-nmn durch derartige in keinem Verhältnis zur Sache stehende Strafverfügungen die Leute geradezu zutreibt.

Einen Rekord eigener Art

hat der aus Großeng st ingen gebürtige Konrad Freu- ä big mann in Reutlingen ausgestellt. Er hat am 25.

- November 1869 vom Oberamt Münsingeu wegen Vagabundie-

rens seine erste Strafe erhalten und seitdem im ganzen we­gen Diebstahls, Bettels, Landstreicherei, Widerstand gegen die Staatsgewalt u. ,a. Vergehen nicht weniger als 175 Strafen erhalten.

Starker Schneefall

wird aus dem Norden gemeldet: In Berlin und in Braun- schwsig ist der telegraphische und telephonische Verkehr voll­ständig gestört, da Hunderte von Drahtleitungen infolge der Schneelast gebrochen sind. In wirren Knäueln liegen die Drähte auf den Straßen und Dächern und müssen durch biss Feuerwehr beiseite geschafft werden. In Berlin mußten wegen der Berührungsgefahr öffentliche Plätze abge­sperrt werden, bis die Postverwaltung Schutznetze gezogen hatte. Weiter sind in Löerlin infolge des herrschenden Sturmes fünf Schornsteine eingestürzt; auch hier hat die Feuerwehr alle Hände voll zu tun.

Stratzcnszene französischer Soldaten.

Aus Brest wird gemeldet, daß mehrere Soldaten des 6. Kolonialinfanterie-Regiments in der Nacht große Stra­ßenexzesse verübten. Unter anderem überfielen sie zwei Leute und schnitten ihnen mit Rasiermessern die Nasen ab. Einer der Soldaten, in dessen Strohsack noch das blutige Rasiermesser gefunden wurde, sowie zwei andere Soldaten sind verhaftet worden.

Meine Nachrichten.

Mittwoch früh brannte in Michelbach bei Oehringen die Doppelscheuer des Bauern Rudolf bis auf den Grund nieder. Dem energischen Eingreifen der Feuerwehr ist es zu danken, daß das Wohngebäude erhalten blieb. Das Feuer entstand infolge unvorsichtigen Hantierens mit der Laterne. In L an g enb eut in gen brannte ebenfalls eine'Scheuer, dem Bauern Karl Renninger gehörig, nieder. Auch hier blie­ben nur die Umfassungsmauern stehen. Die Scheuer wurde vor 4 Jahren neu erstellt. Die Entstehungsursache ist un­bekannt.

Veranlaßt durch einen Wortwechsel warf der bei dem Bauern H. Kunz in Frickenhofen OA. Gaildorf bedienstete 18 Jahre alte Ehr.' K. beim Dreschen die Schüttelgabel nach der 17 Jahre alten Dienstmagd M. K- und traf sie so un­glücklich ins Auge, daß dasselbe wohl verloren sein wird. Das Mädchen mußte ,in das Krankenhaus Gmünd verbracht werden.

In Untermarchtal OA. Ehingen ist der Söldner Fr. Fastnacht auf der Donaubrücke zu Fall gekommen und stürzte durch das unsinnig weit gebaute Geländer in das trok- kene Flußbett, wo er mit einem Schädelbruch tot liegen blieb.

Der Brand in der Bader'schen Roßlederfabrik in Göp­pingen hat, wie nun festgestellt ist, einen Schaden von über 200 000 Mark verursacht.

Einem Reisenden, der sich in Ulm mit einer Dirne ein­gelassen hatte, wurde Von dieser sein Portemonnaie mit 120 Mark Inhalt gestohlen. Sie erfreute sich des Besitzes jedoch nur kurze Zeit, denn die Polizei nahm ihr das Geld wieder ab und verbrachte sie hinter verschlossene Türen. In Neu-Ulm erging es einem Pferdehändler ähnlich.

Ein schwerer Unglückssall ereignete sich in Mengen. Zimmermeister Hermengild Knaus wollte zum Futterschneiden Heu aus dem Oberling seiner Scheuer herabwerfen. Dabei stürzte er herab und erlitt so schwere Verletzungen, daß er bald darauf starb.

