Abends fand ein Bankett im Saalbau mit gesilliger Unter« Haltung statt, bei dem ebenfalls verschiedene Ansprachen gehalten wurden, u. a. feierte K. Haußmann die Ebinger Landschaft in launiger Weise. Bis spät in die tljpcht blieb znan zusammen und die Leistungsfähigsten machen morgen größere Touren in der herrlichen Umgebung. Alles in allem kann die Volkspartei mit dem gelungenen Verlauf des Festes wvhl zufrieden sein und der Bezirk Balingen hat wiederum bewiesen, daß er noch mit vollem Recht den Ruf Hat, die Hochburg der schwäbischen Demokratie zu fein.
Deutsches Reich.
Das deutsche Turnfest in Leipzig.
t. Leipzig, 13. Juli.
Lokale und provinziale Veranstaltungen haben seit Tagen daZ große Fest der Deutsche.: Turnerei eingeleitet. Das eigent- licke Fest begann mit der am Samstag erfolgten Einweihung der TurnerauÄstkllung, der sich heute die Eröffnung der Völ- kerscklachtjabrhuiidciiausstelrung anschloß.. Besonders bemerkenswert sind die dem Soldatcnkaiser Napoleon gewidmeten Räume. Ein Prachtstück ist die Marmorbüste Napoleons von Schändet. Daran schließen sicki die Bildnisse der verbündeten Fürsten Und Feldherrn, vor allem Blücher. Die einzelnen Räume zeigen iin chronologischer Reihenfolge die Darstellung der Ereignisse von 1806 bi? 1815. Staunenswert ist die Darstellung der Völkerschlacht. Ein naturgetreues farbenprächtiges Panorama mit 20 000 Zinnsoldaten, das die Leipziger Schlacht am Vorabend oes 18. Oktober in einem entscheidenden Moment darstellt
Die Stadt füllt sich mehr und mehr. 53 Sonderzüge brachten rund 80 000 Turner, die jubelnd empfangen wurden. Das festliche Bild erreichte seinen höchsten Glanz, als das Banner der deutschen Turnerschaft von Frankfurter und Leipziger Deputationen geleitet, durch die 'Straßen getragen wurde. Um 6 Uhr erreichte die festliche Kolonne den Festplatz Die Militärkapelle spielte den Hohenfriedberger Marsch. Sanitätsrat Dr. G ö tz, Staatsminister von Poblliedskr und andere hervorragende Persönlichkeiten erwarteten den Bannerzug Zum ersten trug der Leipziger Tur- Nergaii-Sängerbund Bethovens „Die Himmel rühmen des Ewigen Ebre" vor. Darauf begrüßte der Vorsitzende des Stadt- verorducienkollegiums, Justizrat Dr. Rothe, alle Erschienenen Und übergab die Festleitung Geheimrat Dr. Götz. Dieser hieß daraus die Vertreter der Regierung, der Stadt und der befreundeten Verein: und der großen deutschen Turnerschaft willkommen, die heute der Welt ein Bild ihres Strebens und ihrer Treue gäben. Der Grundgedanke sei vaterländisch: Das Volk zu stärken." Vor 50 Jahren noch hat man die deutsche Tur- ttersckaft angescrndet Des Vaters Jahn Grundgedanke sei das geeinigte Deutschland unter Preußens Führung gewesen und dieser Grundgedanke ist heule unser Stolz. Einem Millionen- Verband gleicht die deutsche Trrrnerschaft, der irr keinem anderen Reich der Welt besteht. Nur die deutschen Turner konnten leine solche Riesengemeinschaft machen.
