­ders für Geschützfabrikation im Kriegsministerium ein Konto eröffnet, wie bas vor dem Krieg der Fall war. Für die An­nahme dieses Projektes werben sich die jetzigen Mehrheits­gruppen bereit finden, doch ist es klar, daß die Ltnke den Ge­setzentwurf entschieden bekämpfen wird. Die llnksbürgerliche Gruppe und die Sozialisten haben bekanntlich während der letzten Kabinettskrise zur Abrüstungsfrage Stellung genom­men und insbesondere die Verstärkung der Heerssansgaben als Gefahr für die Sicherung des euroäischen Friedens be­zeichnet.

Der Mißerfolg der Ostreparationsregeiung

Bulgariens und Ungarns Abwehrhaltung.

TU Paris, 21. Nov. Zu dem plötzlichen Abbruch der Verhandlungen des Boungausschusses für Ostreparationen schreibt Pertinax imEcho de Paris": Der Ausschuß hat ein Protokoll über die Nichteinigung aufgesetzt, um im Ge­gensatz zu den Zeitungsnachrichten festzustellen, daß die Vertreter ans Sofia den ihnen gemachten Vorschlägen nur eine Weigerung entgegengesetzt haben, und daß nie­mand aus einer Fortsetzung des Theaters irgend etwas ge­winnen würde. Der Ausschuß ist also nur zu einigen Er- gebnißcn in den österreichischen Reparationen gekommen, da es sich hier nur um die Vorbereitung der einfachen Abschaf­fung der Reparationen handelte. Die Verantwortung für diese Ergebnisse tragen die Großmächte durch ihre sehr offenkundige Uneinigkeit. Die bulgarische Hauptstadt Halle von Protestkundgebungen und Schmährufcn wider und alles weil die Gläubiger Bulgariens, die durch den Vertrag von Neuilly 2,5 Milliarden Goldfrankcn verlangen könnten, den Vorschlag gemacht hätten, 87 Jahresraten zu 15 Mil­lionen Franken zu zahlen, wobei sie selbst noch ihre Be­reitschaft zu einem weiteren Nachlaß von 2,5 Millionen zu verstehen gaben.

Pertinax fährt fort: Die Vulgaren und Ungarn beab­

sichtigen, dem Druck, dem sie in London und Paris aus- gesetzt waren. Widerstand zu leisten, nm so den Beginn der zweiten Haager Konferenz zu erwarten. Frankreich könne dem Mißerfolg des Ausschusses für Ostreparationen nicht gleichgültig gegen überstehcn. Die N Heinlandräu­mung 0) hätte nicht versprochen werden dürfen, solange nicht eine zufriedenstellende Regelung aller Reparativns- fragcn erfolgt sei.

Vorbereitungen zur Seeabrüstungskonfcrenz

Französisch-italienische Verhandlungen.

TU London, 21. Nov. Der Empfang des italienischen Botschafters durch Briand wird, wie Pertinax demDaily Telegraph" berichtet, mit der bevorstehenden Londoner Flottenkonferenz in Verbindung gebracht. Der Botschafter habe Briand davon in Kenntnis gesetzt, daß die Italienische Negierung bereit sei, in Uebereinstimmung mit dem in der italienischen Note vom 16. Oktober gemachten Angebot so­fort in Verhandlungen mit Frankreich einzutreten. Es sei vereinbart worden, zwischen dem Botschafter und dem Quai d'Orsay sowie einem Vertreter des Marincmtnistcrlnms, die Frankreich und Italien direkt interessierenden Flotten­fragen einer eingehenden Behandlung zu unterwerfen.

Das deutsche Eigentum in England

Heute endgültige Stellungnahme Snowdens zur Freigabe-

frage.

TU. London, 21. Nov. Auf eine Anfrage des Abgeord­neten Sir Kingsley Wood kündigte Schatzkanzler Snow- den im Unterhause für heute eine umfassende Erklärung zur Frage, des beschlagnahmten deutsche» Eigentums an. Die Tendenz dieser Antwort zeichnet sich bereits in der Form der letzten Erwiderung ab:Im Hinblick auf die gegenwär. tig im Gang befindliche Propaganda nnd das offenbar vor­handene Nichtverständnis in der Entschädigungsfrage", so sagte Snowüen,schlage ich vor, mit Zustimmung des Unter­hauses eine allgemeine Erklärung der Negierung hierzu ab- zugcben."

