für die Ausschreibung sind so zu geben, das; imch jeder Richtung hin, für jeden Unternehmer eine vollständig zutreffende Be­urteilung der Ausschreibung möglich ist (Beilage von eingehenden Detailzeichnungen zum Beschrieb, deren Vervielfältigung und Ueberlassung an die Bewerber).

2. Insoweit die Rücksichtnahme auf die ortsansässigen Ge­werbetreibenden es zuläßt und unter den letzteren selbst sind bei Vergebung von Arbeiten, iin Wechsel und unter der Hand gleiche Tüchtigkeit und Leistuugssähigkeit vorausgesetzt solche Meister zu bevorzugen, die zur Führung des Meistertitels berechtigt sind. Nach denselben Grundsätzen ist zu verfahren bei Vergebung auf Grund öffentlicher Ausschreibung, sofern in mehreren Handlverken gleichartige Abgebote vorliegen.

3. Ausgeschlossen von der Berücksichtigung sind solche An­gebote, welche eine in offenbarem Mißverhältnis zu der Arbeit vder Lieferung stehende Preisforderung enthalten, so daß nach den geforderten Preisen eine tüchtige Ausführung nicht erwartet werden kann.

4. Nachbestellungen können nur dann freihändig vergeben werden, wenn kein höherer Preis vereinbart wird als für die Hauptlieferung oder Hauptleistung.

5. Von der Bewerbung auszuschließen sind alle die, von denen bekannt ist, daß sie ihren Beitragspflichten für die Ar- Leiterversicherung nicht nachzukommen pflegen, oder mit ihren Steuerleistnngen im Rückstände sind, oder den Verpflichtungen ihren Handwerkern, Lieferanten und Arbeitern gegenüber nicht viachkommen oder solange sie im Konkurs sind, oder die tarifmässigen Löhne nicht bezahlen.

6. Ortsansässige Gewerbetreibende sollen bei Vergebung von Bauarbeiten bei gleicher Preisstellung Berücksichtigung nur dann finden, wenn sie die Arbeiten im eigenen Betrieb ausführen.

7. Die staatlichen Submissiousbestimmungen und Beding­ungen sollen durch Gesetz geregelt werden, ev. ist reichsgesetzliche Regelung zu befürworten.

Bei Nichtbeachtung der staatlichen Vorschriften über die Ver­gebung von öffentlichen Arbeiten oder Lieferungen steht jedem Bewerber ein Beschwerderecht zu, ohne daß dadurch der Gang des Verfahrens aufgehalten wird.

8. Jahresarbeiten sollen in der Regel au die ortsansässigen Gewerbetreibenden in der Reihenfolge vergeben werden.

9. Die Ausschreibung soll in möglichst kleinen Losen er­folgen. Generalunternehmung soll grundsätzlich nur da zur An­wendung kommen, wo örtliche Verhältnisse oder der Mangel an tüchtigen UntVmehmern der einzelnen Handwerkergattungen oder ganz besondere Gründe eine andere. Art der Vergebung untunlich erscheinen lassen. Der Generalunternehmer bleibt auch bei Weiter Vergebung an Unterakkordanten für die Einhaltung aller Vertragsbedingungen insbesondere auch für die im Ver­trag enthaltenen Arbeitsbedingungen haftbar.

10. In geeigneten Fällen soll die Gesamtarbeit au Hand­werkerorganisation vergeben werden.

11. Für die Ausführung der Arbeiten und Lieferungen sind ausreichende Fristen zu bemessen.

12. Von Vergebung von Handarbeit, bei welcher die Staats­behörde das zu verarbeitende Material liefert, ist abzusehcn.

13. Abbieten nach Prozenten des Voranschlags darf nur ausnahmsweise und aus triftigen Gründen Anwendung finden Ebenso ist es zu halten mit angebotenen Pauschalsummen.

14. Die Zuschlagsfrlst soll in der Regel 14 Tage betragen.

15. Die Verdingungsunterlagen sind nicht nur am Amtssitz der Behörde, sondern auch am Ausführung?'- oder einem be­nachbarten Ort aufzulegen.