Hieraus begrüßte der sächsische Kultusminister, Dr. Beck, mit Erinuernngsworten an 1813 und 1863 die wehr- und waffenfähigen Männer. Mit dem Gelübde „Deutschland, Deutschland über alles" verbände sich der wärmste Anteil der Sächsischen Regierung an die deutsche Turnerschaft, die ohne Parteipolitik aus monarchischem Boden immer zur deutschen Verbrüderung beitrug, Dr. Götz, der Ehrwürdige mit dem jugendlichen Herzen, an dem nicht nur die deutsche Turnerschaft, sondern das deutsche Volk einen Führer habe, sei der beste getreue Eckard Mit Jubel pflanzten sich die Schlußworte des Redners über den Festplatz. Darauf sprach Oberbürgermeister, Dr. D nt kerich. Als Vertreter des Reichskanzlers betonte Ministerialral Dr. Lehwald, daß die deutsche Tur- verschaft noch älter als das einige Reich fei. Er sprach den besonderen Dank des Reichskanzlers an Dr. Götz aus. Für das preußische Kultusministerium sprach Geheimrat Dr. Hinze, jindem er auf Jahns Lebensgedanken: Deutschlands Einheit Und Größe, hinwies. Professor Bender-Frankfurt a. M. übergab sodann mit markigen Worten das Banner der deutschen Turnerschaft aus getreuer Obhut der Stadt Frankfurt k. M. in die Obhut der neuen Feststadt mit dem Wunsche, daß bas Banner in Ehren von Feststadt zu Feststadt wandern möge. Professor G'ö'ü übernahm das Symbol mit humorvollen Worten. Im Aufträge des Königs von Sachsen überreichte Oberbürgermeister, Dr Dr'tterrch, dem nunmehrigen Hüter des Ban- Vers das Offrzierskreuz bes tzllbrechtordens. Der Oberturn- wart un>. Leiter der Wettkämpfe, Oberturnlehrer Witzgall wurde mil dein Ritterkreuz des gleichen Ordens ausgezeichnet. Vieltausendstrmmige Ovationen folgten diesen Auszeichnungen, denen sich die Ilebergabe eines Ehrengeschenkes der deutschen Frauen an die deutsche Trrrnerschaft anschloß, Die Feier klang in die Nationalhymne und ein besonderes Kaiserhoch aus.
ArrsZsrnd.
Auf dem Kriegsschauplatz
haben sich, Ereignisse von besoirderer Bedeutung tn den letzten zwei Tagen nicht abgespielt. Tie in Bulgarien ein- inarschierten rumänischen Truppen haben Silistria lohne Schwertstreich besetzt. Tie Bulgaren übergaben die Stadt dm Rumänen, die sofort mit deren Befestigung begonnen haben. In Mazedonien setzen die Serben ihren Vormarsch auf bulgarischem Gebiet ungehindert fort, sie sollen bereits bis über Knstendil hinaus vorgedrungcn sein. In diesem Falle wäre die direkte Eisenbahnlinie nach Sv- fta in ihren Besitz gelangt. Tie ganze Situation hat sich also noch weiter zu Ungunsten ^Bulgariens verschoben. Seine Regierung hat auch Befehl gegeben, mit der Türkei die Räumung der durch den Londoner Friedensvertrag neutral erklärten Gebiete zu regeln. Kein Wunder, daß in Sofia starke Mißstimmung herrscht, die zu einem offenen A u sruhr ausgeartet sein soll. Ein Gerücht, König Ferdinand sei von den eigenen Landsleuten ermordet worden, hat sich glücklicherweise nicht bestätigt.
Serbiens Antwort.
Belgrad, 12. Juli. Der Ministerpräsident Pasitsch ließ der russischen Regierung auf die Aufforderung an !ie Valkaustaaten, die Feindseligkeiten einzustellen und die Frie- benSvcrhaiidlungen arifzunehmen, Mitteilen, daß er die russischen Ratschläge den Armeekommandvs der Verbündeten über- Mitteln und dann seine Antwort erteilen werde.
Bulgarische Grcueltate«.
Äumanowo, 12. Juli. (Hauptquartier der ersten serbischen Armee., Soeben wird hier ein rinerhörtes, gegen jedes Völkerrecht verstoßendes Vorgehen der Bulgaren gemeldet. Jr- ri-gnläre Truppen kleideten sich in serbische Uniformen, andere zogen Weibcrkittel an und überfielen die serbischen Lazarette Und ermordeten die Verwundeten. Zwxi als serbische .Soldaten verkleidete Bulgaren versuchten sich in das Harrpt- 'yuartrer einzuschleichen r'n der Absicht, den Stab zu ermorden. Sie entgingen jedoch der Wachsamkeit der Posten nicht und wurden fcstgenommen. Vielfach werden auch Solotrnen im Rücken ber Armee von diesen verkleideten Banden überfallen. In der Umgegend von Jstip fänd man auch nach Abzug der Bulgaren die Brunnen und Flüsse choleraverserrcht vor.
