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Nr. 27.
Amts- und Anzeigeblatt für Len Oberamtsbezirk Ealw.
98. Jahrgang.
Srlch.InnngS -eise s mal wöchentlich. Allzeig«,^>rri«! Tie klklnspnliig« Zeile M'Zsg. «»klame» L— Mk. — Au> Sammelanzcigrn kommt «in Zuschlag »o,l — gcrnspr. v.
Donnerstag, den L. Februar 1221.
Bezugspreis' In der Lind, m>, rrS >«rl»l»n Mt. lS.Slloie.leljayilich. Poftt>e,ug«pr»iS
Mk. lL.lt mir «estellgelo. — Schlug dkl «nze,g»o>lnah,ne S Uhr vorniillaq«.
Seotschwt und die Pariser BeschUe.
Die Reichstagsrcd« unseres Außenministers über die Beschlüsse der Pariser Konferenz wird in allen Teilen des deutschen Volkes volle Zustimmung gefunden haben. Seine Worte wirkten umso mehr, als er kein Manu der Redensarten ist, und nur Tatsachen beachtet. So ist fein bisheriges Auftreten eigentlich immer schmucklos gewesen, und er hat daher auch von mancher Seite schon manchmal wegen seiner nüchternen Auf- sassung der Dinge' Angriffe zu erfahren gehabt. Aber nichts kann uns heute weniger nützen als ein Staatsmann, der das Herz auf der Zunge hat, wodurch die Erwägungen des Verstandes nur allzuleicht getrübt werden. Es wäre in manchen Kreisen gerne gesehen worden, wenn Dr. Simons klipp und klar erklärt hätte, die Forderungen sind für uns unannehmbar, wir lehnen daher jede Verhandlung auf dieser Grundlage ab. Ja wenn wir kein ohnmächtiges, ausgehungertes und ausgefaugtes Land wären, wenn wir schließlich auch hier und dort noch einen zuverlässigen Bundesgenossen hätten, der »ns gegen das Näubershndikat bcistehen könnte, dann wäre eine solche Sprache am Platze, und würde wohl auch von der überwiegenden Mehrheit des deutschen Volkes gebilligt werden, aber vorderhand stehen wir noch einem übermächtigen, militärisch, politisch und wirtschaftlich straff organisierten Bunde allein In weiter Flur gegenüber, und haben bis jetzt der brutalen Politik der Bajonette nur unsere geistigen Waffen eutgcgen- zusctzen, die aber müssen wir umso bester gebrauchen Dr. Simons hat übrigens keinen Zweifel gelasten, daß er die Erfüllung der Forderungen für unmöglich hält, und cp hat auch nicht versäumt, der Entente die Gehässigkeit ihres Tons vorzu- versen, indem er darauf hinwies, was wir auf wirtschaftlichem und militärischem Gebiete schon alles geleistet haben, wovon aber nichts in den Noten stehe, und daß die Alliierten uns in keiner Angelegenheit vor Festlegung ihrer Beschlüsse gefragt hätten. Ganz klar sagte er auch, daß die finanziellen Bedingungen eine wirtschaftliche Versklavung des deutschen Volkes barstellen, und daher für uns unannehmbar seien. Wenn der Außenminister trotz dieser Feststellungen nicht einfach jede weitere Erörterung mit den Alliierten abgelehnt hat, so ist das in unserer heutigen Lage durchaus begreiflich, und das umsomehr, als doch die Alliierten selbst uns «ingeladen haben, an der Ende dieses Monats in London stattsindcnden Alliiertenkonfs- renz teilzunehmen, so daß also immerhin doch die Möglichkeit einer deutschen Eegenäußerung — ob mit oder ohne Erfolg ist vorerst unwesentlich — gegeben ist. Wir dürfen keine — auch nicht die geringste — Gelegenheit vorbeilasten, um der Welt zu brigen, daß wir trotz unserer fürchterlichen Lage zu größten Dpsern bereit sind, und daß nur der durch unersättliche Raubgier genährte Vernichtungswille der Entente die Wiedergesundung Europas verhindert. Daß in den ehemals neutralen Nachbarländern Deutschlands diese Anschauung allmählich Baben gewinnt, sehen wir aus den Urteilen der Presse dieser Länder recht deutlich. Sowohl aus den nordischen Ländern wie ber Schweiz mehren sich die Stimmen, die erkennen, daß mit ber wirischaftlichen Versklavung Deutschlands auch die Neutralen schwer betroffen werden. Von der zunehmenden Einsicht in Europa aber über die wahren Absichten der Entente häng! nnsere politische Zukunft ab, und wenn endlich einmal das immer noch gewaltsam über die Kriegsschuld gezerrte Lügengewebe zerrissen wird, dann muß auch für Deutschland der ^ag seiner moralischen und damit seiner rechtlichen Rehabili- >erung kommen. Wenn die italienische und amerikanische Presse den Wahnsinn der jetzt formulierten Neparationsforde- umgen richtig beurteilt, und Teile der englischen Presse die Erfüllung der Bedingungen ebenfalls für ausgeschlossen, zum mindesten aber für unpraktisch im Interesse der Herstellung des ruropäischen Friedens halten, so dürfen wir darauf nichts geben, hier sprechen taktische Gründe der äußeren Politik mit, "E ^"*r uneigennützigen Sympathie für Deutschland " chts zu tun haben. Was aber das ganze Diktat der Entente so können wir uns des schon geäußerten Eindrucks 'i cht erwehren, daß es diesen schroffen Charakter nicht zum i dadurch erhalten hat, daß man Grund zu einer Auf-
