an sie gestelltes Ansinnen ablehnen müssen."^ Also nicht einmal die bescheidene, re in menschliche Ehrung eines 70jährigen Arbeitgebers, dessen Güte selbst anerkannt werden muß, wird den Arbeitern von ihren Führern er­laubt. (Beobachter").

Stuttgart, 22. Okt. Süddeutsche Weinzen- trale. Der Ausschuß des Landesverbands der Wirte Württembergs beschäftigte sich dieser Tage mit dem An­schluß an die neugegründeteSüddeutsche Weinzentrale". Der Vorsitzende Schramm betonte, daß das Institut besonders für kleinere Wirte sehr segensreich wirken könne und sprach die Hoffnung aus, daß man im nächsten Jahr auch in Württemberg der Sache näher treten werde. Die Leitung der Weinzentrale habe den Stuttgarter Wirts­verein ersucht, eine Versammlung in Stuttgart abzuhal­len, in der 1 oder 2 Referenten aus Baden die Zweck­mäßigkeit der Weinzentrale erläutern würden. Es sei jedoch besser, wenn nicht bloß die Stuttgarter Wirte, son­dern Vertreter des ganzen Landes diesem Vortrag an­wohnen, da diese dann in ihren Vereinen aufklärend wir­ken und somit die Gründung von Anfang an auf eine breitere Basis gestellt werden könne. Es werde sich des­halb empfehlen, zu diesem Zwecke auf Mitte November eine Landesausschußsitzung einzuberufen, zu der die Re­ferenten aus Baden eingeladen werden sollen. In längerer eingehender Debatte, in der sich sämtliche Redner die­sem Unternehmen sehr sympathisch gegenüberstellen, wurde dem Antrag des Vorsitzenden gemäß beschlossen, in ei­ner Landesausschußsitzung im Monat November diese Frage eingehend zu behandeln und zur näheren Infor­mation die beiden Referenten aus Baden einzuladen.

Oberndorf, 23. Okt. Wie derSchwarzwälder Bote" meldet, soll Fabrikant Wagner im 8. württem- bergischen Reichstagswahlkreis Oberndorf-Freudenstadt- Horb-Sulz nicht mehr kandidieren. An seiner Stelle soll als volksparteilicher Kandidat der Landtagsabgeordnete Liesching in Tübingen in Aussicht genommen sein. Was derSchwarzwälder" hier erzählt, ist keine Neuigkeit, Herr Wagner will aus gesundheitlichen und geschäftlichen Gründen zurücktreten.

Nah und Fern.

Dicke Waden.

Trotz der in den letzten Jahren vorgekommenen vie­len Verhaftungen Md schweren Bestrafungen von Sac­charinschmugglern treiben diese ihr Unwesen weiter. In Singen wurden letzter Tage zwei Frauenspersonen ver­haftet, welche etwa einen Zentner Saccharin mit sich führ­ten ; zum Teil trugen sie die Ware in geschickt konstruierten Taschen in den Beinkleidern.

Das Elend der Kinder.

In Balingen ist wegen fortgesetzter schwerer Mißhandlung ihres "fünf Jahre alten Pflegekindes, das sie von auswärts gegen gute Bezahlung'und unter besonderem Vertrauen übernommen hatte, eine Frau ver­haftet worden. Der widerwärtige Fall erregt großes Auf­sehen. Das kleine Geschöpf hatte unsäglich zu leiden, bis die Nachbarn sich seiner erbarmten und Anzeige erstatteten.

Gleichzeitig wird aus Biberacha. R. gemeldet: In Neukirch ist ein fünfzigjähriger Schneidergeselle und in Denken eip' gleich alter Taglöhner verhaftet worden, weil sie sich an Kindern in scheu ßlicher Weise ver­gangen hatten. Im einen Fall handelt es sich um das schulpflichtige Töchterchen des Arbeitgebers, im andern Um das 21/2 Jahre alte Kind eines Bekannten.

Zu einem schweren Zusammenstoß zwischen einer Bande von 3050 halbwüchsigen Bur­schen und zwei Schutzleuten kam es in der Nacht zum Samstag in der Weber- und Böschingstraße in Berlin. Als ein Bursche auf einen der Schutzleute anlegte, kam ihm dieser zuvor und feuerte einen Pist 0 lenschu ß ab. Der Getroffene brach zusammen, wurde aber von seinen Genossen weggeschleppt, sodaß er nicht festgestellt werden konnte. Die Kugel des Schutzmanns traf noch einen Bier- führer der sich in der Menge befunden hatte und der nach dem Krankenhause Friedrichshain gebracht werden mußte.

: i Was man am Stammtisch erlebt.