In Pforzheim fuhr ein Brikettwagen der Kohlenhand­lung Gengenbach die steile Schloßbergstraße vom Bahnhof zur Pfarrgasse herab, wobei die Mügge versagte und der Wagen in den Zigarrenladen von Frigo bei der Schloßkirche schoß. Das Pferd blieb außen am Kaden hängen, der Fuhrmann wurde durch die zertrümmerte große Schaufensterscheibe in den Laden geschleudert und am Kopf schwer verletzt. Der Sach­schaden beträgt cirka 700 Mark.

In Pforzheim vergiftete sich auf dem Rathause ini Zimmer des Bürgermeisters Dr. Schweickert der 30 Jahre a'te verheiratete frühere Tiefbausekretär Otto. Er ist vor einiger Zeit wegen seines leichtsinnigen Lebenswandels und wegen Verhältnissen mit Kellnerinnen entlassen worden. Die Tat -erregte im Rathause große Bestürzung.

Gerichtssaal

Stuttgart, 18. Nov. (Schwurgericht). Am Sonntag den 9. Mai kam es vor dem Bahnhof in Beihingen zwischen jungen Burschen zu einer Schlägerei. Der 21 Jahre alte Fabrik­arbeiter Leonhard Koppenhöfer gab aus einem Revolver ei­nen Schuß ab, der einen in der Nähe stehenden verheirateten

Metalldrücker in den Bauch traf. Der Verletzte lag lange im Krankenhaus, und er ist heute noch nicht ganz hergestellt. Koppenhöfer hatte sich wegen versuchten Totschlags zu verant­worten. Die Geschworenen bejahten Körperverletzung. Das Urteil lautet auf 1 Jahr 6 Monate Gefängnis unter Anrech­nung von 6 Monaten Untersuchungshaft.

Die freigesprochene Mörderin.

In Rom erregt die Freisprechung einer jungen Frauensperson großes Aufsehen, die ihren Verführer mitten in einem Warenhause niedergestochen hat. Lfie Tragödie der Angela Constantini, dies der Name der Heldin, lehrt, wie viel der italienischen Gesetzgebung insichtlich der Regelung der Eheverhältnisse noch zu tun leibt. Das vom Land gekommene Mädchen, das bei ihrer Tchwester, einer Milchhändlerin wohnte, ließ sich von ei­nem jungen Kommis, einem Ton Juan letzter Güte, ver­führen, nachdem dieser sie, was in Italien zu nichts ver­bindet, in der Kirche und mit Umgehung des Standesamts geheiratet". Bald ließ derGatte" dieGattin" mit einem Kind sitzen und knüpfte mit einer Sängerin, später einer anderen zarte Beziehungen an. Alle Versuche, der unglücklichen Frau, den Ungetreuen wieder zu sich zurück­zuführen, waren vergebens, ja, er weigerte sich sogar, Frau und Kind auch nur die geringste finanzielle Hilfe zu leisten. Und der Gentleman unterstützte diese Ablehnung durch sehr nachdrückliche Argumente, indem er die arme Angela wiederholt blutig schlug. Eines Tages erschien Angela, das Kind auf dem Arme, im Basar, um wenigstens eine Lira zu erbitteln, wofür sie dem Kinde Milch kaufen wollte. Aber derGatte", der im Begriff stand, eine an­dere, diesmal vor dem Standesamt, zu heiraten, und be­reitsaufgeboten" war, wies die Unglückliche mit barschen Worten hinaus. Außer sich vor Verzweiflung riß Angela in diesem Augenblick ein Küchenmesser unter dem Kleid­chen des Kindes hervor und stieß es ihremGatten" in den Unterleib. Während dieser auf dem Wege nach dem Spital starb, wurde Angela verhaftet. Natürlich wandte sich der Aermsten von Anfang an das ganze Mitleid und die Sympathie des Volkes zu und gestern wurde die Mör­derin auf Antrag des Staatsanwalts'! fr ei ge­sprochen. In seiner Ansprache an die Geschworenen wendete sich der Staatsanwalt gegen das Institut der in Italien so vielfach üblichen nur kirchlich geschlossenen Ehen, das so viele Opfer fordere und so viele Verbrechen im Gefolge habe.

lieber Mostsubstanzen und die daraus her­gestellten Getränke unter den Gesichtspunk­ten des neuen Weingesetzes.

