Die Hauptversammlung der württembergischen Evangelisch-Sozialen

fand in Stuttgart bei geringer Beteiligung im Festsaal der Bauhütte statt. Nach einer geschlossenen Versammlung zur Be­spreche,rg von Organisationsfragen begann um 4 Uhr die öf­fentliche Versammlung, in der Oberfinanzrat D r. Losch- Stuttgart einen Bortrag überDie Veränderen- genim Wirtschaftsleben Württembergs nach den neuesten Zählungen" hielt. Die Volkszunahme Würt- .tembergs sei hinter der des Reiches zurückgeblieben. Die Be­völkerung in Württemberg sei nicht absolut, aber relativ ein- geschrumpft. Die Abwanderung in das Reichs gebet sei doppelt so groß gewesen, wie der Zuzug von Reichsangehörigen nach Württemberg. Die Jndnstriealisierung habe mit dem Reichs­ganzen Schritt gehalten. Der Gesamteindruck sei ein starkes Vordringen der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung. Im Ge- werbe hätten die Hauptbetriebe abgeuommen, das abhängige Personal habe dagegen zngenommeli. Die kleinen Betriebe seien nicht ans dem Felde verschwunden. Enorm sei die Bild­ung und Krästigung der Organisationen. Württemberg bilde heute nur eine Sektion innerhalb der großen Tarifbewegung. Wiele Gewerbe seien kolossal gewachsen und damit auch die Bedeutung? des Weltmarktes, die der englische und amerikani­sche Arbeiter viel mehr würdige, wie der deutsche. Die Schatten­seiten dieser Entwicklung könnten nicht verhindern, daß man die Miinenten Vorteile in ihrer ganzen Bedeutung erkenne. Wäh­rend in Gewerbe und Handel 518 000 Personen Beschäftigung finden, stünden 752 OM Personen im Dienste der Landwirt­schaft. Von IM Haushalten sind 61 landwirtschaftliche, 80 Proz. aller landwirtschaftlichen Betriebe sind Familienbetriebe. Die Urbeitskräfteznsammenfassung verhalte sich bei Gewerbe und Landwirtschaft vollkommen gegensätzlich. Unsere Landwirtschafts­betriebe seien rentabler geworden. Nachdem Redner noch die Verbindungen zwischen Gewerbe und Landwirtschaft besprochen hatte, führte er noch einige charakteristische Zahlen der Ein­kommensteuerstatistik an. Es gehe auch in dieser Beziehung von unten an aufwärts. Das deutsche Reich und Württemberg seien weder Agrar- noch Industriestaaten. Das Grundergebnis der Betrachtung bilde die Erkenntnis einer kraftvollen Entwicklung, die nicht ohne Einsatz von starker persönlicher, geistiger, Phy­sischer und sittlicher Kraft möglich wäre. Die interessanten Ausführungen des Vortragenden wurden noch durch vorzügliche graphische Darstellungen den Zuhörern veranschaulicht.

Rationalliberale «nd Bolkspartei. Ter Lan­desausschuß der Nationalliberalen Partei hat, wie der Landlagsabgeordnete Kübel am Sonntag weiteren Krei­sen zur Kenntnis brachte, der Fortschrittlichen Volkspartei das Anerbieten gemacht, sich mit der Deutschen Partei über ein Zusammengehen hei den nächsten Wahlen zu einigen. Wie man uns mitteilt, wird der La n d e s a u s sch u ß d e r Fortschrittlichen Volkspartei in den nächsten Tagen in dieser Angelegenheit zusammentreten. Bon In­teresse ist, wie die konservativeReichspost" sich zu der Mitteilung des Abgeordneten Kübel stellt. Sie schreibt: Tie württembergische nationalliberale Partei hat also offiziell ihre wahltaktische Wendung nach links durchge­führt. Das klärt die Lage. Die Konservativen wissen nun, woran sie sind."

