Manteuffels Briefe.

(Ein Prozeß um.Staatsgeheimnisse.)

Bekanntlich wurde der Kaiser durch die Herausgabe der Memoiren des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe sehr unangenehm berührt und hat das auch gegenüber dessen Sohn Philipp zu Hohenlohe in einem Telegramm recht deutlich ausgesprochen. Ein ähnliches Telegramm, meint dieBerliner Bolksztg." wäre vielleicht einem der Frei­herren v. Manteuffel zugegangen, wenn der ,Sohn des verstorbenen Statthalters von Elsaß-Lothringen, des Generalfeldmarschalls Edwin Freiherr v. Man­teuffel, Herr Jobst v. Manteuffel nicht eine Menge Briefe aus dem Nachlaß seines Vaters verkauft hätte. Jobst v. Manteuffel ivar ein schlechter Haushalter. Mit dem stattlichen Besitztum, das ihm sein Vater hinter­lassen auch Manteuffel war mit einerDotation" be­bedacht worden, für die er sich ein Rittergut gekauft hatte ist von ihm heillos gewrrtschaftet worden. Er ge­riet in völligen Vermögensverfall und in der Not machte er zu Gelde, was sich irgend veräußern ließ. Von Be­denken, ob das, was er verlauste, in Unrechte Hände ge­raten und mißbräuchlich verwendet werden könnte, war er dabei nicht angekränkelt. Sein Vater hatte im brief­lichen Verkehr mit den Großen der Zeit gestanden und die geheimsten Fäden der Politiki die über das Geschick von Völkern und Staaten entscheidet, waren dem ehemaligen Chef des Militärkabinetts uüd langjährigen Vertrauten Wilhelms I. nicht verborgen geblieben. In den an den alten Manteuffel gerichteten Briefen waren die wichtigsten Staatsgeheimnisse ungezwungen behandelt. Auch diesen kostbaren Schatz hatte Jobst als Erbe erhalten, und auch khn,,verkloppte" er.

Zum Glück für seine Familie, zum Glück auch für Preußen und das ,Deutsche Reich wurde der wertvollste Teil der Briefe von einem Manne erworben, der nicht nur die Tragweite des Inhalts der Bi.efe zu ermessen, sondern auch, ungleich demedlen" Verkäufer der Briefe, Staatsge­heimnisse treulich u. selbstlos zu hüten wußte. Ter Käufer der Briefe, die von Wilhelm I., dem Kaiser Fried­rich, von Bismarck, Mo^tke, Roon, von franzö­sischen Staatsmännern, Thiers, Favre, Gambetta und anderen stammten, war der vor einiger Zeit gestorbene Bankier Meyer-Cohn in Berlin, ein leidenschaft­licher Autographensammler. Bei ihm waren die Staatsge­heimnisse gut aufgehoben, und eine letztwiMge Verfügung von ihm überwies den Schatz, dessen sich der Junker Jobst v. Manteuffel ,unbekümmert um dieunabsehba­ren Konsequenzen" begeben hatte, dem Staatsarchiv. Da­mit ist aber die Geschichte dieser Staatsgeheimnisse noch nicht abgeschlossen. Tie freiherrlichen Manteuffel denken über solche Geheimnisse anders als di« bürgerlichen Meyer-Cohn.

Ein Manteuffel will die Denkwürdigkei­ten des verstorbenen Generalfeldmarschalls und Statt­halters der Reichslande schreiben und zur Würze des Buches will er den Inhalt jener Briese verwenden. Er verlangt deshalb Abschriften von ihnen und da diesem Verlangen nicht entsprochen wurde, strengte er, beziehungs­weise sein Vater, gegen die Erben des Bankiers Meyer- Cohn eine Schadenersatzklage in Höhe von 12000 Mark an. In der Klage wird behauptet, daß beim Ver­kauf der Briefe der Käufer sich mündlich zur Hergabe von Abschriften verpflichtet habe. Tie Beklagten bestreiten dies und machen außerdem geltend, daß sie zur He'rgabe von Abschriften nicht befugt seien, weil der Inhalt der Briefe, die inzwischen dem Staatsarchiv überwiesen worden seien, zumeist Staatsgeheimnisse betreffen. Zwei Instan­zen, das Landgericht Berlin I und das Kammergericht ha­ben die Klage .abgewiesen, obwohl eine als Zeugin ver­nommene Frau, die bei dem Verkauf der Briefe den Ver­mittler gespielt, eidlich bekundete, daß das erwähnte münd­liche Versprechen gegeben worden sei. Tie Gerichte haben dieses Zeugnis nicht für hinreichend glaubwürdig ge­halten.