Rufruhr in Sofia.
Wien, II. Juli. In Bukarest eingetroffene noch unbestätigte Privatnachrichten besagen, daß in Sofia der Aufruhr herrscht, der aus ganz Bulgarien überzugreisen droht. Das durch Pie Mißerfolge --'n-erte Volk soll die Ministerien
gestürmt haben, wobei Zusammenstöße mit den Truppen stattfanden. Diese sollen Salven abgegeben und zahlreiche Personen getötet haben. Auch der Königspalast sei umstellt worden. Gegen Dr. Danew feuerte vorgestern ein Unbekannter einen Schuß ab, der jedoch sein Ziel verfehlte. Die Buka« rester Zeitung „Epoca" verbreitete sogar in einer Extraausgabe die Sensationsmeldung, von der Ermordung des Königs, die sich aber als unrichtig heransgestellt hat.
Ter Regerboxcr Johnson in Paris. Aus Paris wird berichtet: Ter amerikanische Negerboxer Johnson mußte bei seiner Ankunft i» Paris die Erfahrung machen, daß seine Krrppelprozesse ihm auch in' dem für seine Boxkämpse begeisterten Frankreich geschadet haben. Er mußte mit seiner Weißen Frau und seinen beiden schwarzen Kindern bei mehreren Hotels ansragen, ehe er Unterkunft erhielt. Alle größeren Hotels weigerten sich- mit Rücksicht auf die in dem Hotel wohnenden Amerikaner den Negerboxer aufzunehmen. Johnson wird im September und Oktober hier auftreten, vorher aber in Petersburg an einem Boxkampf teilnehmen.
Eine spanische Fremdenlegion. König Alfons hat ein Dekret zur Bildung eines Freiwillig enkorps für die spanischen K lonien in Nord-Afrika unterzeichnet. Kriegs- Minister General Luque hat die Absicht, aus dre>em Frer- willr'genk rps eine iranische Fremdenlegion ähnlich der der französischen Fremdenlegion zu schaffen.
Ein Klein-Kulturkampf. Zwischen dem Vatikan und der nur wenige tausend Einwohner zählenden Republik San Marino in Nord Italien ist es zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen gekommen. Eine Erklärung des Vatikans besagt, das neue Gesetz der Republik San Marino zur Regelung des Kirchengutes verstoße gegen die Freiheit der Krrche und die bestehenden kanonischen Gesetze.
Rewhork, 12. Juli. Vincent Astor hat beschlossen, zur Erinnerung an den Tod seines Vaters, der bei dem Unglück der Titanic umkam, ein großes Kinderkrankenhaus mit allen Einrichtungen der Neuzeit versehen, zu errichten. ' Er selbst will dis Leitung dieses Krankenhauses übernehmen.
Württemberg.
Dienstnachrichten.
Vom Ev. Oberschulrat ist je eine ständige Lehrstelle in Tamm. OA. Ludwigsburg, dem Hauptlehrer Digel in Oberbaugstett, OA. Calw, Hogelloch, OA. Tübingen, dem Hauptlehrer Starzmann In Steingebronn, OA. Münsingen, Breuninasweiler, OA. Waiblingen. dem Unterlebrer Robert Bossert in Kaltental, OA. Stuttgart-Amt, Siegelsberg, OA. Backnang, dem Haupllehrer Hanselmann in Ebersbach, OA. Göppingen übertragen worden.
Arbeit bei Bosch. Durch Inserate teilt die Stuttgarter Firma Bosch mit, daß sie beabsichtige, demnächst wieder den Betrieb aufzunchmen. Alle Arbeiter, die bis jetzt bei Bosch gearbeitet haben, werden aufgefordert, sich schriftlich zu bewerben. Der seither-ge Verdienst bleibt bestehen, doch haben in Zukunft die Arbeiter die bisher von Bosch freiwillig bezahlten Beiträge zur Invaliden- und Krankenversicherung selbst zu bezahlen Ein der Summe dieser Beiträge entsprechender Betrag soll in einer später zu bestimmenden Weise zugunsten der Arbeiter Verwendung finden.