Die Sozialvemokratische Landesversamm- lung hat die Kluft zwischen Unentwegten und Gemäßigten nur noch mehr erweitert. So urteilt devBeobach­ter":Tie Bersammlun g ließ die innere Geschlossen­heit vermissen. Sie brachte auch keine Klärung über die Streitigkeiten und Differenzen innerhalb der Partei. Ge- ofsenbart aber hat sich wiederum, wie wenig die Abgeord­neten in der Partei gelten und wie die Führung wo ganz anders liegt, als bei den Parlamentariern, die mit dem größten Mißtrauen zu kämpfen haben." Auch dasN ene Tagblatt" stellt fest, daß der Kampf zwischen beiden Richtungen weitergeht. Tie SozialdemokratischeS ch w ä- bische Tagwacht" gibt von vornherein das Bestehen der Gegensätze zu, bemüht sich aber, dieselben auszuglei- chen.

Heilbronn, 11. Okt. Mit einer von etiva 500 Per­sonen besuchten Versammlung, die Gemeinderat Wulle leitete, hat die F o r t s ch ri t tli ch e Volkspartei Heilbronn die politische Winterarbeit begonnen. In seinem von gründlicher Kenntnis zeugenden Referat über , die Parteitage in Magdeburg und Kassel setzte sich Parteisekretär Fischer mit den parteipolitischen Strömungen innerhalb der Sozialdemokratie und natio­nalliberalen Partei auseinander und zeigte, daß nur auf dem Boden der Fortschrittlichen Bolkspartei eine Gesund­ung unseres politischen Lebens erreicht werde. Die Ar­beit fei so lange allein auf die Bolkspartei gestellt, solange der Parteikonservatismns innerhalb der Sozialdemokratie die praktische Mitarbeit verweigere und die Nationallibe­ralen eine klare Richtung nach links vermissen lassen. In der Diskussion, an der sich Redakteur Kühle, Wein­gärtner Hof mann und Gewerbelehrer Frank betei­ligten, kam der frohe, auf fleißige Arbeit gestützte Kampfes­mut, mit dem die Partei in den kommenden Reichstags­wahlkampf hineingeht, wiederholt zum Ausdruck. Die in der Versammlung anwesenden Führer der hiesigen sozial­demokratischen Partei haben sich an der Diskussion nicht beteiligt.

Löchgau, 10. Okt. Nach dem heutigen Staatsan- zeiger ist von der Regierung des Neckarkreises die Wahl des stellvertretenden Gerichtsschreibers August Saur in Ravensburg zum Ortsvorsteher der Gemeinde Löchgau DA. Besigheim bestätigt worden.

Künzelsau, 11. Okt. Dieser Tage kam Minister­präsident Tr. v. Weizsäcker in Begleitung eines Mi- Msterirldirektvrs und des Baurats Ott mit der Bahn hier an. um mit dem Landtagsabgeordneten Stadtschultheiß Röder eine Fahrt ins Kochertal zu unternehmen. Ter Zweck des Besuches galt der Besichtigung der Trace der zu erbauenden Strecke Künzelsau-Forchreuberg. Tie Herreit lUhrei, bis Neuenstadt, von wo aus sie mit der Bahn nach Stuttgart.zurückkehrten. Die Aussichten für die Erbauung oar he-,rchtigten Teilstrecke sind gilt.

Heidenheim, 11 . Okt. Der Streik der Brauerei- ar beit er ist zu Ende. Die Brauereibesitzer bewillig­en erneu Lohnaufschlag von l.50 Mark pro Woche und ^'Nnrzung der Arbeitszeit um eine halbe Stunde.

Göppingen, 10. Okt. Gestern nachmittag fand im Kronensaale die Entscheidungsversammlung in Sachen der Auflösung der S chu hma ch erzwa ng s in n ung statt. Anwesend waren 101 Mitglieder; für Aushebung der Innung stimmten 69, für den Fortbestand 32. Nach Z 58 der Satzungen hätten sich aber Z/i der anwesenden Mitglie­der, also 76, für die Aufhebung der Innung aussprechen müssen, um diese rechtswirksam zu machen. Die Ver­sammlung verlief sehr stürmisch.

Nah und Fern.

Postdiebstahl.

