Veranschlagt und beträgt gegen 1910 rm ersten Jahr mehr 1,8 Mill. M, im Weilen Jahr mehr 3,5 Diill. M.

Bei den Forsten ist für 1911 ein um 623 OM M, für 1912 ein um 213 OM M höherer Reinerlrag in Aussicht gekionmlen. Bei den Berg- und Hürtenwerken hat der eingelretene Rückgang her wirtfcha;rlichen Lage den Gr> ^ytsgang weiterhin ungünstig beeinjlußt. Günstigere Berhalrnipe költnen bei den Salinen in Aussicht genommen werden. Der Bettvebsüberschuß der Eisenbahnen Ist angenommen für 1911 zu 23,7 Mül. M, für 1912 zu 25,2 Mül. M, und beträgt gegenüber 1910 für 1911 mehr 3,6 Mül. und für 1912 mehr 5,1 Mül. M. Bes der Veranschlagung der Ginnahmen aus dem Personen­verkehr ist mit einer allgemeinen Perkehrssteigerung von jährlich 3 Proz., bei derjenigen aus dem Güterverkehr Mit einer solchen von 2,75 Proz. gerechnet. In dem Eurt der Post- und Telegrafenverwaltung für

1911 ein Üeberschuß berechnet von 7,9 Mül. M, für 1912 ein solcher von 8.9 Millionen M, das ist gegenüber dem Elatsatz, von 1910 für 1911 ein Weniger von 1,4 Millionen Mark, für 1912 ein Weniger von von 353 OM Mark. Die Einnahmen an Postporto- und Telegrammgebühren waren gegen 1910 erheblich niederer, und zwar für 1911 um 2,4 Mül. M, für 1912 um 1,6 Mül. M einzustellen, was im wesentlichen durch eine andere Regelung des Anteils Württelnbergs an den Ein­nahmen aus gemeinsamen Postwertzeichen veranlaßt ist. Der Betriebsüberschuß der BodenseeLampfschißahrl ist für das Etatsjahr 1911 zu 95 OM M, für 1912 zu 44 OM Mark angenommen, das ist gegen 1910 mehr für 1911 56 OM M, für 1912 41 OM

Für dieLandessteuernistim ganzen ein Reiner­trag für 1911 von 55 Mül. M, für 1912 von 56 Mill. Mark vorgesehen, so daß sich gegen den Etatssatz für 1910 ; ein Mehrerirag ergibt im ersten Jahr von 4,9 Mül. M, im zweiten Jahr von 5,6 Mül. M. Bon diesem Mehr- , ertrag entfällt über die Hälfte auf die Einkommen- ' st euer nämlich 2,5 Mül. M für 1911 und 2,9 Mill. M. < für 1912. Auf die Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer entfallt ein Mehrbetrag im Jahr 1911 von 493000 M,

1912 von 653000 M, von dein Zuwachs des Gebände- und Gewerbekalasters herrührend. Ter Mehrbetrag bei der i Kapitalster: er beträgt im Jahr 1911 105 OM M, 1912 f 220 OM M. Bei der Umsatzsteuer kann wieder auf einen Mehrer trag gerechnet werden, der auf jährlich je 310 OM , Mark veranschlagt ist. Bei den Sporteln und Gerichts- kosten läßt sich ein Mehranfall in Aussicht nehinen, der . beträgt für 1911 518 OM M, für 1912 588 OM M. Unter > Berüasichtigung des Rückgangs der Brauntweinverbrauchs- - abgabe ist als Betrag der Ueverweifungen aus der Reichs- ! kaffe die Summe von jährlich 6,2 Mül. eingestellt. Als Anteil Württembergs am Ertrag der Reichservschaftssteuer konnten nur noch rund 560 OM M vorgesehen werden, was eine Mindereinnahme von 476 OM M bedeutet.

Kritik -es Finanzetats.

