iir der Zeit gegen die Verhandlung hin sei er brutal geworden und habe dummes Zeug getrieben. Als man ihn aber in der Jrrenzelle unterbrachte, habe er verlangt, vorgeführt zu tverden, denn in diese Zelle kämen nur Narren und er sei kein Narr. Da der Sachverständige er­klärt, daß Oesterle vernehmungsfähig sei, läßt man ihn seine motorischen Uebungen weiter machen und tritt in die Verhandlung ein.

Tie Beweisaufnahme ergibt zunächst folgendes: Zwi­schen den, Angeklagten Oesterle, der als jähzornig, streit­süchtig und arbeitsscheu geschildert wird, und dem' Er­stochenen Vogt herrschte ein gespanntes Verhältnis, tveil Oesterle eine Aeußerung Vogts über dessen Mutter.wei­lergetragen hatte und diese Aeußerung in einem Prozeß der Mutter Vogts, die wegen Trunksucht entmündigt war, gegen Vogt verwertet werden sollte. Am Sonntag den 12. Juni kam Oesterle mit einigen Kameraden in die Wirt­schaft zum Kochertal, wo Vogt und noch mehrere Oed- heimer saßen. Vogt sagte, das ist scheints der Oesterle, der alles ausschwätzt. Es kam dann zu einem Wort­wechsel, in dessen Verlauf Vogt den Oesterle einen Tag­dieb und Lausbuben geheißen habe. Der Wirt legte sich ins Mittel und ersuchte Oesterle, das Lokal zu verlassen. Schimpfend ging Oesterle hinaus und äußerte dann zu seinen Kameraden in derRose", morgen gehe er zum Landjäger und zeige Bogt wegen Beleidigung an, er lasse sich keinen Lausbuben ^schimpfen,den mache er hin". Am Montag arbeitete Oesterle zunächst nichts, er ging mit seinem Kameraden Rapp, der auch einenBlauen machte", spazieren; nachmittags luden sie einem Wirt Koks aus und erhielten dafür mehrere Glas Most. Nach 6 Uhr abends gingen sie wieder in'die Wirtschaft zum Kochertal. Der Wirt sagte ihnen, daß Vogt drin sei, der von der Arbeit in Neckarsulm gekommen und eingekehrt war, sie sollen nicht hinein, damit es keinen Streit gebe; er dulde in seiner Wirtschaft keinen Streit. Erst als Oesterle sagte, er habe kein Messer und wolle nur ein Glas Bier trinken, ließ er Oesterle und Rapp in die Wirtschaft. Kaum hatte Oesterle das Wirtschaftslokal betreten, so ging er sofort auf den Tisch zu, an dem Vogt saß und wollte auf diesen eindringen. Sowohl der Wirt als die mitanwesenden Arbeiter von Oedheim verhinderten dies jedoch. Oesterle schimpfte, er könne den Bogt nicht mehr ansehen,es sei noch nicht vergessen". Tann ergriff er einen Stuhl und wollte auf Vogt einschlagen, er wurde aber daran ver­hindert. Ter Wirt verbot dem Oesterle dann die Wirt­schaft, worauf dieser hinausging und vor Wut heulte. Äit Rapp legte er sich an die Böschung an der Straße und steigerte sich immer mehr in die Erregung gegen Vogt hinein. Er fuchtelte mit einem T-olchinesser herum und schrie, der muh hin sein. Als dann Vogt aus der Wirt­schaft kam und mit seinem Arbeitskollegen Englert Oed­heim zu wollte, ging Oesterle auf Vogt zu und griff ihn an. Beide rangen miteinander, wobei Vogt dem Oesterle mit einem geschlossenen Taschenmesser ein paar Hiebe auf den Kopf versetzte. Sie Purzel, n miteinander den Rain hinab und darauf liehen sie sich los. Vogt ging den Rain hinauf und Oedheim zu. Als Oesterle den Rain heraufkam, stand der Fabrikarbeiter Englert von Oed­heim an der Straße. Dieser sagte zu Oesterle,Du hast den Mann überfallen". Kaum hatte er dies ge­sagt, als Oesterle mit dem Dolchmesser auf ihn einstieß und nur dem Umstand, daß Englert blitzschnell eine Wend­ung machte, ist es zuzuschreiben, daß er ihn nur in den Oberschenkel traf, sonst würde er mitten in den Unter­leib gestochen worden sein. Darauf sprang Oesterle dem Bogt nach, indem er schrie, der hat mich gestochen, jetzt muß er auch hin sein. Ein Fuhrmann machte den Vogt auf den Verfolger aufmerksam. Als Vogt sich umwendete, stand jedoch Oesterle schon vor ihm. Vogt sagte, hast noch nicht genug, willst noch mehr haben. In demselben Augenblick hatte ihm Oesterle das Dolchmesser in den Hals gestoßen. Vogt starb nach etwa 10 Minuten an Verblut­ung, während Englert mit 14tägiger Arbeitsunfähigkeit davon kam. Nach der Tat steckte Oesterle sein Dolch­messer in die Scheide und ging seelenruhig, wie die Zeu­gen sagten, in den Ort hinein. Unterwegs erzählte er dann zwei Männern, er habe soeben einen abgemurkst, wenn er noch nicht hin sei, dauere es keine halbe Stunde mehr. Tann ging er in seine Wohnung. Als er sestge- nonrmen werden sollte, flüchtete er auf einen Acker, be­drohte den Schutzmann, der seine Verhaftung vornehmen sollte, sowie einen Bürger mit dem Messer und setzte seiner Verhaftung heftigen Widerstand entgegen. Wegen dieses Widerstands und Bedrohung ist er von der Strafkammer vor acht Tagen zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt worden.

