-v. Gamp (Rpt.), Graf Kamt; iDeutschkons.) und von Payer (Fortschr. Vpt.) die Wiederherstellung des Etatsentmurss bei den Besoldungen für das Reichsmarineamt beantragt. In zweiter Lesung war nach dem Anträge der Budgetkommission die Mehr- fordcrung für einen sechsten Seeoffizier als Departements- Direktor mit 4800 Mark und die Zulage von 3000 Mark für einen Direktor gestrichen worden.

Abg. Prinz zu Schönaich-Carolath (Natl.): Wir haben unseren Antrag aus GercchtigkeitSgründen eingebracht. Wenn man den betreffenden Herren nur das gibt, was die Regierungsvorlage verlangt, dann erhalten sie an Emolumenten immer noch weniger -wie im Dienstalter jüngere Generale. Das kann doch nicht die Absicht der großen Mehrheit des Reichstages sein. Dazu kommt, daß gerade diese Herren mit dem Reichstag so oft zu tun haben, und man darf sie doch nicht in ihren Bezügen schädigen, wenn man eine andere Stelle treffen will. (Beifall.)

Abg. Freiherr v. Gamp-Maflauuen (Rcichspt.): Wenn diese Stelle gestrichen wird, dann werden für das Reich durch Ver­tretungen und andere Dinge mehr Kosten entstehen, als wenn wir sie jetzt wiederherstcllen. Aber man will eben nur der Ma­rineverwaltung ein Mißtrauensvotum ansstellen. (Beifall.)

Die Abstimmung bleibt zweifelhaft, cs muß Auszählung statt­finden. Der Antrag wird mit 150 gegen 112 Stimmen abgelehnt, ebenso werden in Konsequenz der beim Militärctat gefaßten Be­schlüße auch die Pferdegclder für die berittenen Beamten der Marineverwaltung entsprechend gekürzt.

Abg. Albrecht (Soz.): Die Verdrängung der weiblichen Ar- lbeiter liegt uns fern, wir wollen sie aber nur mit angemessenen Arbeiten beschäftigt wißen. Meine Beschwerden über die hngieni- sschen Einrichtungen treffen voll zu.

Der Etat der Marine wurde bewilligt.

Es folgte der Etat des

Rcichsjnstizamts.

Abg. Dr. Lcnsch (Soz.): Der Reichskanzler hat eine Siede des Kaisers

vertreten, worin der Sozialdemokratie vorgeworfen wird, daß sie den christlichen Glauben hcrabzusctzen pflegt. Würde sie das tun, dann müßte doch jeden Augenblick gegen sie wegen Gotteslästerung eingeschrittcn werden. (Heiterkeit.) Ihr Lachen zeigt doch nur, daß in diesem Fall dann die Justiz nicht ihre Pflicht getan hat. Ich bitte, mir anzugeben, in welchem Ar­tikel der Leipziger Volkszeitung oder in welchem anderen sozia­listischen Blatte etwas gestanden hat, das für eine derartige Zu­mutung Anlaß gegeben hat.

Abg. v. Trampczynski (Pole): Aus eine Diskussion über die juristische Zulässigkeit des En tc i g n u n g s g e se tz c s hat sich der Staatssekretär nicht eingelaffen, uns vielmehr auf die Ver­handlung des preußischen Landtags verwiesen. Dort ist aber auch keine solche Begründung gegeben. Wir konstatieren, daß eine solche Begründung nicht gegeben wird, weil man sie nicht geben kann.