Eine nur oberflächliche Betrachtung des Haupt- finanzetats zeigt, daß Württemberg finanziell nach wie vor auf dem Krebsgang ist. Zwar, die ordentlichen Einnahmen übersteigen etwas die ordentlichen Ausgaben, aber zur Bestreitung des Stuttgarter Hauptbahnhopun- baues sieht sich der Finanzminister gezwungen, einen neuen Pump von 36 Mülionen M zu nmchen. Die .Staatsschuld Württembergs, die -am 1. April l. Js. 627 Mülionen M betragen wird, wird demnach bald das Sümmchen von 663 Millionen M erfordern. Für die Beamtengehaltsausbefserung, die Herr von Geßler kluger Weise nicht in den Etat einbezogen hat, fürd gleichfalls jährlich weitere 8.1 bis 9,1 Millionen Mark übrig. Ta es sich hier umordentliche" Ausgaben handelt, müssen für sie auchordentliche" Einnahmen geschaf­fen werden, also neue Steuern. Tiefe Steuern sind ebensowenig zu umgehen, wie der soeben erwähnte Pump. Denn das Herz des Landes verlangt ebenfalls dringend nach einer Umgestaltung seiner Berkehrsverhlltnisfe wie die Beamtenschaft nach der Aufbesserung. Auf einem Ge­biet hat ja die Regierung bereits Neu-Einnahmen zu schaffen gesucht: der Erfolg der Sparpolitik drückt sich in einer ganzen Reihe Ziffern aus. Weitere Ersparnisse wer­den sich sicher noch erzielen lassen. Einen Teil des Auf­wands will die Regierung durch eine Staaislotterie aufbringen, der große Rest aber erfordert neue.Steuern. Darüber muß man sich klar fein.

^ Die Gehaltsneuordnung.

Ter 13. Januar 1911 wird für die württeMbergi- schen Staatsbeamten auf lange Zeit ein bedeutungsvoller Tag sein. Hat er doch den langertvarieien Entwurf zur Gehaltsaufbesserung gebracht. Ter Entwurf faßt die Be­amten mit VorrückUng nach Dienstallersstufen nach dem Entwurf zum Haupt siuanzgefetz für 1911/12: 18 740 Beamte in 50 Klassen zusammen, während bis­her allein die Abteilung VI in dem Gehallsverzeichnis nach der Eiarsberäbschiedung für 1909/10 52 mit ver­schiedenen Gehalten ausgestattetc Beamtenklaffen enthielt. Durch den Aufbau soll an dem bisher bestehenden Be­soldungssystem nicht geändert werden. In erster Linie ist der Entwurf entsprechend den Abteilungen des Wohnungsgeld- tarifs in 6 Hauptabteilungen gegliedert.

Im Allguneinen enthüllen de Abteilung I die Klassen der unteren Beamten, die Abteilung II die Höchsterreich­bären Stufen dieser, dll Beamten des sogenannten Assi- stentendienües der Berkehrsanstalten fow-e die Anfangs­stellen des sogen, mittleren Dienstes, die Abt. III. die Vor­rückungsstellen des letzteren sowie die Anfangsstellen des höheren D ienstes und istc Abteilung IV bis Abt. VI dieVor­rückungsstellen des höheren Treustes. An der bisher v ar­ges bereit dreijährigen Gehaltsvorrückung soll durch den Entwurf nichts geändert werden. Ms Vorrück- ungsstufe ist für d-e unteren Beamten mit Ausnahmen der Klanen '13 der Abteilung I im allgemeinen der Be­trag .von 4M M. bei den Vorrückungsstellen auch der Be­trag von 150 M und von 2M M vorgesehen Warden. Für.den sogen. Astistentend'enst der Verkehrsanstallenver- Waltung werden Stufeil von 1502M M. für den soge­nannten mittleren Dienst mit einer Ausnahme solche von 800 und 3M M und für den höheren Dienst im allgemeines

Stufen .von 4M M, in den Borrüchungsstellen vor: 500 und 600 M vorgesehen. Ter durchschnittliche Anf- besferungsb etrag, welcher auf einen Beamten ent­fällt, berechnet sich im Beharrungsznstand im ganzen auf 278,69 Ml in Abteilung I ans 216,15 DH in Abteilurrg II auf 240,19 M, in Abteilung III aus 350,26 M, in Abteilung IV auf 740,56 M, ohne Berücksichtigung der Bezirksbeamten und der ihnen gleichgestellten Beamten auf 549,25 M, in Abteilung V auf 500,34 M, in Abteilung VI ans 793,48 M. In Prozenten des bisherigen Ge­haltsaufwands ansgedrückt beträgt die Aufbesserung im Beharrungszustand im ganzen 14,65 Proz. Im Einzel­nen berechnet sic sich bei der Abteilung I auf 17,45 Proz., Abteilung II auf 12,53 Proz., Abteilung III auf 11,80 Proz., Abteilung IV auf 19,73 Proz., ohne die Bezirksbe­amten und ihnen gleichgestellte Beamten auf 13,10 Proz., Abteilung V an" 9,18 Proz., Wteilung VI aus 11,37 Prozent.

