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Nr. 238.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

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95. Jahrgang.

Erscheinungsweise: L mal wöcheMl. Anzeigenpreis: Die kleinfpaltige Zeile SO Pf, Reklamen 2. Mt. Auf Sauimelan-eigen kommt ein Zuschlag von 100^. Fernspr.!

Dienstag, den 13. Oktober 1920.

B.zugSpr-i«: In der Stadt mit r-Sgerloh« Mk rr.go "'«t-Ijährlich P-Itb-rus-pr«!« °MI. 12.N mit Bestellgeld. Schluß der Anzeigenannahme S Uhr vormittag«.

Die Maßnahmen zur Gesundung der Reichsfinanzen.

Berlin, 1V. Ott. Amtlich wird mich stellt: In Ausführung der Beschlüsse des Rcichskabinetts vom 22. ds. Mts. über Maßregeln zur Gesundung der Rcichsfinanzen sind nunmehr die Richtlinien ausgestellt worden, welche die Formel des ReichssinanzministerS und die künftige Finanzgcbarung und Wirtschaftsführung des Reichs sestlegen. Das Reichskabinrtt hat diesen Richtlinien einmütig seine Zuftimmrmg erteilt. Zur Durchführung der Beschlüsse ist ein Reichskommissar ernannt worden, der dein Reichssinanzminister bei­geordnet ist und unter dessen Verantwortung und unter Mitarbeit der Ministerien seine Tätigkeit auszuüben hat. Dieser Posten ist dem Präsidenten des Handelsfinanzmntes, Dr. Carl, über­tragen worden.

Die Leitsätze besagen in ihren Hauptpunkten: Zum Zwecke der Gesundung der Reichssinanzen soll:

vH Die Stellung des Reichsministcrs der Finanzen in formeller Hinsicht in folgender Weise gestärkt werden.

1. Es dürfen von keinem Reichsininisterium und keiner Nach­geordneten Reichsbehörde oder Reichsstelle oder einzelnen Beamten irgendwelche Maßnahmen, Neueinrichtungen oder Anordnungen, welche neue durch den Reichshaushalt oder sonstige gesetzliche Vor­schriften nicht bereits genehmigte Ausgaben zur Folge haben oder haben können, ohne vorherige rechtzeitig eingeholte Zustimmung des Reichsfinanzministers getroffen werden. Insbesondere haben alle Maßnahmen zu unterbleiben, welche der endgültigen Entscheidung des ReichssinanzministerS über die Bereitstellung neuer Mittel in Irgend einer Weise vorzugreifen geeignet sind.

2. Wird die Zustimmung von dem Reichsfinanzminister versagt uitd ist auch durch erneute Verhandlungen des FachministcriumS mit dem Rcichsfinanzministerium eine Einigung nicht zu erzielen, so steht es dem Fachminister frei, die Entscheidung des Reichskabinetts herbeizuführrn, sofern es sich um eine Angelegenheit von grund­sätzlicher Bedeutung oder besonderer Wichtigkeit handelt.

3. Beschließt die Reichsregierung in einer Frage von finanzieller Bedeutung gegen die Stimme des Reichsfinanzministers, so kann dieser gegen den Beschluß ausdrücklich Widerspruch erheben. Wird der Widersprach erhoben, so ist über die Angelegenheit in einer weiteren Kabinettssttzung erneut abzustimmen. Bei dieser Abstim­mung sind nur die persönlich anwesenden Reichsminister stimm­berechtigt; gegen die Stimme des ReichssinanzministerS kann nur durch die Mehrheit sämtlicher Reichsminister in Anwesenheit des Reichskanzlers oder in dessen Behinderung seines Vertreters Be­schluß gefaßt werde«.