Von Dr. G. Benz.

In öffentlichen Vorträgen und in einer Reihe von Ab­handlungen in den Tageszeitungen über die Wirkungen des neuen Weingesetzes ist der Ansicht, Ausdruck gegeben worden, daß nach Z 11 dieses GesetzesMostessenzen, Mostsubstanzen u. dergl. zur Herstellung von Getränken nicht mehr ver­wendet werden dürfen". Diese Erklärung mußte zu der Auf­fassung führen, daß zukünftig der Handel mit Mostsubstanzen und die Bereitung von Hausgetränken aus solchen unbedingt verboten sei. Tatsächlich ist sie in den beteiligten Kreisen auch allgemein so aufgefaßt worden und hat demgemäß große Beunruhigung hervorgernfen, vornehmlich natürlich bei den­jenigen Geschäften, die sich mit der Fabrikation und dem Vertrieb dieser Mostsubstanzen befassen, außerdem aber auch bei deren Abnehmern. Bei diesen, den Arbeitern, Kleinge­werbetreibenden und Landwirten haben sich die aus Most­substanzen hergestellten Ersatzgetränke für Obstmost in den letzten Jahren gut eingeführt und sie erfreuen sich ihrer ein­fachen, bequemen Herstellung, ihrer Billigkeit und der meist ziemlich mostähnlichen Beschaffenheit wegen einer großen Be­liebtheit. Die Konsumenten nehmen deshalb was auch die an uns in großer Zahl gerichteten Anfragen erkennen lassen ein ebenso großes Interesse an der besagten Ge- setzesanslegung, wie die Mostsubstanzfabrikanten. Es erscheint daher angezeigt, zu dieser Frage hier öffentlich Stellung zu nehmen.

Die oben ausgesprochene Ansicht stützt sich auf die Er­klärung eines Regierungsvertreters, der in der Weinkommission die Anfrage, ob Mostessenzen und ähnliche Stoffe bei der Haustrunkbereitnng verwendet werden dürften, verneint und sich geäußert hat:die im Abs. 1 des Z 11 gegebene Auf­zählung der Ausgangsmaterialien müsse als erschöpfend an­gesehen werden. Die Herstellung eines weinartigen Getränkes

aus Mostessenz oder dergl. sei also eine, auch für die Haus­trunkbereitnng nicht zulässige Nachahmung von Wein und falle demnach unter das Verbot des § 9". Dieser Erklärung ist zunächst entgegenzuhalten, daß sie nicht als eine Entscheidung einer kompetenten Instanz und deshalb auch nicht als bin­dend anzusehen ist, falls sie wirklich besagen wollte, daß die Herstellung eines jeglichen Getränkes aus Mostessenzen u. dergl. verboten sei. Letzten Endes entscheidet eben hier der Wortlaut des Gesetzes und dessen Auslegung durch die Ge­richte. Doch braucht ihr gar nicht notwendig, wie dies ge­schehen ist, der verallgemeinernde Sinn unterlegt zu werden, da sie sich dem Zusammenhangs nach auch nur auf die Her­stellung vonHaustrunk" beziehen kann. Unter Haustrunk im Sinne des Gesetzes sind nun nur solche Getränke zu verstehen, die ohne weiteres als Nachmachung des Weines zu gelten hätten, wenn sie nicht zu Zwecken des eigenen Haus- haltbedarses bestimmt wären, das heißt also Getränke, die ihrer äußeren Beschaffenheit und ihren sinnfälligen Merkmalen nach Weinähnlichkeit besitzen und Wein Vortäuschen könnten. Solche Getränke herzustellen, -ist nach Z 9 des Weingesetzes im allgemeinen verboten. Werden jedoch zu deren Herstellung Traubenmaische, Traubenmost, Rückstände der Weinbereitung oder getrocknete Weinbeeren (nach neuester Mitteilung des Reichs­amts des Innern auch Wein, Obstwein und Rückstände der Obstweinbereitung) verwendet, dann ist sie nach Z 11 des Gesetzes doch zulässig. Zu diesen, im Gesetz mit Haustrunk bezeichneten, in der Regel die Eigenschaften des Weines vor­täuschenden Getränken, dürfen aber Mostessenzen, Mostsubstan­zen u. dergl. nicht Verwendung finden. In dieser Einschränk­ung hat die erwähnte Aeußerung gewiß Gültigkeit.