Dieser Tatbestand wird von den Zeugen, deren 23 ge­laden sind, bestätigt. Schultheiß Thumm von Kochendorf bezeichnet den Oesterle als einen händelsüchtigen, arbeits­scheuen, verschlagenen Menschen. In seiner Kindheit "war Oesterle wegen eines Knochenleidens oft in Krankenhäu­sern, später aber sei er immer gesund gewesen, insbeson­dere hat niemand etwas geistig abnormes an ihm bemerkt.

Es waren etwa 14 Zeugen bereits vernommen, als Oesterle zu singen anfing. Ta er auf keinen Vorhalt reagierte, wollte ihn der Vorsitzende auf einige Zeit aus dem Sitzungssaal entfernen lassen. Da verfiel Oesterle in förmliche Raserei, er schlug mit Füßen und Aermen Nm sich, stürzte die Verteidigerbank um und brüllte wie ein wildes Tier. Zwei Landjäger nrußten ihre ganze Kraft anfbieten, um den Burschen niederzuhalten. Endlich ge­lang es, ihm Schließen anzulegen und ihn auf dem Boden W halten. Der Vorsitzende unterbrach die Verhandlung und ersuchte die Zuhörer, den Sitzungssaal zu verlassen. Dann wurde der Angeklagte in seine Zelle geschleift.

Das Gericht beschloß sodann, die Verhandlung bis zur nächsten Schwurgerichtsperiode zu vertagen, da es eine Wiederholung der Szene verhüten wollte. Gleich­zeitig wurde beschleusen, den Angeklagten in einer Irren­anstalt auf seinen Geisteszustand beobachten zu lassen. Auch der Verteidiger, Rechtsanwalt Tr. Gumbel II hatte diesen Antrag gestellt. Darauf wurde die Verhandlung geschlossen.

Stuttgart, 10. Nov. (Strafkammer). Im Juli ereignete sich in Obertürkheim ein schweres Unglück. Ter Fuhrmann Jen new ein hielt mit seinem Fuhrwerk vor

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Das Hci>i?-Dc»kmal aus Kcrfu, das bekanntlich von dem Heincverlcger Campe nach Hamburg überführt wurde, hat jetzt dort imBarkhof" Aufstellung gefunden. Die architektonische äußere Ausgestaltung dkl Denkmals wurde von" Professor Bruno Paul auSgeführt.

einem Hause. Während er einen Sack herausschaffte, zo­gen die Pferde plötzlich und rannten, nachdem das Fuhr­werk an einer abschüssigen Stelle in Lauf gekommen war, davon. Sie bogen in eine Straße ein, auf der mehrere Kinder spielten. Ein Zjähriger Knabe wurde überfahren und tödlich verletzt. Gegen Jennewein wurde Anklage wegen fahrlässiger Tötung erhoben und die Strafkammer verurteilte ihn zu 14 Tagen Gefängnis. Ein Verschulden wurde darin erblickt, daß er nicht genügend gebremst und die Stränge nicht ausgehängt hat.