Staatssekretär Dr. Liseo: Ter Vorredner wird wohl kaum erwarten, daß ich heute dazu Stellung nehme. Er hätte mich be­nachrichtigen können: heute konnte kein Mensch erwarten, daß die Frage ausgeworfen wurde, ich bin darauf nicht vorbereiiet, bin aber gern bereit, bei der Etatsberatung des nächsten Jahres (Heiterkeit links) ausführlich zu antworten, jetzt ist mir das, so präzise, wie es sein muß, nicht möglich. Was den Abg. Lensch betrifft, so ist mir bekannt geworden, daß der Reichskanzler ihn hat wissen lassen, Saß der betreffende Artikel in derLeipziger VolkSzeitung" nicht gestanden hat. (Hört! Hort!) Ich bin mit dieser Angelegenheit nicht befaßt worben. (Hört! hört!) Der Reichskanzler hat deswegen auch von mir keine' Antwort bekom­men können. Das ist das einzige, was ich davon weiß.

Abg. Dr. Lensch (Soz ): Der Staatssekretär konnte uns also gar nichts erklären. Es ist richtig, daß der Untcrstaatssekrctär Wahnschaffc mir mitteilte, cs handle sich nicht um dieLeipziger Volkszeitung": aber ich habe auch nicht blos danach gefragt, son­dern ganz allgemein, welche Antwort der Staatssekretär auf diese Anregung des Reichskanzlers gegeben hat. Die Antwort ergibt, daß der Staatssekretär von dieser ganzen Anregung des Kanz­lers überhaupt nichts weiß. Wie steht es nun mit dem Ausspruch des Kanzlers? Der Staatssekretär erklärt jetzt, er könne sich auf gar nichts besinnen. Als mir der Unterstaatssekretär sagte, der Reichskanzler habe sich geirrt, antwortete ich, es sei dann An­standspflicht des Reichskanzlers, diesen Vorwurf hier in öffent­licher Sitzung zu berichtigen; und ich bedauere außerordentlich, daß der Reichskanzler dem nicht entsprochen hat. Von der ganzen Sache ist jetzt nichts mehr übrig geblieben. Das Urteil über diese Handlungsweise des Reichskanzlers überlaste ich dem Hanse und der Öffentlichkeit. (Beifall bei den Soz.)

Unterstaatssekretär in der Reichskanzlei Wahnfchafse: Ich bestätige, daß ich im Aufträge des Reichskanzlers unmittelbar nach seiner Rede oder am nächsten Tage einem der Fraktious- genoßen des Abg. Dr. Lensch mitgeteilt habe, daß die Bemerkung des Reichskanzlers in Bezug auf einen Artikel derLeipziger Bolkszeitung" auf einer Verwechslung beruhe. Der Reichskanzler hat also in loyalster Weise sofort den Irrtum berichtigt. Darauf Hat mir der Abgeordnete Lensch neulich in der Kommission nahe gelegt, ob nicht der Kanzler Liesen Irrtum auch noch im Plenum berichtigen sollte. Ich habe darauf erwidert: wenn das der Reichskanzler tut, dann würde er doch den Vorwurf gegen die sozialdemokra­tische Preße im allgemeinen nicht zuriicknehmen können. (Lärm

bei den Soz.) _eine ganze Menge Material liegt ihm vor,

(Stürmische Rufe bei den Soz.: Raus damit! Zeigen Sie her).

l.Wenn Sie wünschen, ist das Material in 10 Minuten hier.

Was die Frage betrifft, wieso der Staatssekretär des Reichsjustiz­amts nichts davon wisse, daß er um ein Gutachten ersucht worden fei, so ist das sehr erklärlich. Es kommt öfter vor, daß die obersten Justizbehörden im Reich und in Preußen zu prüfen haben, ob irgend ein Artikel in sozialdemokratischen Zeitungen mit dem Strafgesetz kollidiert. In dem Falle, an den der Herr Reichskanzler dachte, ist dies der preußische Justizminister gewesen. Wenn der Reichskanzler in der Debatte statt der preußischen die Neichsinstanz genannt hat, so ist das doch wirklich nicht von Belang.

! (Präsident: Ich kann es nicht für zulässig halten, daß der Abg. Dr. Lensch dem Reichskanzler Verletzung einer An- standspslicht vorwirft.) (Große Unruhe bei den Soz.)