Anders liegt die Sache jedoch bei denjenigen Getränken, die nicht weinähnlichen Charakter besitzen. Hier ist die Ge­fahr, Laß unter hem Vorgeben, Haustrunk herzustellen, Wein­fälschung betrieben wird, nicht vorhanden und darum werden die durch das Weingesetz zu schützenden Interessen Verhüt­ung von Weinpanscherei durch diese Getränke nicht berührt. Sie unterliegen deshalb auch nicht den Bestimmungen des Weingesetzes. Zn diesen Getränken ist auch das bei uns in Württemberg übliche, ans Aepfeln oder Birnen hergestellte Haus­getränke, derMost", zu rechnen. Seine herkömmliche Zu­sammensetzung ist, wie auch sein Aussehen, sein Geruch und sein Geschmack, so charakteristisch verschieden von Wein, daß eine Vortäuschung von solchem nicht in Betracht kommen kann. Es stellt also keinen Haustrnnk im Sinne des Gesetzes dar, was bei seiner Beurteilung mehr als bislang zu beachten sein dürste. Zudem ist noch ausdrücklich in Z 10 des Ge­setzes das Verbot des tz 9, Wein nachzumachen, zugunsten der­jenigen Getränke aufgehoben, die aus Fruchtsäften, Pflanzen­säften oder Malzauszügen hergestellt werden. Das ist so zu verstehen, daß die aus diesen Materialien bereiteten Ge­tränke in gleicher Weise, wie der Haustrnnk, weingesetzlich zulässig sind, selbst wenn sie was je nach der Bereitungs­weise eventuell erreicht werden könnte weinartige Beschaf­fenheit anfweisen würden. Diese Vergünstigung des Z 10 braucht nun zwar für unseren württembergischen Most in der Regel nicht in Anspruch genommen zu werden; sicher ist aber, daß er in keinem Falle unter die weingesetzlichen Her- stellnngsverbote fällt. Dann kann aber auch ein Surrogat für dieses spezifische Getränke nicht verboten sein natür­lich unter der Voraussetzung, daß es in sonstiger Beziehung den gesetzlichen, besonders den nahrungsmittelgesetzlichen An­forderungen entspricht. Die Zulässigkeit dieser Surrogate kann aber auch ohne weiteres aus Z 11 abgeleitet werden. Dieser stellt authentisch fest, daß weinähnliche Getränke aus Frucht­säften rc. nicht unter § 9 fallen. Es ist jedoch nirgends ausgedrückt, daß damit eine erschöpfende Interpretation zu Z 9 gegÄen werden soll; vielmehr läßt dieser Paragraph zwang­los die Auslegung zu, daß auch aus anderen Materialien erzeuge Getränke von weinähnlichem Charakter gesetzlich erlaubt sind, wenn diese keine Nachmachung von Wein darstellen sol­len, das heißt, wenn sie vielleicht wohl einen Ersatz für Wein bieten, aber keinen Wein Vortäuschen wollen. Bei diesen Ge­tränken hat man eben im Gegensatz zu den in K 10 genannten von Fall zu Fall zu entscheiden bezw. eine richterliche Nach­prüfung zu gewärtigen, ob das jeweilige Getränke als nach­gemachter Wein zu betrachten ist oder nicht. Wenn also die Mostsubstanzen nach Material, Ausstattung und Bezeichnung den Anforderungen des Nahrungsmittelgesetzes und des Ge­setzes betreffend den unlauteren Wettbewerb genügen, so steht unseres Erachtens ihrem Vertrieb kein gesetzliches Hindernis entgegen. Die daraus hergestellten Getränke können ohne weiteres als gesetzlich zulässig angesehen werden, falls sie als Mostersatzgetränke keine weinähnliche Beschaffenheit auf­weisen. Sie sind aber im Falle der Weinähnlichkeit auch dann noch erlaubt, wenn es auf Grund der Prüfung dieser Getränke außer Frage steht, daß eine Weinnachmachung im Sinne des Gesetzes, d. h. eine Täuschnngsmöglichkeit, nicht vorliegt.