16. Angebote, welche nach Ablauf der Frist zur Einreichung der Angebote eingehen, dürfen nur dann berücksichtigt werden, wenn sie noch vor der Eröffnung der Angebote von den Be­werbern oder deren Stellvertretern dein leitenden Beamten per­sönlich eingehändigt werden, oder wenn das verspätete Ein­treffen außer aller Schuld des Bewerbers liegt und die Mög­lichkeit ausgeschlossen ist, daß das Ergebnis der Verdingung bei Ilbfassung des Angebots bekannt war.

17. Unternehmer, von denen bekannt ist, daß sie eine über­

nommene Lieferung ganz oder teilweise aus Strafanstalten be­ziehen, sind auszuschließen.

18. Sicherheitsleistungen, die vom Unternehmer bar hinter­

legt werden oder von der Behörde von der Abschlagszahlung zu­rückbehalten werden, sind vom Tag der Hinterlegung an, der Betrag, der nach Einrechnung der Endabrechnung tatsächlich

noch zu bezahlen ist, vom Tag der Einreichung dieser Rechnung ab bis zur Ausbezahlung nach demselben Zinsfuß, den die württ. Sparkasse gewährt, zu verzinsen.

19. Die Bauleitungen sind zu verpflichten, bei Abnahme

der gelieferten Arbeiten auf genaue, vorschriftsmäßige Ausführ­ung zu sehen, mangelhafte und von der Vorschrift abweichende Arbeiten nicht durch Geldabzug zu rügen, sondern zurückzuweisen und vollständigen Ersatz zu verlangen.

20. Den Bauleitungen soll es freigestellt sein und ihnen

empfohlen werden, in geeigneten Fällen zur Kontrolle der Bau­ausführung Sachverständige ans dein Handwerkerstand beizu - ziehen.

21. Unternehmer, die staatliche Arbeiten nachweislich mangel­haft ausgeführt haben, sind seitens der Baubehörde den übrigen Baubehörden der sämtlichen Departements namhaft zu machen.

22. Gerüste sind bauseitig zu erstellen, und sämtlichen am Bau beschäftigten Handwerkern bis znr vertragsmäßigen Beendig­ung des Baus, stets in gutem Zustand befindlich, zur Verfüg­ung zu stellen.

23. Kommunale Betriebe sind, soweit es sich nm handwerks­mäßige Leistungen handelt, von Submissionen auszuschliesten.

Hiezu lagen noch zwei Anträge des Achalmgaus vor, tue Fabrikant Henning-Metzingen begründete:

1. Kommt «uf Grund einer Submission ein Vertrag zu Stande Und es sind hiebei keine oder nicht die richtigen Zeichnungen und Beschreibungen Vorgelegen, so soll, wenn erst nachträglich die richtigen Zeichnungen und Beschreibungen beigebracht werden, und die Ausführung nun nach diesen verlangt wird, der Aus- führende hiedurch aber geschädigt ist, der betreffende Vertrag für nichtig erklärt werden.

2. In Fällen, wo Material zu übertragenen Arbeiten von der vergebenden Behörde beigcgeben wird, und wo es sich dann herarcsstellt, daß dieses Material dem sonst allgemein üblichen nicht entspricht und daher besonders geartete Werkzeuge oder mehr Zeitaufwand nötig wird, als wenn es normales Material wäre, ist Derjenige, der den Akkord übernommen hat, berechtigt, von demselben entweder ganz zurück zu treten, oSer eine ent­sprechende Preisaufbessernng zu verlangen.

Diese Anträge wurden im Prinzip angenommen.

H. Leitsätze zum privaten Snbmissionswesen.

(Referent Handwerkskammersekretär Frey tag - Reutlingen.)

Auf dem Wege der privaten Submission gelangen allein in Württemberg alljährlich für viele Millionen Mark Arbeiten und Lieferungen an Handwerker zur Vergebung. Diese Summen betragen das vielfach« der jährlich anfallenden staat­lichen und kommunalen Arbeiten und haben deshalb für die wirtschaftliche Entwicklung des Handwerks einschneidende Be­deutung.