Der Fall Hildenbrand. Die „Snväblsche Tagwacht" ke- zeichnet die auch von uns übernommene Nachricht des „Neuen Tagbl-atts', bau der Reichs- und Landtagsabgeordnete Hildenbrand zum Setretär der sozialdemokratischen Reichstagsfraktron gewählt sei, und deshalb sein Reichs- und Landtagsmandat niederlegen werde, als unzutreffend. Der Weggang Hildenbrands scheint sich 'indessen doch zu bestätigen, denn die „Schwäbische Tagwacht" führt aus: „Die Reichstagsfraktion, die gegenwärtig nicht beisammen ist. hat zu der Wahl des neuen Sekretärs an Stelle des verstorbenen Genossen Zietsch überhaupt noch nicht Stellung genommen. Sie wird bas voraussichtlich erst im Herbst tun. Wie wir hören, kommt Genosse Hildenbrand für diesen Posten auch nicht in Arage. Tatsache ist aber, daß in den Verhältnissen des Genossen.Hildenbrand für die nächste Zeit eine Aenderung in anderer Hinsicht nicht ausgeschlossen ist, die bedeuten würde, daß er unserer Bewegung in Württemberg verloren wäre Entschieden ist noch nichts. Ob mit dieser möglichen Aenderung die Niederlegnnq seines Reichstagsmandats verbunden wäre, bleibt .dann immer noch eine offene Frage."
Oehringe«, 12. Juli. Das mit einem Aufwand von rund 200 000 Mark erstellte neue Bezirkskranken Hans ist gestern in feierlicher Weise seiner Bestimmung übergeben worden. Nach der Begrüßungsrede des Oberamtmanns Closterm eher und einer Ansprache des Stadtpfarrers Schäfser wurde die gesamte Anlage von den zahlreich erschienenen Gästen eingehend besichtigt. Um 2 Uhr wurde im Württemberger Hof von ca. 100 Teilnehmern das Festmahl eingenommen, das von zahlreichen Reden gewürzt war.
Besigheim, 12. Juli. Gestern mittag war der 22 Jahre alte Gottlob Brücker von Ottmarsheim bei seinen hiesigen Verwandten zu Besuch. Gegen Abend trat er den Heimweg an. Unweit Besigheim zog er Joppe und Weste aus und jagte sich eine Kugel ins Herz. Ter Tod trat sofort ein. Tie Leiche wurde nach Besigheim gebracht. Was den jungen Menschen in den Tod trieb, ist nicht bekannt.
Nah und Fern.
Ein Mädchen von einem Matrosen ermordet.
Au, einem Felde ber Schweidnitz wurde -Lamstag früh die 19jährige Gertrud Schröder mit schweren Kopfverletzungen ermordet aufgcfunden Die Untersuchung ergab, daß das Mädchen zuvor mißbraucht und dann getötet worden war. Aut 'die Spur des Täters führte der am Tatort aufge- suudene Knopf einer Matrosenjacke. Als Mörder kommt der aus Tscheche stammende Mattose Röhricht von der Marinestatio» in Krel in Bctracht.
Hopf Muttermörder?
Aus Frankfurt M wird berichtet: Auf dem Gebiete der gerichtsärztllchen Untersuchung von Leichenresten nach Gift- stoffen sind m letzter Zeit außerordentliche Fortschritte gemacht werden, sodaß man jetzt auch daran Acht, die Aschenreste von Leichen za untersuchen. Dieser Fall hat si^h jetzt ereignet. Die Aschenreste der Leiche von Hopfs Mutter, die kürzlich zutage gefördert uno dem Laboratorium des Gerichtschemr- kers Dr. Popp überwiesen wurden, sind von diesem ans Giftgehalt iliittrjncht wcrden Dabei wurde das von den Münchener Professoren May und Hurt erprobte Verfahren ange- wendet, wonach 'die in der Asch« befindlichen Knochen, nachdem sie von allen Staubteilen befreit worden sind, mit einem Säurcgemisch behandelt werden. Das Ergebnis der Untersuchung war, daß die Knochen wirklich Arsen enthielten. Dadurch t erstarkt sich di: Vermutung, daß Hopf, der im Ver- dachr stehr, sein Kind, seine erste Frau und seinen Barer vergiftet za haben, auch seine Mutter durch Gift nms Leben gebracht hat.