5. Die von dein Reichskabinett endgültig getroffenen Entschei­dungen sind von sämtlichen Reichsministerien und Nachgeordneten Behörden und Stellen, sowie von den einzelnen Beamten einheit­lich und geschlossen als Wille der Reichsregierung zu vertreten. Es ist insbesondere nicht zulässig, daß die überstimmten Ministerien. Ihre Beamten oder Nachgeordneten Stellen durch Einwirkuug auf ^ Reichsratsbevollmächtigtc oder Rrichstagsabgeordnete die Verwirk­lichung der Durchführung der Entscheidung der Reichsregierung zu verhindern suchen, oder bei der Vertretung der Vorlage im Reichs- rat oder Reichstage eine von der Entscheidung der Reichsregie- rung abweichende Ansicht des überstimmten Fachministeriums oder einzelner Beamter vertreten. Verstöße gegen die Vorschriften sind als Schädigung der Autorität der Reichsregierung anzuschen und die betreffenden Beamten demgemäß zur Verantwortung zu ziehen.

6. In sachlicher Hinsicht soll sich die gesamte Finanzgebarung

Wirtschaftsführung des Reiches streng nach folgenden Leit­sätzen richten:

1. Der Aufgabenkreis des Reiches ist innerhalb der Grenzen der s Verfassung s, mg wie irgend möglich zu haltm.

Neue Aufgaben dürfen nur ausgenommen und von Ländern, Gemeinden oder sonstigen öffentlichen oder privaten Organisationen M'f das Reich übernommen werden, wenn ihre Inangriffnahme ohne jede persönlichen oder sachlichen Kosten für die Reichskasse mög- Ach ist, oder es sich um unbedingt lebenswichtige Interessen des Ruches handelt und die Uebertragung der Aufgaben auf andere Schultern (Länder, Gemeinden oder öffentliche oder private Körper­schaften) ausgeschlossen ist.

2 Reue Verwattungseinrichtungen dürfen nicht geschaffen, be- Mhendc nicht vergrößert werden. Insbesondere dürfen grundsätzlich neue Stellen nicht geschaffen, vorhandene Ausgabeposten anderer «rt nicht nhSht werden.

Ausnahmen von diesem Leitsatz find nur zulässig, sofern es I>ch um unbedingt« Lebensnoiwendigkeiten für das Reich handelt.

3 Die bestehenden Berwaltuugsriurichtungm und Stellen vor­

übergehender oder dauernder Natur sind soweit als irgend möglich einzuschrSnken und abzubaurn und die Kosten der Verwaltung in jeder Weise zu vermindern.

Im Laufe des Etatsjahres 1920 bei den Zentralbehörden frei- werdend«: Stellen dürfen nur mit Zustimmung des Reichssinanzmini- sters wieder besetzt werden.

Der beschleunigte Abbau der Kricgsorgauijationen, insbeson­dere der Kriegsgesellschaften und Kriegsstellen, ferner der Kriegs­fonds und der Einrichtungen der alten Wehrmacht ist mit größtem Nachdruck zu betreiben.

4. Bei Leistung sonstiger Ausgaben ist sowohl auf persönlichem wie auf sachlichem Gebiete die allergrößte Sparsamkeit zu üben und mit allen Mitteln darauf hinzuwirken, daß die Ausgaben tunlichst nieder gehalten und Ersparnisse gegenüber den Voranschlägen er­zielt werden.

Demgemäß haben alle nicht zu den Lebensnoiwendigkeiten un­mittelbar gehörenden Ausgaben vollständig zu unterbleiben oder sind auf das Mindestmaß einzuschränken.

Alle Anträge auf Bewilligung von Reichsmitteln sind aus jede mögliche Kürzung scharf nachzuprüfen und zwar nach rein sach­lichen, nicht nach persönlichen oder politischen Gesichtspunkten.

Grundsätzlich dürfen keine Ausgaben in den Haushalt ein­gestellt oder aus Mitteln des ordentlichen Haushaltes bestritten werden, für welche eine Deckung durch ordentliche Einnahmen nicht vorhairden ist. Ueberschreitungen der Ansätze oder außerplanmäßige Ausgaben haben grundsätzlich zu unterbleiben. Nur in seltensten Ausnahmefällen dürfen 'sie insoweit stattfinden, als es sich um die Bestreitung unbedingter Lebensnoiwendigkeiten des Reiches handelt.

