diese Feststellungen ergeben ob wirklich die Kosten des Kanals und seines Betriebs und damit die n konäs psräu zu bringenden Opfer für Württemberg und Baden un­verhältnismäßig hoch sein würden und ob tatsächlich in dem Reichsgesetz Baden Garantien gegen eine Erhöhung der Abgaben und für deren Verwendung ausschließlich zur Entwicklung der Wasserstraßen des Rheins gewährt werden können. Weder Preußen noch Württemberg ha­ben einen Anlaß, zu wünschen, daß sich die gegensätzliche Stellung Badens versteife.

Es ist nie zu spät, Fehler zu vermeiden, die noch nicht gemacht sind und die ernste wirtschaftliche oder Politische Nachwirkungen leicht haben könnten. Freilich hat in der ganzen Frage der Schiffahrtsabgaben das, was man Staatskunst heißt, mannigfach gefehlt.

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Baven unv die Reckarkanalisation.

DieNeue Badische Laudeszeitung" gibt^ in einem Artikel, der sich mit der Neckarkanalisation und der Stellung der württ. Presse zu ihr beschäftigt, zu, dag es begreiflich sei, wenn Würt­temberg einiges Dtißtrauen gegen Baden auf Grund früherer Erfahrungen gehegt habe. Wer es sei doch wohl endlich an der Zeit, mit diesem Mißtrauen zu brechen, nachdem Württem­berg von Baden d^s Oefteren in der Presse sowohl, wie offi­ziös, darüber aufgeklärt worden sei, daß Baden eine Ver­ständigung wünsche. Diese liege ja schließlich auch in ureigenem Interesse Württembergs.

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Tie Haltung Bayerns.

Wie aus M ü nchen gemeldet wird, brachten in der bayeri­schen Abgeordnetenkammer gelegentlich der Etatsberatung ver­schiedene Abgeordnete die Frage der schisfahrtsabgaben auf den kanalisierten Strömen zur Sprache und äußerten sich meist zustimmend zu dem Borgehen der bayerischen Regierung. Nur Dr. Ouidde vermißte in der Haltung der preußischen Re­gierung die Bnndessreundlichkeit und gab der Hoffnung Aus­druck, daß eine Gemeinschaft der süddeutschen Staaten zur Re­gelung der Frage zustandekomme. Minister o. Frauen- dorfer betonte, die bayerische Regierung habe sich nicht der Notwendigkeit verschlossen, daß die Lage der Finanzen dazu zwinge, einen weiteren Ausbau der Wasserstraßen von der Heranzieh­ung der Interessenten abhängig zu machen. Ein diesbezüglicher preußischer Vorschlag sei ein wirtschaftliches Programm gewesen, das die Fortführung der Wasserstraßen nach dem Süden Deutsch­lands sicher stellte und chaS für leicht zu tragende Zuschläge große wirtschaftliche Vorteile biete. Bayern werde auch in Zukunft feinen ganzen Einfluß ausübeu, um die Lösung der Frage guf der Grundlage des- preußischen Entwurfs baldigst herbei- zuführeu. Der Minister wandte sich namentlich gegen den Borwnrf, als ob Preußen nicht bundessreundlich gehandelt habe. Das widerlegten schon dke oben angeführten Gründe. Preußen habe sich durchaus bnndesfpenndlich gezeigt. lieber die Denk­schriften von Baden und Sachsen wolle er sich nicht näher äußer». Beide Staaten glaubten ihren Standpunkt nachdrück- lichst vertreten zu müssen. Es stehe ihnen das Recht dazu zu, wie auch wir unseren Interessen entsprechend unseren Stand­punkt nachdrücklich zur Geltung gebracht haben und zur Gelt­ung bringen werden.

Rundschau.

Ter neue Lohntarif für das Malergewevbe

ist am Samstag in Berlin durch, Fällung der Schieds­sprüche vor denr Gewerbagericht festgelegt worden. Tie Arbeitszeit soll dort, wo sie mehr als kO Stunden be­trägt ans 10 Stunden herabgesetzt werden. Tie Löhne wer.B n um 3 Pfg. pro Stunde erhöht, und zwar sofort um 2 Pfg. und am l. Januar 1011 um einen weiteren Pfennig. Torc, wo seit 4 Jahren keine Lohnerhöhungen eingetre­ten sind, soll die volle Erhöhung um 3 Pfg. sofort ln Kraft treten. Als Ausgleich für die durch den Reichs-

Völker-Evangel um

von Otto Um frid.

