Kühne würde ebenso harmlos verlaufen. Aber die Herren Söhn« revanchieren sich zehn Jahre später.

So sehen wir also, wie von allen Seiten Leiden- Mast, Geist und Unternehmungslust den engen Rahmen des menschlichen .Lebens sprengen wollen; da nun an­dererseits unsere Organe sehr wohl- noch einmal so lange Aushalten könnten, so wird sich das Leben wohl oder Mer bequemen müssen, zu wachsen und sich auszudehnen. Beinahe alle großen.Mäherinnen des Todes, die schweren Krankheiten, sind schon besiegt. Unsere Jugend wird durch die Hygiene auf eine geradezu unglaubliche Weise ver­längert. Vergleichen Sie einmal das Bild eines Fünf­zigers aus dem Anfang des achtzehnten Jahrhunderts/ Mt dem eines Modernen; mindestens zehn Jahre der Jugend haben wir vor unseren Urgroßvätern voraus."

,/Lie mögen Recht haben, lieber Doktor," sagte ich «ach einer kurzen Pause,auch habe ich Aehnliches schon !in sehr gelehrten Büchern gelesen. Auch diese versprechen dem gesund und hygienisch lebenden Menschen ein Alter von hundertzwanzig Jahren. Auch sie wollen wissen, daß das Greisenalter nur proportionell länger dauern wird. Ich gebe Ihnen auch ohne weiteres zu, daß unser heutiges Leben unverhältnismäßig mehr ausgefüllt ist als das un­serer Vorfahren; daß es mehr Raum braucht und sich ihn auch wahrscheinlich wird schaffen müssen. Das alles gebe ich ruhig zu.

Gestatten 'Sie mir jetzt einige Fragen. Wird der Menschheit von nrorgen, die Menschheit, in der es Hun­dertjährige zu Dutzenden geben soll, wird sie' wirklich glücklicher sein und wird sie aus ihrem viel längeren Wen Vorteil ziehen können?

Sie geben ja selbst zu: Unsere dtachkommen werden mehr Zeit brauchen um auszulernen; sie werden später anfangen, zu lieben; werden sich erst im höheren Alter zur vollen Kraft entwickeln. Das Leben wird sich wohl qusweiten, aber in demselben Matze werden sich auch die verschiedenen Lebensalter verschieben. Was habe ich davon, hundert Jahre alt zu werden, wenn meine ganze Umgebung ebenso lange lebt! Was mache ich mir aus weinen hundert Jahren, in denen ich nicht mehr leisten kann, nicht heißer empfinden kann als meine Vorfahren, die im sechzigsten starben!

Ihre vierzigjährige Lehrzeit, Ihre Liebesabenteuer des Siebzigers locken mich nicht; ich möchte in alten Tagen jung sein, wie Richelieu oder die Ninon de l'Enclos. In Ihrem Zukunftsstaat von jungen Greisen wird niemand etwas gewonnen haben, nur das Datum aller Ereignisse wird hinausgeschoben sein. Sie können ja doch nicht verhüten, daß unser Leben endet; auch der genialste Arzt kann uns nicht unsterblich machen. Immer und ewig wird das größte Nebel, der Tod, allmächtig regieren und alle jene schrecken, die sich nicht in das allgemeine Los der Menschen zu schicken wissen.

Wir werden in der vollen Kraft unserer achtzig Jahre unsere greisen hunderlzehnjährigen Eltern verlieren. Glau­ben Sie, dieser Verlust trifft uns dann minder tief? Wird uns das rauhe Gesetz der endlichen Trennung von unseren Lieben weniger bedrohen? Auch in Ihrem Zu­kunstsstaat wird der Mensch mit jedem Schritt demselben Abgrund zu wandeln wie heute, nur wird dieser Ab­grund etwas ferner liegen das wäre dann der ganze Gewinn. Näher oder ferner, er bleibt uns nicht erspart.

