DaS hat gerade «och gefehlt.

Mach demBerliner Tageblatt" hat sich in aller Stille eine Vereinigung gebildet, welche her Reichs-- sjnanzrefornr zum Siege verhelfen will. Der Arbeitsausschuß, dieser Sydowschen Schutztruppe versendet «KM vertraulich ein Zirkular, in dem zur Veranstaltung großer öffentlicher Versammlungen und Kund­gebungen aufgefordert wird, die eine energische und Endliche Durchführung der Finanzregelung fordern. Herr v. Sydow hat also zur Durchdrückung seiner genialen Neuerpläne eine besondere Schntztruppe mobil gemacht. » » *

Eine schlechte Komödie

Mt der Schah von Persien auf, um dies Eiu- Mrung einer Verfassung zu verhindern: InT)h e ran hat dieser Tage eine außerordentliche Versammlung zur Beratung über die Wahlgesetze stattgefunden. Es nahmen daran viele Geistliche, Vertreter der Kaufmannschaft

sämtliche Minister teil. Im Adamen des Schahs Mirde eine Rede verlesen, in der ausgeführt wurde, der Schah willige ein, die Verfassung zu geben s die Wahlgesetze seien fertig und den Provinzen zur Kennt­nisnahme mitgeteilt, doch sei es aus Anlaß, der großen Menge der eingegangenen Telegramme, die gegen die Wiederherstellung der Verfassung Einspruch erheben, wün­schenswert vorher der Ansicht der Bewohner der Haupt­stadt zu erfahren. Die Anwesenden erklärten, die Ver­fassung stehe im Widerspruch mit dem heiligen Gesetze, md erhoben gegen ihre Wiederherstellung Einspruch.. Der Anspruch wurde schriftlich aufgesetzt und mit Unterschrif­ten und Siegeln versehen. Die Bevölkerung der Haupt­stadt erblickt hierin einen Versuch des Schahs, sich der Erfüllung seiner Verpflichtungen zu entziehen. Es scheint allerdings so, als ob es sich bei dev Versammlung um bestellte Arbeit gehandelt hätte. Der englische und russi­sche Gesandte haben erneut beim Schah Vorstellungen we­gen Wiedereinführung einer konstitutionellen Regierung erhoben.

Aus Petersburg wird gemeldet: Die russische Regierung verfolgt mit großer Aufmerksamkeit die Vor­gänge in Persien. Hier herrscht die Ueberzeugung, daß die jetzige Politik des Schah seine Zukunft schwer ge­fährden könne. Rußland wird sich niemals in die inneren Angelegenheiten Persiens mischen. Sollten aber die rus­sischen Untertanen in Täbris gefährdet sein, so wird rus­sisches Militär sofort eingreifen.

Tages-Chronik.

Berlin, 11. Nov. In Groß-Berlin haben gestern N sozialdemokratische Versammlungen statt­gefunden, in denen gegen die Vorgänge in der Reichsregierung protestiert wurde. Es nahmen II000 Männer und 1 200 Frauen an den Versamm­lungen teil.

Luxemburg, 11. Nov. Bei der gestrigen Parla­mentseröffnung erklärte der Minister, daß die geisti­gen Kräfte des Großherzogs derart nachgelas­sen hätten, daß die Einsetzung einer Regentschaft notwen­dig geworden sei.

Aus Württemberg.

Vom Grafen Zeppelin.

Aus Friedrichshafen wird geschrieben: De: Kaiser ist in Begleitung des Fürsten zu Fürstenberg uuv dessen Familie Dienstag!um 1. Uhr mit Sonderzug in Man­zell eingstroffen, wo er auf offener Strecke den Zug ver­lieh und nach der Begrüßung durch den Grafen Zeppelin sich, zu Fuß nach der Landhalle begab. Eine zahlreiche Menschenmenge war zugegen und brachte dem Kaiser Huldigungen dar. Um 1 Uhr 10 Minuten betrat der Kaiser die Landhalle, wo die Angehörigen der Fa­milie des Grafen Zeppelin, die Ingenieure und das Direktionspersonal vorgestellt wurden. Nach, der Be­sichtigung der alten Halle fuhr der Kaiser mit dem Mo­torbootWürttemberg" in die neue Halle. Um 1 Uhr t8 Minuten wurde der Ballon aus der Halle gezogen ind stieg 1 Uhr 55 Minuten stolz und elegant auf. Er sührte eine Anzahl Manöver aus, die der Kaiser vom DampferCharlotte" aus beobachtete. Nach 3/Ztü.ndi- ger glücklicher, durch «ine Zwischenlandung auf dem Wasser unterbrochene Fahrt, erfolgte die glatte Landung.