(Fortsetzung.)

Wir wollen uns auch nicht dabei aufhalten, die Menschen und Gcldopser zusammenzuzählen, welche die Kriege gekostet, haben. Ein englischer Mathematiker hat berechnet, daß vom Jahr 1200 vor Ehr. Geb. bis Zur Neuzeit 696 Millionen Menschen durch Kriege nmgekommen sind. Der Mathematiker Flam- merion aber hat ausgerechnet, daß seit dem Anfang unserer europäisch-asiatischen' Geschichte etwa 1200 Millionen Menschen im Krieg gefalleg sind. Da jedes Jahrhundert 36525 Tage zählt, so müßte man, um in dieser Zeit 40 Millionen Menschen zu vernichten, tagtäglich ohne Unterbrechung ungefähr 1100 Men­schenleben zerstören, was ungefähr den Tod eures Menschen in der Minute bedeutet. Was die .Kosten anbelangt, so haben allein die Kriege von 185278 24 427 000 000 Mark gekostet.

Aber das wollen wir zeigen, daß der Krieg eine Verneinung des Höchsten ist, was der Bürger des zwanzigsten Jahrhunderts kennt, eine Verneinung der Kultur. Oder ist es nicht so? Die Kultur ist ausbauend, der Krieg zerstörend. Wie kompliziert das Räderwerk unserer Kultur ist, das kann man sich auf un­seren Ausstellungen zu Gemüte führen. Alle die Zauberwerke aber, die von einer mit Wissenschaft und Kunst verbündeten Technik beschaffen werden, sie sind im Krieg barbarischer Zer­störung prcisgegeben. Wir bauen Brücken, die Soldaten brechen sie ab: wir errichten Türme, die Soldaten sprengen sie in die Luft: wir stellen feingegliederte Maschinen auf, da fährt eine Bombe in die Fabrik und alles wird vernichtet: wir kon­struieren schwimmende Paläste und die feindliche Marine versenkt sie. Die Kultur ist ferner nur denkbar unter Voraus­setzung eines Rechtszustands, der seinerseits mit dem Frieden niilluflöslikh verbunden ist. Im Kriege ist jedes Recht so gut wie vogelfrei. Im Frieden pflegt man sein Recht vor Gericht zu suchen, und je gesitteter man ist, um so ruhiger pflegt man es zu vertreten; nur ungebildete Menschen pflegen sich zu prü­geln; im Kriege sucht man sein wirkliches oder vermeintliches Recht mit gepanzerter Faust sich selbst zu verschaffen, und merkt immer noch nicht, wie sehr man dadurch jeden wahren Rechts­gedanken im Grundsatz verneint. Im Frieden besteht das Recht des Privateigentums, im Krieg holt man-dem Bauern die letzte Kuh aus dem Stall und dem Bürger das letzte Geld aus der Tasche. Jetzt fahren unsere Kauffahrteischiffe ungefährdet über den Ozean; im Kriege wird keines sicher sein, ob es den Hasen erreicht oder nicht, vielmehr unterwegs von einem feindlichen Torpedo in den Grund gebohrt wird. Im Frieden kennen wir ein Strafgesetzbuch, das Mord und Totschlag mit strengen Strafen bedroht; im Krieg wird der als Help gepriesen, der möglichst viel Menschen aus dem Wege räumt. Die Kultur ist nur zu denken unter Voraussetzung der Zusammengehörigkeit der Völker; aber wo bleibt im Krieg die natürliche Verbindung zwischen den Nationen? Heute noch weben die seidenen Bande der Liebe von einem Volk zum andern herüber und hinüber; die eisernen Schienenstränge spannen sich wie sehnende Arme von einem Land zum andern; das Telegraphen- und Telephonnetz vermittelt Hie ein seingegliedertes Nervensystem die Empfind­ungen, die in den Zentren der Kultur sich finden bis hinaus in die äußerste Peripherie. Run kommt der Krieg: die Schienen werden aufgerissen, die Drähte äbgeschnitten, dis seidenen Bande zerstücks - . .

