Erzähler vom Schwarzwald.

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AmLsblatt siir die Stadt wildbad.

Verkündigungsblatt der t(gl. Forstämter Wildbad, Meistern Enzklösterle rc während der Saison mit

amtl. Fremdenliste.

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Nr. »8.

Mittwoch, den 16. Februar 1SI«.

27. Jahrg

Der Kampf um die Straße.

v. X. Von Skr aßen kämpfen muß man ge­genwärtig in Preußen sprechen. Sie entwickeln sich zwi­schen dm Arbeitermassen und der Polizei als eine Folge der Wahlrechtsbewegnng. Noch ist zum Glück das Aeußerste vermieden worden, dank der anerkennenswerten Diszip­lin, die beim Volk waltete und dank auch einer im allgemeinen, trotz einzelner bedauerlicher Vorfälle, un­verkennbaren Zurückhaltung der Polizei, die nicht ganz vergessen zu haben scheint. Ms' sie nie vergessen soll: daß, bei straffer Sicherung der Ordnung poch das staats- bürg erliche Recht auf'Kund gebung des Vol­kes,Wille ns .nicht unterdrückt werden darf.

Gleichwohl sind die Gegensätze jetzt so weit gediehen, daß eine ernste Mahnung an beide Teile nö­tig wird. Die sozialdemokratische Presse schlägt zum Teil einen Ton an, der nicht geeignet ist, den Erfolg der Bvlksforderungen zu bewirken. Dasselbe gilt von ein­zelnen sozialdemokratischen Rednern. Wer in Wort oder Schrift Gewalt Wer die Geister der Massen ausübt, der muß jetzt sein Gewissen Prüfen, ob er die Volksbewegung VÄtertrejben darf, hinaus über die nunmehr erreichte letzte Grenze zwischen Gesetzmäßigkeit und Wirren, oder ob nicht die Gefahr besteht, daß Rück- chläge eintreten, die dem Ganzen den schwersten und licht wieder gutzumachenden Schaden zu bringen drohen. Wir haben stets anerkannt, daß dem Volk das Recht ans'die Straße gusteht. Wenn der Staat es billigt, seine Bürger Umzüge veranstalten, derer: Zweck ihm Mkommen ist, so muß er auch die öffentlichen Kundgeb­ungen gelten lasten, denen eine Absicht auf 'Umgestalt­ung bestehender Zustände zügrunde liegt. Voraussetzung ist lediglich, daß der Verkehr und die öffentliche Sicher­et dadurch nicht gestört werden. In der Auslegung neser Begriffe darf die Ordnungsbehörde nicht eng­herzig sein. Auch bei patriotischen Festen und bei blo- xn Vergnügungsveranstaltnngen und Schaustellungen ivird zuweilen der eigentliche Verkehrszweck der Straßen zeitweise aufgehoben. Mit weit mehr Recht muß, die Straße auch für Umzüge freigegeben werden, durch die das Volk feine Stellungnahme zu politischen Fragen deutlich, zahlen­mäßig, massenhaft, eindrucksvoll und wuchtig zur Kennt­nis der Oeffentlichkeit bringen will. Es kommt noch hinzu, isst wenn die Polizei die Massen Vers am m lu n- --- __ - . ---

Wie es selten Komplimente gibt ohne Lüge, so finden fich auch ßlten Grobheiten ohne alle Wahrheit. Lessing.

Willst du Richter sein?

ch Roman von Maximilian Böttcher.

(Fortsetzung)

In seiner jungen starker: Liebe zu Trude Hosfmann Ar er seiner selbst ganz sicher: Wenn der Tod dir die Eliebte entrisse, du setzest gewiß veine andere an ihre Me, nicht in deinem Hause und nicht in deinem Her­fa! Und in einer Sturide, die wahrlich mehr eine rtimde ernster Feierlichkeit als verliebten Kosens gewesen kr, hatte er sich auch von seiner Braut versprechen las- ", daß sie ihnr mit Leib und Seele Treue halten würde kr Leben und Sterben 'hinaus.