Bei der Zwischenlandung bestieg au Stelle des Fürsten von Fürstenberg, der den ersten Teil der Fahrt mitgemacht hatte, idesfen Gemahlin die Gondel.

Nach erfolgter Landung hielt der Kaiser an den Grasen eine Ansprache, in der er den Grasen als den ^kolz des Vaterlandes bezeichnete, hängt« ihm eigenhändig das Band des Schwarzen Ad­le rorde ns um und brachte ein von allen Anwesenden mit Begeisterung aufgenommenes Hoch auf den neuesten Nter. des allerhöchsten preußischen Ordens aus. Bald darauf verabschiedete sich der Kaiser und fuhr nach Do- ^aueschingen zurück.

Das Reichsluftschiff nach Metz.

Friedrichshafen, 11. Nov. Ter Kaiser ungeordnet und den Major Groß damit beauf- ^mgt, daß in der nächsten Zeit eine Luftschifferabteilung mach Friedrichshasen verlegt wird. Diese hat sich E 'der Führung des2 I" vertraut zu machen, der -arauf in Metz stationiert wird, wo schon eine Halle W.

Arbeiterentlassung bei der Eisenbahn. Eine Mssenkündigung von Hilfsunterbeamten und Aibeitern hat ^ letzter Zeit auf Anordnung der Generaldirektion der btaatseisenbahnen durch die einzelnen Dienststellen stattge- i, Stuttgart sollen 88 und im ganzen Lande

ttOS Kündigungen stattgesunden haben oder noch stattsinden. eeute mit 5 oder noch mehr Dienstjahren, die vielleicht vor Ähren kleine Disziplinarstrafen erhielten, darunter auch ^heiratete, werden nun unmittelbar vor dem Winter aus ^ Straße gesetzt.

«aihingen, a. C., 9. Nov. In einer! stark be­suchten, von der Volkspartei einberufeuen Volksver­sammlung sprach Landtagsabgeordneter Tr. Eisele über die Tätigkeit im Landtag und K e r ch e r - Stuttgart über die Reichspolitik. Im Anschluß an die beiden Re­ferate wurde folgende Resolution beschlossen: Die Versammlung erhofft von der Vvlksschulreform gänzliche Beseitigung der geistlichen Schulaufsicht und Zulassung der Simultanschule. Von der Fraktion der Volkspartei im Reichstag erwartet die Versammlung unter allen Um­ständen Ablehnung der Gas- und Elektrizitätssteuer, so­wie der Jnseratensteuer und die Forderung einer Reichs- Vermögens- und einer Nachlaßsteuer aus größere Ver­mögen. Die Versammlung bedauert auf das lebhafteste, daß der Reichstag nicht einmütige Stellung gegen Kaiser und Kanzler zu nehmen scheint.

Stuttgart, 10. Nov. Aus dem Parteileben. Der Gesamtvolksverein Groß-Stuttgart hält am nächsten Freitag abend im Saale des Gasthofs zum Hirsch eine Plenarversammlung. Auf der Tagesordnung steht ein Referat über die politische Situation im Reich und die Reichssteuerreform, ferner ein Referat des Bürgerausschuß­obmanns Rechtsanwalts Dr. Erlanger über: der Stutt­garter Bürgerausschuß unter der neuen Gemeindeordnung, und eine Besprechung der kommenden Bürgerausschußwahlen. Am gleichen Abend hält der liberale Verein Stuttgart im Saale ves Restaurants Charlottenhöf seine ordentliche Generalversammlung.

