Ministerien stuttgesunde» Hobe. Bei Art. 8 stellt« der Abg.

Nras-Stuttgart den Antrag, Art. 8 Abs. 3 betr. die Neu­redaktion des Beamtengesetzes zu streichen und die Staats­regierung zu ersuchen, vor einer Neuredaktion des.Beamten- gesetzes die Vorlage eines Gesetzentwurfes an die Stände in tzrnmgung zu ziehen, in dem Bestimmungen getroffen werden:

1 ) über die Schaffung von Beamtenausschüssen, 2) über das Recht der Beamten, gegen ungünstige Qualisikationsberichte sich rechtfertigen zu können, und in dem 3) eine Revision der be­stehenden Disziplinarvorschriften vorgenvmmen wird." Im Laufe der Debatte wurde der Antrag dahin abgeändert: Die Schaffung von Beamtenausschüssen und die Revision des Dis- zjplinarrechts in Erwägung zu ziehen (unabhängig von der Frage der Neuredaktion des Beamtengesetzes) und in das Be­amtengesetz einen Artikel des Inhalts aufzunehmen: Dem Be­amten ist von ungünstigen Führungsberichten Kenntnis zu ge­ben. Gegen solche ist Beschwerde zulässig. Der letztere An­trag wurde von verschiedenen Mitgliedern als zu weitgehend bezeichnet und zumal vom Finanzminister bekämpft. Der Borsitzende v. Kiene beantragte einen Artikel des Inhalts: Dem Beamten ist von dienstlichen Berichten über einzelne tat­sächliche Verfehlungen Kenntnis und Gelegenheit zur Recht- sertigung zu geben. Der Abg. Re mb old beantragte eine Bestimmung: Dem Beamten ist von Führungsberichten soweit zN Zugunsten seiner Beurteilung dienliche Tatsachen geltend ge­macht werden, Kenntnis zu geben. Der Abg. Graf zog seine» Antrag zurück. Dr. Lindemann beantragte: Die Regierung zu er­suchen, in Erwägung zu ziehen, in welcher Weise ganzen Grup­pen von Staatsbeamten die geordnete Geltendmachung ge­meinsamer Wünsche und Beschwerden zur Verbesserung ihrer dienstlichen Verhältnisse gesetzlich sicher gestellt werden kann.

Auch ein Kapitel Zur geistlichen Schulaus- sicht. Vom Oberland wird demBeobachter" geschrie­ben: Durch Zufall ist uns ein Matt aus dem offenbar für den Religionsunterricht bestimmten Schreibheft einer etwa 12 Jahre alten Volksschülerin in die Hand gekom­men, dessen Inhalt wir getreu nach dem Original (auch mit dessen Fehlern) hier wiedergeben wollen mit dem Bemer­ken, daß das Blatt aus der neuesten Zeit stammt und War­ans einer städtischen, nicht etwa aus einer Dorfschule. Der Inhalt des Blattes lautet:

Unter welchen Bedingungen gestattet die k. Kirche die ge­mischten Ehen? 1. den katl. Teil muß die ungehinderte Ret. zugesichert sein. 2. Die Trauung darf nur in der k. Kirche Statt finnden. 3. Alle Kinder müssen in Römisch katolisch Kirche getauft und erzogen werden. 6. Warum versündig ein tätig schwer, wenn er diese Bedinngnngen nicht erfüllt? 1. Weil er seine glauben verleugnet; 2. weil er seinen Kindern das kostb. Gut des Glaubens raubt. 3. Weil er seinen mit Christen scheres Aergernis gibt 7. Welche ist die Folge dieser schwere» versindigung wer eine solche Ehe eigehen kann, die hl. Sackra­mente nicht mehr empfangen.