Es ist nicht zu leugnen, daß die europäische Kultur aus christlicher Grundlage beruht. Aber welch ein Gewissenswider- spruch, der zwischen Christentum und Krieg besteht! Das Chri-

tarft hervorgerilfenen Lohuausfülle wird außerdem der Lohn in Berlin um 2 Pfg., pro Stunde und in allen üb­rigen, von einem Ausfall betroffenen Orten um 1 Pfg. er­höht. Bis zum 15. Januar müssen Arbeitgeber und Ar­beitnehmer eine Entscheidung über Annahme oder Ab­lehnung des Schiedsspruch fallen. Es ist zu hoffen, daß der Schiedsspruch im Reich, und insbesondere in W ü r t- temberg allseitige Annahme findet, so daß folgenschwere Tariftämpfe vermieden werden.

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Ein Reichstagskandivat tvidcr Willen.

Im Wahlkreis Mühlheim-W-ipperfürth-Gnmmelsbach ist durch den Tod^es Zemrumsabgeordneten de Witt eine Reichstagsersatzwähl erforderlich geworden.- Tc Wit ist 1007 mit 10 058 gegen 11218 nationalliberale und 8538 sozialdemokratische Stimmen gewählt worden. Zentrum, Nationalliberale pnd Sozialdemokratie haben auch für die Ersatzwahl wieder Kandidaten ansgestellt. Im Wahlkampf hat das Zentrum unerwartete Unterstützung durch die Aus­stellung einer christlich-sozialen Kandidatur bekommen. Christlich-soziale und Bündler hoffen, dadurch dem na­tionalliberalen Kandidaten, Rechtsanwalt Tr. Falk-Köln, soviel Trimmen zu entziehen, daß anstatt des National- liberalen der Sozialdemokrat in die Stichwahl mit dem Zentrumskandidaten kommt. Tann hätte das Zentrum für die Stichwahl bessere Aussichten, als wenn ihm der Nationalliberale in der Stichwahl gegenüberstehen wurde. Das ist der Tank für die Wahlhilfe des Zentrums in an­deren westdeutschen Wahlkreisen, in denen die Christlich­sozialen ohne die Unterstützung des Zentrums nicht ein Mandat bekommen würden. Nun wird aber bekannt, daß der christlich-soziale Kandidat Pastor Hoemann wider seinen Willen ausgestellt wurde. Er tritt selbst offen gegen seine Sonderkandidatur auf ünd erklärt, er werde an Versammlungen der Christlich-sozialen nichr mittun.

Tages-Chronik.

Berlin, 10. Jan. Die Verhandlungen wegen Ankaufs des Luftschiffs P. 3 durch die Militärverwaltung stehen unmittel­bar vor dem Abschluß. Der Kaufpreis soll 270 000 Mark be­tragen. Beim Abschluß der Verhandlungen wird im allgemeinen berücksichtigt, daß die Ballonhülle durch die zahlreichen Probe­fahrten etwas verbraucht ist und nach dem Ankauf erneuert werden muß. Die Kosten der neuen Hülle schätzt man auf 70 000 Mark.

Stratzburg, 10. Jan. Wie das W. B. vernimmt, hat der kaiserl. Statthalter an den Bischof vvn Straßbnrg ein -schreiben gerichtet, in dem er gegenüber dem Antwortschreiben Stellung nimmt, welches der Bischof unter dem 4. d. in Be­treff der Frage des Beitritts der elsaß-lothringischen katho­lischen Bolksschullehrer zum deutschen Lehrerverein dem Staats­sekretär übersandt hat.

London, 1l. Jan. Der Köni g Unterzeichnete gestern Nach­mittag im Ministerrat, der im Buckingham-Palast stattfand, die Proklamation, durch die das P a rlament formell aufge­löst wird. Das neue Parlament wird am 15. Februar zu­sammentreten.

- Aus Württemberg.

Dienstnachrichten.

