Aus der Sitzung der Gemeindekollegien vom 17. Oktober 1»«8.
Dem am 19. November ds. Js. sein LSjähriges Dienstjubiläum feiernden Amtsdiener Wilhelm Schmid hier wird durch einstimmigen Beschluß der Gemeindekollegien in Anerkennung seiner treu geleisteten Dienste, großen Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit eine Ehrengabe von 200 Mk aus der Stadtkasse bewilligt.
. Zufolge oberamtlicher Aufforderung geben die bürgerlichen Kollegien über den Stand der Erbauung eines Realschulgebäudes in hiesiger Stadt die Aeußerung ab, daß die Fertigung der Pläne und die Inangriffnahme des Neubaues einer Realschule erst nach Zustandekommen der Volksschulnovelle erfolgen könne, weil in dem neuen Realschulgebäude auch weitere Schulräume für die Volksschule geschaffen werden sollen und die Zahl der erforderlichen Volksschullokale erst auf Grund der zu erwartenden Vorschriften über die zulässige Höchstzahl der Schüler in einer Volksschulklasse festgeftellt werden könne.
Die von der Stadtgemeinde Stuttgart an das Kgl. Staatsministerium und die Ständeversammlung gerichtete Eingabe gegen die Einführung einer Reichssteuer auf Gas und Elektrizität wird den Gemeindekollegien bekannt gegeben und es wird von denselben einstimmig beschlossen, seitens der hiesigen Stadtgemeinde als Besitzerin eines Gas- und Elektrizitätswerks den Beitritt zu der Eingabe zu erklären und sich derselben in ihrem vollen Umfange anzuschließen.
Q Weshalb sind wir keine Sozialdemokraten ?
Hl.
Der Katechismus der Sozialdemokratie.
Die beiden Haupt- und Lehrsätze des Marxismus, die materialistische Geschichtsauffassung und die Wert- und Mehrwertstheorie sind in das Erfurter Programm nicht ausgenommen worden. Die materialistische Geschichtsauffassung fand allerdings nur formell nicht den Eingang in das Parteiprogramm; inhaltlich beherrscht es die ganze dort gegebene Entwicklungslehre. Aber von der Wert- und Mehrwertstheorie ist im ganzen Erfurter Programm keine Silbe zu finden. Das hat seinen guten Grund. Denn diese Theorie ist von den meisten bürgerlichen wie sozialistischen Nationalökonomisten als haltlos fallen gelassen worden. Was die übrigen Theorien des Sozialismus anbelangt, so sei bemerkt, daß namentlich die Veredelungstheorie von fast allen, auch vielen sozialdemokratischen Wissenschaftlern verworfen ist und daß die Ansicht vorherrscht, daß mit dem Fortschreiten der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung auch die
Lebenshaltung des Lohnarbeiters steigt. Um die Krisentheorie wird viel gestritten, doch ist in ihre Position schon manche Bresche gerissen worden. Die Akkumulationstheorie hat ihre bedeutendsten Gegner im soziald. Lager selbst. So hat Eduard Bernstein an der Hand genauer Berechnungen nachgewiesen, daß die Zahl der Betriebe nicht ab, sondern zunimmt. Die Katastrophentheorie ist durch die Haltlosigkeit der anderen Theorie^ von selbst aufgehoben. Denn wenn die Bedingungen, die zur Katastrophe führen sollen, falsch sind, so ist es klar, daß eine Katastrophe im gedachten Sinne überhaupt nicht eintritt.