_ » _
Kleine Nachrichten.
Im Elektrizitätswerk Enzberg ereignete sich xin tragischer Vorfall. Als die Frau des dort beschäftigten Monteurs Schurr ihrem Mann das Vesperbrot bringen wollte, fanv sie ihn nicht mehr am Leben. Er lag tot an seiner Arbeitsstätte. Ein Schlagfliiß hatte den Mann getroffen.
Ein bedauerlicher Unfall ereignete sich auf dem Hamburger H a v p't b a h n b o f. als Turner, die nach Leipzig zum
Turnfeste fahren wollten, den Zug bestiegen. Der Lehrer Friedrich Mer'necke. wurde infolge vorzeitigen Aufspringens auf den Zug überfahren und getötet.
Wie Extrablätter melden, ist in dem Pariser Vorort Chatenay - Rob r'ns on die Ziege 1 ei von Lafontaine durch eins Explosr'on zerstört worden. 'Dabei wurden sieben Arbeiter gerötet und 15 schwer verwundet.
Gerichtssaal.
Ein freisprechendes Urteil für einen Gattenmörder.
In P'arrs bildet ein Prozeß, das Tagesgespräch, dessen fretsprechendes Urteil man in Deutschland sehr schwer ver
stehen wird. Der durch seine Romane und mehrere Geschichts- ausgaben bekannte Schriftsteller Henry Peyre de Betcounet hat im Aprtt seine von ihm getrennt lebende Frau er-
schoisen. Wie er im Prozeß erzählte, war seine im Jahre 1903 geschlossene Ehe mit Therese Malibran, der Tochter eines Artillerieoffizier: zu Beginn eines sehr glückliche. Im Jahr 1910 schenkte ihm seine Frau ein Töchterchen. Kurze Zeit darnach kamen dem Schriftsteller Briefe in die Hände, aus
denen hervorging, daß seine Frau ihn vor der Geburt seines Kindes betrogen hätte. Der Ehegatte strengte darauf die Ehescheidungsklage an, die auch Pie Trennung der beiden zur
Folge hatte. Das Kind verblieb bei dem Vater. Der Mutter wurde nur er-aubt, das Kind in gewissen Zeiträumen zu sehen. Am 1. April erschien die Frau in der Loge des von dem Schriftsteller bewohnten Hanfes und ließ sich ihr dreijähriges Töchter- chen bringen. Während sie mit dem Kind sprach und sich heimlich zu einem Spaziergang mit dem Kind Miete, kam ihr Mann die Treppe hinab. Es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung, in deren Verlauf die Frau ihm ins Gesicht schleuderte, daß Pr gar kein Anrecht auf das Kind hätte, da es gar nicht sein Kind ser. In der Erregung zog Botconnet einen Revolver und gab drei Schüsse auf seine Frau ab, die zu- scmimenbrach. Das Gericht hat den Schriftsteller frei gesprochen. Seine Erklärung, er habe, um sein Kind für sich zu retten, in der Erregung auf seine Frau geschossen, wurde als stichhaltige Begründung für seine Frau angesehen.
«-
Ulm, 14. Juli. Die Strafkammer verurteilte den Kassier des Konsumvereins in Göppingen Wendnagel wegen llnrerichlagung von 2000 Mark zu 5 Monaten Gefängnis.
Vermischtes.
Besichtigung der Sprechenden Uhr durch die Tagespresse.