Nur eigene Kraft weiß fremde Kraft zu würdigen.

Julius Große.

Willst du Richter sein?

5) Roman von Maximilian Böttcher.

(Fortsetzung.)

Zunächst glaubte Gottfried nur an eine schwere, durch Aufschlagen auf die Steinfließen des Flures oder etwa die Granitstufen der Außentreppe verursachte Verletzung und dadurch hervogrerufene Bewußtlosigkeit. Ter instinktive Trieb, dem Verwundeten Hilfe zu bringen, .aus dem he­raus er. ihm die Kleider aufriß und Wasser aus dem Ne­benzimmer 'herbeischaffte, wurde indessen rasch abgelöst von dem trotz aller Selbstvorwürfe nicht zu besiegenden Freu- dengesühl, das die genaue Untersuchung in ihm erweckte: Er ist tot. Kalt und starr und tot. Endlich! Endlich sind wir von ihm befreit!

Schon hatte er die Mutter wecken wollen, als ein aber­maliges Schauen und Betasten ihn von neuem mit Grauen erfüllte. Nein ... die lange Wunde quer über den gan­zen Schädel hin rührt nicht von einem Unfall her, diese Wunde kann nur der wuchtige Hieb eines Menschen, eines Totschlägers, eines Mörders, hervorgerufen haben!

Beim ersten, in der Bestürzung doppelt aussichtslosen Grübeln nach der Person des Täters schoß in Gottfried blitzhaft die angstvolle Vorstellung auf: Wie nun, wenn bei deinem offenkundigen Haß gegen deinen Stiefvater der Verdacht entsteht, du selbst möchtest die Hand zum mörderi­schen Schlage gegen ihn erhoben haben? Feinde hat der ewig betrunkene Schwätzer und Tagedieb kaum gehabt. Und die Mutter, die weiche Frau, würde auch in der höch­sten Erregung weder die seelische Ueberwindnng noch die körperliche Kraft aufbieten können, die dazu gehört, prit einem einzigen Hieb den Schädel eines Menschen zu zer­trümmern. Aber du! Hast du deinem Stiefvater picht

Weit bemerkenswerter wäre es, wenn die Gerichte sich über den Einwand der Beklagten äußerten, daß sie zur Hergabe von Abschriften nicht befugt seien, weil die Briefe Staatsgeheimnisse enthalten. Tiie Ansichten darüber ge­hen auseinander. Ein Manteuffel beispielsweise denkt dar­über weniger sterng als ein Meyer-Cohn. Ein Manteuffel verkauft Briefe mit Staatsgeheimnissen, ein Meyer- Cohn überweist sie dem Staatsarchiv. Merkwürdig! Schlichte Bürger vermögen nicht junkerlich zu urteilen!

Rundschau.

Sozialdemokraten demonstriere» vor dem Bismarckdenkmal.

Frankfurt, 14. Nov. Heute Nachmittag fand im Zirkus Schumann eine von der Sozialdemo­kratie einberusene und von etwa 8000 Personen besuchte Versammlung statt, in der die Abgg. Tr. Franck -Mann­heim, Fl ei ßn er-Dresden und Dr. Liebknecht-Ber­lin über die jüngsten Wahlerfolge sprachen. Nach der Ver­sammlung zog die Menge vom Kahnhofsplatz nach dem Bismarck-Denkmal und von da nach dem Schillerdenkmal, an denen Reden gehalten wurden, darauf zog die Menge Nach dem Polizeipräsidium, vor dem sie demonstrative Ausrufe gegen Bismarck ausbrachte. Ein zahlreiches Schutzmannsaufgebot zersprengte den Zug und nahm zahl­reiche Verhaftungen vor.

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Ueber sittliche Pflichten der Arbeitgeber.

