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mit Erzähler vom Schwarzwald.
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Amtsblatt für die Stadt wildbad.
Verkündigungsblatt
der Kgl. Forstämter lvildbad, Meistern, Lnzklösterle rc. während der Saison mit
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Rr. 272.
Freitag, den 30. November
1008.
Nach der Krisis
Was die deutsche Presse sagt.
Das Ergebnis der Aussprache zwischen Kaiser und Kanzler wird in der Presse sehr unterschiedlich eingeschätzt. Die Stimmen von links her lauten dahin, daß gar nichts gewonnen sei, während die andere Seite verkündet, der Weg zum wahren Konstitutionalismus sei beschritten. Die Preßstimmen von ganz rechts benützen die Gelegenheit, ihre „Treue" zu dem Kaiser, „der sich selbst bezwungen", in denselben byzantinischen Lauten kundzugeben, die zu der Machtüberfülle des Kaisers und damit zu den unter Kritik stehenden Vorgängen den größten Teil beigetragen haben. Auf einer vernünftigen Mittellinie bewegt sich der Berliner Korrespondent der „Frankfurter Zeitun g", der das Ergebnis des 17. November dahin zusammenfaßt:
Der Kaiser hat öffentlich kundgegeben, daß er sich dessen enthalten will, was die Stetigkeit der Politik des Reiches und die verfassungsmäßigen Verantwortlichkeiten beeinträchtigte, und was man unter dem Worte „persönliches Regiment" zusammenfaßte. Man braucht diese Entschließung nicht zu überschätzen, denn in welchem Umfang sie gemeint ist und in welchem Umfange sie gehalten werden wird und kann, das bleibt, wie alles in der Politik, von den Tatsachen abzuwarten. Lvontus t^ranuus der Erfolg entscheidet. Man soll die Entschließung aber auch nicht unterschätzen, und nicht verkennen, daß friedliche, politische Entwicklungen schrittweise gehen. Wem dieser Tag nicht genug gebracht hat, der mag sich fragen, ob er das, was er gebracht hat, vor wenigen Wochen noch für möglich gehalten hätte.
Durch die Tatsache, daß der Kanzler das Ergebnis sofort dem preußischen Staatsministerium mitgeteilt und mit diesem besprochen hat, daß er den Reichstagspräsidenten zu diesem Zwecke sofort empfangen und den Bundesrat benachrichtigt hat, gewinnt das, was in der Form einer Willenskundgebung des Kaisers erschienen ist, die besondere Sanktion eines wichtigen Staatsaktes. Im übrigen: Wechsel auf lange Sicht gibt's in der Politik nicht, und einklagbare Wechsel überhaupt nicht. Die Volksvertretung hat in diesen Tagen an An
Dem Fürsten die tvahrheii nicht in ihrem ganzen Umfange »erhalten, heißt an ihm selber einen Hochverrat begehen.
Fönelou.
MM
» Schuldig oder nichtschuldig?
Roman nach C. M. Braeme von E. Felsing.
(Nachdruck verbot«?,)
(Fortsetzung.)
„Ja, und obgleich es ein furchtbarer Tod war, verdiente sie dieses Schicksal," antwortete die Frau.
„Hatte auch sie Furcht?" fragte Hefter.
„Ja, sie war wie rasend!" erwiderte die Wärterin. „Lange Zeit mußte erst vergehen, bevor ich sie und alles vergessen konnte."
Nur noch fester klammerte Hefter sich an sie an.
„Sie war eine Giftmischerin," brachte sie hervor, „und sie alle sagen, auch ich hätte meinen Gatten vergiftet! Aber ich habe es nicht getan! Ich schwöre, daß sh es nicht tat! Ich liebte ihn nicht, aber so grausam Mte ich doch nie — nie gegen ihn sein können !"
Die Leute machten sich später ihre eigene Meinung über Hefter Blair; einige glaubten fest an ihre Unschuld, andere wieder waren von ihrer Schuld überzeugt. Aber einen Menschen gab es auf der Welt, der stets behaupte, Hefter Blair sei unschuldig wie ein Kind, und das v>ar Annie Grant, die Gefängnisaufseherin, und nichts rannte ihr diesen Glauben rauben.
„Sie müssen Ihren Geist nicht bei diesen Dingen verweilen lassen," sagte sie gütig; „noch ist ja Hoffnung vorhanden, daß Sie Ihre Freiheit wiedererlangen!"
„Aber ich habe solch große Furcht!" schluchzte Hefter , ft. „Zuerst ängstigte ich mich nicht so ; da war ich "ftzig. Ich wußte, ich war unschuldig, und ich sorgte Nlsch nicht darum, was man gegen mich Vorbringen ü'urde; ich glaubte, daß meine Unschuld bewiesen wer- "bn müßte. Die Wahrheit, so glaubte ich, würde und nrüßte siegen. Aber je länger diese Advokaten und
sehen stark gewonnen, und auch an Einfluß, und daß sie beide bewahrt und erhöht, im Interesse unserer weiteren politischen Entwicklung, das ist eine hohe Aufgabe für sie und in letzter Linie für die Wähler.