Die heutige Sozialdemokratie kann das Dichterwort „Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust, die eine will sich von der anderen trennen." mit Recht auf sich anwenden. Und diese beiden Seelen heißen Radikalismus und Revisionismus. Der Radikalismus ist streng marxistisch, ist revolutionär, und hofft die Erreichung seiner Ziele durch Umsturz der bestehenden Gesellschaftsordnung. Der Revisionismus hingegen ist bestrebt, auf gesetzlichem Wege, im Rahmen der bestehenden Ordnung sein Ziel zu erreichen. Diese beiden Richtungen stehen sich teilweise so schroff gegenüber, daß es uns tatsächlich schon lange vor Nürnberg wunder nehmen mußte, wiesman so überhaupt noch zusammen arbeiten kann. Dieser Gegensatz kommt auch im Erfurter Programm klar und deutlich zum Ausdruck. Der erste Teil ist radikal marxistisch, der zweite revisionistisch. Diese beiden Teile des Erfurter Programms stehen in direktem logischem Wiederspruch zu einander. Der 1. Teil birgt die Quintessenz der Akkumulationstheorie, die Lehre von der Ver- elendungs- und Katastrophentheorie. Der 2. Teil handelt von lauter Mitteln, die anzuwenden sind, um die gegenwärtigen Verhältnisse zu bessern und erträgliche Zustände zu schaffen. Das ist doch ein schreiender Widerspruch. Ist die Akkumulations-, die Verelendung»- und die Katastrophentheorie richtig, dann wäre es doch faktisch das Beste, wenn man diese vorgezeichnets Entwicklung nach Kräften fördern würde. Denn je eher die Katastrophe eintritt, um so bälder schlägt für das geknechtete Proletariat die Stunde der Erlösung Und die Losung müßte lauten, wie sie für die Ultraradikalen a la Rosa Luxemburg und Konsorten ja tatsächlich lautet: „Je schlechter, desto bester." So be- zeichnete anfangs Liebknecht die parlamentarische Mitwirkung der Sozialdemokratie als Verrat. Denn jede Verbesserung der bestehenden Verhältnisse schiebt die Todesstunde der kapitalistischen Gesellschaft nur weiter hinaus und entfernt dementsprechend auch den Zeitpunkt, wo das Proletariat seine Erbschaft antreten kann, immer mehr. Die Taktik der Verschärfung der Gegensätze, also der künstlichen Be
förderung der zur Katastrophe führenden Entwicklung hat der Parteipapst der Sozialdemokratie Karl Krautzky und mit ihm sein Anhang immer als seine Pflicht angesehen. So erklärte er auf dem Dresdener Parteitag:
Unsere bisherige Taktik ging dahin, daß wir immer rücksichtslos vorwärts drängten, daß wir dadurch die Gegensätze zu den herrschenden Klassen immer mehr erweiterten. die herrschenden Klassen immer mehr gegen uns erbitterten, daß wir mit jedem Zuwachs an Macht die Konflikte immer mehr zuspitzten, so daß wir schließlich Zuständen entgegendrängten, wo es eine große Entscheidung gibt, in der wir dann gezwungen sind, den Gegner niederzuwerfen und ihm die Macht abzunehmen.
Das ist der Klaffenkampf in seiner schärfsten Form, aber auch die richtige Konsequenz derjenigen, die den Marxismus voll anerkennen. Der widerspruchsvolle Gegensatz zwischen dem 1. und 2. Teil des Erfurter Programms wird nur bestärkt durch die praktische Erfahrung. Denn wo Sozialdemokraten zu praktischer Mitarbeit kommen, also zur Mst- Hilfe der Verwirklichung von Forderungen, die im 2. Teil ihres Programmes stehen, da geraten sie in Widerspruch mit ihrer Theorie, also mit den im 1. Teil enthaltenen Sätzen. Und jeder Sozialdemokrat, der in der Parlaments- kommission, auf dem Rathause, im Arbeiterausschuß usw. praktische Mitarbeit leistet, jeder solche wird von den ziel- bewußten Radikalen scheel angesehen Denn er arbeite, mit an der Verbesserung der bestehenden Verhältnisset während die Radikalen im Eintreffen der Verelendungsund Zusammenbruchstheorie ihr Heil erblicken. Das richtige Wort hat hier einmal der Genosse Kolb gesprochen, als er sagte:
Unsere bisherige bewährte Taktik ist die in die Praxis übersetzte Theorie der Evolution. Es gibt nur die Alternation: Entweder wir ziehen aus unserer bisherigen Taktik die Konsequenzen für die Theone, oder wir ziehen aus der Zusammenbruchstheorie die Konsequenzen für die künftige Taktik. Der Widerspruch zwischen Theorie und Taktik kann auf die Dauer nicht bestehen bleiben, denn er führt immer wieder zu inneren Konflikten.
Das ist ehrlich gesprochen. Diese Konflikte sind eben nur die Frucht jener inneren Unwahrheit, auf der das Erfurter Programm aufgebaut ist, jener Gegensatz zwischen dem 1. und 2. Teil. Und man übertreibt nicht, wenn man behauptet, daß dieser widerspruchsvolle Gegensatz das Leben der Partei vergiftet. (F. s.)
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Tagesordnung
1. Kassenbericht.
2. Feststellung des Schleßplanes.
3. Beratung über Zeit und Ort des Familienabends.
4 Neuwahl des Vorstandes.
5. Verschiedenes.
Das Jufanterie-Regim. Kaiser Friedrich König v. Preußen (7. LVürtt.) Nr. 125 begeht am 8. Mai nächsten Jahres die
Feier seines lOOjährig. Bestehens
Sämtliche Offiziere, Sanitätsoffiziere, Beamte, Unteroffiziere und Mannschaften, die dem Regiment aktiv oder im Beurlaubtenstande angehört haben, werden zu dem Feste eingeladen und gebeten, für den Fall ihrer Teilnahme Adresse, frühere Kompagnie und militärische Jahresklasse bis spätestens 1. März 19->9 dem Regts.-Geschästszimmer mitzuteilea. Weitere Benachrichtigung erfolgt an die Festteilnehmer unmittelbar.
Stuttgart, den 16. November 1908.
Das Infanterie-Regiment Kaiser Friedrich König v. Preußen (7. Wurtt.) Nr. 125 Frhr. vou Lranä, Oberst u. Regimentskommandeur.
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