Abg. Dr. Lcnsch beginnt mit einer Bemerkung, die bet der im Hause entstandenen allgemeinen Unruhe und Erregung unver- ändlich bleibt, in der die Wendung vorkommtnur die 'i !Mpe sind bescheiden." (Der Präsident rügte diese

Wirkung und ersucht den Redner, sich innerhalb der par- i.mentarischen Grenzen zu halten.) Der Redner fuhr fort: Ich Iw .»: mit keinem Worte zu verstehen gegeben, daß mit jenem Pri- > 'präch für mich diese Angelegenheit erledigt sei, sondern ich gesagt, ich dürfe den Wunsch und die Erwartung aus- - . een, daß der in öffentlicher Sitzung gemachte Vorwurf auch

/ Ziemlicher Sitzung zurückgenommen werde. Was den großen

.tensack betrifft, so kennen wir ihn; aus ihm fällt, wenn man ' n umstülpt, nichts heraus; dem Unterstaatssekretär würde rS c nso gehen wie dem Kanzler, es würde nichts übrig bleiben als ! ?: einzige unrichtige Behauptung.

Abg. Heine (Soz.): Wenn Beschimpfungen der christlichen Re- ! ion in sozialdemokratischen Blättern vorkamen, müßte ich das gmz besonders wißen als Verteidiger sozialdemokratischer '»iiucr. Man sieht hier aber auch wieder, welche Mittel ange- !bildet werden, um unangenehme Dinge an das Neichsjustizamt o .n'chieben, salbst wenn sie garnicht einmal wahr sind. Man . i e uns den Artikel! Der Unterstaatssekretär hat ja Zeit, der k inn ja auch bis zum nächsten Jahre sein Material hier auf den Tisch de". Hauses niederlegen.

Uirtecstaatssekretär Wahnschaffc: Ich betone nochmals, daß der

Reichskanzler durch mich Mort hat erklären laßen, daß seine Äußerung, er habe das Reichsjustizamt über einen Artikel der Leipziger Volkszeitung" gehört, auf einer Verwechslung beruhe. Ich habe hinzugefügt, es komme öfter vor, daß die höchsten Justizbehörden über die Strafbarkeit von Presseevzeugnissen be­fragt werden, über sozialdemokratische und andere. Da 'ch diese Debatte nicht erwarten konnte, können Sie sich nicht wundern, wenn ich nicht sofort Akteumaterial bei der Hand habe. Ich besinne mich aber jetzt, daß es sich um eine Frage an den preußi­schen Juftizminister handelte, ob eine Notiz, welche sich auf ein sozialdemokratisches Maskenfest bezog, aus dem Rheinland glaube ich, zu strafrechtlichem Einschreiten Anlaß biete. Da sei eine Frauensperson erschienen, so wurde berichtet, als Christus verkleidet.

(Lebhaftes Hört! Hört! rechts, Lachen links.) Meine Herren! Ich glaube, das sollte auch nicht einmal auf sozialdemokratischer Seite als lächerlich empfunden werden. Ob in dem Vorgang eine Verhöhnung des Gottes glaubens lag, ob es be­rechtigt war, dabei nach der Möglichkeit strafrechtlichen Ein­schreitens zu fragen, und ob es dabei irgend eine Rolle spielt, an wen diese Frage gerichtet wird, an den Staatssekretär des RcichSjustizamtes oder den Preußischen Justizminister, das über­laß? ich der Beurteilung des Hohen Hauses. (Sehr richtig! und Beifall.)

Abg. Lic. Mumm (Wirtsch. Vgg.): (Redner beginnt unter großer Unruhe des Hauses. Von der rechten Seite des Hauses werden Pfuirufe laut. Präsident Dr. Kaeinpf ruft den Zwischen­rufer zur Ordnung.) Der letzte von dem Staatssekretär angeführte Fall ist überaus kraß und damit keine Schwierig­keiten entstehen, will ich hinzufügen, es ist versucht worden, die Situation auf sozialdemokratischer Seite zu retten, indem man erklärte, jene Frau stehe nicht mit einem sozialdemokratischen Verein im Zusammenhang. !