Trotz dieser Bedeutung ist bisher von wenigen Versuchen » meist lokaler Art abgesehen nichts geschehen, um die unleug­baren Mißstäude aus diesem Gebiet zu bekämpfe«. Gerade hin­sichtlich der privaten Submissionen ist aber ein Vorgehen des Einzelnen, oder auch ein solches lokaler Organisationen, wenig aussichtsreich. Deshalb ist die Feststellung der Mißstäude, eine Verständigung der beteiligteil Faktoren oder mangels einer solchen eine Bekämpfung nur aus breitester Grundlage d. h. nur durch die Tätigkeit sämtlicher großer Handwerkerverbünde im Zusammenwirken anzustreben.

Neben den mehr oder welliger auch an dem staatlichen und kommunalen Submissionsversahren gerügten Mängeln (zu kurze Offertenfrist, Fehlen ausreichender Zeichnungen und Kalkula­tionsunterlagen und dergl.) bestehen die gröb st enMiß stände beim privaten Verdingungswesen in folgenden Punkten: a) Der Handwerker hat auf den Inhalt der allgemeinen und besonderen Vertragsbedingungen bisher keinerlei Einfluß; d) Diese Bedingungen enthalten vielfach unwürdige Klauseln zum Schaden des Handwerkers, die aufs gröblichste gegen die guten Sitten verstoßen, ihn aus Gnade und Ungnade

der Bauleitung ausliefern und von den gleichen Rechten zweier Vertragsparteien nichts mehr erkennen lassen;

e) Der Handwerker erhält meist keine Ausfertigung der Ver­tragsbedingungen und hat vielfach von deren Inhalt auch keine Kenntnis;

ck) Für die Eröffnung der Offerten ist ein bestimmter Termin nicht festgestellt, so daß die Bewerber von den verschiedenen Offerten keine Kenntnis erhalten. Unlautere Machenschaften werden dadurch begünstigt; .

s) Mchtberücksichtigte Bewerber erhalten entsprechend! Mit­teilung meist verspätet und vielfach überhaupt nicht, so daß anderweite Dispositionen sehr erschwert sind:

k) Sehr häufig wird eine schriftliche Submission nur einge­leitet, um die dabei eiugegangenen Offerten dazu zu be­nützen, späterhin noch einen billigeren Unternehmer zu fin­den. Nachgebote werden trotz hinreichender Auswahl unter den Bewerbern nicht nur angenommen, sondern häufig ohne zwingende Gründe direkt veranlaßt.

g) Die Voranschläge enthalten nicht selten einzelne außerge­wöhnlich gut angesetzte Positionen, die den Bewerber zu einem höheren Angebot veranlassen, in Wirklichkeit später aber zur Ausführung gelangen (sog. Lockvögel).

b) Die Schlußabrechnung wird häufig ungebührlich lauge, ja jahrelang verzögert; eine Verzinsung des Restguthabeus erfolgt nicht. Nicht selten sogar wird versucht, an den Abschlags- und Restzahlungen noch einen mehrprozentigen Diskont abzuziehen.

i) Die meisten Verträge enthalten entweder keine Schieds­gerichtsklausel oder aber sehen sie eine solche Zusammen­stellung des Schiedsgerichts vor, daß eine Benachteiligung des Handwerkers von vornherein erkenntlich ist. Auch die Streikklausel fehlt in den meisten Verträgen.

Diesen Mi tzst linden gegenüber ist mit allen Mitteln an- zustrebeu:

1. daß einheitliche Vertragsmuster für die allgemeinen und besonderen Bedingungen verwendet werden, deren Aufstel­lung im Zusammenwirken von Vertretern der Handwerker­verbände mit solchen der Architekten und Bauwerkmeister­perbände erfolgt. Diese Verträge haben die Schiedsgerichts­klausel in gerechter Fassung zn enthalten.

2. Andere Bedingungen oder von dem Kertragsmuster ab­weichende Bestimmungen sollen nur gültig sein, wenn dem Unternehmer eine Bertragsausfertigung gegen Bescheinig­ung zugestellt wurde.

3. Neben einer gerechten Verteilung der Rechte und Pflichten in diesen Verträgen ist u. a. darauf zn sehen, daß auch solche Bestimmungen in Wegfall kommen, welche, ohne von großer wirtschaftlicher Bedeutung zu sein, doch geeignet sind> dem Handwerker eine seiner Tätigkeit unwürdige Stellung zuzuweisen.