U schung des im Sinken begriffenen Ansehens der Entente zu laben glaubt, und da man in Rußland und im Orient nichts ^uszurichten vermag, muß man seine Macht eben an einem ge- gneteren Objekt zeigen.
öftentliche Meinung Deutschlands ist sich in der Ver-
ailung und Ablehnung der Ententesorderungen vollständig »a^' rk ^0" sämtlichen Volksvertretungen der Einzelstaaten, " öffentlichen und wirtschaftlichen Körperschaften, von poli
tischen Parteien gehen an die Reichsregierung Kundgebungen, die diese in ihrer ablehnenden Haltung bffiärken sollen. Auch im Reichstag haben sich gestern die Parteien hinter die Regierung gestellt, und in kurzen Erklärungen der Entrüstung über die unerfüllbaren, auf die Vernichtung des deutschen Volkes berechneten Forderungen Ausdruck gegeben. Wenn tags zuvor die Kommunisten ihrer propagandistischen Neigung glaubten folgen zu müssen, indem sie die Schuld an diesen Forderungen der Furcht vor dem deutschen Imperialismus zuschreiben, so haben wir angesichts der völligen Ohnmacht des deutschen Volkes und seiner furchtbaren Not keinen parlamentarischen Ausdruck für eine solche Gesinnung und Handlungsweise. Wer heute noch die Schandtaten unserer Feinde zu entschuldigen vermag, der ist nicht wert, als Deutscher bezeichnet zu werden, und wenn eine Auswanderung nötig werden sollte, so ist dieser Sorte von .Deutschen" zu emp'"s>len, recht ausgiebig Gebrauch davon zu machen. O. 8.
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Der Reichstag gegen die Gewaltpolitik der «Lntente.
Berlin, 2. Febr. Im Reichstag billigte heute der Abg. Schiffer (Dem ) namens der KoaljtionSpart-ien die Erklärungen dcs Ministers deL Aeußern unter feierlichem Widerspruch gegen den Mißbrauch der Gewalt durch die Entente. Die Vorschläge der Alliierten seien unannehmbar und nicht geeignet, die Grundlage zu Verhandlungen zu bilden. Sie würden die politische und wirtschaftliche Verelendung des deutschen Volkes nach sich ziehen und auch andere Völker in unseren Untergang verstricken. Auch gegen die über bie Grenze« des FricdenLvertrageS hinausgehenden Forderungen in der Eutwaffnungsfrage müsse Verwahrung eingelegt werden. Namens her soz. Partei erklärte der Abg. Müller-Franken die Zustimmung zu de« Ausführungen des Ministers. Eine deutsche Regierung, die bereit wäre, die Vorschläge der Entente für ausführbar zu erklären, werde sich nicht finden. Verelendung der deutschen Arbeiterschaft und eine Zwangsjacke für die ganze Welt wären die Folge» solcher Forderungen. Nur die allgemeine Entwaffnung werde den Frieden der Welt sichern. Der Abg. Hergt (TN.) sprach ein glattes Unannehmbar gegenüber den Zumutungen der Entente aus. In der Entwasfnungsftage hätte der Minister einen entschiedeneren Ton anschlagen sollen. Seine Partei stelle sich hinter jede Regierung, die gewillt sei, diesem neuen unerhörten Verge- waltigungsvcrsuch mit unbeugsamer Entschlossenheit rntgegenzuire- ten. Dann sprachen noch die Abg. Ledebour (Unabh.) und Levy (Komm.) unter polemischen Ausfällen gegen die Rechte, worauf die Besprechung der gestrigen Erklärung des Ministers des Aeußern schloß. Präsident Löbe knüpfte daran eine Ansprache, in der er betonte, daß die Arbeitskraft des deutschen Volkes bei solchen Drangsalierungen nicht unverwüstlich bleiben könne. Nicht in den gutversorgten Lokalen, sondern da, wo von 600 Gcmeindeschü- lern 400 kein Hemd anhaben und die Mutter den hungernden Kindern kein Brot mehr geben könne, zeige sich das Elend des deutschen Volkes. Werde die warnende Stimme des deutschen Volkes überhört, so treffen die Folgen ganz Mitteleuropa und auch die, die sie hervorgerufcn haben.