Soweit das Blatt. Angesichts dieser Leistung muß man doch fragen: Ist diese Art vonReligionsunter­richt" geeignet, den Kindern die Lehre Christi zu vermit­teln? Ist es wirklich Notwendig, daß schon die Kinder auf'den -konfessionellen Kriegsschauplatz geführt werden? Ware es nicht Weckmäßiger, wenn die Zeit, die Nötig ist, den Kindern dieseReligion" einzuttichtern, verwen­det würde zum Unterricht in der deutschen Sprache? Wenn auch die Niederschrift nach einem Diktat geschehen zu sein scheint, so sollten auch in einem solchen keine so groben Fehler und in solcher Zahl zu finden sein. Bei Beratung des Volksschulgesetzes spielte die Frage, ob die Beaufsichtigung des Religionsunterrichts durch staatliche oder durch kirchliche Organe geschehen solle, keine kleine Rolle. Wenn der Religionsunterricht aber überall nach dem obigen Muster erteilt wird, und das wird wohl der Fall sein, so hätte doch der Staat im Interesse des kon­fessionellen Friedens allen Anlaß, das Heft fest in die Hand zu nehmen und den gesamten Unterricht zu be­aufsichtigen.

Die Fischer-Pankok-Affäre erledigt. Der

Staatsanzeiger «schreibt: Gegenüber dem ArtikelZum Weggang des Professors Pankok" sind wir zu folgender Erklärung ermächtigt:Herr Professor Dr. Theodor Fi­scher in München hat sich niemals, weder mittelbar noch unmittelbar um Erteilung des Bauauftrags zu dem auf dem alten Theaterplatz zu errichtenden '«Ausstellungs-Ge­bäude beworben, noch sonst irgend welche dahin gehende Schritte getan, vielmehr ist dieser Auftrag ihm, als der zur Lösung der gestellten Aufgaben wohl berufensten Per­sönlichkeit aus eigener Md freier Entschließung Seiner Majestät des Königs -erteilt worden. Nachdem bekannt wurde, daß auch Herr Professor Pankok einen vollständigen Entwurf äusgearbeitet habe, ist dieser mit Zustimmung von Professor Dr. Fischer gleichfalls an Allerhöchster Stelle vvMlegt und dort eingesehen worden. Seine Königliche Majestät Hit aber an der ersten Entschließung festgehalten, wovon Herr Professor -Pankok Mitteilung erhielt. Daß Herr Professor Pankok, dessen Verdienste und Leistungen bekanntlich auf einem anderen Gebiete als dem der mo­numentalen Baukunst liegen, worin er sich unseres Wissens überhaupt noch nicht bestätigt hat, sich durch die Erteilung des Bauauftrages an Professor >Tr. Fischer mit Recht beleidig: und zurückgesetzt fühlen könnte, war um so we­niger anzunehmen, geschweige denn gewollt, als von Anfang an die bestand, ihn an der Innenausstatt­

ung des Gebäudes in «erster Linie zu beteiligen. Herr Professor Dr. Fischer hat sich hi-emit ausdrücklich einver­standen erklärt und Herr Professor Pankok hiervon in Kenntnis -gesetzt worden."

Württ. Industrie-Verband und amerikanischer Zoll­tarif. Der Württ. Industrie-Verband hat an die am Export nach Amerika beteiligten Industriellen des Landes eine Um­frage gerichtet, um die Wirkungen des neuen amerikanischen Zolltarifs auf die württembergische Industrie festzustcllen. Der Verband weist darauf hin, daß der Paynetarif abgesehen von wenigen Zollermäßigungen auf Waren, die für die Aus­fuhr kaum in Betracht kommen ziemlich erhebliche Zoll­erhöhungen enthalte. Diese sollen nach den Bestimm­ungen des Gesetzes wom 31. März 1910 ab sogar noch in der Weise verschärft werden, daß bei allen zollpflichtigen Wa­ren ein Zuschlag von 25 Proz. des Wertes gefordert werde. Der Zuschlag gelange nur dann nicht zur Erhöhung,

« wenn nach Ueberzeugnng des Präsidenten der Bereinigten Staa­ten amerikanische Erzeugnisse in den Ländern, aus denen Wa-