Deutscher Reichstag»

Berlin, 13. Jan. Kindermißhandlungen.

Bei der heutigen Fortsetzung der zweiten Lesung der Strafgesetzbuch-Novelle gab es zuerst eine lange Geschäftsordnungsdebatte, die ihren Untergrund hatte jn der gestrigen übereilten Abstimmung über die Verschärf­ung der Beleidigrmgsparagraphen. Man tritt den Herren Abgeordneten nicht Kt nahe, wenn inan behauptet, daß ihre Mehrzahl gestern abend nicht wußte, worüber abge- stimmt wurde, hie Konservativem hatten es eben schlau eingerichtet und mit ihrer Anregung, die scharfen Straf­bestimmungen der Regierungsvorlage wieder herzustellen, die Linke überrumpelt. Ter Präsident hatte, ohne daß ein Bien sch ihn verstanden hatte, hie Beratung über die gesamten von der Beleidigung handelnden Paragraphen als geschlossen erklärt. Als nun heute die Sozialdemo­kraten einen neuen Paragraphen wünschten, der die Ab­änderung des berühmten Z 193 forderte, da erklärte der Präsident, daß dieser Antrag nicht wehr zur Abstimm­ung gebracht werden könne. Jn ziemlicher Erregung pro­testierte Abg. Stadt Hagen gegen dieses Dekret, und auch Abg. Dr. Müller- Meiningen konstatierte, daß erst im letzten Augenblick der Paragraph mit den drakonischen Strafen wegen Preßbeleidignng wieder eingebracht worden sei und daß es die Loyalität erfordere, angesichts der vorhandenen Mißverständnisse den sozialdemokratischen An­trag doch noch aus Gründen der Billigkeit zur Erörter­ung zu stellen. Sein Appell an das Haus, angesichts der Wichtigkeit der Angelegenheit für die deutsche Presse dein Antrag Gehör zu geben, fand begreiflicherweise bei den Herren der gegenwärtigen Mehrheit keinen Anklang. Wagner-Sachsen und Gröber, sowie Lattmann im holden Bunde sprachen gegen die Zulassung des An­trages, und nach stundenlanger Debatte erklärte sich die Blockmajorität, der sich einige wenige Nationalliberale zugesellten, gegen die Beratung der sozialdemokratischen Anregung.

Nunmehr wurde endlich in der Beratung der Vor­lage fortgefahren, und es kamen die Bestimmungen zur Besprechung, die sich auf eine schärfere Bestrafung für Roheitsverbrechen gegen Jugendliche und Kinder beziehen. Abg. St adthagen bekämpfte einen vom Zentrum ausgehenden Kompromißantrag, der das Schutzalter von 18 auf 16 Jahre herabsetzen sollte, und erörterte eingehend den Fall des Pastors Breithaupt in Mieltschin. Abg. Tr. Heinze von den National­liberalen wünschte den Schutz für die Jugendlichen nicht so weit ausgedehnt, daß auch für leichte Vergehen äußerst harte Strafen festgesetzt werden können. Inzwischen war der erwähnte Kompromißantrag zurückgezogen und ein neuer eingebracht worden, der eine bessere Fürsorge für die Fürsorgepflichtigen bezweckte und auch die Zuhälter treffen sollte. Abg. Dr. Müller-Meiningen konsta­tierte mit Recht, haß durch das ewige Einbringen und Zurückziehen von Anträgen eine gro^ Verwirrung ent­stehe. Er wünschte, daß an dem Schutzatter von 18 Jah­ren festgehalten werde und daß hinsichtlich.des Prügelns in der Schule einheitliche Bestimmungen getroffen wer­den möchten. Die Kommifsionsbeschlüsse hielt Lr im We­sentlichen für den richtigen Ausweg.

Ter Staatssekretär Lisco behandelte mit größer Gründlichkeit das Thema der schweren Bestrafung der Kindermißhandlungen. Als Schutzalter empfahl er War das 16. Lebensjahr, doch wird er schließlich auch mit dem 18. Lebensjahr einverstanden sein. Statt der Worte rohe oder boshafte Behandlung wollte er das Wort grau­sam eingesügt sehen. Der Geheimrat von Tischendorf meinte wohl nicht mit Unrecht, daß hier nur Meinungs­verschiedenheiten über den richtigen Wog, nicht aber über Ziel vorhanden sei. Von der Volkspartei griff noch der Abg. Hormann in die Debatte ein, der sehr energisch für den Schutz der Kinder vor den menschlichen Bestien eintrat.