Denn in ihren Händen liegen doch, das haben die letzten Ereignisse gezeigt, viel mehr, als mancher bisher geglaubt haben mag, die Geschicke der Nation.
Die „Freisinnige Zeitun g" legt Wert darauf, daß die Verkündigung des Resultates der Besprechung zwischen Kaiser und Kanzler im amtlichen Teile des „Reichsanzeigers" erschienen ist. Der Kaiser habe also versprochen, die im Interesse der einheitlichen Politik und der Autorität der Krone unentbehrliche Zurückhaltung zu beobachten. Das sei ein nicht unwichtiger Punkt, aber damit allein sei es nicht getan, es müßten auch sachliche Garantien gegen die Fortdauer des persönlichen Regiments geschaffen werden. Ob der Kanzler mit dem Kaiser auch darüber verhandelt habe, gehe aus der amtlichen Kundgebung nicht deutlich hervor. Jedenfalls müsse der Kanzler nun auch den weiteren Teil der Aufgabe lösen und Aenderungen der Gesetzgebung und Verwaltung betreiben, die zur Durchführung des konstitutionellen Gedankens notwendig seien.
Es war hohe Zeit, daß durch eine Aussprache zwischen dem Kaiser und dem Kanzler wenigstens das Resultat erzielt worden ist, daß der Kaiser selbst größere Zurückhaltung gelobt hat. Denn bereits melden sich in der „Kreuzztg." die Stimmen der preußischen Konservativen, die sich, wie sich das Blatt ausdrückt, gegen jede wie immer geartete Demütigung der Krone und gegen die Bewegung aussprechen, die auf eine Einschränkung des persönlichen Regiments abzielt. Die „Kreuzztg." schreibt u. a.:
Wir Preußen sehen eben in dem Kaiser auch den König von Preußen! Gewiß ist ja der König von Preußen durch die Reichsverfassung nach außen hin nur noch Vertreter der deutschen Staatshoheiten. Aber die Könige von Preußen haben 200 Jahre im europäischen Konzert eine meist sehr selbständige und kräftige Stimme hören lassen, und es ist für den Erben dieser Könige schwer, diese Stimme auf der Höhe des Erfolges zu einem Flüstern zu dämpfen. Das tut nicht einmal der Präsident der mächtigsten Republik. Soll Präsident Roosevelt beneidet werden von dem König von Preußen, der aus Patriotismus deutscher Kaiser und damit zugleich grö-
diese klugen Leute über meinen Fall nachgrübeln und forschen, desto schwärzer und schrecklicher spricht alles gegen mich. Und doch bin ich unschuldig! Mord! Schon bei dem bloßen Wort fuhr ich stets erschreckt zusammen; es hatte für mich immer einen schrecklichen Klang! Und nun soll ich — ich, Hefter Blair, eines Mordes angeklagt vor meinen Richtern erscheinen!"
Und sie schlug beide Hände vor ihr Antlitz und sank auf den Stuhl, von dem sie vorhin aufgesprungen war, zurück, herzbrechend schluchzend.
Die Gefängnisaufseherin ließ sie gewähren. Erst als sie ruhiger ward, sprach sie ihr Trost und Mut zu, um sie dann, mit dem Versprechen, abends wiederkommen zu wollen, zu verlassen.
Was hätte sie ihr auch sagen sollen, diesem armen jungen Geschöpf, deren Geschick unabänderlich war. und die sie am allerwenigsten davor erretten konnte? Mit derselben Sicherheit, mit der der Zeiger vorwärtsrückte und nach drei Tagen die Stunde verkündigen, würde, die zur Verhandlung dieses Falles angesetzt war, mit derselben Sicherheit würde diese Verhandlung stattfinden und würde das Gericht seinen Urteilsspruch fällen. Wie derselbe lauten würde, ob schuldig oder nichtschuldig, nur Gott konnte es wissen. Nur drei Tage noch, dann — was würde sich dann in der Zelle einundzwanzieg abspielen? Der Befreiungsakt einer Erlösten? Das Drama einer Verurteilten? Oder — was gab es sonst, was noch schlimmer war als das letztere?
Sechstes Kapitel.
Nummer einundzwanzig saß allein in ihrer Zelle. Die Gesängnisaufseherin war in der Nacht vorher bei ihr gewesen und (hatte sie überredet, etwas zu sich zu nehmen, so. daß sie sich kräftiger fühlte; die starre, fahle Blässe war geschwunden. Sie war ihrem Urteilsspruch um einen Tag näher; heute war der vierundzwanzigste Juni, und am sechsundzwanzigsten Juni begann die Verhandlung. Nur wenige Stunnde noch und sie würde der Mittelpunkt eines überfüllten Gerichtssaales sein, taufend Augen würden auf ihr ruhen, tausend Ohren würden begierig jedem Wort lauschen, das über
ßer und kleiner geworden ist? Nur schweren Herzens hat einst König Wilhelm I. die ihn beengenden Bestimmungen der Reichsverfassung auf sich genommen und den Titel „Kaiser" in den ersten Jahren nie ohne Wehmut gehört. Diese die Macht der preußischen Krone einschränkenden Bestimmungen durch eine Verfassungsänderung zu Gunsten des Reichstags zu modifizieren, ist ein Verlangen, dem kein preußischer Patriot zustimmen könnte.