Oder stieg in diesen schlimmen friedlosen Stunden verdacht, den die Doktorbäuerin einst in ihm erweckt, r alte, längst totgeglaubte Verdacht, wieder aus dem kbe auf? 'Deines Vaters Bruder war es, der den Üten, Mann deiner Mutter erschlug! Deines Vaters Mer war es, um den du in Zuchthaus und Schande Kn. mußtest ... ? i

Ob er sich auch gegen diesen Verdacht wehrte, ob er fauch nicht nahe an sich herankommen, ihn nicht für "itt Sekunden Dauer Macht über sich gewinnen ließ

"m er, der Verdacht. In der Abenddämmerung kroch »a seinen Füßen herum, in mondhellen Nächten glitt .als gespenstischer Schatten an seines Zimmers weißen Men dahin, wieder und wieder, seit der letzte üb­ende Bescheid, der als ein endgültiger, unumstößlicher ^faßt werden wollte, getroffen.

Nicht etwa, daß sich seineFreunde", die gleich­em, die jungen, merklich von ihm zurückgezogen hät- Aein! das Fehlschlagen der eigenen, aus Gottfried hün Hoffnungen war ihnen im ersten Eifer wenig- ^ Anlaß genug, sich nun erst recht mit demvon Justiz Mißhandelten" solidarisch zu erklären und H wütenden Rohrspatzen aus die Gerichte zu schimpfen,

g en i n g es cht o s s en en R ä u men nicht verbieten kann, und das kann sie nicht, wenn nicht statt des Vereins- gesetzes Willkür entscheiden soll, es dann auch unver­meidlich ist, daß, die Besucher dieser Massenversammlungen in einem starken Menschenstrom auf den Stra­ßen bemerkbar werden. Wie sollen sie anders in die Bersammlungssäle und wieder heraus kommen? Ta bil­det sich "e i n Umzug wie von sel b st, wenn Tausende von Menschen zu kinem Zille hinstreben oder von einem Versammlungsort ihre vorzugsweise sn den Arbeiter- Quartieren gelegenen Wohnungen wieder auffuchen. Kommt dann noch ein Hochruf dazu, der unter der Nach­wirkung der Versammlungsreden .Widerhall findet, oder gar ein Lied, das dem sangesfreudigen Deutschen ohne­dies bei jeder Gelegenheit als GesÄhlsansdruck auf der Zunge liegt, so ist in den Augen eines reizbaren Polizei- Obersten ebenso wie in denen eines ängstlichen Spießx- bürgers der Aufruh r" fertig. D i e s e U u s s a s s u n g müssen die die deutschen Polizei- und Phi­list e r se e l c n si ch endlicheinmal abgewöhnen. Die neue Zeit verlangt mehr Oeffentlichkeit des Einzelner: und mehr Freiheit der Massen. Zurückschrauben, unter den Boden stampfen kann man diese fortschreitenden Er­scheinungen nicht mehr. Man muß sie gewähren lassen, i so lange sie nicht Gesetz und Strafrecht verletzen. Das ! Mittel ist erlaubt, und es wird hoffentlich gute Wirk- ' ung haben.

Voraussetzung ist auf der anderen Seite allerdings, daß die sozialdemokratischen Führer, so lange sie noch auf die Folgsamkeit ihrer Gefolgschaft rechnen können, sich vor Uebertreib ungen hüten, und der Verantwortlichkeit eingedenk bleiben, die ihnen das An­sehen bei ihren Genossen auserlegt. In diesem Punkt wird gegenwärtig, wie gerade ein freiheitliches Organ offen bekennen darf, viel gesündigt. Man will die Mas­sen ' heftig befeuern, und man zündet dabei Fackeln an, die nicht strahlen, sondern nur zünden. Man wählt Mit­tel der Wirkung, die über das berechtigte Maß, hinaus­gehen und mit der Sachlage nicht im airgemessenen Verhält­nis stehen. So verwerflich beispielsweise die Wahlrechts­vorlage der Regierung ist, und obwohl man sagen kann, daß sie im Vergleich zu den Volksansprüchen wie ein Hohn wirkt, es sst doch eine überreizte und tatsächlich falsche Kritik, wenn man behauptet, die Regierung verhöhne mit diesen: Gesetzentwurf das Volk absichtlich. In den preu-