In der sodann folgenden dritten Lesung des Notetats für 1920 wurde diese ohne Debatte erledigt. DaZ Haus genehmigte hierauf bei der zweiten Beratung dcs Reichshaushalts die Titel Wehrministerium und Marinewesen mit den dazu gestellten Anträgen. Das Gesetz über die UebergangSwirtschast wurde gleichfalls angenommen und dann in die zweite Beratung des Gesetzentwurfs über die Vorlegung der Betriebsbilanz an die Betriebsräte cingetreten. Nack- kurzer Debatte wurden weitergehende Anträge der Linken abgelehnt und das Gesetz nach den Beschlüssen des Ausschusses angenommen. Nachdem das HauS sich noch mit den Anträgen seines Geschäflsord- mmgsauSschusscs einverstanden erklärt hatte, wonach die Genehmigung zur Strafverfolgung der Abgg. Eichhorn, Täuber und Ernst versagt und di« Konstituierung eines Ausschusses zur Untersuchung der gegen den Ernährungsminister Dr. Hermes erhobenen Vorwürfe beschlossen wird, vertagte es sich auf morgen Nachmittag 1 Uhr: Wehrgcsetz, Wehrsteuer, kleinere Vorlagen.
Die Unmöglichkeit der Erfüllung
der finanziellen Forderungen.
Berlin, 3. Febr. Nach der Pariser interalliierten Uebereinkunft hat Deutschland vom 1. Mai 1921 bis zum 30. April 1932 JahreS- zahlungcn zu machen, die sich von 2 auf 6 Milliarden Goldmark steigern sollen. Es scheine, so sagen die Blätter, daß diese elf Jahre als Karenzzeit gedacht seien, die Deutschland gestellt werden solle, um sich wirtschaftlich zu erholen, damit es von 1S32 an in der Lage sei, jährlich sechs Milliarden Goldmark an die Entente zu zahlen. In deutschen Regierungskreisen sei man überzeugt, daß diese Zahlungen vollständig ausgeschlossen seien und daß ohne einen völligen
Ruin Deutschlands auch kein« Möglichkeit von solchen Zahlungen jemals gegebn sein würde. Von maßgebender Sette werden folgende Ziffern genannt: Der Wert der deutschen Ausfuhr betrug 1919 im ganzen 2.87 Milliarden Goldmark und im ersten Halbjahr 1920 lm ganzen 1,77 Milliarden Goldmark. Angenommen, daß die Ausfuhr sich im zweiten Halbjhr 1920 auf der gleichen Höhe hält, so würde für das Jahr 1920 mit einer Gesamtausfuhr von 35 Milliarden Goldmark zu rechnen sein. ES sei fraglich, ob die Ausfuhr in diesem Jahr sich höher gestalten werde.
Gegen d:e Ententebedingungen
betreffend den Luftschiffverkehr.