Zur Sicherung der Durchführung dieser Leitsätze werden fol­gende Maßnahmen beschlossen:

1. Sämtliche Ministerien haben sofort in eine eingehende Prü­fung ausschließlich nach sachlichen Gesichtspunkten einzutretcn, ob ihre jetzige Finanzwirtschaft und Geschäftsführung mit den Leit­sätzen in Einklang steht, und ob und an welcher Stelle Einschrän­kungen gemacht und Ersparnisse erzielt oder zweckmäßige Aenderun- gen vorgcnommen werden können.

2. Für eine Uebcrgangszeit wird ein Reichskommiffar ernannt, der dem Reichssinanzminister beigeordnet ist und unter dessen Ver­antwortung und unter Mitarbeit der Ministerien für die strengste Durchführung der Leitsätze, insbesondere für die Ausstellung von Plänen und Grundsätzen und ihre gleichmäßige Anwendung zu sorgen hat.

W Ergebnis der Brüsseler Konsemz. w Gens.-

In Brüssel soll gestern die Finanzkonferenz zu Ende gegangen sein. Was von den Verhandlungen an die Oeffentlichkeit gekommen ist, ist so spärlich, daß man sich wun­dern muß, worum man für die paar Binsenwahrheiten, die da aus den Redeschlachten wiedergeboren wurden, einen so großen Apparat aufzuwenden für nötig hielt. Als gemein­same Auffassung über die Aussichten zur Behebung der Schwierigkeiten der finanziellen Weltlage wurde festgestellt, daß diese in erster Linie zu beheben seien durch größte Sparsamkeit hinsichtlich der Lebensweise, damit die von der Valutanot betroffenen Staaten so wenig als möglich Waren einführen brauchten, zweitens durch Erhöhung der Produktion, also der Arbeit. Um arbeiten zu können, brauchen aber namentlich die Industriestaaten Rohstoffe und Lebensmittel. Zur Erlangung derselben sollen nun inter­national organisierte Kredite geschaffen werden, die den be­treffenden Staaten wahrscheinlich gegen Verpfändung von Ein­nahmen aus Steuern und produktiven Anlagen gewährt wer­den sollen. Mit andern Worten: die Staaten müssen eben für den angelsächsischen und französischen Kapitalismus arbeiten, dem jetzt bald die ganze Welt untertan ist. Ein Organi­sationsstatut für ein internationales Kreditinsti­tut sieht zunächst die Schaffung einer internationalen Kom­mission unter der Aufsicht desVölkerbunds" vor. Di« Kom­mission soll lediglich aus vom Völkerbundsrat zu ernennenden Bankiers und Kaufleuten bestehen, uitzd soll das Recht haben, sich in allen beteiligten Ländern durch Unterausschüsse ver­treten zu lassen. Dieser Kommission haben die Regierungen aller Länder, die sich an der Kreditorganisation zu beteiligen wünschen, mitzuteilen, welche Garantien sie zur Sicherung der vom Exporthandel an Ausländer zu gewährenden Kredite zur Verfügung zu stellen beabsichtigen. Nach Prüfung dieser Garantien bestimmt die Kommission, bis zu welcher Höh« die in Goldwert festzusetzrnden Kredite eingeräumt werde» können.

Bis zu dem von der Kommission zugestandenen Betrage kann dann das betreffende Land Obligationen ausstellen, die von der internationalen Kommission zu Kontrollzwecken abgestempelt weiden. Wir sehen also, auf diese Weise erhält, wie wir von Anfang an betont haben, dieVölkerbunds"-Kommission Ein­sicht sowohl in die volkswirtschaftlichen wie finanziellen Ver­hältnisse des Schuldnerstaats, und kann diese Kenntnisse zum Besten der Entente verwenden und zur Bekämpfung unlieb­samer Konkurrenz. Wir müssen uns überhaupt daran gewöhnen» alle Handlungen, die vomVölkerbund" ausgehrn, als im Interesse der Entente, also gegen Deutschlands Interessen ge­richtet zu betrachten: denn die Organisation desVölker­bunds" verfolgt lediglich das Ziel, die durch den Weltkrieg eroberten Gebiete der Ententestaaten zu sichern, und auf der jetzigen militärischen und politischen Herrschaft eine weltkoloni- satorische und -wirischastliche Organisation der Angelsachsen und Romanen aufzubauen, an der noch zu Zwecken der Festi­gung dieser Organisation einige Schmarotzerstaaten wie Polen, Rumänien und die Tschechoslowakei beteiligt sind, und wofür sich anscheinend auch germanische Staaten hergeben.