für die man so klotzige Steuern aufbringer: mußte, und von denen man, kaum, daß man mal mit ihnen in Be­rührung kam, regelmäßig schlecht abschnitt. (Dabei dach­ten sie an die mancherlei Strafe::, die der eine wegen unerlaubten Angelus, der andere wegen eines aus der königlicher: Forst genrausten Stückes Bauholz, der dritte gar wegen Wilderns erlitte:: hatte. WegenWtlderns!" Haha! Als ob das was Unrechtes war, wenn man mal einem Reh oder Hirsch, die oft in ganzer: Sprüngen und Rudeln den reifenden Hafer, die blühenden Kartoffeln ver­nichteten, eine Ladung Posten ,aufbrannte und sich die wohlverdiente Beute dann gutschmecken ließ. Haha!) Und wäre Gustav Seeger, des frommen und gottesfürchtigen Kossäten Sohn, für all die schlimmer: Beleidigungen, die er gegen die Justizverwaltung ausstieß, nach den Para­graphen des Strafgesetzbuches zur Rechenschaft gezogen worden, so hätte er gewiß eine ganze Weile hinter schwe­dischen Gardinen aus den Anblick seiner Braut Verzicht leisten müssen.

Nein, an Sympathien hatte Gottfried nach wie vor ! keinen Mangel. Doch er fühlte, daß er über das Un- ! recht, das ihm durch die unschuldige Verurteilung angetan worden war, nur durch eine klipp und klar gesetzliche Re­habilitierung hätte hinwegkommen können, daß er nun, wo aus'diese Rehabilitierung keine Hoffnung mehr bestand, nie, nie darüber hinwegkommen würde. Dann hatte er aber inzwischen auch von so vielen Unredlichkeiten und Schmutzereien, die in der Rodenauer Amtsverwaltung vorgingen, erfahren, daß, 'er sich, wie ein Ritter Georg auf 'den stampf mit dem Drachen, auf den Tag gefreut hatte, an den: er an des alten Brückner Stelle in die Ge­meindevertretung gewählt, der: eisernen Besen zur Aus­kehr schwingen wollte, bis den anderen im hohen Rat, die sich ihr Ehrenamt auf ihre Weise bezahlt zu mache:: wußten, Hören und Sehen verginge. Und dieser stolze Traum war nun mit in Nacht und Nebel versunken, konnte frühestens nach Verlauf von fünf Jahren Wirtlichkeit wer­den. Und wem erschienen nicht im sehnenden Ausblick auf eines heißen Wunsches Erfüllung fünf sich finster vor ihm hindehnende Jahre als eine Ewigkeit?

ß.ischen Regierungskreifen herrscht offenkundig der Irr­tum, daß die Bevölkerung nicht reif zur Selbstbestimmung ihrer Schicksale ist. Ausdrücklicher Spott aber in Form: einer Gesetzes Vorlage wäre so unklug und zugleich so schändlich,, daß dieser Vorwurf, für den die Beweise feh­len, nicht erhoben werden darf. Geben Vielleicht einzelne Junker durch ihren si ebermut Veranlassung zu aller­schärfster Gegenwehr, so soll man sie? herausgreifen und vor dem Richterstuhl des Volksurteils bloßstellen. 'Aber man soll nicht verallgemeinern und keine leiden­schaftlichen Schlagworte aufstellen, Hie bei ernster Nach­prüfung hinfällig werden. Man entwertet sonst die poli­tischen Kampfmittel, stumpft die Empfänglichkeit der Mas­sen ab und setzt an die Stelle von Volksbildung und Volks­ausklärung die gefährliche Entwickln:^ ausgestachelter und verwirrter politischer Leidenschaft.