Vor einigen Tagen fanden sich im Hotel Prinz Al- brecht zu Berlin zahlreiche Vertreter der Presse und hervorragcnde Gelehrte zur Besichtigung einer epochemachenden Neuheit, der Sprechenden Uhr ein. Die Begrüßung hatte Herr Earl Marfels übernommen, der aus 'mehrfachen Wunsch auch seine neuesten Erwerbungen kostbarer alter Uhren ausgestellt hatte. Er führte etwa folgendes aus:
„In den hier ausgestellten Uhren tritt uns die Muße und Beschaulichkeit des Mittelalters und die rastlose Hast unserer Tage zu gleicher Zeit vor Augen. In den alten Uhren verkörpert sich die dekorative Kunst vergangener Jahrhunderte und in der „Sprechenden Uhr" die 'hoch- entwickelte Technik unseres Zeitalters mit ihrem Suchen nach Zeitersparnis. Bei den früheren Uhren war man schon zufrieden, wenn sie täglich nur annähernd auf eine eine Viertelstunde richtig gingen, stellte aber große Ansprüche au ihre dekorative Ausstattung. Bei den heutigen Uhren fragt man nicht allzuviel nach künstlerischer Ausstattung, verlangt aber, daß sie die Zeit aus die Minute anzeigeu und geht jetzt sogar dazu über, die Zeit mit menschlicher Stimme ausrufen zu lassen. Manchem mag dies zunächst ganz überflüssig erscheinen, haben wir doch schon Uhren, die die Stunde durch Schlagen auzcigtn. Man übersieht aber, daß kein Mensch sich die Mühe macht, die Schläge einer Uhr zu zählen, namentlich wenn es sich um die sechste, siebente, achte oder um eine noch höhere Stunde handelt. Genau genommen macht uns also das Schlagen einer Uhr nur darauf aufmerksam, daß eine halbe oder volle Stunde abgelaufen ist; um welche es sich handelt, erfahren wir erst, wenn wir auf das. Zifferblatt sehen.
Ganz anders bei der neuen Uhr, die uns heute vocge- sührt wird: sie ruft nach Ablauf einer halben oder vollen Stunde die Zeit mit menschlicher Stimme aus, z. B.: „Neun Uhr", „nenn Uhr dreißig" und so fort, und sie wudeeholr diese Zeit beliebig oft, kenn man auf einen Knopf drückt. Daneben aber bietet sie die große Annehmlichkeit, daß man sie jederzeit, auch des Nachts, abstellen kann, ohne daß ihr Rufwerk irr Unordnung gerät. Indessen kann man, auch wenn das Rufwerk des Nachts abacstellt ist, durch Drücken auf einen Knopf federtest bis aus die Viertelstunde erfahren, wieviel Uhr es ist.
Aber noch einen großen Vorteil bietet der neue Zest- mcsser: er kamt ohne große Preiserhöhung mit cinwn Weckerwerk versehen werden, das zu jeder gewünschten Zeit an. d-e betreffende Stunde erinnert. Und damit komme ich auch die Bedeutung der Uhr für die Astronomie. In den Sternwarten ist es gewöhnlich finster; da nun die neue Uhr io eingerichtet werden kann, daß sie statt alle halbe Stunde alle fünf' oder zehn Minuten die Zeit ausouft so vermag sie den Astronomen stets an diejenigen Zeiten zu erinnern, zu denen er irgend einen Sterndurchgang beobachten will
S^bst damit ist aber die Bedeutung der Erfindung noch n wjt erschöpft. Sie kann auch in den Wagen nuferer Hoch- und Untergrundbahnen automatisch die rew-wlige Station ausrufen und damit einem großen Bedürfnis ab- hifteu, denn wie leicht überführt man, in die Lektüre einer Zeitung vertieft, seine Station!
Ich selbst wüßte noch eine gute Aufgabe mr >ne Uhr. Sie könnte von Zeit zu Zeit den törichten Menschen Zurufen: „Friede auf Erden!" oder einen ähnlichen Lay. Es wäre dies heute doppelt aktuell, wo wir sehen, wie sich di eVölker dks Balkans in blutigem Kriege zerfleischen und wie unsere Großmächte für Rüstuugszwecke Milliarden aufwenden, mit denen so manche Not zu lindern und so manche Kulturaufgabe zu lösen märe.
Zum Schlüsse möchte ich noch betonen, daß diese Uhr eine deutsche Erfindung ist. Die ersten Versuche machte ein Berliner Ingenieur, doch führten sie zu tcmem brauchbaren Resultat; erst dem Konstrukteur Max Marcus ist cs nach langjähriger Arbeit gelungen, das schwierige Problem ein-"- glücklichen Lösung entgegenzuführen."