Stuttgart, 10. Nov. Die Volksschulkommission hat ihre Beratungen abermals und zwar bis Donnerstag oder Freitag ausgesetzt, wiederum aus dem .Gründe, weil der Vorsitzende und gleichzeitige Berichterstatter Abgeordne­ter Tr. Hieber, zu den Reichstagsverhandlungen abreisen mußte. Im übrigen seien die Arbeiten der Kommission soweit fortgeschritten, daß auf ihre Beendigung zu einem eine Verhandlung des Plenums noch im Dezember ermög­lichenden Termin, mit Sicherheit gerechnet werden dürfe.

Gmünd, 10. Nov. Bei der gestern hier stattgehab­ten Gewerbegerichtswahl erhielt die christlich nationale Ar­beiter-Organisation 6 977 Stimmen, die Sozialdemokraten 7021 Stimmen. Bei der letzten Wahl erhielten erstere 4 202, letztere 8 380 Stimmen. Die christlich nationale Arbeiter-Organisation hat somit eine Zunahme von 60"/» zu verzeichnen. Die Sozialdemokraten dagegen sind erheb­lich zurückgegangen. Die christlich nationale Arbeiter-Or­ganisation erhielt fünf Beisitzerstellen, die Sozialdemokraten auch fünf.

Stuttgart, 9. Nov. Dem soeben veröffentlichten Bericht des ersten Stadtarztes Dr. Gastpar über die Untersuchung der Volksschulkinder in Stuttgart im Jahre 1907 sind einige beachtenswerte Angaben über den Gesunheitszustand der volksschulpflichtigen Ju­gend in Stuttgart zu entnehmen. In einer tabellarischen Zusammenstellung kommt das bekannte Phänomen der Verseuchung der Mädchenklassen durch Ungeziefer in­folge der Haartracht auch für Stuttgart deutlich zum Ausdruck; im Durchschnitt der letzten 7 Jahrgänge wur­den 20,5 »o der untersuchten Kinder als mit Ungeziefer behaftet gefunden; bei den jüngeren und mittleren Jahr­gängen war die Ungezieserplage am stärksten; auch erwie­sen sich die Kinder mit geringem Ernährungszustand! stär­ker belastet, als die gut genährten Kinder. Eine Stör­ung der Sehtätigkeit oder eine Erkrankung des Auges wiesen l8,2o/o der untersuchten Kinder auf; es hat sich hierbei die bekannte Tatsache ergeben, daß, der Augen- befind in den oberen Klassen durchgängig weniger gün­stig ist; auch sind die Aehstörungew bei den Mädchen (58 o/o) häufiger als bei den Knaben (42 o/o). An Lungenleiden nicht tuberkulöser Natur litten 18,6o/o der untersuchten Kinder; es zeigte sich hierbei, daß die Krankheitserscheinungen mit dem zunehmenden Alter ab­nehmen. Ter Verdacht auf Lungentuberkulose zeigte sich nur in verhältnismäßig seltenen Fällen und erreichte nicht ganz 1 o/o im Durchschnitt der verschiedenen Jahrgänge. Herz geräusche wurden bei 14,8o/ der Untersuchten Kinder sestgestellt, Ohrenleiden oder Gehörstörungen bei 5,2 o/o, Drüsen bei 4,7 o/o, ausgeprägte Verkrümmung der Wirbel­säule ebenfalls bei 4,7 o/o, Hautleiden oder Rachitis bei rund 2 o/o. (Sch B.)

Nah und Fern.

lieber einen Unfall beim Stapellanf desGeorge Washington" meldet ein Telegramm aus Stettin: Durch Durch die kolossale Welle, welche beim Eintauchen desGeorge Washington" in den Strom das gegenüber­liegende Uftr überschwemmte, wurden drei Personen gegen die dort errichtete Tribüne geschleudert und schwer verletzt.

Gerichtssaal.

Ei» bauernbündlerischer Agitator vor Gericht.

Eine interessante Gerichtsverhandlung mit poli­tischem Hintergrund hat vor dem Schöffenge­richt Waiblingen stattgesunden, nämlich' eine Be­leidigungsklage des Akzisers Wilhelm in Strümpfelbach gegen den Landtagsabgeordneten Körner in Stuttgart. Dieser verteidigte sich selbst. Vertreter hes Klägers war Rechtsanwalt Dr. Elsas in Stuttgart.