Die klerikale „Germania" ist dem Kaiser dankbar dafür, daß „er sich der besseren Einsicht nicht verschlossen hat". Schon in der Reichstagsdebatte fiel die diplomatische Zurückhaltung des Zentrumsredners, des Freiherrn v. Hertling, auf. Das Zentrum versucht ersichtlich, sich Lei dem Kaiser wieder in Gunst zu bringen, lieber den Fürsten Bülow sagt die „Germania":
„Wenn sodann gesagt wird, der Kaiser habe den Fürsten Bülow seines fortdauernden Vertrauens versichert, so wird man das wohl oum Zrano Lalis aufnehmen müssen. Es ging nicht recht an, den Fürsten Bülow indiesemAu genblick zu entlassen; Gründe der auswärtigen wie der inneren Politik rieten davon gb. Ob aber beim Kaiser keinerlei Mißstimmung ..gegen den Kanzler zurückgeblieben ist, dessen Nachlässigkeit die Veröffentlichung des Interviews verschuldet ,und der im Reichstage die schärfsten Angriffe auf den Kaiser schweigend hat geschehen lassen, darf man doch wohl bezweifeln. Wenn die Reichsfinanzreform unter Dach ist, kommt es vielleicht doch zutage, daß der Kanzler das volle Vertrauen des Kaisers nicht mehr hat. Ob seine Autorität den Parlamenten gegenüber nunmehr hinreichend wiederhergestellt Ist, daß er mit diesen gedeihlich arbeiten kann, wird sich ja bald zeigen."
Die ,,Rheinisch-Westfälische Zeit ung"
schreibt:
„Die kaiserliche Antwort stellt sich demnach als eine schroffe Absage dar an den Willen des Volkes, des Reichstages und des Bundesrats. Der Kaiser will sich mit diesen Faktoren nicht verständigen, sondern den Kampf gegen sie ausnehmen. Der Fehdehandschuh ist nun hingeworfen, er muß. blutenden Herzens ausgenommen werden. Denn es handelt sich um Sein oder Nichtsein des Deutschen Reiches, es handelt sich um unsere wirtschaftlichen Interessen, um unser Ansehen in der Welt und um
sie gesprochen wurde. Männer und Frauen würoen von ihr wie von einem Wunderding reden; alle würden über ihre Schuld und Unschuld verhandeln. Nur noch zwei Tage! Sie hatte nur erst von wenigen Mordanschlägen gelesen, aber sie hatte noch eine schwache Erinnerung an solch eine Gerichtsverhandlung und an die Schilderung der schrecklichen Pause, die herrschte, während die Richter den Spruch fällten. In wenigen Stunden würde auch sie auf ihren Spruch warten müssen, ob sie für schuldig oder unschuldig befunden wurde.
Lautete das Urteil „Nichtschuldig," welch plötzliches Gefühl der Freiheit würoe dann über sie kommen, wie würde sie hinauseilen in die frische, freie Luft und in den goldenen Sonnenschein! Aber selbst dann würde die Welt für sie nicht mehr dieselbe wie vor ihrem Unglück sein; die drückende Gefängnisluft würde lebenslang gn ihr hasten bleiben, sowie der Schatten eines düsteren Verbrechens. Wenn der Richterspruch aber „Schuldig" lautete, dann würde der Himmel selbst Mitleid mit ihr Haben und sie gleich sterben lassen. Sie dachte gar nicht daran, was nach solchem Spruch mit ihr geschehen würde. Danach gab es kein Weiterleben mehr für sie. Aber wie der Spruch auch immer lauten mochte, — nur noch wenige Stunden, und der Name Hefter Blair würde auf jedermanns Lippen sein, — Hefter Blair, die zu Hause das verhätschelte, zärtlich behütete Kind gewesen war.
Wieder strömte der Helle Sonnenschein durch das schmale Fenster in ihre Zolle; wieder lag er auf den weißen, gefalteten Händen und dem schönen, traurigen Gesicht. Und wieder wurde die Zellentür geöffnet, und die Aufseherin führte einen Besucher herein, — jedoch diesmal nicht den Rechtsanwalt, sondern einen andern, den sie kannte.
Als Hefter Blair seiner ansichtig wurde, sprang sie mit leisem Schrei von ihrem Stuhle auf und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Ein junger Mann stand vor ihr, der dem Offiziersstand angehörte, wie es schien, von einer dunklen, männlichen Schönheit, wie sie auf die Frauen stets die größte Anziehungskraft ausübt.
(Fortsetzung folgt.)