Unter diesem Titel wurde diesen Sommer eine für Arbeitgeber, Arbeiter und Privatbeamte interassante No­tiz verbreitet, wonach das preußische KamMergericht ent­schieden hat, daß Arbeitgeber durch Errichtung von Für­sorgekassen für ihre invalide gewordenen Arbeiter und Angestellten und deren Witwen und Waisen oder durch et­waige spätere Zuwendungen tznd Schenkungen an diese Kaffen einer sittlichen Pflicht entsprechen, und deshalb von der Reichserbschafts-- und Schenkungs-Steuer befreit sind. Es wird weitere Kreise interessieren, daß hegen die­ses Urteil Revision beim Reichsgericht eingelegt worden ist, und dieses wird nun zu entscheiden haben ob es auf seinem, dem Kammergericht entgegengesetzten Standpunkt beharren oder sich ebenfalls dent sozialen Gedanken an­schließen will. Arbeitgeber müßten es als Strafe empfin­den, den zwanzigsten Teil der Summe, die sie zur Sicher­stellung der Zukunft ihrer Leute hergeben, als Steuer außerdem zu zahlen zu'müssen! Das demnächstige Ur­teil des Reichsgericht ist um so bedeutungsvoller, als es nicht nur für den vorliegenden Fall, sondern präjudizie- rend für ganz Deutschland wirkt unv schon jetzt weitere Stiftungen von der Entscheidung abhängen.

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Parlamentseröffnung in der Türkei.

Am Sonntag wurde in Konstantin opel die zweite Session des türkischen Parlaments durch den S u l- tan feierlich eröffnet. In der Thronrede, die vom Großwesir verlesen wurde, heißt es, der teuerste Wunsch des Sultans sei die Aufrechterhaltung und Festigung des parlamentarischen Regimes, die Ausdehnung des Mili­tärdienstes auf alle Ottomanen bilde das wichtigste histo­rische Ereignis in der nationalen Entwicklung her Türkei. Die Vervollkommnung von Heer und Flotte sei notwendig. Tie innere Lage sei dank den getroffenen Maßnahmen, nicht beunruhigend. Die Thronrede hebt dann die Notwen­digkeit von Reformen auf dem Gebiete des öffentlichen Unterrichts und der öffentlichen Arbeiten hervor. Das Bndgergleichgewicht, das trotz aller Ersparnisse nicht er­reicht worden sei, werde durch eine Zollerhöhung und durch die geplanten Monopole, sowie durch eine Verbesserung der Steuerveranlagung gesichert werden. Ueber die äußere Politik sagt die Thronrede: Unsere Beziehungen zu den Mächten sind freundschaftliche. Wir stellen mit Vergnügen fest, daß die Bemühungen der Mächte auf die Erhaltung

hundertmal den Tod gewünscht? Hättest du ihn nicht vor kaum einer Stunde noch, als du ihn durch den Saal derKrone" .zerrtest, am liebsten in deinen Händen er­würgt? Und wenn er, als du ihn durch die Tür stießest, draußen auf den spitzen Plastersteinen einen unglücklichen Sturz geatn, sich das Genick gebrochen oder den Kopf ein­geschlagen hätte, ständest du dann nicht wirklich jetzt als sein Totschläger da?

Scheu sah Gottfried Reinhardt an sich hernieder und gewahrte dabei, daß ihm beim Tragen des Toten der weiße Kürassierwaffenrock von oben bis unten mit Blut beronnen war. Wie instinktiv suchte sein Blick den Spiegel. Siehst du in deiner besudelten 'Kleidung, mit deinen unstet glühenden Augen und den roten Flecken im blassen Gesicht nicht aus wie ein Mörder?

Aber zum Teufel, du bist es doch nicht! Irgend­ein anderer war es doch, der Strohschein erschlug; und wenn dieser andere sich auch gewiß vor der Selbstgestellung hüten wird vielleicht ist irgendeine Spur von ihm zu finden!

Die Lampe in der zitternden Hand, trat Gottfried wieder auf den Flur hinaus und fand da neben einer gro­ßen Blutlache zunächst einen schweren, eichenen Spazier­stock, ein im Hause verbliebenes Erbstück seines verstorbe­nen Vaters. Gleich an seinem ersten Urlaubstage war ihm ausgefallen, daß der Stock im Flur des Hauses am Riegel gehangen; und er hatte sich vorgenommen, ihn von der Mutter als Geschenk zu erbitten, weil er das ihm wertvolle Andenken nicht in den Fingern des Architekten wissen wollte.