Reutlingen, 11. Nov. Vor der Strafkammer in Tübingen tvurde gestern wegen des Unfalls vom 5. Juli im Hof einer hiesigen Fabrik, bei der drei Arbeiter den Tod fanden, gegen den verantwortlichen Unternehmer, Baumeister Jakob Heß, verhandelt. Es lvurde ihm zum Vorwurf gemacht, daß er bei Herstellung des Wasserbe­hälters gegen die Regeln der Baukunst gefehlt und durch Fahrlässigkeit den Tod der Arbeiter verschuldet habe. Er soll bei Abdeckung des etwa acht Meter langen und sechs Meter breiten Schachtes die eisernen Balken zu schwach konstruiert haben, wodurch sich diese durchbogen und mit dem beinahe zwei Meter hohen Erddeckel durchgebrochen und in die Tiefe gestürzt sind. Zum Unglück sind dabei drei beschäftigte Arbeiter in den Wasser- und Erdmassen erstickt. Dps Gericht erkannte auf vier Wochen Haft.

Handel und Volkswirtschaft.

Vom Wein bau.

Die Weinbaubetriebe nach der landwirtschaftlichen Betriebs­statistik von 1695 und 1907 weisen einen nicht unwesentlichen Rück­gang auf. Während 1895 überhaupt noch 67 441 Weinbaubetriebe gezählt werden konnten, ging die Zahl 1907 auf 54121 zurück ES ist also eine Abnahme von 3320 Betrieben zu verzeichnen. Den Hauptrückgang erfuhren die reinen Weinbaubetriebc, welche um 1185, von 1534 auf 349, abgenommeu haben. Als Nebenberuf in der Land­wirtschaft zählte man 1895 noch 46846, 1907 dagegen nur mehr 41648. Der Weinbau ging aber nicht bloß als Beruf zurück, sondern auch das bebaute Rebgcbiet wurde weniger. Im Jahre 1895 betrug die Weinbergfläche 19426 Hektar, 1907 aber bloß noch 16 054 Hektar, was einen Rückgang von 3372 Hektar Bauland bezeichnet. Die Fchl- jahre 1909 und vollends 1910 haben ebenfalls wieder einen Rückgang des Weinbaus gebracht, so daß eine Statistik von heute noch kleine Zahlen ergeben würde.

Schlacht-Uiest-Markt Stuttgart.

10. November lulo.

Großvieh: Kälb-": tz'chwerv«,

Zugrtrreben 182 490

Erlös «us V» Kilo Schlachtgewicht.

Ochsen, 1. Qual,

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68

Verlauf des Marktes: Großvieh langsam, sonst mäßig.

Stoßseufzer. Dienstmädchen:Herr Finkel- stein, Trillinge sind angekommen!" Finkelstein:Alles übertreibt se, mei gute Sara!"

Probe.Peperl, Paß' auf, daß du dich nicht betrinkst! (Nach einiger Zeit.)Vater, wie merkt man's denn, wenn man betrunken ist?"Das will ich dir sagen. Siehst du dahinten in der Ecke die zwei Herren? Wenn du meinst es wären vier, bist du betrunken." Mer, Vater, dort sitzt ja nur einer!"

Aufrichtig. Kommissär (zum Herrn, dem die Frau durchgegangen ist):Glauben Sie, daß dieser Müller, der mit ihr durchging, sie schon länger gekannt hat?" Herr:Sicher nicht, sonst wäre er nicht mit ihr dnrchgegangen!"

Vor 40 Jahren.

Tenkwürdlgkeitev an den deutsch-französischen Krieg.

Sonntag den 13. Nov. 1870.