4. Für Taglohu« und außervertrngliche Arbeiten sind die Sätze der anerkannten staatlichen oder städtischen Preislisten zu bezahle».

5. Der Zuschlag muß spätestens innerhalb 6 Tagen erfolgen; gleichzeitig müssen auch die nicht berücksichtigten Bewerber Benachrichtigung erhalten.

6. Die Unsitte, an der Hand schriftlich eingereichter Offerten von dritter Seite noch billigere Abgebote zu erhalten, ist als unmoralisch öffentlich zn brandmarken.

7. Das Einsetzen sogenann.ter Lockvögel in die Voranschläge soll dem Handwerker daS Recht auf Schadenersatzanspruch sichern.

8. Jede Garantieleistring soll ausgeschlossen sein für die Fälle, in denen bestimmte Materialien auf Anordnung der Bau­leitung zur Verwendung gelangen oder die Mängel in der Arbeit anderer Unternehmer ihren Grund haben.

9. Dis-ontabzüge bei Zahlungen aus Submissionen sind aus- schli^ßen; vielmehr soll bei verzögerter Schlußabrechnung dem Handwerker ein Anspruch auf Verzugszinsen zustehen.

10. Die in den Landgemeinden häufig noch üblichen moralisch verwerflichen mündlichen Submissionen sollen allgemein auf­hören.

Die Herdftwanderversammlung der Nationalliberale: (Deutsche Partei)

Württembergs fand am Sonntag in Geislingen unter zahlreicher Teilnahme aus allen Landesgegenden statt. Nach dem gemeinschaftlichen Mittagessen im Hotel Sonne begann die öffentliche Versammlung. RA. Schwenk- Geislingen hieß die Erschienenen herzlich willkommen und betonte, daß es seit Bestehen des Reiches noch nie eine so schwierige Lage gegeben habe, wie gegenwärtig. Mali gehe ernsten Zeiten und Kämpfen entgegen. Der Kasseler Parteitag habe aber bewiesen, daß Wille und Kraft in der Partei vorhanden sind, um den Kampf durchznführen. Landesvorsitzender Kübel wies zunächst ans die großen Verlust einer so bedeutenden Kraft wie Dr. Hieber hin, der in der Partei eine exceptionelle Stellung eingenom­men habe und dankte dem hervorragenden Führer für seine wertvollen und langjährigen Dienste. Es sei aber nicht an dem, daß mit dem Führer auch die Partei stehe und falle. Zu einer Mutlosigkeit liege kein Grund vor. Wenn auch jetzt die rote Hochflut die Unzufriedenen mit sich fortreiße, so werde über kurz oder lang doch eine Rück­strömung erfolgen. Daß die Einigkeit in der Partei nie größer gewesen sei wie zur Zeit, habe Kassel bewiesen. Auch der Unterschied zwischen dem rechten und linken Flü­gel, war nie so gering wie jetzt. Die liberale Weltan­schauung müßte aber mehr Znm Ausdruck kommen. Da fehle es vor Allem in Preußen. Auf die Ersatzwahlen und die Erfolge der Sozialdemokratie zurückkommend, meinte Redner, wirtschaftlich gehe auch der politische Zug mehr nach rechts, das bewiesen die von der Sozialdemo­kratie zur Anwendung gebrachten reaktionären Kampfmit­tel Zwang und Druck. In Württemberg hätten die li­beralen Parteien alle Ursache zusammenzugehen. Der Landesausschuß der Deutschen Partei habe der For t- schrittlichen Volkspartei ein Anerbieten bezüglich des gemeinsamen Kampfes bei den bevorstehenden Reichstagswahlen gemacht. Ihr Selbsterhaltungstrieb zwinge sie zu einer Einigung mit entsprechenden Gegen­leistungen. Es müsse aber ein ehrlicher Pakt mit Leist­ung und Gegenleistung abgeschlossen werden. Lokale Ab­machungen dürften nicht getroffen werden, sondern die Ver­teilung der Mandate habe durch die Landesausschüsse zn erfolgen. Das Zentrum ist und bleibt unser entschieden­ster Gegner. Die Stellung zur Sozialdemokratie ist gegeben. Solange die Sozialdemokratie im Landtag prak­tische Politik macht, könne man mit ihr Zusammenarbeiten. Nur politisches Eunuchentum könne an eine Großblockpoli­tik denken. (!) Prof. Kindermann's Anspielung darauf, in Kassel habe sich nicht auf die württembergische Politik bezogen, sonst hätte Redner besonders seine Zustimmung zu den Ausführungen Bassermann's gegeben, wonach die Sozialdemokratie nicht zn umschmeicheln, sondern offen und ehrlich zu bekämpfen ist.