Auf einem Stammtisch in Berlin legte dieser Tage ein Mädchen ein Paket nieder, in dem man ein acht Wochen altes Kind auffand, dessen Vater einer der Stamm­gäste ist. Der Kater hatte sich nun um den Unterhalt des Kindes nicht gekümmert, und die Mutter legte es ihm deshalb kurzerhand auf den Biertisch.

Unter dem Fallbeil.

Aus Thorn wird vom 22. Oktober berichtet: Der frühere Volksschullehrer Jakob Schabt aus Oslowo (Kreis Schwetz), der am 18. April seine neunzehnjährige Braut durch sechs Revolverschüsse tötete, wurde heute früh im Thorner Gefängnishof hin gerichtet.

Familiendrama.

Aus Schwerin in Mecklenburg wird vom 22. Ok­tober berichtet: In der vorigen Nacht erschoß der älteste Sohn des Erbpächters Boldt zu Wöbbelin seinen Vater und seinen jüngeren Bruder in ihren Betten. Der Mör­der erhängte sich dann im nahen Walde. Ihm sollte Wengen Leichtsinns die Erbschaft des Gehöfts genommen werden.

In der P rrzelle Obertal der Gemeinde Baiers- bronn wurde das große, mehreren Familien gehörige Wohn- und Oekonomiegebäude, die sogenannteKaserne", ein Raub der Flammen. Drei Familien, sowie 2 einzeln stehende Personen sind durch den Brand obdachlos ge­worden. Liner der Abgebrannten, Holzhauer Daniel Gai- ser, der in diesem Frühjahr Haus und Habe durchs Feuer verlor und in derKaserne" zur Miete wohnte, hat aufs neue empfindlichen Verlust erlitten. Ter Gebäude- und Mobiliarschaden wird auf rund 25 000 M geschätzt.

In der Reparaturwerkstatt der Firma Schachen­mayr, Mann und Co. in Göppingen stach ein 16jähr. Lehrling einen gleichalterigen Burschen aus geringfügigem Anlaß in den Rücken. Schwerverletzt wurde der Gesto­

chene ins Krankenhaus geschafft. Sein Zustand ist ernst.

In Gmünd sind die 15jährige Tochter eines Schul­mannes und ein Gymnasist verschwunden.

Eine nutzbringende Zuchtkuh, Simmentaler Rasse, besitzt Oekonom Patriz Riedmüller in Wasseralfin­gen OA. Aalen. Dieselbe warf vor 8 Tagen.drei Käl­ber, die alle gesund und munter sind, nachdem sie schon vorher 6mal ihrem Besitzer Zwillinge gebracht hatte.

Von Pforzheim hat sich in den letzten Tagen ein Liebespaar, ein 20jähriger Goldarbeiter nnd eine gleichalterige Fabrikarbeiterin entfernt. Die beiden ha­ben sich nach eingelaufencr Nachricht in einem Kahn auf dem Zürichersee erschossen.

GerichLssaal.

Das Todesurteil über Crippen.

Vor dem Londoner Gericht wurde der Gattenmörder Crippen zum Tode verurteilt. Dieses Urteil ist der Abschluß einer sensationellen Mordaffäre, die im Sommer weit über London hinaus Aufmerksamkeit erregte. In dem Hause Crippens in London wurden im

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Keller die Reste einer zerstückelten Leiche gesunden. Da die Gattin Crippens seit einigen Monaten verschwun­den war, die von Crippen verbreiteten Angaben über ihren Aufenthalt sich aber als falsch erwiesen, so entstand der Verdacht, daß die zerstückelten Leichenteile die Reste der Frau Crippen seien, die ihr Mann ermordet habe. Crip­pen war inzwischen verschwunden, aber es gelang, ihn auf eineni Ozeandampfer während der Fahrt zu entdecken und die englische Polizei durch drahtlose Telegraphie von seiner Anwesenheit zu verständigen. So konnte er bei seiner Landung in Kanada von der englischen Kriminalpolizei verhaftet und nach England zurückgebracht werden, wo ihm jetzt der Prozeß gemacht wurde. Crippen hat bis zuletzt sein Verbrechen geleugnet.

Noch ein Todesurteil.

Aus Koblenz wird gemeldet: Das Schwurgericht hat den früheren Gefängnisaufseher, jetzigen Prievatmann Karl Grub aus Mayen wegen vorsätzlichen Gift­mordes an seiner ersten wie an seiner zweiten Ehefrau zweimal zum Tode verurteilt.