) ren zur Einfuhr nach Amerika gelangen, keiner ungebührlichen

l Differenzierung unterzogen werden. Als weitere einschneidende Bestimmung des neuen Tarifs wird in dem Rundschreiben noch

- hervorgehoben, daß nach Abschnitt 7 des amerikanischen Zoll-

- tarifgesetzes nicht mehr wie bisher nur die Verpackung, son­dern die einzelnen Waren in leserlicher englischer Schrift

!! mit einer Ursprungsbezeichnung versehen werden müs-

- sm. Da auch die württembergische Industrie, deren allseitige Vertretung der Verband sich zur Aufgabe gemacht

habe, an den Handelsbeziehungen mit den Vereinigten Staaten in höchstem Matze interessiert sei, erscheine es dringend erfor­derlich, daß sich auch die württembergischen Industriellen zu der Frage äußerten und ihre Erfahrungen und Wünsche dem Württ. Industrie-Verband übermittelten, der sie an geeigneter Stelle zum Vortrag bringen und tunliW unterstützen werde.

Stuttgart, 20. Nov. Tier B olksverein Mt- Stuttgart und die Junge Volkspartei Stuttgart beschäftigten sich gestern abend mit der Aufstellung der Kandidaten zur Gemeinderatswahl. Von den insgesamt zu ernennenden Kandidaten stellt der Volks­verein Alt-Stuttgart vier. Es wurden gewählt: Wein­gärtner Eberhard Krämer, Mittelschnllehrer, Land­tagsabgeordneter Löchner, der bisherige Gemeinderat Fischer wird einmal kumuliert. - Im Anschluß an diese Wahl sprach Gemeinderat Dir. Reis über die Po­litik der Volkspartei Ms jdem Rathaus.

Stuttgart, 19. Nov. Der König hat auf die Nachricht von der Beschleunigung her Entrichtung des städtischen Beitrages für das Schauspielhaus an Ober­bürgermeister von Gauß folgendes Telegramm gerichtet: Eben kommt zu meiner Kenntnis der gestern von den bür­gerlichen Kollegien gefaßte, großherzige Beschluß bezüglich des zu erbauenden Schauspielhauses. Ich kann mir nicht versagen, Ihnen gegenüber Meiner großen Freude und meiner warmen Dankbarkeit Ausdruck zu geben über diese für das Kunstleben unserer Stadt so wichtige und bedeut­same Entscheidung, dessen Hebung mir so sehr am Herzen liegt. Wilhelm."

Gmünd, 18. Nov. In her heutigen Sitzung der bürgerlichen Kollegien wurde festgestellt, daß das städtische Hospital, das seither sein Defizit immer aus eigenen Nest- mitteln decken konnte, eines städt. Zuschusses in der Höhe von 19000 M bedarf. Es ist das auf die niedrigen Ver­pflegungssätze -zurückznführen, die bis 1. Januar 1909 bestanden haben. Erst von diesem Zeitpunkt an wurde zu einer mäßigen «Erhöhung geschritten, um einigerma­ßen die Selbstkosten der Krankenpflege zu decken. Der Stadtvorstand gab gestern auf das Verlangen vom Bür- geransschußmitglied Lachenmaier, der für das Wohl der Krankenkassen energisch- eintrat, die Zusicherung, Mit den Verpflegungssätzen herunterzugehen, sobald man dies könne.