Landtagsabgeordneter Körner hatte sich seit mehre­ren Jahren in die genossenschaftlichen Bestrebungen in den Gemeinden Strümpfelbach und Stetten ein- gemischit und durch seine Tätigkeit, insbesondere durch Entwerfen von hetzerischen Flugblättern, erbitterte Kämpfe innerhalb der beiden Gemeinden hervorgerufen. In bei­den Gemeinden bestehen seit einer Reihe von Jahren wohlorganisierte eingetragene Erwerbs- und Wirtschafts­genossenschaften, welche die gemeinschaftliche Verwertung von Milch, und anderer Produkte betreiben und nach­weisbar mit bestem Erfolg arbeiten. Beide Genossen­schaften werden nach rein wirtschaftlichen Grund­sätzen geleitet und wollen von den Bestrebungen der Bauernbundsapostel nichts wissen. Dies aber war ge­

rade Herrn Körner ein Dorn im Auge; es wurden auf sein Betreiben in beiden Gemeinden neue Genossenschaf­ten nach seinem Muster, sog.freie Gewerkschaften" ohne gerichtliche Eintragung gegründet. In Strümpfel­bach wurde die Gründung gemacht gegen den Orts­vorstecher, der den Standpunkt der Bereinigung aller Weingärtner in einer Genossenschaft vertrat, in Stetten mit dem Ortsvorsteher gegen die alte gutbewährte Ge­nossenschaft. Herr Körner macht es bald so, bald so, wie es eben in seinen agitatorischen Plan paßt. Die Beteiligung der Genossenschaften in Strümpfelbach und Stetten an der Stuttgarter Milch zentrale war dem Herrn Körner .besonders widerwärtig; er kann es im­mer noch nicht verschmerzen, daß eine solche rein wirt­schaftliche Gründung ohne seine politische Mitwirkung vor sich gegangen ist. Ohne das Mißtrauen,, das Herr Körner gegen die Milchzentrale unter den Landwirten des ganzen Landes verbreitet hat, wäre die Stuttgar­ter Milchzentrale längst «ine Milchversorgungsanstalt größten Stils. Daß aus diesem Gebiet durch genossen­schaftlichen Zusammenschluß Großartiges geleistet werden kann, das zeigen die Erfolge der niederösterreichischen Molkerei-Genossenschaft in Wien, die täglich 80 000 Li­ter Milch verschließt.

In Strümpfelbach sind infolge der unablässigen Um­triebe der nengegründeten Genossenschaft eine Anzahl Mitglieder der alten organisierten Weingärtnergenossen- schaft ihrer statutenmäßigen Pflicht zur Ablieferung der Milch nicht mehr nachgekommen. Auf Vorstellungen des Vorstands haben einige die Milchlieferung wieder! auf- geiwmmen, 6 Mitglieder weigerten sich dies zu tun. Es blieb nichts anderes übrig, als klagend gegen diese vor­zugehen. Das durch Statut eingesetzte Schiedsgericht, das lediglich aus Mitgliedern der Genossenschaft selbst besteht, verurteilte die sich weigernden Mitglieder zu den im Sta­tut festgesetzten Geldstrafen. Das schiedsgerichtliche Ur­teil wurde vom K. Landgericht .Stuttgart be­stätigt. Nachdem das Urteil Rechtskraft erlangt hatte, nahmen auf nochmalige Vorstellung des Vorstands 5 der Verurteilten die Michlieferung wieder auf. Tie Genossen­schlaft wollte nicht mehr; an der Beitreibung der Konven­tionalstrafen lag ihr nichts, sondern gn der Vertrags­erfüllung durch die Milchli eferun g. Auf dieser muß sie im Interesse eines geordneten Geschäftsbetriebs beste­hen, weil die Genossenschaft an die Erfüllung des Ver­trags mit der Milchzentrale gleichfalls .durch Vertrags­strafen gebunden ist. Nur eine Verurteilte, die Schrei­nerswitwe Braun, weigerte sich, beständig, .ihren! Ver­pflichtungen nachzukommen, alle vorgenommenen Verstän­digungsversuche fruchteten nichts; es konnte keinem Zweifel unterliegen, daß die Witwe Braun vonanderer Seite" zu ihrem sinnlosen Widerstand veranlaßt wurde. Da ent­schloß sich der Vorstand, zum letzten Mittel zu greifen und für die Strafe Fahrnispfändung bei der Witwe Braun zu beantragen und ihr zu zeigen,^ daß es endlich! ernst werde. Daß der Vorstand der Genossenschaft die Pfänd­ung nur als letzten Schreckschuß und! nicht zum Zweck der Beitreibung der Konventionalstrafe einleiten lceß, er­gab die Beweisaufnahme vor dem Schöffengericht Waib­lingen nrit untrüglicher Sicherheit. Nun sah sich Land­tagsabgeordneter Körner veranlaßt, an den Vorstand der Weingärtnergeuossenschaft, Akziser Wilhelm in Strümpeflbach, und an den Ortsvorsteher belei­digende Briefe zu schreiben und di« Einrichtungen der Genossenschaft einer Kritik zu unterziehen. Während der Ortsvorsteher sich die Einmischung des/ Herrn Kör­ner brieflich verbat und ihn ersuchte, sich lieber seinen Verpflichtungen im Landtag zu widmen, als in den ein­zelnen Gemeinden Uneinigkeit hervorzurnfen, erhob Ak­ziser Wilhelm Klage wegen Beleidigung.