Der schwere Ernst der Lage verlangt unter allen Um- stäriden den Verzicht aus'ein frevelhaftes Spiel mit dem Feuer, wohl aber die Zusammenfassung aller ehrlichen Willenskraft, frei von schwärmerischen, unnützen, gewaltsamen Redensarten, damit auf gesetzli­chem Wege, ohne Fehlschläge und ohne traurige Opfer der Fortschritt erreicht wird, den .alle freiheitlichen Volks­schichten ohne Ausnahem und ohne Nachgiebigkeit ver­lange::, und dessen Weiterausbau dann aus sich selbst he­raus zum Ziel emporwachsen wird. Wir sind bei diesem Kampf um die Straße zu einer politischen Zeitwende ge­kommen, bei der das Schicksal des Einzelnen mit der allge­meinen Wohlfahrt untrennbar verbunden ist. Desto mehr muß der Zusammenhang der Ereignisse ernst und gerecht von jedem durchdacht werden, der nicht pflichtver­gessen handeln will.

Aus dem Reichstag.

Das Kali-Gesetz.

Der Entwurf.eines Reichs-Kaligesetzes, wie er aus den Händen des Bundesrats hervorgegangen, wurde am Montag im Reichstage nicht von einem Reichsminister vertreten obwohl der Staatssekretär des Innern und frühere preußische Handelsminister Delbrück die Materie durchaus beherrscht, sondern von Herrn Delbrücks Nach­folger im Handelsministerium, dem früheren Reichsschatz­sekretär Sydow, der überhaupt für die preußisch-deut- sche Kaligesetzgebung verantwortlich zu zeichnen scheint.

Auch in anderer: Dingen schien es, als übten Men- - scheu oder Schickfalllücke wie er's nun nehmen wollte weiterhin Verrat an ihm. Die Holzabfuhr aus der königlichen Forst, deren Uebertragung ihm der Schneide­müller Gräbert in: Nachsommer durch den Mund des Onkels Jörg fest versprochen hatte, war ihm glatt ent­gangen und mit ihr der in Gedanken schon auf der Einnahmeseite seines Wirtschaftskontos gebuchte Verdienst von annähernd dreitausend Mark.

Der alte Brückner, der sich vor Geiz in der eigenen Haut verzehrte, hatte es durch Vermittlung seines ehe­maligen Familienstolzes, des jetzigen Volontärs und künftigen Kompagnons Gräberts, leicht gehabt, bem meist angesäuselten Schneidemüller den lohnenden Auftrag ab­zuschwatzen. Und wenn des Herrn Kriegerhauptmanns Gäule, die noch nie vor vielen Krippen Grund zum Ueber- mütigwerdeir gehabt, auch bald nicht viel mehr Fleisch aus'den Rippen hatten als ihr. Herr, so konnte dieser doch alle Sonnabend eine pralle Tasche voll klingenden Geldes einstreichen; und Geld besaß- nun einmal, wie überall in der Welt, so auch in Rodenau einen noch hö­heren Kurs als die felsenfesten Grundsätze von Treu und Glauben.

Selbstverständlich hatte der Doktorbauer den Ochneioe- müller, als er ihn gerade einmal nüchtern getroffen, We­ge:: seines Wortbruches zur Rede gestellt. Gräbert war auch sehr kleinlaut gewesen und hatte sich mit vielen Mor­ton umständlich entschuldigt. Wie aber hätte er anders handeln sollen? Waldemar Brückner ließe sich 'als Vo­lontär recht gut au und zeige vor allem einen sehr viel regeren Erwerbsgeist, sls man ihm früher, bei seinem gewaltsamen Hinarbeiten aus 'dendoppelten Leutnant", zngetraut hätte. Und sobald einer, wie eben er, Grä­bert, ansinge, alt und klapprig zu werden, so sei er natürlich froh, wenn er neben einem tüchtigen Beistand im ausgedehnten und noch innner wachsenden Betriebe seines Geschäfts schließlich noch einen ordentlichen Batzen Kapital als Entschädigung früherer Mühe und Sorge ein­heimsen könne.

(Fortsetzung folgt.)