Alm, 19. Nov. «Tie Gemeindekollegien setzten ge­stern für die ständigen städtischen Arbeiter eine Lohn- nnd Arbeitsordnung fest, die den Arbeitern eine gewisse Beamtenstellung zur Stadt einränmt, eine wicht unbeträchtliche Lohnerhöhung bringt und das Verhältnis der Arbeiter zu den Leitern der einzelnen Betriebe einheit­licher regelt. Von Seite der in den Kollegien vertretenen Sozialdemokraten und eines Vertreters des Zentrums wa­ren zu den Vorschlägen des sozialen Ausschusses eine Reihe von ziemlich weitgehenden «Abänderungen bean­tragt worden, die aber gegen eine geringe Minderheit meist abgelehni wurden. So wurde die Einführung der ltt/z- stündig-en Arbeitszeit abgelehnt und der Vorschlag «einer zehnstündigen anfrechterhalten, der Antrag auf Einführung des Taglohns abgelehnt und der Stundenlohn beibehal­ten. Die Löhne dagegen wurden derart erhöht, daß die jetzigen Höchstlöhne künftig Pie Mindestlöhne bilden mit Borrücken um zehn Pfennig pro Arbeitstag nach je zwei Jahren. An den bürgerlichen Feiertagen im «Dezember und Januar sowie am Karfreitag und Ostermontag wird freigegeben und die Hälfte des Taglohns bezahlt, bei mi­litärischen Einberufungen wird der Familie auf fünf Wo­chen ein Zuschuß gewährt, ebenso beim Tod des Ernährers, Hpd schließlich erhalten die städtischen Arbeiter je nach dem Lebensalter drei bis sieben Tage Urlaub bei Fortge- währung des Lohnes. Zur Vertretung von Wünschen und Beschwerden wurde den Arbeitern auch ein Arbeiteraus- jch- KUgestanden.

Nah und Fern.

Ei« Nachspiel zum Krankfurter Sängerwettstreit.

Der letzte Frankfurter Gesangswettstreit dürfte noch ?in übles Nachspiel haben, da, wie der bekannte Musikkritiker Karl Wolfs erklärt, heute noch auf Ansuchen eines hohen Regieruugsbeamten Material gegen die Bonner L i ed er ta fe l gesucht wird, die bekanntlich den zweiten Preis beim 3. Kaiserpreissingen in Frankfurt erhalten hat. Der Lie­dertafel wird der Vorwurf gemacht, daß sie in einer den Be­stimmungen zuwiderlaufenden Weise ihre Sängerzahl durch bezahlte fremde Sänger bedeutend ver­stärkt habe. Je nach dem Ausfall der Untersuchungen, der übrigens heute schon nicht zweifelhaft erscheine, dürfte eine Revision des Urteils der Preisrichter über den Bonner Verein nicht ausgeschlossen sein.

Ei« siebenfacher Mord.

Aus Ploschen wird vom 18. gemeldet: In der ver­gangenen Nacht sind in einem Gehöft in Boguslawitsch nahe der russischen Grenze zwei Männer und eine Frau und vier Kinder anscheinend durch Axthiebe ermordet worden.

Kleine Nachrichten.

In Steinbach bei Backnang ist eine bei Verwandten auf Besuch weilende ältere Frau aus Lautern am Dienstag abend infolge eines Schlaganfalls die Treppe hinuntergestürzt. Sie hat sich dabei so schwere Verletzungen zugezogen, daß sie am andern Tag verschied.

Ans Pleidelsheim OA. Marbach wird berichtet: Nach Beendigung der Arbeit wollte der Bauer Wilhelm Sulzber­ger hier im Stall seinem Pferd wieder das Geschirr ab­nehmen, als dieses plötzlich ausschlug und denselben dermaßen gegen das Kinn traf, daß solches total zersplitterte. Außerdem wurde er durch die Wucht des Schlages derart gegen das Stall­pflaster geschlendert, daß er noch mehrere Knochen- und Rip­penbrüche erlitt, so daß er lebensgefährlich verletzt ins Be­zirkskrankenhaus Marbach überführt werden mußte.

Der Fuhrmann Wendel von Korntal, der auf der Ludwigsburgerstraße von einem Wagen der Straßenbahn an­gefahren und zu Boden geworfen wurde, ist im hiesigen Kranken­haus den schweren Verletzungen, die er am Kopfe erlitten hatte, erlegen.

InAltdorf OA. Böblingen ist die 43 Jahre alte Bauers- Ehefrau Magdalene Hill er infolge Ausgleitens mit dem Schweinekübel auf dem Kopf derart über die Haustreppe ab­gestürzt, daß sie einen lebensgefährlichen Schädelbruch erlitt.