Trotz der rührseligen Verteidigung des Herrn x- ner wurde er vom K. Schöffengericht Waiblingen tvegen Beleidigung zu 20 M Geldstrafe undz Trag­ung sämtlicher Kosten verurteilt.

Wir hoffen, daß Herr Landtagsabgeordneter Körner nunmehr in Strümpfelbach und Stetten seine Tätigkeit einstellt. Die Leiter der Weingärtnergenossenschast da­selbst verstehen vom Genossenschaftswesen mehr wie er und wollen nichts anderes, als durch wirtschaftlichen Zusammenschluss ohne Rücksicht auf Politik, zum; Wohl der Gesamtheit beitragen, während Körner es> nur um politischen Einfluß, zu tun ist. ,

Wir können Herrn Körner verraten, daß die mit seiner Mitwirkung gegründeten sogenannten freien Ge­nossenschaften nicht leben und nicht sterben können. Tie meisten Mitglieder wären floh, wenn sie wieder bei den alten Genossenschaften, die Bedeutendes leisten, wären. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß binnen ganz kur­zer Zeit in beiden Gemeinden ei n Zusammen­gehen aller Inter essenten auf genossen­schaftlichem Gebiet stattfinden wird.

Stuttgart, 9. Nov. (Schwurgericht.) 'Die Schwur­gerichtssitzungen des vierten Quartals begannen heute un­ter dem Vorsitz von Laudgerichtsdirektor von Fetzer. Als erster Fall kam ldne Anklagesach« gegen den verwitweten Schneider Christian Rathge ber von Hegnach, wegen Brandstiftung zur Verhandlung. Der Angeklagte hatte früher ein gutes Geschäft, er kam aber durch übermäßigen Alkoholgenuß herunter. Nach dem Tode seiner Frau ver­lor er vollends jeglichen Halt, er ergab sich dem Schnaps­trunk, arbeitete nichts mehr und wurde schließlich im Ar­menhaus untergebracht. Am 6, Juni kamj er auf das Rathaus und verlangte eine Unterstützung, er wurde über abgewiesen. Im Aerger darüber zündete er im Armen­haus aus der Bühne einen Haufen Stroh an, nachdem er den Boden vorher mit Erdöl begossen hatte, nach der Brandlegung begab et sich nach Waiblingen. Das Feuer wurde rechtzeitig entdeckt und gelöscht. Ein nennenswerter Schadet: (10M) ist nicht entstanden. Im Armenhaus wokint außer ihm nur noch eine ledig« Arbeiterin. Zu dieser hatte er früher schon geäußert, wenn er keine Unterstützung erhalte, dann Zünde er das Armenhaus! an. Tie Ge­schworenen sprachen den Angeklagten nur der versuchten Brandstiftung schuldig, worauf das Gericht ihn zu neun Monaten Gefängnis und zwei Jahren Ehrverlust verur­teilte, unter Anrechnung von fünf Monaten/ Untersuch­ungshaft.