Tie Wissenschaft hat den Tod nicht zu besiegen ver­mocht und als das allein wäre eine wirkliche Aenderung unserer Lebensdauer. Das Leben, wie wir es heute kennen, genügt vollauf zur Entwicklung von Kops 'und Herz. Es faßt alle Liebe, jede Tätigkeit, deren tvir fähig sind, und hat noch Platz für das Genie. Kann uns ein längeres Leben mehr geben als einen Plato, einen Na­poleon ja selbst als die zwanzig Jahre Romeos? Ich will gerne aus ein längeres Leben verzichten; auf ein längeres Leben, das doch zum Tode führt.

Resignieren wir, lieber Freund; genießen wir unser kurzes Leben wie jene braven Leute, die ruhig und heiter zwischen Kirche und Friedhof hin mrd her gehen, und den Staub, der zum Staube geworden ist, mit blühenden Blumen kränzen."

Vermischtes.

Kleiue Stadt.

) Unter dem TitelTiefe Stunde" sind im Ver- «g L. Staackmann (Leipzig)Die letzten Lieder und Balladen" eines jungverstorbenen Wiener Poeten, Josef Schicht, erschienen. Wir geben aus dem von Luise Koch- Acht herausgegebenen und eingeleiteten Bündchen als tzrobe folgendes Gedicht wieder:

Kleine Stadt.

Noch führen all die engen Gassen Zum Ringwall, znm getürmten Tor,

Das Leben schreitet sanft, gelassen,

Die steilen Treppen rings empor.

Die Häuser alle atmen Kühle,

Tie Menschen sind so still und schlicht Und kennen stürmender Gefühle Dumpfe Gewalt und Martern nicht.

Das pochende Geräusch der Schritte Dämpft selten nur ein rascher Gaul,

Die Hunde ruh'n in sonniger Mitte Ter Straße unverscheucht und faul-

Und weite Stuben, hohe Hallen,

Darin der Friede Wohnung fand

Nur aus den blanken Fenstern allen Mengt weit die Sehnsucht in das Land.

Einzugsmarsch.

A Strahlensonne künst'ger Zeiten Aigi ttus in Glanz Und Gloria, GewcklUges will sich vorbereitend Caruso ist bald wieder da!

Welch moabitisches Gebrause!

Um sechs Uhr morgens lagert prompt

»

Vom Eiscilbahnerstreik in Frankreich: Soldaten der Genietruppen als Führer eine« Zuge«.

Das ganze Volk vorm Opernhäuse,

Wild aufgeregt Caruso kommt!

Und was Man früher fiebernd ansah,

Was gilt Uns Mit noch Bethmanns Plan, Wahlkampf Und Tempelhof Und .Hansa?

Caruso sitzt schon aüs der Bahn!

Ein Königsthron brach morsch zusammen, Bedenklich schwankt der Nachbarstaat,

Noch loh'n des Generalstreiks Flammen Durch Frankreich doch Caruso naht!

Man hat nur einen Wunsch auf Erden Noch, eine Sehnsucht stark beschwingt:

Rasch dreißig Märker loszuwerden Für'n Sitzplatz! Denn Caruso singt!

Erholung sn der Arbeitspause Nicht erst im Zoo dem Großen winkt.

Der Taumel macht zum Affenhause Die ganze Stadl. Caruso singt!

Caliban imTag".

Aus der Kindermappe des Dr. Ulk.

Ter Lehrer will in einer Berliner Volksschule die verschiedenen Religionen erklären und kommt dabei auch auf Buddha zu sprechen. Um zu sehen, ob jemand etwas von Buddha weiß; fragt er, wer diesen Namen schon ge­hört habe. Da erhebt sich ein Knirps freudestrahlend und ruft in unverfälschtem Berliner Dialekt:Met Bata. hat een Buttajeschäst."

Fritzchen: Mutter! Legen die Katzen Eier?

Mutter: Rein.

Fritzchen: Mutter! Legen die Hunde Eier?

Mutter: Nein!

Fritzchen: Nun, wer legt denn Eier?

Mutter (ungeduldig): Die Enten, Hühner, Sper­linge, alles was fliegt!