Der 61 Jahre alte Lindenwirt von Siebenelch wurde aus 'dem Weg vom Viehmarkt zum Bahnhof Eschenau von einem <schlaganfckll betroffen und war sofort tot.

Dem Viehhändler Karl Bayer von Bargen ist vermutlich auf dem letzten Biehmarkt in Donaueschingen eine Brief­

tasche Fljt 1070 Mark abhanden gekommen. Der Inhalt be­stand in 10 Scheinen zu 100 Mark, einem Schein zu 50 Mark und einem solchen zu 20 Mark, ferner eine Gewerbelegitima­tionskarte auf den Namen Bayer und 2 Garantiescheinen.

Am Bahndamm zwischen Oberndorf und Alt-Oberndorf fand ein Bahnwärter den Leichnam des Malers E. H. Thum von Mühlhausen i. E. Er war gänzlich mittellos und eS ist anzunehmen, daß er sich in selbstmörderischer Absicht auf die Schienen gelegt hat.

Der Bote Deiringer von Mittelbuch bei Biberach ist in der Nacht von Donnerstag aus Freitag in der Nähe de» Ortes erfroren aufgefunden worden.

In Immen dingen wurde im Bahnhofgebäude einge­brochen und hierbei Eisenbahnmarken im Wert von tausend Mark gestohlen. An Barbestand fielen dem Einbrecher nur etwa 10 bis 15 Mark in die Hände.

GerichLssaal.

Stuttgart, 19. Nov. (Strafkammer). In nichtöfsentlicher Verhandlung wurde der verheiratete Schriftsetzer Ludwig Ob e r- bucher von hier wegen Sittlichkeitsverbrechen, begangen an seiner 13jährigen Stieftochter, zu einem Jahr drei Monate« Gefängnis verurteilt. Ein 17jähriger P o st a u w är t e r, der hier bei der Post mit 3.20 Mark Taggeld angestellt war, unterschlug am 10. Juni 97,80 Mark und am 25. Juni 156 Mark, die am (Schalter für Postanweisungen einbezahlt wor­den waren und verbrauchte das Geld für sich. Zur Verdeck­ung der Unterschlagungen unterließ er die Einträge in daS Annahmebuch, in einem Fall zerriß er den Posteinlieferungs­schein. Außerdem verübte er 6 Zechprellereien. Er logierte sich in verschiedenen Gasthäusern ein und verschwand nach eini­gen Tagen phne zu bezahlen. Den Wirte» gegenüber gab er sich äls einen auf Urlaub befindlichen Postbeamten aus. Die Strafkammer verurteilte ihn wegen Amtsunterschlagung und Zechbetrugs zu 3 Monaten Gefängnis, abzüglich 1 Monat 15 Tage Untersuchungshaft.

Zu Tode gemartert.

Eine empfindliche, aber gerechte Strafe verhängte das Schwurgericht Nord Hausen über den österreichischen: Staatsangehörigen Niketta Szelest aus Galizien, zuletzt in Othal bei Sangerhausen. -Er hatte die sieoenjährige Tochter der unverehelichten.Viktoria Gruszka mit der er in wilder Ehe lebte, so schwer mißhandelt, daß der Tod eintrat. Unter anderem wurde durch Zeugenaussagen er­wiesen, daß der bestialische Mensch das Kind auf heiße Kartoffeln gesetzt und mit Fußtritten gegen Brust und Leib traktiert hatte. Bei der Leichenöffnung ergab sich daß der ganze Körper mit blauen Flecken, Striemen, Beu­len und Hautverletzungen übersät war. Drei Rippen wa­ren -gebrochen, die Leber -zerrissen; auch eine Darmzer­reißung, die eine Unterleibsentzündung hervorgerufen hat, wurde festgestellt. Die Mutter ist der Mittäterschaft drin­gend verdächtig. Als sie den Sarg in Sangerhausen be­stellte, bettank sie sich so sehr, daß sie zwei Tage im dortigen Krankenhanse zubringen mußte. Die Geschwore­nen bejahten die Schuldfrage, verneinten mildernde Um­stände; das Gericht verurteilte den Angeklagten zu 8 Jah­ren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust.