Die Postgehilsin Herinine Stoz beim Telegraphenamt Stutt­gart ist ans Ansuchen in den Ruhestand versetzt worden.

steutum, die Religion der iLebe, der Krieg Mord und Brand, Blut und Feuer. Das Christentum predigt den Gott der Liebe, und wir bitten ihn, er möge uns helfen, unsereFeinde" zu erschlagen! Das Christentum erstrebt den Bruderbund der Men­schen, und wir stoßen unfernBrüdern" das Schwert in den Leib! An Weihnachten klingens die Glocken, tönens die Orgeln, predigen« die Pfarrer:Frieden auf Erden!" und daneben stehen sich die Heere kampsgerüstet auf blutigem Schneefeld gegenüber! Welch ein Widerspruch aus dein Gebiet der Schule! Ju der Religiousstunde Hörens die Kinder, daß es das ärgste Verbreche» sei, Menschen zu töteil, und in der Geschichtsstnnde werden die Gewalttäter als die größten Helden gefeiert! Wem aber aber dieser Widerspruch aufs -Gewissen fällt, wer sein Vaterland liebt und die Menschheit, wer sich nach dep Erlösung von dem Fluch des Brudermords sehnt, der kann nicht anders als mit- einstimmen in den Kampfesruf der Friedenswehr:Dem Kriege Krieg!"

Es muß ein Stück mittelalterlicher Unkultur nach dem an­dern fallen. Als Per edle Wilberforce durch eine große Rede im englischen Parlament die Abschaffung der Sklaverei auf den westindischen Inseln erreicht hatte, fragte er, während er die Stufen herabschritt:Was gibts jetzt abzuschafsen?" Man hätte ihm erwidern können:Jetzt gehts dem Kriegsgott an den Hals; er hat den Sturz schon längst verdient!"

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Aber merkwürdig, auch die Gegner der Friedensbewegung behaupten, sie lieben das Vaterland und den Frieden und die Kultur. Wenn man aber diese Güter erhalten wolle, so gebe es nur ein brauchbares Mittel und das sei die Rüstung. Was halten wir davon? Es ist gut, auch den Gegnern gerecht zu werden und das Korn der Wahrheit herauszusinden, das in ihrem Irrtum steckt. Und so stehen die Friedensfreunde nicht an, zuzugeben: .so lang der Kriegszustand noch fortbesteht, so lang ist die rLin zur Verteidigung angelegte Rüstung berechtigt; denn sie ergibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß leichtfertige Angriffe unterlassen werden, und im Fall des Angriffs eine gewisse Möglichkeit des Siegs. Weil die Friedensfreunde das zugeben, so sind sie keine Antimilitaristen wie Herws und un­terscheiden sich auch von dem russischen Grasen Tolstoi, der die Rekruten cmffordert, ihre Dienstpflicht zu verweigern. Die Friedensgesellschaften haben das nie getan; sie haben auch nie daran gedacht, ihr Vaterland zu einer einseitigen Abrüstung zu bewegen. Sie haben sogar gelernt, daß man selbst mit einer internationalen Uebereinkunft betreffs der Abrüstung nicht beginnen darf. Man kann das Haus nicht mit dem Dach anfangen zu bauen. Man muß den Giftbaum nicht bloß be­schneiden, sondern ihn an der Wurzel fassen und ansreißen. Die Wurzel aber ist die internationale Unordnung, das inter­nationale Faustrecht unter dem die gesittetsten Völker bis zum heutigen Tag zu leiden haben. Die bis aufs äußerste gesteigerten Rüstungen aber zeigen uns, wie unnormal die Zustände sind, in denen wir leben. Es ind doch keinekorrekte Beziehungen", wenn ich neben einem Nachbar sitze und ich lege einen Revolver anf den Tisch; er tut desgleichen; ich lad« eine Kugel; er zwei; ich drei, er vier u. s. f. Und ans solche Weise meint man den Frieden auf menschenwürdige Weise zu erhalten? Die Gegner der Friedensfreunde deklamieren:Ein starkes Heer und eine starke Flotte verbürgen uns den Frieden oder im Fall des Kriegs den Sieg." Wer so sagt, nimmt den Mund zu voll. Die russen waren vor dem ostasiatischen Krieg auch gerüstet und der Friede ist ihnen nicht erhalten geblieben und der Sieg ist ihnen nicht zugesalle». Um aber die Wahrscheinlichkeit der Friedenserhaltnng oder der siegreichen Ausfechtuug des etwai-