Ein beim Postamt Weingarten OA. Ravensburg für die Bahnpost augefertigter, durch die Lokalbahn beför­derter und in Ravensburg der Bahnpost übergebener Post­beutel, der einen Wertbrief mit 1000 M und mehrere Ein­schriebbriefe enthalten sollte, hat sich bei der Oeffnung im Bahnpostwagen als leer erwiesen. Bei näherer Be­sichtigung des Briefbeutels zeigte es sich, daß er an einer mit einer Falle versehenen Stelle ausgeschnitten ivar. Wo die Beraubung stattgefunden hat, hat sich bis jetzt nicht feststellen lassen.

In Mulsingen OA. Künzelsan kam in der zur Anstalt gehörigen Scheuer Feuer aus, die ein Raub der Flammen wurde.

In Ottmarsheim OA. Marbach brach in der Scheune der Adlerwirts Witwe Feuer aus, welches rasch um sich griff und das große Oekonomiegebäude völlig zerstörte. Ta das Gebäude mit Frucht, Futtervorräten, Hopsen etc. vom Pächter Fess dicht gefüllt worden war, so ist letzterem großer Schaden erwachsen. Die Nach- bargebüude waren sehr gefährdet. An den Löscharbeiten beteiligten sich außer der einheimischen Bevölkerung die Feuerwehren von Besigheim, Mundelsheim.

Ter Bauer Ehr. Beck von L ampo l d s h a u s en fuhr mit einem Wagen Bauholz von Oehringen kommend durch Ohrnberg und wollte sich ungefähr 50 Meter außerhalb des Ortes auf den Wagen setzen. Ar glitt aber aus niD das Vorderrad druckte ihm den rechten Fuß oberhalb des Knö­chels ab, außerdem erhielt er noch eine schwere Fleisch- wunde.

Der Gutsbesitzer Preuß von E h r ing sh a u s e n (Gerabronn), wurde im Walde bei Gammesfeld erschos­sen aufgefunden. Er war morgens auf den Anstand ge­gangen und lag in der Nähe eines Grabens. Man nimmt an, daß ihm beim Ueberschreiten dieses Grabens das Ge­wehr losgegangen sei. Der Schuß saß im Kops und muß Preuß sofort getötet haben.

Nicht weit vom Bahnhof Aulendorf hat ein un­bekannter Bursche an einem achtjährigen Mädchen ein Sitt­lichkeitsverbrechen verübt. Er wurde durch einen Eisen­bahnarbeiter verjagt, konnte aber bis jetzt nicht ermittelt werden.

Luftschiffahrt

180 Kilometer in einer Stunde.

Aus Wien wird vom 10. gemeldet: Jtlner vollftihrte heute den U e b e r l a n d s l u g von Wien nach Horn und zurück, eine Strecke von 180 Kilometer. Er stieg um 9.14 Uhr in Wieno »auf und landete 10.28 Uhr tu Horn. Zum Rückflug stieg er 4.16 Uhr auf und landete auf der Simmeringer Heide um 5.15 Uhr. .

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Gerichtssaal.

Stuttgart, 9. Okt. (Strafkammer.) Vor der Vor­jährigen Gemeinderats Wahl in Zuffenhausen wurde vom Wahlkomitee des dortigen Volksvereins zur Erwerbung des Bürgerrechts aufgemun/ert. Mitglie­der des Wahlkomitees gingen den Bewerbern an die Hand, sie füllten die Formulare ans und schickten die Anträge an die Schultheißenämter der Heimatgemeinden der Be­werber. Ter Volksverein bestellte 200 Kuverts mit dem KopfaufdruckStadtschultheißenamt Zuffenhausen." In diesen Kuverts wurden die Anträge zum Teil verschickt. Gegen drei Mitglieder des Wahlkomitces, die die Anträge befördert hatten, wurde nun Anklage erhoben wegen Amts­anmaßung und gegen den Drucker der Kuverts wegen Bei­hilfe. Die Anklage ist der Ansicht, daß durch den Kopf­ausdruckStadtschultheißenamt Zuffenhausen" vorge- tänscht werden sollte, als komme das Schreiben vom Stadt­schultheißenamt Zuffenhausen. Tie Verhandlung endigte mit der Freisprechung der Angeklagten. Tie Frei­sprechung erfolgte bei zwei aus Mangel an Beweisen, bei den übrigen aus subjektiven Gründen.