Abg. Heine (Soz.): Herr Lic. Mumm . . . (Präsident Dr. Kacmpf: Der Abg. Mumm hat hier nicht als Licenziat, sondern als Abgeordneter gesprochen.) Meinen Sic, daß mit der Christus­figur auf dem Maskenbälle unsere uns heilige sozialdemokratische Überzeugung beschimpft werden sollte? (Unruhe.) Ich bc- daure das Vorkommnis. Was hat aber die Preße damit zu tun? Ter Reichskanzler hat sich verhauen, und jetzt werden diese Dinge an den Haaren herbeigezogen.

Abg. Graf Westarp iDeutschkons.): Als Beweis dafür, daß die sozialdemokratische Preße häufig in unglaublicher Weise die Kirche beschimpft, verweise ich darauf, daß ein Redakteur der Zittauer Kreuzzeitung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wor­den ist, weil er in einem Artikel die Kirche als einestaatlich unterstützte Verdummungsanstalt" bezeichnet hat. (Hört! hört!) Ich habe dazu jetzt auch noch den Zuruf: Sehr richtig! gehört. Das ist sehr bezeichnend. Die ganze Art, wie die Frage von den Sozialdemokraten behandelt wird, das Gelächter, mit dem vorhin die Geschichte von der Person begleitet worden ist, die als Christus erschienen ist, die Art, wie der Abg. Heine das Verhal­ten der sozialdemokratischen Presse hier charakterisiert, beweist nur, daß zwischen Ihnen (zu den Sozialdemokraten) und denen, die im Lande auf einem ernsten Standpunkt der christlichen Religion stehen, eine Kluft besteht, die sich durch keine Rebe überbrücken läßt. (Lebhafter Beifall rechts. Widerspruch und Unruhe links.)

Abg. Heine (Soz.): Der Abg. Graf Westarp hat sich erlaubt, einen Unterschied zu machen zwischen uns und denen, die auf einem ernsten Standpunkt stehen. (Zuruf rechts: Ernsten christ­lichen Standpunkt.) Der Standpunkt, von dem wir die Frage betrachten, ist eben so ernst, wie der Ihrige. Angriffe auf Ein­richtungen der Kirche, welche in vieler Beziehung ein Mittel reaktionärer politischer Unterdrückung sind, werben wir uns allerdings nicht nehmen lassen, aber Kirche und Religion sind zweierlei. Dies vertuschen zu wollen, ist ein Taschcn- sp i e l erku n st st ü ck. (Präsident Dr. Kacmpf rügte diesen Ausdruck.)

Abg. Haase (Soz.): Wir treten niemals dem religiösen Ge­fühl irgend jemandes entgegen.

Abg. Zürn (Rpt.): Der GrundsatzReligion ist Privatsache" wird nicht befolgt. Das beweist die große Agitation für den Aus­tritt aus der Landeskirche. (Große Unruhe links.)

Bei einem späteren Titel wurde in namentlicher Abstimmung ein nationallibcraler Antrag auf Wiederherstellung dqr Regie­rungsvorlage hinsichtlich des sechsten Reichsanwalts mit 118 Stimmen dafür und 177 Stimmen dagegen bei zwei Stimmenthaltungen abgelehnt.

Beim Etat des Ncichsfchahamts wurde ohne De­batte namentlich abgestimmt über die O st m ar k e n z u l a g e für den Stationskontrolleur in Posen. Der Posten wurde ab- gelehnt.

Es folgte der

^tat des Reichseiscnbahnamts.

Abg. Bändert (Soz.): Für die Betriebssicherheit wird nicht genügend gesorgt.