Die Zeppelingesellschaft teilt mit: Seitdem in Frankfurt die deutsche Lnftschiffahrts-Aktiengesellschaft ge­gründet wurde und seitdem wegen der Errichtung von Luft- schiffhallcn in bestimmten einzelnen Städten seitens dieser Gesellschaft Unterhandlungen angeknüpft wurden, sind mehrfach von dritter Seite Versuche geinacht worden, eine große allgemeine Bewegung znm Zweck von Hallenb-anten zu entfachen und fast beliebige, selbst kleinste Kommunen zur Errichtung von Luftschisfstationen oder zur .Hergabe voll Gelände für solche zu ermuntern. Uni einer dadurch eingerretenen Verwirrung, die sich uns in vielfachen Zu­schriften offenbart, entgegenzntreten, erklären wir wieder­holt, daß der Luftschiffbau Zeppelin G. m. b. H. oder die ihm nahestehende deutsche Luftschiffahr^-dtktiengesellschast diesen Versuchen fernsteht. Die deutsche Luftschifsahrts- Nkiiengesellschast wird klar und schrittmäßig bei der An­legung von Lnftschiffstationen Vorgehen, wie die künftigen Erfahrungen der Praxis und wie die allmähliche Organi­sation ihrer Fahrtveranstaltungen es mit sich bringen. Sie wird also sozusagen Betriebsluftschisfe gleich für die Hätten, wo diese entstehen sollen, mitbringen. Was in dieser Beziehung von ariderer Seite, was insbesondere von einemKomitee zur Errichtung von Luftschiffstalionen im Reiche", das neuerdings in Frankfurt sich konstituierte, ge­boren und geplant wird, vermögen wir nicht zu erkennen. Wir können uns jedenfalls aber nicht denken, daß das Vor- . gehen eines solchen Komitees im allgemeinen Jntexesse liege, solange es nicht eine kapitalkräftige Betriebsgesell­schaft hinter sich hat, die einen Luftverkehr in die geplanten Hallen zu leiten irr der Lage ist.

Der Oberbürgermeister von Reutlingen und die Gemeindewahlen. Es wird uns geschrieben: Ein recht eigentümliches Verhalten leistete sich Oberbürgermei­ster Hepp von Reutlingen aus .Anlaß der Einführung der neugewählten Gemeinderatsmitglieder. Er, der schon früher in einer öffentlichen Versammlung unzweideutig znm Ausdruck brachte, daß er sich mit der Abschaffung der Lebenslänglichkelt der Ortsvorsteher absolut nicht ein­verstanden erklären könne, hat nun auch- in ungeniertester Weise seine Kritik an der von der Regierung und -den Ständen in mühevoller Arbeit zustandegekommenen Ge- meindeordnung geübt. Nach der amtlichenSchw. Kreis­zeitung" führte er u. a. pns, daß das Kumulieren beinahe etwas unmoralisches an sich habe und daß es eigentlich ein Umding sei, einem Kandidaten mehr als eine Stimme zu -geben. Das neue Wahlsystem sei so recht eiu System, um mit Goethe zu reden,auser­lesen z u'm Kuppler- und Zigeunerwese n". Es ist bis jetzt weder üblich gewesen, noch scheint es wünschens­wert, daß sich der Vorsitzende des Gemeinderats in die Wahlen znm Gemeinderat mischt oder das von berufenster Seite -geregelte Wahlversahren einer absprech-enden Kri­tik unterzieht; wenn es trotzdem und dazu noch in einer derartigen Form geschieht, so zeugt es eben wie so man­ches in Reutlingen von dem Gefühl einer Alleinherrschaft, die andere Meinungen neben sich nicht auskommen lassen will. Wie .Herr Hepp im übrigen die freie politische Be­tätigung der Bürgerschaft bewertet, das zeigt eine andere seiner Aeußernngen, wonach allerhand Anze'chen dafür sprechen, als wollten Eigennutz, Ehrsucht und die Sucht nach Unfrieden sich in Reutlingen zu treibenden Kräften ausgestatien. Ein Vorwurf, der mit keinerlei Begründ­ung belegt wird und der nur in dem Umstand seine Ur­sache haben kann, daß eben nicht alles mehr nach dem l persönlichen Wunsche des .Herrn Oberbürgermeisters geht.

gen Kriegs zu erhöhen, sucht man die Rüstung ans die höchst­mögliche Stufe zu steigern.