Ulm, 17. Nov. Dem gestrigen Viehmarkt waren 6 Farren, 4 Ochsen, 14 Kühe, 20 Kalbinnen und Jungrinder, 4 Kälber, insgesamt 48 Stück zugeführt. Trotz des schlechten Wetters war der Handel ziemlich lebhaft. Niederster und höchster Preis bei Farren 180 Mark bis 300 Mark, Kühen 210 bis 320 Mk., Kalbinnen und Jungrindern 150 bis 350 Mk., bei Kälbern 60 > bis 70 Mark. Gesamtumsatz bei 29 Verkäufen 6000 Mark.

! mich nicht gerufen? Hat 'das Fräulein nicht nach mir

verlangt?"

Tie Frau wurde ein wenig verlegen.

Schon, schon, aber sie Halls dann direktement ver­boten. Wissen S', die ^Krankheit Halls denn arg mit- tz'nommen und da hat s' net mög'n daß der Herr Doktor sie so schaugen muß i hab's ihr in die Hand g'loben müssen, daß der Herr Doktor das Ende erst erfährt, wenn alles vorbei ist und das Pack'l sollte i a net ch'r ab- geb'n."

^Was für ein Pack'l denn?"

!Na, Bücher halt -vom Herrn Doktor und was so

! Sachen wärn. Gnä Fräul'n hat noch alles selbst z-usam- meng'richt. Ter Schorsch'l kann die Sach gleich in die Wohnung vom Herrn Doktor schasf'n."

Er gab her Frau ein reichlichles Trinkgeld.

Dees kann i ja gar net verlangen, Herr Doktor, die gnä Fräul'n hat schon so viel getan. Ach, Herr Doktor, so was kriegen wir nicht wieder ins Atelier!"

Röderich Heller wunderte langsam nach Hause.

Eine letzte,Eitelleit also unmöglich, das lag so ; ganz aus ,ihrer Linie. Was hatte die Frau gesagt !die Krankheit Halls so arg mitgenommen". Heiß schoß

i ihm das Blut zu Kopf. Nein-doch!-um ihm

ein letztes Begegnen nicht zu einem peinlichen, quälen­den zu wachen, hatte sie ihn ferngehalten. Er wußte bestimmt, daß es so war. Sie hatten zu oft solche Fälle besprochen; sie wußte genau, wie er über Krankheit, Zer­fall, quälendes Heiden dachte. Sie hatte aus diesen Ge­sprächen die letzte Konsequenz gezogen. Ja, das sah ihr ; ähnlich eine gewisse Herbheit bis zur Strenge hatte ! wohl in ihrem Charakter gelegen.

Der junge war mit dem ziemlich umfangreichen Pa- ! ket bereits -vor ihm angelangt. Es lag auf einem Tisch­chen zwischen den Klubsesseln. .Die Haushälterin hatte die -große Stehlampe -angezündet, das Licht siel ge­rade aus -eine wunderfeine Landschaft im Nebel. Es

war eine der wenigen Arbeiten, mti denen sie selbst zufrieden gewesen war.