Abg. Dr. Wcndorfs (Fortschr. Vpt.): Die Eisenbahnverbin­dungen in Mecklenburg sind völlig ungenügend. Eine deutsche Eisenbahngemeinschaft ist nicht nur möglich, sondern auch nötig. Die Lokomotivführer haben eine viel zu lange Dienstzeit.

Abg. Ulrich (Soz.): Die hessisch-preußische Eiscnbahngemein- schaft muß revidiert werden.

Avg. Werncr-yersfslö (Refpt.): Das Lokomotivpersonal ist unzweifelhaft überlastet.

Präsident des Reichseisenbahnamts Wackerzapp: Eine gesetz­liche Regelung der Dienst- und Ruhestunden kann durch das Reich nicht erfolgen. Das ist Sache der Einzelverwaltungen.

Nachdem der Etat nach univesentlicher Debatte und der Etat der allgemeinen Finanzverwaltung debatte­los angenommen worden waren, schloß man die dritte Etats- beratung. Ter Gesamtetat wurde gegen die Stim­men der Sozialdemokraten bewilligt. Damit war die Tagesordnung erledigt und Präsident Kämpf schloß die Sitzung mit den besten Wünschen für ein frohes Fest nach den aufregenden Diskussionen der letzten Wochen. Ter Bud- gctkommisswn, die noch einige Tage zusammenbleibt, und auch vor Wicderzusammentritt'des Plenums ihre Beratungen wieder aufnimmt, spricht er den besonderen Dank aus kirr die Arbeit, die sie damit übernimmt. Er schloß mit dem Wunsche, daß diese Arbeit der Kommission von allerbestem Erfolg begleitet sein möge. Die nächste Sitzung des Reichs­tages findet am Dienstag den 27 .Mai statt. Es war fast neun Uhr, als das Haus auseinanderging.

Deutsches

Zur Wahl in WaldeS-Pyrmont.

Wie gestern gemeldet, wurde im .Reichstagswahlkreis Waldeck-Phrmont Tr. Friedrich Naumann als Kandidat ausgestellt und hat die Kandidatur angenommerr. Naumann har bekanntlich von 1907 bis 1912 den Reichs- tagswahltreiS Heilbronn vertreten, wurde aber hier bei den allgenieinen Wahlen des Jahres 1912 aus der Stichwahl gedrängt. Die voiksparteilichen Stimmen waren zwar um 974 gestiegen und die des .konservativen Bündlers um 751 zurückgegangen, aber dieser hatte immer noch einen Bor­sprung von 91 Stimmen und so kam, da sich die sozialdemo­kratischen Stimmen um nahezu 3000 vermehrt hatten, der Konservative und der Sozialdemokrat in die Stichwahl mit dem Endergebnis, daß der Sozialdemokrat gewählt wurde.

Nun soll Nau:nan n den Wahlkreis Waldeck-Pycrnonj der Fortschrittlichen Volkspartei zurückerobern, die ihn von 1903 bis 1012 im Besitz hatte, und zwar hatte ihn Dr. Heinz Potthoff 1903 den Antisemiten abgerungen und 1907 siegreich behauptet. Im Jahre .1912 aber haben die Nationalliberalen in der Stichwahl dem antisemitischen Kan- didaten, Amtsgerichtsrat Viehmeyer, Mann für .Mann ihre Stimmen gegeben, so dqß der an Stelle Potthofs <- gesiellte Redakteur Nuschke um 153 Stimmen hinter Vieh­meyer zurückblieb. Tie Wahl wurde aber wegen amtlicher Wcchlbeeirifiussung für ungiltig erklärt. Das Stimmenver­hältnis der Parteien war folgendes: Antisemiten 4403, Fort­schrittliche Bolkspartei 3687, Nationalliberale 2037, Sozial­demokraten 1600. In der Stichwahl erhielten: Liehmever 6192, Nuschle 6039. Man darf es jetzt ruhig aussprechen daß die Kandidatur Nuschke aus Gründen, die außerhalb seiner Persönlichkeit lagen, keine besonders günstige war, und eben deshalb darf man auch hoffen, daß. ein so zugkräftiger Kandidat wie Naumann die Schlappe, die die Fortschritt­liche Bolkspartei in Waldeck-Pyrmont erlitten hat, wieder wett macht. Das wäre auch ans dem Grund sehr zu wünschen weil die Mehrheit, die die Linke von Bassermann bis Bebel im günstigsten Falt im Reichstag aufzubringen vermag, immer nur wenige Stimmen beträgt und unter Umständen durch den Verlust des einen oder anderen .Mandates der Linken leicht auch geschwächt werden kann.