Die Verbrecher im Frack.

Mit der Verhaftung eines Belgiers Lson de Meu­te me e st er, der einer russischen Millionärin 25,000 Mark abschwindelte, scheint die Berliner Polizei einen guten Griff getan zu haben. Aus einer Anzahl von Briefen, die bei einer Durchsuchung des Gepäcks Meule- meesters gefunden wurden, und die sämtlich von seinem flüchtigen Komplizen Banden Enden herrühren, geht unzweideutig hervor, daß beideSalonverbrecher", die abends stets in tadellosem Frack einhergingen, seit län­gerer Zeit einen größeren Coup geplant hatten. In einem der Briefe, in dem Banden Enden verzweifelt da­rauf hinweist, daß er sich die wenigen Pfennige zur Ab­sendung des Briefes erst habe leihen müssen, und daß Meulemeester ihm Geld senden müsse, wenn er nach Berlin kommen solle, schreibt der Hochstapler, daß er hoffe, der Coup werde «jetzt endlich- gelingen, damit sie nicht mehr W arbeiten brauchten. Beide haben in Be­ziehungen gestanden, die nach 8 175 des Strafgesetzbu­ches unter Strafe gestellt sind. In ihren Briefen reden sie sich mitmein süßes' Lieb" und anderen Koseworten an. Meulemeester, der, wie schon berichtet, von wohl­habenden Eltern stammt, scheint überhaupt unter dem Einfluß Banden Endens gestanden zu haben und ist wahr­scheinlich von ihm zu den Hochstapeleien verleitet worden. Durch Erkundigungen in dem Wohnorte der Eltern Meu- lemeesters ist festgestellt worden, daß er wegen seines liederlichen Lebenswandels auf Antrag seines Vaters be­reits vor sieben Jahren unter Vormundschaft ge­stellt wurde. Bei seiner ersten Vernehmung auf dem Polizeipräsidium erklärte Meulemeester, der anfangs kein Wort Deutsch sprechen wollte, daß er unschuldig sei. Es stehe ihm doch Wohl das Recht zu, sich von einer Dame Geld zu leihen. Seinen Freund Enden habe er in seiner Heimat kennen gelernt und ihn zufällig in Berlin wieder getroffen. Als mehrere Kriminalbeamte seine Taschen untersuchten, fanden sie in einem außer­ordentlich kostbaren Portefeuille 11,000 Mark in Tau­sendmarkscheinen. Auf die Frage nach der Herkunft des' Geldes gab er schließlich zu, daß er den Betrag von Banden erhalten habe und daß er ein Teil der Beute sei, die von der Russin erschwindelt wurde. Daraufhin erfolgte die sofortige Verhaftung des Hochstaplers'. Er wurde gestern in das Moabiter Un­tersuchungsgefängnis eingeliesert.

Wie die weiteren Ermittelungen ergaben, hatte Meu­lemeester in den vornehmen Kreisen, in denen er ver­kehrte, erzählt, daß er eine jährliche Rente von 7 0,0 0 0 F r a n c s beziehe, während ihm in Wirklichkeit nur 600 Francs monatlich von seinen Angehörigen ausgesetzt wa­ren. Auf Grund dieser Vorspiegelungen ließ sich die russische Millionärin, der Meulemeester andauernd von seinen und seines Freundes Spielverlusten erzählte, ver­leiten, ihm die 25,000 Mark zu leihen. Meulemeester stellte ihr einen ^Schuldschein über die Summe aus. Inzwischen hat sich« die Russin an den Vater des Ver­hafteten aewandt und ihn ersucht, ihr die noch, fehlenden 14,000 Mark zu ersetzen. Der Aufenthaltsort des flüch­tigen Enden ist noch nicht ermittelt. Er scheint sich in seiner Heimat auszuhalten. Sein letzter Brief an Meule­meester ist aus' Gent in Belgien datiert. Vermutlich ist er v.on dort nach Paris weitergereist.