Der Befund des Stockes ergab unzweifelhaft, daß der tödliche Schlag mit ihm ausgeführt sein mußte. Aber dafür, wer den Stock vow Riegel genommen und ihn ans Strohschein hatte niedersausen lassen, konnte Gottfried Reinhardt trotz allen Suchens und Suchens kein noch so geringes Anzeichen entdecken. Tenn die elektrische Ta­schenlampe, die er noch, auf den Steinfliesen fand, ge­hörte wie er genau wußte dem Ermordeten, der sie beim nächtlichen Heimschwanken aus der Krone gewohn­heitsmäßig als Ersatz für die fehlende Rodenauer Stra-

des allgemeinen Friedens gerichtet sind. Dieses Me Ziel findet von uns einen aufrichtigen und eifrigen För­derer . Nach der Thronrede begab sich der Sultan unter dem Jubel der Bevölkerung in sein Palais zurück. Hierauf wurde Achmed Riga mit 64 gegen 16 Stimmen zum Prä­sidenten wiedergewählt.

Luftschiffahrt

Gotha, 14. Nov. Das Luftschiff ,,P- 3", das heute mor­gen unter Führung von Oberleutnant Stelling tn Leich­lingen bei Köln aufgestiegen war, ist heute abend nach einer Fahrt von etwa 270 Kilometer im Luftschifshafen in Gotha glatt gelandet.

Bremen, 14. Nov. rDer Aviatiker Hans Grade führte heute Nachmittag auf dem Bremer Rennplatz 2 weitere Flüge ans. Bei dem 1. Flug erreichte er eine Höhe von 80100 Meter und stellte einen neuen Dauerrekord für sich, von 54 Minuten Dauer auf. Der letzte Flug dauerte 6 Minuten und mußte we­gen der entbrechenden Dunkelheit abgebrochen werden.

Aus Württemberg.

Der Lazarettunterinspektor Borth wurde zum Lazarett­inspektor, der Unterveterinär der Reserve (Biberach) Selb er­lich zum Oberveterinär, der Oberveterinär im 2. Feld- artillerieregiment Nr. 29 Prinzregent Luitpold von Bayern, Wagner, zum Stabsveterinär in diesem Regiment und die Proviantamts-Unterinspektoren in Stuttgart bezw. Ulm und Lndwigsburg, Rebmann, Brandes, Hanert, werden zu Proviantamtsinspektoren ernannt. Der Lazarettinspektor Borth wurde dem Garnisonlazarett Ludwigsburg zugeteilt. Der Ge­richtsassessor Kantter, Hilfsarbeiter der Staatsanwaltschaft Stuttgart, wurde zum Amtsrichter bei dem Amtsgericht Stutt­gart-Stadt ernannt, der Gerichtsnotar Lense von Wiblingen seinem Ansuchen gemäß an das Bezirksnotariat Bopfingen ver­setzt. Die nachstehenden Amtsgerichtssekretäre wurden zu Be­zirksnotaren ernannt: Luther von Reutlingen in Welzheim, Albert Roller von Waiblingen in Neuenstadt und Rupf von Lndwigsburg in Wildbad. Ihrem Ansuchen gemäß wur­den versetzt die Amtsgerichtssekretäre Miller in Oberndorf an das Amtsgericht Riedlingen, Leypold von Tuttlingen auf eine Landgerichtssekretärstelle in Hall, Metzer von Backnang an das Amtsgericht Stuttgart-Stadt. Zu Amtsgerichtssekretä­ren wurden ernannt: der stellvertretende Amtsgerichtsschreiber Schaufele von Baihingen in Brackenheim, der Hilfsgerichts­schreiber Kübler von Ulm in Tettnang und der stellvertretende Amtsgerichtsschreiber Eugen Mayer von Stuttgart in Back­nang: der Hilfsgerichtsschreiber Sommer in Stuttgart wurde znm Lanügerichtssekretär in Hall ernannt. Dem Oberreal­lehrer Bai hing er an der Oberrealschule in Reutlingen wurde eine Oberreallehrersstelle an der Oberrealschule in Cannstatt übertragen. Am 12. November ist von der evangelischen Ober- schulbehörde eine Volksschulstelle in Kochendorf, dem Schullehrer Sapper in Langenau und dem Unterlehrer Louis Schräge in Kochendorf, in Erkenbrechtsweiler, Bezirks Neuffen, dem Schul­amtsverweser Otto Kurz hi Hermnthausen, Bezirks Künzelsau, übertragen worden.

Ans der Finanzkommission.