Tuttlingen, 8. Okt. (Strafkammer). Der von Tu­ningen gebürtige Packer Leonhard Braun würde von der Strafkammer in Konstanz wegen Blutschande an sei­nem eigenen Kinde zu 10 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust verurteilt.

Berlin, '10. Okt. Bor der 1. Strafkammer des Landge­richts 1 hatte sich heute der Redakteur des Vorwärts Richard Barth, der gegenwärtig eine Gefängnisstrafe in Ploetzensee verbüßt, wegen Beleidigung des Generals von Below zu ver­antworten. Der Angeklagte hatte im Vorwärts in einem Ar­tikel über die Reisespesen des Generals die auch vom Mgeord- neten Stückleu im Reichstag vertretene Behauptung zu bewei­sen gesucht, daß General v. Below zu Unrecht, als er die 4. Gardeinfanteriebrigade übernahm, UmzngStosten und in einem anderen Fall Tagegelder erhoben habe. Der Staatsanwalt be- mvtragte eine Gefängnisstrafe von drei Monaten. Das Urteil .lautete auf einen Monat Gefängnis. Der Gerichtshof war der Ansicht, daß der General bei Aufstellung der beiden Liquidationen sich durchaus in gutem Glauben befunden habe.

Stratzburg i. E., 10. Okt. Das Oberkricgögericht verur­teilte heute nachmittag den Leutnant Kurt Rost vom 2. nnterelfüß. Artill.-Reg. Nr. 67 in Hagenau wegen Betrugs und Ungehorsam in drei Fällen zu sieben Monaten Gefäng- n i s und Ausschluß aus dem Heeresdienst unter An­

rechnung von zwei Monaten der Untersuchungshaft. Rost harte Berufung eingelegt gegen das sz. vom Kriegsgericht der 31. Division gefällte Urteil, das auf 1 Jahr Gefängnis gelautet hatte.

Vor 40 Jahren.

Denkwürdigkeiten

an den deutsch-französischen Krieg.

Samstag, 1. Oktober 1870.

Meuterei der Freischützen in Tours wegen Hunger. Beobachtung von Montmedy, Beginn der Belagerung von Soissons, Gefechte bei Lessy, Gefecht bei Carrefour-Pom- padour.

Versailles. Gestern haben die Franzosen einen Ausfall auf die Sevres-Schanze gemacht, aber den Spaß teuer bezahlen müssen. Von dem kleinen Bataillon kam keiner über die Seine zurück, außer, er wäre ein guter Schwimmer gewesen. Trotz des wütenden und groben Geschützfeuers aus den Vorwerken und Kanonenbooten wur­den sie entweder alle abgefangen oder in die Seine ge­worfen. Täglich steigen aus Paris kleine Lustballons auf, um mit den Provinzen die Verbindung zu unterhalten. Eine Menge Minen, von denen unsere Soldaten schon eine beträchtliche Anzahl ausgefunden und unschädlich ge­macht haben, sind rings um Paris angelegt. In einer am Donnerstag abend abgehaltenen Sitzung der Minister widerstrebten Jules Favre und Arago gegenüber den üb­rigen der nutzlosen Fortsetzung des Krieges. Man solle in Anbetracht des Ernstes der Situation das französische Volk befragen, was zu tun sei.

Rouen. Tie Nachricht von der Uebergabe Straß- burgs, welche von der Regierung erst gestern zngestanden wurde, hat auf das Pariser Volk einen tiefen und ern­sten Eindruck gemacht. Tie Regierung verhandelte 5 Stun­den reulstatlos über ihre zukünftige Haltung, während Jules Favre dafür stimmte, die Waffenstillstands-Verhand­lungen wieder aufzunehmen. >

Versailles. Der amerikanische General Bnrnside ist hier eingetroffen und erwartet den Grafen v. Bis­marck, in dessen Auftrag er bei Jules Favre war. Ter 74 Jahre alte Justizminister Äaaron Cremieux hat nun auch noch das Kriegsministerium übernommen.

Sonntag, 2. Oktober 1870.

Vorpostengefecht bei Ladouchamps und St. Remy, Scharmützel, bei Veigny, Le Buifsonet und St. Leeger, bei Gournay, Vorpoflengesechte bei Thiereville und Bois Le- co urtier.