Zögernd löste -er die Schnüre des Pakets. Ein Brief lag obenauf ihre Hand nur wenige Zeilen:

Lieber Freund, wir können leider nicht mehr über -die Bücher sprechen, -die Sie mir zuletzt sandten. Ich gebe sie Ihnen zurück, zugleich! mit den Andenken, mit denen Ihre Freundschaft mich erfreute. Ich möchte nicht -gern, daß. die Gaben, die mir sehr lieb gewesen^ in andre Hände kämen, Meinen Nachlaß an Bildern und Skizzen ordnet per Inhaber der Fleischerschen Kunst­handlung. Heben Sie wohl und

Ihre Elisabeth Aoerster."

Diasund" war durchstrichen, als hätte sich die Schreiberin der letzten Bitte, nicht vergessen zu wer­den, geschämt.

Röderich- Heller deckte für eine kurze Spanne die Augen mit der Hand es war ihm, als sei das Unglaubliche nun erst Gewißheit geworden.

Die Keinen künstlerischen Schmuckgegenstände, die Antiquitäten, die er ihr von Reisen mitgebracht, lagen sorgfältig verwahrt in einem Kästchen. Er schloß es in ein Schubfach seines Schreibtisches.

Als er dann in einem der Bücher, einem Bande kritischer Essays, blätterte, siel ihm ein znsammenge- sältetes beschriebenes Blatt, das wohl als Lesezeichen ge­dient hatte, in die Hände.

Ans der einen Seite eine Anmerkung: wir Frauen warten alle wie Nora auf das Wunderbare, das nicht kommt. Tie einen macht das vergebliche Warten elegisch und weich, die andern nnliebenswürdig mich hat es nicht weich gemacht.

Aus 'der -andern Seite aber waren mit einer dünnen, flüchtigen Schrift, gleichsam einer scheuen Schrift, die Verse geschrieben:

Bin ich gestorben, gib mir keine Blumen,

Mein Tod soll deine Ruh niemalen stören,

Auch Tränen glicht ich Litt: sarg leis mich ein

Zum letzten Schlaf, so wundertief allein.

Und alle .Seufzer, alle Wünsche schweigen.

Vorbei der Hange, wirbeltolle Reigen,

Und qüalt Erinnerung dich, so denk auch meiner nicht. Doch tritt Hein Fuß- die Erde, die mich deckt.

Gib acht, Haß dich mein Schatten nicht erschreckt.

Nähst du, so muß er dir begegnen.

Die blassen Hände hebend, dich- zu segnen.

Röderich Heller las das Gedicht langsam und dann noch einmal. Ein peinliches Empfinden überkam ihn, -als habe er mit rauher Hand an ein Geheimnis gerührt, das gerade jhm verborgen bleiben mußte. Hinter dem Menschen mit der ruhigen, fast heiteren Gelassenheit, den er kannte, stand plötzlich ein andrer neuer eine ver­hüllte Seele zeigte sich bloß eine Seele, an der er vorübergegangen war, die er nicht erkannt hatte. Eine Ahnung überkam ihn eine Ahnung von durchwachten Nachten, znrückgedämmten Empfindungen, von bangen Träumen, von Sehnsucht und Tränen, Hie nach innen flössen.

Die Erinnerung stand auf und zeigte ihm manche Einzelheit, ihres .Verkehrs in einer neuen Beleuchtung : er, der sich auf seine Kenntnis der Psyche so viel zugute tat, gehörte in Wirklichkeit zu den Seelenblinden.

So näh waren sie beieinander gewesen und so fern wie fern! Ach, keiner kennt den andern,-

Vorbei der Hange, wirbeltolle Reigen

Aber an dem Blatte, das ihm zum Verkünder von Geheimnissen geworden, hatte er kein Recht. Er nahm es und .übergab es den Flammen, die in der kamin­artigen Oeffnung des Ofens loderten.

So war .es in ihrem Smne, das fühlte er.

Die Flamme verzehrte das einzige Dokument eines still getragenen großen Leids.

Ihm aber war es, als sinke dumpfe Traurigkeit wie eine Last auf seine Seele.