Ellwangen, 22. Okt. In der bekannten Klagesache des Abgeordneten Theodor Körner gegen den Schorn- dorfer Oberförster Leibnitz stand heute vor der hiesigen Strafkammer Berufung des Abgeordneten Körner gegen das freisprechende Urteil des Schöffengerichts in Schorn­dorf an. Die Verhandlung endete mit einem Vergleich. Oberförster Leibnitz hielt daran fest, daß Herr Kör­ner die bekannte Aeußerung,er würde auch für die Deutsche Partei arbeiten, wenn sie ihm tausend Mark mehr bezahle" getan habe, er erklärte aber, daß er die Aeußerung nicht für anstößig gehalten und bedaure, daß sie politisch ausgeschlachtet worden sei.

Berlin, 22. Okt. Wegen des Moabiter Auf­ruhrs wurde bereits gegen 17 Personen Anklage vor der Strafkammer und gegen neun Personen Anklage vor dem Schwurgericht erhoben. Voraussichtlich werden sich etwa vierzig Personen vor der Strafkammer und etwa zwanzig vor dem Schwurgericht zu verantworten haben.

Luftschiffahrt

Johannistal, 23. Okt. Luftschiff P. 6 unternahm heute mit dem Erbprinzen und der Erbprinzessin von Sachsen-Meiningen bei böigem Wetter eine Rundfahrt über mehrere Ortschaften und landete nach 40 Min. glatt vor der Luftschiffhalle.

Berlin, 23. Okt. Das LuftschiffM. 3" hatte Be­fehl, eine nächtliche Uebungsfahrt nach Gotha an­zutreten, woran sich in Gotha selbst, weitere Uebungen anschliehen sollten. Trotz der ungünstigen Witterung traf das Luftschiff, das früh um 3 Uhr aufgestiegen war, um 9.45 Uhr in Gotha vor der Luftschiffhalle ein. Beim Einbringen des Luftschiffes in die Halle ereignete sich ein bedauerlicher Unfall, indem die Hülle des Luftschiffes an einem vorstehenden Bolzen der Halle so stark beschä­digt wurde, daß man den Ballon entleeren mußte. Das Luftschiff wird nach Berlin per Bahn zurückgebracht und sofort repariert werden, um alsdann die Uebungsfahrten wieder aufzunehmen.

Amuiden, 23. Okt. Ter Ballon Hildebrand, der gestern abend 4.40 Uhr in Berlin aufgestiegen war, ist in der Nordsee verunglückt. Tie Insassen des Ballons, Nikolai, Berliner und Gebauer, wurden von ei­nem Lotsendampfer gerettet. Ter Ballon wurde durch den Schleppdampfer Cykloh geborgen.

Donai, 23. Okt. Als Kapitän Madiot mit einem > Militäräroplan bei ruhigem Wetter in ungefähr hundert

Meter Höhe mehrere Minuten lang einen schönen Flug vollführt hatte und sich anschickte, im Gleitfluge zu lan­den, fiel der Apparat plötzlich nieder, wie man glaubt, aus Mangel an Kaltblütigkeit des Piloten und zerbrach. Ma­diot erlitt einen Schädelbruch und starb augenblicklich.

St. Louis, 23. Okt. T«er an der Gordon-Ben- nett-Wettfahrt teilnehmende Ballon Düsseldorf, von dem man tagelaing keine Nachricht hatte, ist am Mitt­woch Mittag in der Nähe von Kiskisink gelandet und behauptet, 1240 Meilen zurückgelegt zu haben.

Die Lebensdauer der Menschen.

- Ein Gespräch.

Von Marel Prvvost (Paris).

Ter Zug, der mich und den Doktor nach Paris zu­rückbrachte, suhr fauchend durch die welligen Ebenen der Touraine, in denen saftige Weiden mit frisch besäten Fel­dern und herbstlich gefärbten Wäldchen, roce und weiße Schlösser hinter grünen Lawns und Ulmenalleen mit stil­len Dörfern abwechseln, wo die Glocken zur Vesper rufen. Eine feierliche Sonntagsstimmung lag über dem Ganzen. Zwischen Kirche und Gottesacker gingen schwarz gellei- dete Pörfler mit Immergrün und blühenden Blumen hin und her: ruhige, feierliche Spaziergänger, welche die Nähe der Toten nicht allzu traurig stimmte. Die blasse Herbstsonne gab dem matten Bilde einen Hellen, heileren Ton.

Ter Doktor und ich sprachen über die Dauer des menschlichen Lebens.