Nach der Finanzkonserenz konzentriert sich jetzt das poli­tische und wirtschaftliche Interesse auf die Frage, ob die vor­geschlagene Konferenz in Genf, in der pran sich über die Höhe der sog. Wiedergutmachungssumme schlüssig werden wollte, abgehalten werden wird oder nicht. Bekannt­lich ging schon kurz nach den Verhandlungen von Spa das Rätselraten und Streiten über diese Kauften- an. Im Sinne der Abmachungen von Spa sollte die nachfolgende Genfer Konferenz den Zweck haben, die von der Wiedrrgutmachungs- kommisfion aufgestellte Summe der französischen und belgischen Entschädigungsansprüche auf eine Gesamtziffer festzulegen, die die Leistungsfähigkeit Deutschlands nicht überstiegen hätte. Nachdem Millerand zu einer solchen Regelung der Wieder- gutmachungsfrage in Spa seine Zustimmung gegeben hatte, wurde bald darauf infolge der einsetzenden scharfen Opposition der französischen Chauvinisten mit aller Macht durch die öffent­liche Meinung Frankreichs der Gedanke an Genf sabotiert, weil die Militaristen und Annexionspoliiiker den Standpunkt ver­treten, daß gemeinsame Verhandlungen zwischen den Alliierten und Dsutschen zu einer Mäßigung der Forderungen führen könnten, und daß Deutschland so eine geordnete Finanzwirt­schaft wieder aufbauen könnte, was gar nicht im Sinne der französischen Eroberungspolitik liegt. Wird die Summe nicht festgelegt, so können die Franzosen immer verlangen, was sie wollen, und wenn wir nicht bezahlen können, nun dann nehmen sie eben das durch den VersaillerVertrag" geschaffene Recht" in Anspruch, und besetzen auch noch das Ruhrgebiet neben dem Rheinland. Durch diese Rechtsunficherheit wird aber unser wirtschaftlicher und damit politischer Wiederaufbau unmöglich gemacht; denn das Ausland wird einem solchen in den Krallen eines Nachbarstaats befindlichen Staatswesen natürlich wenig Vertrauen schenken, und so wird auch unsre Valuta ganz in französischem Interesse, auf ihrem Tiefstand, mindestens aber in dauernder Schwankung bleiben. Die dau­ernde Valutanot Deutschlands aber hat eine dauernde Notlage seiner wirtschaftlichen, finanziellen und Ernährungsverhältnisse zur Folge, und als natürliche Auswirkung davon eine dau­ernde Bedrohung seines Staatslebens auch im Innern. Das sehen die andern Alliierten ein, und treten deshalb auch in ihrem eigenen Interesse natürlich für die Konferenz von Genf ein. Namentlich England hat sich in letzter Zeit ener­gisch dafür eingesetzt, und es ist deshalb auch anscheinend zu Auseinandersetzungen zwischen London und Paris gekommen. Die Franzosen scheinen nun nachgeben zu wollen, allerdings nur unter der Bedingung, daß zuerst die Alliierten über ihre Ansprüche einig werden und daß Frankreich im Falle der Nicht­einhaltung der Verpflichtungen immer Witter auf deutsches Gebiet Beschlag legen darf. Das sind unsere Aussichten für Genf, und wir glauben, daß das Ergebnis ebenso sein wird, wie das der Brüsseler Konferenz: denn zu weh werden sich die feindlichen" Brüder dort nicht tun, weil sie doch auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen sind, um ihren Riesen­raub zu sichern. 0.8.

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Eine offiziöse (?) deutsche Erklärung über Senf.

(WTB.) Berli», 12. Okt. In einer Besprechung des eng­lisch-französischen Gedankenaustausches über das Verfahren zur Festlegung der von Deutschland geschuldeten Entschädigung führt dieD. Allg. Zt g." aus, daß Deutschland gerue bereit sei, mit jeder der alliierten Mächte oder mit mrhrereu zu- fammeu de« Boden für di« Genfer Koufereuz i« ei»«r kurze»