Nachdem Landtagsabg. Komm.-Rat Wieland über Landespolitik gesprochen hatte, erstattete Reichstagsabg. Dr. Osann-Darmstadt das Referat über Reichspolitik. , Nicht ohne eine gewisse Wehmut bin ich heute in das

württ. Land gekommen; wir müssen heute unseren ver­ehrten Freund Hieber an der Spitze der Partei missen missen seine echte, kraftvolle Persönlichkeit nicht allein in ihrem engeren Vaterlande, sondern mindestens ebenso stark in dem Kreise der Reichstagsfraktion. Ich möchte ihm doch ein Wort vollster Anerkennung für sein langjähriges ausgezeichnetes, fruchtbringendes Wirken und warmer An­hänglichkeit sagen, ihm aber zugleich den dringenden Wunsch anssprechen, daß er demnächst wieder zurückkehren möge in das politische Leben zu segensreichem Dun Solche Männer wie Hieber haben wir in der schweren Zeit die wir durchleben mußten, und noch müssen, dringend nötig. Welch ein Pessimismus, welche Unzufriedenheit ist in Deutschland auf innerpolitischem Gebiet hervorgetreten fest dem Abschluß der Reichsfinanzreform. Durch das Schei­tern des Blocks und den Rückblick Bülow's trat die denk­bar größte Uneinigkeit in dem Lager der bürgerlichen Parteien ein. Und der Erfolg dieser Erbitterung und Ver­bitterung ist nicht ausgeblieben. In den zahlreichen Nach­wahlen znm Reichstag haben die radikalen Parteien aus­gezeichnete Geschäfte gemacht. Insbesondere die Sozial­demokratie ist von Sieg zu Sieg geeilt. Die Zersplitter­ung in den bürgerlichen Parteien durch die Reichsfinanz­reform, die hierdurch heraufbeschworene Unzufriedenheit las­sen weiter schlimmste Befürchtungen für die Zukunft un­seres Vaterlandes emporkommen. Genährt wird die Un­zufriedenheit aber weiter durch die noch immer anhaltende schwierige wirtschaftliche Lage und auf dem politischen Ee- bietld (urch eine durchaus unbegründete und unveranlaßte Ausschlachtung der Kaiserrede in Königsberg durch die ra­dikale Presse zn demagogischen Zwecken. Es wäre zu wün­schen, daß dem Kaiser auch in seinem (?) deutschen Reich ein solcher Enthusiasmus entgegengebracht würde, wie in Wien bei der Rede im dortigen Rathaus. Wir als na­tionalliberale Partei haben in diesen schweren Zeiten in Deutschland die Pflicht nicht zn verzagen, sondern wirk­sam anzukämpfen gegen die drohenden, schwierigen, poli­tischen Verhältnisse. Erstes Gebot in solch gefahrvollen Zeiten ist zusammenznstehen und zu kämpfen. Noch ist es Zeit, daß sich die bürgerlichen Parteien ihrer gemein­samen Aufgabe besinnen und nutzlosen Parteistreit ver­meiden.Der Landwirt schlage in die Hand des Kauf­manns ein, dieser in die Hand des Industriellen. Der Zu­gehörige einer Partei ergreife die Hand des anders Ge­sinnten, eine Konfession trage die andere mit Liebe." In diesem Sinn hat der Kaiser in Marienburg beherzigens­werte Wort zum Zusammenschluß gesprochen. Diese Worte haben auch in unseren Reihen lebhaftesten Anklang ge­funden. Wie hat man in Kassel Differenzen in den eige­nen Reihen zurücktreten lassen. Auf wirtschaftlichem Ge­biet eine absolute Einigkeit zu erzielen, ist bis heute nickst möglich gewesen, auch über die Stellung der Partei den anderen bürgerlichen Parteien und der Sozialdemokratie gegenüber ist Einheitlichkeit nicht vorhanden. Das liegt an der historischen Entwicklung der Parteien in den ein­zelnen Teilen