Bei Fortsetzung der Beratung der Beamten gesetz- novelle beantragte der Berichterstatter Liesching zu Art. 2a die Erlangung der lebenslänglichen Anstellung der kündbar angestellten Beamten schon nach siebenjähriger statt wie im Entwurf nach zehnjähriger Dienstzeit nach der etatsmäßigen An­stellung eintreten zu lassen und zwar in der Form dzs auto­matischen Borrückens statt der behördlichen Einweisung nach Prüfung der Würdigkeit und zufriedenstellenden Dienstprüfung wie im Entwurf vorgesehen. Er beantragte folgende Fassung des Absatzes 1: Die ans vierteljährige Kündigung angestellten Beamten gelten, nachdem sie seit ihrer ersten Anstellung Lm Sinn des Art. 1 eine Dienstzeit von sieben Jahren znrückge- legt haben, qls auf Lebenszeit angestellt. Ferner beantragte er Zustimmung zu Abs. 2, wonach bei Anstellung vor dem 23. Lebensjahr die Dienstzeit erst von da zu berechnen ist und an­dererseits bei Vollendung des 40. Lebensjahres vor Zurück­legung der zehn bezw. nach Antrag des Referenten der sieben­jährigen Dienstzeit ans fünf Jahre die Wartezeit gekürzt wer­den kann. Endlich beantragte er, den Abs. 3 dahin zu fassen: Beamte, welche nicht in der Anlage des Gesetzes verzeichnet sind, können aus besonderen in ihrer Person liegenden Gründe» mit Genehmigung des Königs sofort oder vor vollständigem Ablauf der vorgeschriebenen Wartefrist auf Lebenszeit ange­stellt werden. Der Finanzminister wandte sich wieder­holt unter Hinweis auf die beamtenrechtlichen Verhältnisse in anderen Staaten gegen den Vorschlag der automatischen Vor-

ßenbeleuchtung benutzte was ihm den Spottnamen Glühwurm" eingetragen hatte, und die wenigen ab­gebrannten Streichhölzer, die verstreut am Boden herum­lagen, hatten zwar dem Täter sehr wahrscheinlich dazu ge­dient, feinem Opfer ins Gesicht zu leuchten und festzu­stellen, ob er seinen Geist auch recht und richtig anfgegeben, aber irgendeinen noch so geringen Anhalt für die Per­son des Totschlägers oder Mörders hätten sie guch dem gewiegtesten Kriminalisten kaum zu bieten vermocht.

In dem fieberhaft arbeitenden Hirn des Zwanzig­jährigen steigerte sich die Vorstellung, daß der Verdacht sich aus ihn lenken könnte, zu der qualvollen Gewißheit: er muß sich auf dich lenken! Erinnerungen an spannende Gerichtsverhandlungen, gn denen die Zeitungen ja noch zu keiner Zeit Stoffmangel gehabt, an aufregende Kri­minalfälle, in denen Leute zum Tode verurteilt, ja auch zum Schafott geschleift worden waren, deren Unschuld sich nachher klar und überzeugend herausgestellt, schossen ihm im wirren Taumel durch den Kopf. Ten Gedanken: nur alles vermeiden, was den Verdacht gegen dich verschärfen könnte! zur Richtschnur seines Handelns machend, ent­schloß er sich, das Zimmer des Toten nicht mehr zu betre­ten, legte Stock und Taschenlaterne wieder an ihren Platz und ging darauf zuerst an den Brunnen, sich oberfläch­lich zu reinigen, dann in sein Stübchen hinauf, um beim Licht einer Kerze mit Seife und Waschlappen die Blut­flecken von seiner Uniform in aller Gründlichkeit zu ent­fernen wozu er dann noch dreimal lautlos wie eine Katze die Treppe hinunter auf den Hof schleichen mußte, sich frisches Wasser zu holen.

Nachdem er wohl eine Stunde lang in steigender Erregung gearbeitet, so daß ihm der Schweiß .in dicken Tropfen von der Stirne lief, klopfte die Mutter an seine verschlossene Tür und fragte, ob er schon da sei, und wes­halb die Schwester nicht mit nach Hause gekommen wäre. Mit heiserer Stimme antwortete er, daß Elsbeth bei Plathes, die dicht neben der Krone wohnten, übernach­ten würde worauf die Mutter mit einem zärtlichen Gute Nacht, mein lieber Junge" wieder davonging.

(Forts»tz«ng folgt.)