Ferriere. Vor Paris nichts Neues. Bor Nick hatte die Division Kummer gestern ein größeres Vorvosten- gesecht zu bestehen, wobei der Feind starke Verluste erlitt. Ter Kampf dauerte von früh 3 Uhr bis 10 Uhr. Ver­luste auf deutscher Seite: 6 Offiziere, 109 Manu.

Straßburg. Tie Greuel der Zerstörung zu ent­fernen, erheben sich Tausende von hilfsbereiten Hänven. Ter Magistrat Berlin hat einen Aufruf erlassen, der wie- dergewonncncn deutschen Stadt zu helfen und hat hiezu 20 000 Taler, die Königin Augusta 1000 Taler gezeichnet. Der Aufruf ergeht an ganz Deutschland.

Tours. Ter frühere Festungskomurandant von Straßburg. General Uhrich, ist heute hier eingetroffen uns mit den größten Ehrenbezeugungen empfangen worden.

Margarete Gehrings Roman Der Freihof."

Dieses Werk, dessen Abdruck rvir heute im Unter­haltung s b l a t t beginnen, ist dem ewig fruchtbaren, unerschöpflichen Boden der Heimatliebe enffurniien. Ter Frcihof , auf dem sich die Ereignisse abspielen,' liegt nn Frankenwalde. Dort, wo die Bauern aus ihren Höfen sitzen wie Fürsten aus ihren Thronen, ivo sie über Emilie und .-Gesinde herrschen mit der anlokratischen Machtfülle alt- testamentlicher Patriarchen. Tort lebt auch der Freihof­bauer, ein gerader, aber ein eisenharter Mann. An ihm, dem letzten Sproß eines zähen Bauerndynastengeschlechts, vollzieht sich ein selten-merkwürdiges Lebensschicksal, das unsere innerste Anteilnahme aufflammen läßt.

Es sind echte Menschen, Mt der tiefen Liebe des Dichters gesehen, .die uns hier bekannt werden, und wir fühlen's, es sind auch die besonderen Menschen, die dem Boden angehören, auf dein sie erwachsen der starrköpfige Herrscher in seinem Reich, der Freibauer, mit seiner Fa­milie, 5er reiche Patrizierbäuer Thielemann, der charakler lose Protzenbauer, der Weber, der sein Weib, die stolze Frei­bauerstochter, die rohe Hand fühlen läßt, und alle die anderen, die prächtigen Menschen die unser herzliches In­teresse haben, weil wir in ihnen nicht nur den zufällig gewordenen Menschen, sondern den Menschentyp erkennen : die Wchdore, die Leichen-Jette, die Boten-Liesel, auch die Schaafshofbäuerin und nicht zuletzt der gütige Pfarrherr mit feinem Enkelkinde Rnrh. Gerade diese letzten beiden' sind mit besonderer Liebe in die von so vielen Figuren be­lebten Geschehnisse gestellt worden. Sie sind die Träger ei­nes bis ins tiesinnerste Wesen verstandenen, aber doch vielleicht gerade darum .durchaus unaufdringlichen Chri­stentums.

Tie Verfasserin dieses Romans; Margarethe Geh­ring, ist am 21. April 1864 in Jena geboren und nach dem srühenTode ihres Vaters auf den Gütern ihres Groß­vaters in Schlesien und Thüringen erzogen worden. Nach dem Abschluß ihrer wissenschaftlichen Ausbildung griff sie bald zur Feder, und so entstand ihr erstes BuchSchlag­lichter", eine Sammlung von Novellen, Humoresken und Skizzen, das indes der unter dem Decknamen Mary Gehr­hardt verborgenen Verfasserin keinen großen Erfolg ein- trug. Ihr erster unter ihrem wirklichen Namen veröffent­lichter größerer Roman istTer Freihof", und da er eine gewiß hoch zu bewertende Talentprobe darstellt, .wird man von der Dichterin, die sich 1884 mit den» namenttich als JndienschriftsteÜer bekannten SchwarKurgischen Pfar­rer Hans Gehring vermählt har, noch manches schöne Werk erwarten dürfen.