Die Abstnmnung gestaltete sich, wie vorauszusehen war, sehr kompliziert. Einige sozialdemokratische Anreg-, ungen drangen durch. Als Altersgrenze wurde das 18. Lebensjahr festgesetzt, als Tatbestand des Delikts die grausame oder boshafte Behandlung bezeichnet. Tie Be-- .stimmungen im Ganzen wurden alsdann vom Hause so gut wie einstimmig angenommen, nach welcher nützlichen Tätigkeit es sich auf morgen vertagte.

Den^ebes

Hochschullehrertag und Modernisiertet-.

Ter Ausschuß des deutschen Hochschullehrertags, der am 7. d. M. in Leiftzig versammelt war, hat folgende Er­klärung beschlossen:

Der in Leipzig versammelte Ausschuß -es deutschen Hochschullehrertags ist anläßlich der Vorbereitung von Satzungen für den VereinDeutscher Hochschullohrertag" ! übereinstimmend zu der Ansicht gelangt, daß diejenigen Mitglieder akademischer Lehrkörper, welche den Mo- j dernisteneid geleistet haben, nicht Mitglieder dieser ! Vereinigung sein können, weil sie damit den Verzicht auf *

j unabhängige Erkenntnis der Wahrheir urrd Betä-tiM^ A ^ ihrer wissenschaftlichen Ueberzeugung ausgesprochen utz p ^ so den Anspruch auf die Ehrenstellung eines unabhäiG ^ ! gen Forschers verwirkt haben. ^

j v. M m i r a - München, B arth-Leipzig, Brenta- H ? no-München, Hartmann-Wicn, Pappenhei^, I,

^ Kiel, Stengel-Greifswald, Barkhausen-Hannover Binding-Leipzig, C h u n - Leipzig, Krüger-Han;^ , ver, Rein-Jena, v. Wettstcin-Wien. k

« ' k

Zur Frage des Impfzwangs. ^

Unter den Petitionen, welche den Reichstag hx- I

schäftigen, beanspruchen die Eingaben von. Gegnern ^ > Impfzwangs ein allgemeines Interesse, über welche dn ! Bericht der Petitionskommissionen vorliegt. Es sind ech ' ganze Anzahl solcher Petitionen eingereicht worden, ein« auch von einem Arzt. Sie verlangen in erster Linie die Aufhebung des Impfzwangs, in zweiter daß die Eltern welche vor der Behörde erklären, die Impfung ihrer Kür-: der nach ihrem Gewissen nicht verantworten zu können - davon befreit werden, ferner daß den durch die Jnrpfti^ ' Geschädigten ein Anspruch auf staatliche Entschädigung M- stehen soll, schließlich für den Fall der Ablehnung dieser Forderungen, daß durch eine andere Fassung des Jmps- gesetzes die Polizeiwillkür und die Rechtsverschiedenhch ^ beseitigt werde. Der Vertreter des Reichsamts des Innern wiederholte in der Kommission die schon IM abgegebene Erklärung, daß die Verbündeten Regierung«, an der Ueberzeugung von der Nützlichkeit der JmpiunM und der Notwendigkeit des Impfzwanges festhielten irnd bestrebt seien, Jmpfschädigungen durch geeignete Vor­schriften möglichst vorzubeugen, dagegen eine Abschwäch­ung des Jmpfgesetz.es ablehnten. Geheimrat Professor Kirchner gab eine längere Darlegung gegen die Ar­gumente der Jmpfgegner:

Seit Bestehen des Jntpfgesetz.es sei in DcutschlaiL ' ' nie wieder eine erhebliche Pocken-Epidemie beobachtet worden, und obwohl die Pocken in den Nachbarländern, namentlich in Rußland und Galizien, forttvährend in epidemischer Verbreitung herrschten und alljährlich durch die Sachsengänger eingeschleppt würden, verruöchten sie in Deutschland doch nirgends festen Fuß zu fassen und hätten z. B. 1906 im ganzen mir 47 Todesfälle ver- ^ ursach-t, während sie früher zahlreiche Opfer forderten. Eine Beseitigung des Impfzwanges würde wieder Tau­sende von Todesfällen, Erblindungen und sonstigen Entstellungen durch Pocken zur Folge haben. Die Ein­wendungen der Jmpfgegner seien durch veränderte Me­thoden behoben worden. Früher habe man die Ueber- ' tragung von schweren Krankheiten, so auch der Sy­philis durch Meuschenlymphe behauptet. Zwar sei das nur in verschwindend wenig Fällen vorgekommen, in , Deutschland bis 1900 in 19 Fällen bei Millionen von , Impfungen, und alle diese Fälle seien geheilt worden..' ^ man sei aber doch zur ausschließlichen Impfung mit ^ Kuhpockenlymphe übergegangen, und die Herstellung Und Abgabe der Lynrphe werde durch regelmäßige Revisionen der Jmpsanstalten kontrolliert, auch müßten die dazu verwendeten Tiere tierärztlich für gesund besintden wer­den. Tie Herstellung der Lymphe biete die sicherste Gewähr gegen Krankheitsübertragungen. Tie Prüfung der Erkrankungsfälle nach Impfungen haben nur in einer verschwindenden Anzahl von Fällen einen Zu­sammenhang zwischen Erkrankung und Impfung er­geben, in Preußen in etwa 10 bis 20jährlich, Eiter­ungen und zuweilen auch Wundrose; aber auch das seien nicht Wirkungen der Impfung, sondern einer uw zweckmäßigen Behandlung der Impfpusteln. Biele Müt­ter ließet: es an Sauberkeit fehlen, verbänden die Aerm- chen mit schmutziger Leinwand, wischen sie mit/Sahne und sogar mit Urin, und das müsse zu Infektionen Ver­anlassung geben. i

Der Kommissar des Reichsgcsundheitsamts Dr. Bre- ' ge r wandte sich noch speziell gegen die Gewissensklausel, die tatsächlich eine Abschaffung des Impfzwangs bedeuten würde. Tie günstigen Erfolge in Deutschland seien nicht bloß Wirkungen allgemeiner Sanierungsmaßnahmen, son- ' dern bei allen Pockeuausbrücheu habe die sofortige straßen­weise Turchunpfung der Bevölkerung ein Umsichgreifen, der Seuche verhindert. Jn der Schweiz, auf das sich die Jmpfgegner bezögen, sei die Zahl der Pockentodesfälle weit größer. Jur Auslande überzeuge man sich immer mehr von der Notwendigkeit der obligatorischen Impfung.

Einige Redner waren gegen die Zwangsimpfung, die große Mehrheit aber für ihre Beibehaltung. Mit 16 gegen 8 Stimmen wurde schließlich der U ebergang zur Ta­gesordnung über die Petitionen beschlossen.

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Glossen zum Becker-Prozeß.

Abgeordneter Gothein veröffentlicht über den Greifswald er Prozeß gegen Rittergutsbesitzer Bck- kcr in derHilfe" eine Anzahl von Glossen, gas chenen wir folgendes wiedergeben:

Eine der schwierigsten Ausgaben der Rechtsfindung ist die Bemessung der Strafe. Und da bleibt de« gesunden Menschenverstand einfach der Verstand stille stehn, wenn er vergleicht, daß der Prügelpastor von Mieltschin M acht Monaten, der Rittergutsbesitzer Becker, der gegen ein politisches System angekämpst hatte, das von der er­drückenden Mehrheit des deutschen Volkes als ein fal­sches und ungerechtes verurteilt, das nur von einer klei­nen Minderheit verteidigt wird, Und der in seinen Be­schwerden an die höheren Instanzen in begreiflicher Ner­vöser Erregung in der Form gefehlt haben mochte, zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden ist.

Eine Geldstrafe würde den Angeklagten, der ein reicher Mann ist, nicht treffen, daher müsse aus eine Freiheitsstrafe erkannt werden, erklärte der Staatsanwalt. Mir sind 2 Urteile pommerscher Strafkammern in Erinnerung. Jn dem einen Fall hatte ein konser­vativer Rittergutsbesitzer unerhörte Milch- pantschereten vorgenommen, welche erhebliche Ge- sundheits schädig ungen bei Kindern zur Folge gehabt hatten. Es hieß in der Begründung, daß mit Rück­sicht auf die Gemeingefährlichkeit der Tat und da sie le-