Das führt uns auf die Steigerung der Rüstung, die unseres Erachtens am besten dazu geeignet ist, das Unvernünftige der ganzen Sache zu enthüllen. Wie rasch die sogenannteVer­besserung der Kriegsmaschinen steigt, das geht aus der einfachen Tatsache hervor, haß die heutigen Gewehre 13mal wirksam er­find als das deutsche Gewehr von 1870 und daß z. B. die heutige französische Artillerie 230mal leistungssähiger ist als die des Jahres 1870. Mit all dem aber kommt man nicht znm Ziel. Man hofft, durch die Anschaffung des neuesten Ge- wehrmodells, der neuesten Schuellfeuergeschiitze, der neuesten Panzerschiffe den Gegner, der einen Vorsprung hat, einznholen oder zu überholen, und muß regelmäßig erfahren, daß das vergebliche Liebesmühe ist; denn während wir mit unserer Neu- bewaffnuug beginnen, hat der - Gegner die seinige gewöhnlich schon durchgeführt. Aber auch angenommen, wir hätten im Jahr 1907 die beste Artillerie der Welt, so wird unser Gegner im Jahr 1909, vorausgesetzt, daß die Erfindungen auf diesem Gebiet ihren Fortgang nehmen, und wer will sie aushälten? . eine noch bessere haben, und dann muß der Tanz Vvn neuoin beginnen. Am lehrreichsten in dieser Hinsicht sind die Marinernstnngen. Als man damit anfing, die Schiffe zu pan­zern, -begann man andererseits die Schiffsgeschütze so zu ver­stärken, daß die Geschosse die Panzer durchschlagen konnten. Dadurch wurden die Kriegsschiffe genötigt, sich einen stärkeren Panzer anzulegen; die Kanonenfabrikanten aber gaben ihren Geschossen noch größere Durchschlagskraft. Der Wettkampf zwi­schen Panzer und Geschoß ist bis zum heutigen Tag zu keinem Abschluß gekommen. 'Nun wurden die Torpedos erfunden, die wie heimtückische Dolche dem Kriegsschiff von unten her in den Rumpf fahren. Um diese Höllenmaschinen unschädlich zu machen, umgaben sich die Kriegsschiffe mit .Stahlnetzen; um die Stahlnetze zu zerschneiden, wurden die Torpedos vorne mit einer Art Schsere versehen. Um den Kriegsschiffen trotzdem einen Vorteil zu wahren, wurden Torpedobpotsjäger vom Sta­pel gelassen und die Schiffe operierten mit elektrischen Schein­werfern gegen diese Bravos ans dem Gebiete des Seekampses. Und noch war dieser rasende Wettlaus nicht zu Ende. Um dem feindlichen Kriegsschiff unvermerkt den Todesstoß geben zu können, erfand man die Unterseeboote und die schwimmenden Minen. Wer weiß, was nachsolgt? Die Schiffe selbst aber veralten in unglaublich schneller Zeit. Schiffe mit einer Was­serverdrängung von 14 000 Tonnen galten edie Zeitlang als gewaltigste Kriegswerkzeuge. Wenige Jahre genügten, um sie als völlig überholt erscheinen zu lassen. Es wurden Panzer von 18 000 Tonnen konstruiert. Kaum waren sie auf der Bildsläche erschienen, so begann man -auf der englischen Marine die Dreadnongths mit 22 000 Tonnen zu erbauen. Durch jede derartige Neuerung werden ganze Flotten, die nach dem alten System hergestellt-sind, zum alten Eisen geworfen; die Millio­nen, die dafür ansgegeben wurden, sind tatsächlich ins Meer geschleudetl. Und nun wird auch die ganze bisherige Ent­wicklung mit einem Schlag wieder in Frage gestellt. Kaum ist das lenkbare Luftschiff erfunden, so wird es in den Dienst der Kriegsrüstung genommen und im Bereich der Möglichkeit erscheint die Luftkriegsflotte, die aus einer für jede Land- und Seekanone unerreichbaren Höhe Explosivstoffe ans Heere und Schiffe, auf Städte und Festungen -des feindlichen Landes herab­wirft und dadurch den ganzen ungeheuren Rüstungsauswand wert­los macht. Ist dadurch nicht die Unvernunft der ganzen Sache in das hellste Licht gesetzt." Sollte es denn nicht endlich auch dem Blinden «inleuchten, daß es so nicht weiiergehen kann?

F»rtsetzung folgt.