des Reiches neben oder gegeneinander. Die Leitsterne, die über der Kasseler Tagung standen, waren Duldung und Disziplin. Und auch hier sei es offen ausgesprochen: Unser schlimmster Feind ist die Sozialde­mokratie. Es ist auch charakteristisch, daß der Abg. Müller- Meiningen sich in den letzten Tagen dafür erklärt hak, daß ein Zusammengehen des Freisinns mit der'Sozial-, demokratie nach Magdeburg nicht möglich erscheine. Mag­deburg hat gezeigt, wie notwendig ein starkes geeintes Bürgertum gegenüber der Sozialdemokratie in unserer jetzigen Zeit ist, und zwar gegenüber beiden Ström­ungen in der Sozialdemokratie. Manche unserer Par­teifreunde haben die Haltung unserer Badener Partei­freunde verstehen können. Andere sind entschieden dagegen. Das Auseienandertreiben der nationalliberalen Partei in Stadt und Land hat, schon seine Erfolge gezeitigt, indem die Sozialdemokratie die Früchte einheimste. Viele ha­ben einen Abmarsch nach Links erwartet. Mit vollem Recht ist' dies abgelehnt worden und der Grundsatz der vollen Selbständigkeit aufgestellt. Glauben Sie, daß Konserva­tive und Freisinnige jetzt oder in nächster Zukunft zusam­men kommen können? Tie Radikalen haben dort zur Zeii die Oberhand. Die Unversöhnlichen wie Naumann, Trä­ger sind froh, daß die Blockperiode zu Ende ist und daß sie nicht mehr gezwungen sind, mit den Konservativen zu­sammen zu gehen. Wir haben noch heute in den Kreisen der Landwirtschaft eine große Anzahl treuer Anhänger; sorgen wir dafür, daß uns diese nicht entfremdet werden. Will man aber zu dem alten Block zurückkehren, so müssen auch die Konservativen herangezogen werden. Ich ftene mich, daß ein solches Zusammenarbeiten auch von Basser­mann in Aussicht genommen wurde, allerdings unter der bestimmten Voraussetzung, daß liberale Gedanken mehr Eingang finden. Jedenfalls wird die volle Selbständig­keit der Partei gewahrt werden. Wir sind für eine In­teressengemeinschaft von Industrie, Handel und Landwirt­schaft und stimmen 8er Bismarck'schen Wirtschaftspolitik zn. Wir stellen voran das Wirken zum Wohlergehen des Vaterlandes. Wir sind eine Partei der Versöhnung der Gegensätze auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet. So hat die Partei gewirkt in schlimmen und guten Zeiten und wird weiter wirken als eine Vertreterin des deutschen Bür­gertums, der deutschen Bildung. Eine solche Partei kann und wird nicht untergehen. Wir sehen dem nächsten Kamps entgegen, geeint untereinander und damit stark in dem schweren Ringen. Nicht verzagen, sondern arbeiten und wagen ist unser Leitstern." (Stürmischer Beifall).

Dr. Bickes erklärte hierauf einen Anschluß nach Rechts kann es hier bei uns nicht geben. Dazu zwingt uns schon die Berufung des Herrn von Heydebrand zum Württemb.-Konservativen Parteitag. Wir werden An­schluß nach links suchen müssen, und hoffen, ihn zu finden. Voraussetzung dafür ist volle Parität zwischen Volkspartei und unserer Partei. Schließlich fand sott gende Resolution einstimmige Annahme:Di^ Versammlung erklärt die volle Uebereinstimmung mit der Haltung des Kasseler Parteitags. Sie schließt sich der glänzenden Vertrauensknndgeb- nng für Bassermann in vollem Umfang an und versichert den Führer der Partei, im Reich des unerschütter­lichen Treue der württ. Nationalliberalen."