Fritzchen: Die Engel auch ?

Werner (heulend): Mutter, der Richard hat mich so angerannt, ich bin hingefallen, und hinterher hat er noch Wardon geschimpft!

Die zwölfjährige Annelise wird von der Mütter ermahnt, sich doch mit ihren? Bruder zu vertragen. Sie erklärt Mer, es ginge nun mal nicht, weil sie beide eben Verschiedenen Geschlechts seien.Aber Kind", sagt die Mütter,dann könnte ich mich doch Mit Vater auch nicht vertragen!"

Das ist ganz 'was anderes!" antwortetAnnelise; Ihr habt euch doch ausgesucht, wir Kinder müssen über­nehmen, was wir kriegen!"

In einer Familie sind Zwillinge angekvnnnen. Tie kleine Lilly wird herbeigerüfen, sie sich anzusehen. Sie glaubt) daß die beiden zur Auswahl geschickt sind, zeigt mit dem Finger auf den einen und erklärt:Väterchen, den wollen wir behalten!"

Der kleine Bubi fragt seine Mama:Mutti, was sind Indianer eigentlich für Menschen?" *

Ja, weißt", entgegnet diese überlegend,Indianer Indianer sind Rothäute."

Mutti, und morgen?"

Handel und Volkswirtschaft.

Herbstnachrichte».

Stadtkelter Heilbronn, 24. Okt. Lese dauert fort. Der Verkauf geht langsam aber stetig. Die Preise halten sich auf gleicher Höhe: weißes Gewächs 200210 Mark, yotes Gewächs 265, 210, 220 Mark pro 3 Hktl. Gute Reste sind noch zu haben und können sofort gefaßt werden.

Stockheim, 21. Okt. Tie geringen Quantitäten Heuriger", die geerntet wurden, sind bereits vollständig abgesetzt. Einheitspreis 200 Mark pro Eimer.

Schwaigern, 21. Okt. Weinkäufe wurden hier abgeschlossen per Eimer zu 200 und 205 Mark für ge­mischtes Gewächs.

Reutlingen, 22. Okt. Ein Gang durch die noch gut belaubten Weinberge an der Achalin und am Georgen­berg weckt schmerzliche Gefühle insofern, als der Ertrag dieses Jahr recht minimal ist. Nicht einmal die Stadt­kelter kann aufgemacht werden, so gering ist das Quan­tum des Heurigen. Wer trotz alledem in der glücklichen Lage war, Wein verkaufen zu können, krauchte sich um den dlbsatz nicht zu besorgen. Alles war schon vor der

Lese von den Wirten zu Preisen von 180 Mark für 3 Hektoliter verstellt. Es ergaben sich Mostgewichte bis zu 60 Grad nach Oechsle.

Cannstatt, 21. Okt. (Städt. Kelter.) Die allgemeine Wein­lese hat begonnen. Das Erzeugnis ist auf etwa 1000 Hckt. geschätzt. Noch kein Kauf.

Fellbach, 21. Okt Lese- geht morgen zu Ende; Menge schlägt zurück; einige Käufe zu 200 Mark pro 3 Hektol.; mehreres verstellt; viele Weingärtner die kleinere Quantitäten haben, verkaufen ihre Trau­ben an einen auswärtigen Weinhändler, pro Ztr. 20 Mark. Die Ge­sellschaft versteigert ihre Weine, Berg- und Mittelgewächs, rot und weiß.

Sulzkries, 21 . Okt. lGesellschaftskelter.) Lese dauert fort. Vorrat 100 Hektol. Einiges verstellt; noch kein fester Preis. Gewicht bis zu 76-.

Beutelsbach, 21. Okt. Nahezu alles verstellt. Lese dauert noch einige Tage, noch kein fester Kauf. Qualität gut.

Schnait, 22. Okt Die Lese wurde heute zum größten Teil beendet. Käufe wurden abgeschlossen zu 243, 248, 2o0, 252 und 255 Mark für 3 Hektol. Noch einiger Vorrat vorhanden.