Über den Inhalt der Erklärung, die von weiten engli­schen Kreisen in der letzten Zeit mit immer stärkerem Nach­druck verlangt worden mar, wird Stillschweigen bewahrt, doch liegen keinerlei Anzeichen für eine Änderung des Standpunktes Snowdens vor. Der Vertreter der Tclcgraphen-Union hört zuverlässig, baß man in allen interessierten Kreisen ans englischer wie auf deutscher Seite mehr mit einer umfassenden Erläuterung und Rechtfertigung des englischen Standpunktes, als mit einer Abweichung von der bisherigen Auffassung rechnet. Die Erklärung wird deswegen von besonderer Bedeutung sein, weil es sich um eine nach Leu wochenlaugeu diplomatischen Verhandlungen

und monatelangen direkten und indirekten Vorstellungen von englischer wie von deutscher Sette wohlerwogene und als endgültig anznsehende Darlegung der englischen Regie- rungspolitik in der Entschädigungsfrage handelt.

Wachsende Not der Auswanderer vor Moskau

TU Kowno, 21. Nov. Nach einer Meldung ans Moskau hat der deutsche Botschaftsrat v. Twardomski mit füh­renden Persönlichkeiten des Außenkommissariats erneut eine längere Unterredung über die Auswanderung der deutschen Kolonisten aus der Sowjetunion gehabt. Uebcr das Ergebnis dieser Unterredung ist noch nichts bekannt geworden. Die Sowjctregicrung hat trotz der Erteilung der Einreiseerlaubnis für 1060 Kolonisten durch die deut­schen Behörden die Pässe noch nicht ausgestellt. Die deut­schen Kolonisten befinden sich in einer furchtbaren Lage, da inzwischen ihre Geldmittel zu Ende gingen. Infolge des Brotkartenzmanges in Moskau haben sie auch nicht di« Möglichkeit, sich auf normalem Wege Lebensmittel zu ver- schassen.

Der Answandererstrom hält trotz der Zwangsmaßnah­men der Sowjetregierung an. Die deutschen Kolonisten, die in der Eisenbahn aus verschiedenen Richtungen kommen, verlassen etwa 50 bis 60 Kilometer vor Moskau die Züge und versuchen zu Fuß oder zu Pferd in die Stadt zu kom­men, um so der Stadtkontrolle zu entgehen.

Sechs Millionen Reichsmark Nerchshilse.

Die Nerchsregiernng hat als erste Hilfe für die dc«t» schrn Kolonisten in Rußland, die auszuwandern hcabsichti» gen, sechs Millionen zur Verfügung gestellt. Dieser Betrag soll zur Frnanzicrnng des Abtransportes und zur Unter» stützung der Auswanderer dienen, die in verschiedenen in» zwischen leer gewordenen deutsche« Flüchtlingslagern nn- tergebracht werde», und zwar im Lager Hammerstcin bei Schncidsmühl und im Müustcrlager. Bei Schneidemühl können bis z» 4666 Personen «ntergcbracht werde«.

Neue polnische Grenzverletzung

TU Berlin, 21. Nov. Nach einer Meldung derVosft- schen Zeitung" aus Neu-Ventschen überflog am Bußtag- Nachmittag gegen 3 Uhr ein polnisches Militärflugzeug, ans Richtung Ventschen komnrend di« deutsch-polnische Grenze bei Neu-Ventschen. Der Flieger kreiste in nur geringer Höhe über der erst vor kurzem errichteten Polizei- und Grenzfunkstelle, sowie über den Anlagen des noch teilweise im Bau befindlichen Grenzbahnhofs Nen-Bentschen. Im Anschluß hieran flog das Flugzeug an der ncucrbautc» Eisenbahnstrecke Neu-Ventschen entlang bis zum Grcnz- bahnhof Schienst!), woselbst eS wendete und an der Hauvt- strecke Berlin-Posen zurückslog.