Scharmützel bei Warnecourt. Eisenbahnzerstötung bei St. Vit.

Les Errues, vor Belfort. (92. Mp- v. Kriegs­schauplatz).L'Jsle sur Doubs und Clerval nach zwei kleinen Gefechten am 12. Nov. besetzt. Me Mobilgarden sind nach Süden abgezogen. Unterminierte Brücke ent­laden. Von Franktireurs nichts zu sehen; seit 2 Ta­gen Schnee." v. Treskow.

Versailles. Heute wurden zwei französische Bal­lons von den deutschen Truppen aufgefangen. JSder Bal­lon trug 3 Personen, die nicht als Kriegsgefangene be­handelt, sondern nach Mutschland geschickt werden, wo man sie durch ein Kriegsgericht aburteilen wird. Als über­wiesen, die Vorpostenkette zu durchbrechen versucht zu ha­ben, werden sie nach dem Kriegsgesetze zum Tode ver­urteilt werden.

Koblenz. Ueber die Schlacht bei Gravelotte schreibt ein französischer Soldat in einem Briefe:Gegen Abend kam für unser Regiment der furchtbarste Augenblick. Unsere Trompeter bliesen Sturm, Bajonette aufs Gewehr und ehe man sich umsah, standen wir dicht aneinander. Me Preußen rannten wie wütend auf uns los, wir mar­schierten fest gegen sie, ich verlor die ruhige Besinnung und weiß heute noch nicht, wie ich herauskam, als ich mich zuletzt ckslein sah. Ich war wie wahnsinnig und hatte dichten Schaum vor dem Mund. Ach, wie manchen armen Mann und Familienvater habe ich vielleicht zusammengestochen. Wir stachen eben hinein, wie es kam, es war ein ganzer Klumpen Franzosen und Preußen durcheinander, und wir haben vielleicht auch manchen Franzosen erstochen. Ich sage Mr, es war schrecklich. Me Nacht .brach ein, der Schweiß lief von mir wie ein Bach. Ich sah mich um und sah 10 Schritte von mir zwei Kameraden und meinen Hanptmann; wir drückten uns still die Hände und wein­ten. Me Nacht brachten wir auf dem Schlachtfeld zu . ."

*

Montag den 14. Nov. 1870.

Rekognvszierungsgesecht bei Bu. Gefecht bei St. Jean de Losne. Beobachtung von Auxonne.

Versailles. Abteilungen der 1. Infanterie-Di­vision wiesen einen Ausfall von Mezieres zurück. Dies­seits sehr geringer Verlust. Me Kavalleriebrigade von Barby von der Loire-Abteilung hatte heute ein Gefecht bei Bu. General v. Werder nimmt heute mit zwei Bri­gaden Quartier in und um Dijon.

Orleans. Infolge der gereizten Haltung der Ein­wohnerschaft gegen die von den Mutschen hier zurückge­lassenen 1000 Verwundeten hat der Mair der Stadt Or­leans einen Aufruf erlassen, in dem er an die edelmütiger? Gefühle der Bevölkerung appelliert, er sei sicher, daß die vielen deutschen Verwundeten und Gefangenen von seinen Mitbürgern in einer Weise behandelt werden, welche den Gesetzen der Menschlichkeit entsprechend sei.

Der Kampf bei St. Jean de Losne. ... Ein Bataillon des 5. badischen Infanterie-Regiments ent­wickelt sich rasch und sicher, die Batterie Porbeck fährt am Kirchhofe St. Usage auf und sendet ihre sicheren Ge­schosse in die Stadt. Gleich nach den ersten Brandgranatenl brennen einige Häuser, die 500600 Mann Mobilgardenl und Franktireurs verlassen schleunigst die Stadt in ent­gegengesetzter Richtung, worauf die Stadt die weiße Fahne aufzieht. Die Geistlichkeit bewerkstelligte die Uebergabe und der Stadt werden 6000 Francs Kriegssteuer auferlegt, außerdem hat sie 1600 Mann für 2 Tage zu verpflegen. Ta die Mobilgarden die Brücke gesprengt hatten, war eine Verfolgung derselben nicht möglich.