Schlacht-Miel,-Markt Stuttgart.

22. Oktober 191,.-.

Großvieh: Kälber: Schweine,

iZugetrieven 178 74 340

Erlös aas '/» Kilo Schlachtgewicht:

Ochsen, 1. Qual, von 90 dis 92

2. Quak.

...

Bullen

1. Qual.,

8S

87

2. Qual.,

Stiere u J-.mgr. 1.

,,

92

,,

94

2 . Qual.,

90

81

3. Qual.,

8/

89

Küde

1- Qual.,

Kühe 2. Qual., von 87 bis 78

3. Qual^

47. 58

Kälber 1. Qual..

104,1t 7

2. Qual.,

99 , 103

3. Qual-,

95 98

Schweine 1.

71- 72

2. Quak.,

70. 71

3. Qual., . -

Verlauf des Marktes: mäßig belebt.

Vor 40 Jahren.

Denkwürdigkeiten an den deutsch-französischen K'r ieg.

Mittwoch, 26. Oktober 1870.

Gefecht der Badenser bei Mantsche (südwestl. Gray) Scharmützel bei Anet. (Gray).

Versailles. General Frhr. von Moltke feiert heute seinen 70. Geburtstag. Das Musikkorps des T Regiments brachte ihm morgens ein Ständchen--

Bougival. Heute wurden 1V Einwohner ver­haftet, davon 2 erschossen, ferner jene Häuser verbrannt, aus denen am 21. ds. aus preußische Truppen gefeuert worden war. Tie Bürgerschaft glaubte an jenem Tage- die Preußen auf der Flucht und beteiligten sich deshalb am Kampfe gegen diese. Tie Gemeinde mußte eine Kon­tribution von 50,000 Frcs. bezahlen.

Sedan. In der Nähe entgleiste heute ein Eiseu- bahnzng mit einer Kompagnie des Schleswig-Holstein'scheu Pionier-Bataillons Nr. 9. Franktireurs hatten die Schie­nen gelockert und den Zug zum Entgleisen gebracht. Zum Glück gabs nur geringe Verletzungen. Nne Anzahl Frank­tireurs wurde gefangen, ein Teil erschossen. In den Vo­gesen haben Freischärler einen Transport Von 9 Wagen ab gefangen.

Metz. Heute ist wieder Kriegsrat. Bäzaine hat be­schlossen, den General Jarras, Generalstabsch-ef der Ar­mee, zum Prinzen Friedrich Karl abzuordnen, um wegen der Uebergabe nochmals zu verhandeln.

Remiremont. Gestern Nacht überfielen 45 Frank­tireurs das Hotel, in dem 2 badische Ingenieure wohnten, und schleppten diese nach Besancon. Ein Zug roter Husaren und eineinhalb Kompagnien Württemberger aus Epinaß besetzten hierauf die Stadt, legten ihr eine Kontribution von 200 000 Francs ans und nahmen den Kellner, den Hausknecht des Hotels, den Pfarrer und 5 angesehene Bür­ger der Stadt in Haft nach Epinal. Der Wirt des Hotels war aus Furcht vor Strafe wahnsinnig geworden.

Versailles. Heute beginnen die Verhandlungen Bismarcks mit den süddeutschen Ministern wegen Eintritt in den Norddeutschen Bund.

Schlettstadt kapituliert und wird besetzt. Scharmützel bei Marville, Avantgardengefecht bei La Vaivre.

Unter Aviatikern.Hast Du Deinen Ne­benbuhler aus Säbel gefordert oder aus Pistolen?"- Nein, ich habe ihn zu einem Passagierflug ein geladen."

Das fehlende Komma. Eine bemerkens­werte Ankündigung erläßt ein großer Wanderzirkus in der von ihm selbst herausgegebenenZirkus-Ztg." Es heißt! da u. a.:Das Sensationallste, was jemals ein Zirkus geboten hat, nicht zu verwechseln mit anderen minder­wertigen Unternehmungen." Was doch so ein einziges fehlendes Komma ausmacht!