Tie Legende vom sterbenden Jatho. Mehrere Blätter orthodoxer Richtung hatten die Nachricht verbreitet, daß Pfar­rer Jarho au; fernem Sterbebette von schweren inneren Zwei- rein, ore sich in den Ausrufen:O, meine Religion!" -Gibt es doch eine Auferstehung?" kund gegeben Hütten, geplagt wer- den wäre. Jetzt veröffentlicht nun der Sohn des Verstorbenen irr derChristlichen Freiheit" einen Brief, in dem er jenen Nachrichten scharf 'entgcgentritt:Um aber einer Legendenbil- düng, als sei mein Vater im Angesicht des Todes zumreuigen Sünder" geworden, er» für allemal vorzubengen, mögen Sie Herr Pfarrer, Mitteilen, daß er nur einmal in einer trüben Stunde sich die Frage stellte, ob bei noch intensiverer An­spannung aller ihm innewohnenden Kräfte die große Sache, als deren Diener ec sich fühlte, das beißt: das Werk der religiösen Befreiung vielleicht n o ch weiter hätte gefördert werden können. Er forderte eben sters von sich das Höchste. Als er das Bewusst­sein bereits verloren hatte, sprach er noch immer non der großen, heiligen Sache, von derReligion der Freiheit, der Güte und der Kraft". Umdie Person Jesu" kreisten häufig ieinc Vorstellungen, insbesondere umden Christus", also dH Cbristuöidee; dann verloren sie sich in die musikalische Welt Richard Wagners. Wodan und Brunhild waren seine letzten verständlichen Worte." Das ist eine sehr dankenswerte und wertvolle Feststellung! Run ist allenfrommen" Blättern und Blättcben der Versuch, aus dein sterbenden Jatho Kapital siir ihre Anschauung zu schlagen, gründlich verdorben.

Eine Erinnerung. Im 50. Lebensjahr ist in Halle an der Saale der Universitätsprofessor Fritz v. Bramann gestnr- b e u, der vor 25 Jahren als Assistent des Professors Dr. von Bergmann den Kehlkopfschnitt an dem damaligen Kron­prinzen Friedrich Wilhelm vornahm. Wie Bergmann selbst bezkugte, handelte Bramann damals wie ein Held. Er operierte den mit dem Erstickungstode ringenden königlichen Dulder gegen den ausdrücklichen Rai der englischen Aerzie Dr. Mackenzie und schaffte so dem Leidenden wenigstens für kurze Zeit Erleich, tcrnng. An, 9. Februar dieses Jahres, als sich der Erinnerungs- tag an dieie Operation zum 25.mal jährte, telegraphierte der Kaiser an Braman, dankbar gedenke er dieses Verdienstes um das königlich c Haus.

Berlin, 28. Apri!. Die aus Anlaß des Regrerungsjubiläums des Kaisers veranstaltete und unter dem Protektorat der Kron­prinzessin stehende Berliner Bach-Be ethoven-Brahins- Festwoche fand beute Abend mit einer Aufführung der 9. Sym­phonie von Beethoven ihren glänzenden Abschluß. In der Hos- logs wohnte die Kronprinzessin mit großem Gefolge dem Konzert bei. Unter den Zuhörern bemerkte man u. a. den Reichskanzler.