Berlin, 3. Febr. In einer Besprechung des Reichs.ustsahrtamtL mit Vertretern der Presse erklärte Geh. Rat Professor Dr. Bende- mann, daß die von den Alliierten in Pari» ausgestellten Bestimmungen über den deutschen Luftverkehr einmütige Ablehnung erfahren würden, weil sie dem Friedensvertraz direkt zuwiderliefe«. Vor allem sei das in der Ententenote erwähnte Bauverbot von Flugzeugen vertragswidrig. Die geforderte Millionenentschädigung für zerstörte Zeppeline und die unzulässige Ausfuhr von Material sei nicht verweigert worden, die deutsche Regierung habe jedoch die Zahlung von genauen Unterlagen abhängig gemacht. Diese habe die Entente bis heute nicht vorgelegt. Würde Deutschland die Bestimmungen der Note annehmen, so würden wir selbst uns einen unerträglichen Eingriff in unseren künftigen Luftverkehr und einen Hemmschuh für ein Fabrikatiousgebiet auferlegen, das Tausenden von deutschen Arbeitern Beschäftigung zu geben imstande ist. Di« Bestimmungen bezweckten, durch rin Diktat das ausfichtsrei deutsche Luftsahrwese» dauernd zu erdrosseln.
Er« beherzigenswerter Anfru .
Berlin, 2. Febr. Der Vorstand der deutschen demokrari,chrn Partei erläßt einen Aufruf, in dem mit Rücksicht auf den Ernst der äußeren Lage die Wähler aufgefordert werden, in dem beginnenden Wahlfeldzug für die preußischen Landtagswahlen sich jeden verletzen- - den Angriffs gegen rine andere Partei zu enthalten und die Einheit und Geschlossenheit deS deutschen Volkes zu wahren.
Die französischen Pläne
bezüglich des besetzten Gebietes.
Paris, 3. Febr. Der „Temps" schlägt in seinem gestrigen Leitartikel im Anschluß an eine Betrachtung über die vorgestrige Rede des Reichsministers Dr. Simons unter Berufung auf Artikel 270 des Versailler Vertrags vor: 1. daß dir alliierten Regierungen — jede in ihrer Besetzungszone — Besitz von den deutschen Zolleinnahmen auf dem linken Rheinufer nehmen, 2. daß sie durch eine Zollgrenze das besetzte deutsche Gebiet von dem nichtbesetzten trennen, 3. daß die alliierten Regierungen unverzüglich ein Zollregime für das besetzte Gebiet ausarbeiten. — Das Zollregime soll natürlich die völlige Los» treunung des besetzten Gebiets von Deutschland vorbereiten.
Der Kitt des gemeinsamen Verbrechens.
Paris, 2. Febr. Nach einer Havasmeldung aus London hat Briand durch die .Morningpost" eine Erklärung an daL englische- Volk gerichtet, in der er seine Befriedigung über das Abkommen auf der Pariser Konferenz ausspricht und sagt, zwischen England und Frankreich könne keine Meinungsverschiedenheit bestehen, denn die gemeinsamen Erinnerungen hätten zwischen beiden Ländern unlösbare Beziehungen geschaffen. England habe Frankreich nötig, wie Frankreich England nötig habe.
Angebliche amerikanische Kritik
an den Beschlüssen.
Paris, 2. Febr. Wie Pertinax im „Echo de Paris" milteilt, findet das Pariser Abkommen gewisse Kritik in Amerika, erstens weil es den Friedensvertrag von Versailles verletze, indem es die Zahlungen auf 43 Jahre verteile, obwohl der Friedensvertrag von Versailles auf direkte Beeinflussung des Präsidenten Wilson die Grenze auf 30 Jahre festgesetzt habe. Nur die gegenwärtige Generation sollte leiden, habe Wilson erklärt. Zweitens, weil man gegen das Kontrollrecht der Re- parationskommijsion über alle Finanzoperationen der deutschen Regierung und schließlich gegen die 12>jprozentige Aussuhr- steuer, die notwendigerweise die Handelsbeziehungen aller Länder mit Deutschland beeinflussen müsse, einschließlich derer, die das Abkommen nicht Unterzeichneten. Pertinax gibt zu, daß die Reparationskommission einschließlich dem offiziellen Vertreter «v Amerika, Boyden, am 27. August gegen die Verringe- rungHhrer Machtbefugnisse Einspruch erhob. Er gibt ferner zu, daß die Engländer am vorigen Freitag die Steuer von 65 Proz. erhöhten, aber die Entschädigungssumme um 70 Proz. herab- setzien. Pertinax gesteht auch, daß bei einem Steigen des deutschen Kurses der deutsche Handel einer einfach kritischen Verminderung ausgesetzt sein könnte.