Die Zeit der Hypothesen ist vorüber," sagte er, heute sind wir unserer Sache schon gewiß. Der Durch­schnitt der Menschen erlebt ungefähr nur ein Drittel der Zeit, die ihm eigentlich zugemessen ist, und die gairz auszukosten ihn seine Organe befähigen. Tie vorbereitende Periode des Lebens sollte eigentlich bis zum vierzigsten Jahre dauern; erst zu dieser Zeit könnte der Mann eine gründliche allgemeine Bildung erworben und sich eine solide Kenntnis seines Spezialfaches angeeignet haben. Tie Periode seiner Betätigung möchte ich vom vierzigsten bis zum achtzigsten Jahr festsetzen; der Achtzigjährige Häm dann seine soziale Mission erfüllt und eine nutzbringende Tätigkeit hinter sich. Er könnte sich mit Recht aufs Alten­teil zurückziehen und weitere vierzig Jahre der Beschau­lichkeit leben. Lachen Sie nicht! Ich habe Ihnen ja schon gesagt, das sind nicht etwa Chimären, die Biologie hat diese These schon bis zur Evidenz bewiesen. Muß ich Ihnen durchaus alle Argumente aufzählen, Sie un­gläubiger Thomas?

Sie behaupten, Hundertjährige wären eine Aus­nahme, welche die Regel bestätigt. Gut! Woher kommt es dann aber, daß jene Ausnahmen zu allen Zeiten und in allen Ländern vorkamen? Ich habe erst kürzlich von einem hundertundzwölsjährigen Philemon gehört, der mit seiner hundertundzwölsjährigen Baucis sehr vergnügt in Ungarn lebt. Tie menschlichen Organe können also sehr wohl zwanzig Lustren überdauern, Organe wie die Ihrigen und die meinigen, von derselben Form, derselben Zu­sammensetzung.

Bitte, unterbrechen Sie mich nicht! Ich habe doch schon viele Autopsien vorgenommen und bei keiner selbst die Achtzigern Altersschwäche als alleinige Todes­ursache angeben können. Bei allen diesen Toten fand ich, neben der fortschreitenden Entartung der Organe, irgend eine spezielle Verletzung des Herzens, der Nieren, Leber oder Lunge, welche die Fortdauer des Lebens unmöglich gemacht hatte.

Man kann also bis zu hundertzwanzig Jahren leben und stirbt selbst in dein patriarchalischen Alter nicht am Mer selbst. Seit Menschen unseren Erdball bewohnen, hat wahrscheinlich noch kein einziger Sterblicher sein voll­gerütteltes Maß an Leben bekommen. Selbst der Hundert­jährige besitzt noch Reserven und nur ein innerer oder äußerer Unfall macht es ihm unmöglich, sie zu ver­brauchen.

Kommen Sie mir jetzt' nicht mit dem banalen Ein­wand:Was sollten wir wohl mir einem so langen Leben anfangen?" Das Leben ist nie zu lang und Langlebigkeit wurde zu allen Zeiten als höchstes Glück gepriesen. Uns Modernen speziell wird das Leben je länger, je mehr zu kurz, um die ins Ungemessene steigende Tätigkeit des 'Menschen zu fassen. Sie, lieber Freund, haben zu einem wohlvorbereiteten Studium von vierzig Jahren gelacht; ich will noch weiter gehen und behaupte kühn: Auch vierzig Jahre reichen kaum hin, die Fülle des allgemeinen Wissens zu bewältigen, das wir von unseren Vorfahren überkommen. Berthelot sagte:Ich bin wahrscheinlich der Letzte, dessen Hirn die gesamte Wissenschaft seiner Epoche hat fassen können." Leider hat er nur allzu Recht; es sei denn, die Dauer des mensch­lichen Lebens und mit ihr die Periode der wissenschaft­lichen Lehrzeit, vergrößere sich erheblich.

Soviel für den Geist; aber auch unser Gefühlsleben verlangt nach einer längeren Probezeit. Das Gefühls­leben des modernen Menschen fängt viel später an und dauert unverhältnismäßig länger als das unserer Vor­fahren; das ist eines der interessantesten Probleme des zwanzigsten Jahrhunderts. Balzac z. B. spricht von einem vierundvierzigjährigen Greise (Physiologie der Ehe.) Tur­genjew nennt die beiden vierzigjährigen Brüder seines RomanesVäter und Söhne" diebeiden Alten".

Wenn Sie dagegen die neuesten Theaterstücke ver­folgen, so können Sie sehen, daß der Held gewöhnlich ein starker Fünfziger ist. Und das gilt nicht nur für das Theater. Wer, wie wir beide, geschworener Beicht­vater seiner Freunde ist, wird bald konstatiert haben, daß die Zeit des höchsten Liebesaffektes heute viel später einsetzt, dafür aber viel länger dauert. Die jüngste fran­zösische Generation zeigt dieses Symptom am deutlich­sten ; trotz ihrer, durch den Sport entwickelten Kraft, troh- dem sie ungewöhnlich praktisch und lebensklng ist " ^ Liebessachen erscheint sie mir in der Regel von gerade;» unglaublicher Naivität. Ein Faktum, das die Mütter überglücklich macht; sie glauben, die ganze Jugend ihrer