BombenaLLentat in Jndochirra.

Die Agenee Havas meldet aus Saigon (Jndochina): Am Sonnabend "abend 7 Uhr schleuderte ein Annamit in Hanor eine Bombe, durch die zwei fr a n z ö si s ch e M a j o r e g ei tötet, sechs Europäer und fünf Eingeborene verwundet wurden- Der Täter hat di? Flucht ergriffen. Der Generalgouvenieuri von Jndochina, Sarraut, erließ einen Aufruf, in dem ey an die Besonnenheit der Franzosen appelliert. Die französisches und die Eingeboreuenbevölkerung bewahrt vollkommene Ruhe. Es wurden zahlreiche Verhaftungen vorgenommen.

Zu dem Attentat wird noch offiziös gemeldet, daß es sich zweifellos um eine von tanger Hand vorbereitete Bersch- r u n g handelt. Schon vor einem Monat wurden gleichzeitig mit den in Saigon und Cholon entdeckten Bomben an na in i- tifche Aufrufe beschlagnahmt, durch die die Eingeborenen zu einem Ausstand angestachelt werden sollten. Biele Unnamitcn, darunter zahlreiche abgesetzte Beamte und angesehene Persönlich­keiten, die geheimen Vereinigungen angehörten, norden verhaftet.

EineKrupp-Affäre" in Belgien. Ueber eineKrupp- Affäre" in der belgischen Armee läßt sich der PariserMa­tin" melden: Im Jahre 1908 gestellte die belgische Hee­resleitung bei Krupp Kanonen von 28 Zentimeter- Kaliber, die zur Verteidigung der Scheldemündung bestimmt waren. Der Preis betrug 4 700 000 .Francs. Die gestell­ten Stücke, die mehr als zwanzig Meter lang waren, hatten ein außerordentliches Gewicht und man, wußte nicht, wies man sie nach Antwerpen bringen sollte. Bei einem Transport auf dem Wasserwege wäre es nicht mög­lich gewesen, die Rohre später ans die Forts hinauszubringen. Für einen Eisenbahntransport hätten neue.Bahnen und Gleise gebaut werden müssen, und es war nichts vorgesehen. DK Stücke waren übrigens wertlos; man Hätte sie für zwei Mil­lionen ebenso gut haben können. . Diese Kanonen, die im Jahre 1908 gekauft wurden, das heißt in einem Augenblick, wo Deutschland den 28-Zentimeter-Typ aufgab und zum 31-Zentrmeter-Kaliber überging, befinden sich noch heute in Esse n. Belgien hat sie seit fünf Jahren bezahlt, und das bedeutet einen Zinsverlust von mehr als 900 000 Francs.

In Mexiko sind zwischen Huertas und D raz' Anhängern Reibungen entstanden und beide Parteien bilden jetzt be­waffnete Feldlager. Huerta hat die Infanterie im Na­tionalpalast verstärkt, mährend Diaz einen großen Teil der Artillerie auf scinem 30 Meilen von der Hauptstadt entfernten Besitztum zuiammengezogen hat. Der Kriegsminister befindet sicht im Besitz der Zitadelle, in der der Rest der Artillerie liegt

WiirtteMbexg.

Dienstnachrichten.

Der Elsenbahnassessor Schaufler wurde zum Eisenbahn­inspektor ber der Ersenbahnbetriebsinspektion Herlbronn ernannt/ der Eisenbaknfciretar Wieland (Vinzenz) in Unterrnrkheim wurde zum Oberbahnsekretär bei der Generaldirektion der Staats- eisenbahnen gefördert: der Obersekretär Klocker in Ravens­burg zum Erpel rtor ber der Staatsanwaltschaft Rottweil unter Belastung des Titels' Obersekretär ernannt.

Württembergischer Weinbanverei«. Am Sonntag 25. Mai dieses Jahres findet im Konzertsaal der Liederhalle m