wohl nicht erst vedars. Wir wollen nicht, oatz zwischen KÄlsev und Nation sich eine Kluft auftnt. Wir sind voll überzeugt, daß alles, was der Kaiser tut, diktiert ist von der Liebe zunk Baterlande. Aber es ist nötig, daß. alles, was er tut, geschieht unter der Verantwortung seiner verantwortlichen Ratgeber. Ter nationalliberale Parteizentralvorstand hat dieser Tage eine dem- entsvrechende Erklärung (deren Wortlaut Redner verliest) be­schlossen. Uebertreibungen, wie sie vorgekommen sind, lehnen wir ab. Es sind die stärksten Worte gefallen. Wir bedauern dies. Wir fühlen uns stark genug, auch vor dem Auslande, zu dieser offenen Aussprache hier. Wenn unseren Vorstellungen Rechnung getragen wird, so werden künftig Schädigungen, wie sie aus den beklagten Vorgängen Deutschland erwachsen sind, uns ferngehalten werden. In dieser Hoffnung wenden wir uns, zwar mit Ehrfurcht, aber auch mit Nachdruck, au den Kaiser. Und m. H., wir wünschen, daß es heute das letzte Mal sei, daß wir hier zu solchen Verhandlungen und zu solchen Vorstellungen an Sr. Majestät den Kaiser gezwungen sind. (Beifall.)

Abg. Dr. Wiemer (Frs. Vp.): Staunende Ueberraschuug und Bestürzung sind durch die Veröffentlichungen hervorge­rufen worden. Erbitterung und Zorn erfüllten das ganze Volk. Deutschlands Ansehen hat einen schweren Schlag erlitten. Das Vertrauen zur Fähigkeit und Zuverlässigkeit unserer leitenden Staatsmänner ist erschüttert worden. (Lebh. Zustimmung.) Da­bei lastet auf uns die schwere Frage: Sind die Enthüllungen AU Ende? (Lebh. Zustimmung.) Bringen die nächsten Tage Vielleicht neuen Sturm? Ein Interview mit dem Amerikaner Haie ist ja nur mit Mühe der Veröffentlichung entzogen worden. Heute wird schon jeder Tag vom Volke begrüßt,

an dem eS nicht solche Veröffentlichungen zu befürchten hat. (Sehr richtig!) Es sind schwere Fehler gemacht worden. ES ist ein Schaden an nationalen Werten angerichtet worden, der vielleicht nicht mehr gut gemacht werden kann. (Zustimmung.) Wer trägt nun die Schuld daran? Warum hat der Reichs­kanzler uns diese Dinge nicht erspart? Er mußte sich doch stets davon überzeugen, daß die kaiserlichen Kundgebungen mit seiner Politik im Einklang stehen. (Beifall.) Fürst Bülow hat sich.als ein begabter und geschickter Staatsmann gezeigt. Aber die Erfahrung hat gezeigt, daß er zeitweilig die Zügel schleifen läßt und daß er die Dinge gehen läßt. (Sehr richtig!) In Preußen geschehen gar viele Dinge, die geradezu den Anord­nungen des Reichskanzlers Hohn sprechen. (Sehr richtig!) Ich erinnere nur .yn die Landtagswahlen, bei denen der Reichs­kanzler den Behörden Unparteilichkeit befohlen hatte, woran diese sich aber durchaus nicht hielten. (Sehr richtig! links.) Die Hauptschuld an den traurigen Vorgängen der letzten Tage trifft nicht den Reichskanzler, sondern die ihm unterstellten Ressorts und Beamten. Aber er ist verantwortlich für die Ge­samtpolitik des Reiches. (Sehr richtig! links.) Mit unserer Organisation des Auswärtigen Amtes stimmt es nicht! Sonst hätte doch irgend jemand die Tragweite der Veröffentlichungen erkennen müssen. (Sehr richtig!) Hier klappt etwas nicht! (Zustimmung.) Es muß für bessere Ordnung gesorgt werden. Wie kommt es, daß soviel ungeeignete Männer sich im Aus­wärtigen Amte befunden haben? Man hat sich zu sehr an eine Politik des Strammstehens gehalten. Unsere Stellung zu den Balkanwirren hat viele Fehler erkennen lassen, so Laß wir in eine mißliche Lage chineingekommen sind. Unsere Diplomatie bedarf der Blutaufsrischung. Jetzt sind für die Diplomaten Herkunft, soziale Stellung und Vermögen wichtiger als persönliche Tüchtigkeit. (Sehr richtig!) Diese Exklusivität führt zu den schwersten Mißerfolgen. (Sehr wahr!) Die Affäre Hill ist ja glücklich beigelegt. Drüben ist gesagt worden: unsere Vertreter sollten nicht Scheckbücher sein, sondern Männer! DaS Muß auch für uns gelten! Wir wollen nicht reiche, sondern tüchtige Männer als unsere Vertreter im Auslande sehen. Nun die Urlaube! Der Reichskanzler muß dafür sorgen, daß er in seiner Abwesenheit tüchtige Vertreter in Berlin hat, die in seinem Sinne urteilen. Aber nun das Hauptübel. Der schwerste Mißstand ist das fortgesetzte persönliche Hervortreten des Monarchen. Der Gebrauch, den Monarchen nicht in die Debatte zu ziehen, ist unmöglich sestzuhalten bei einem solchen persönlichen Regiment. Wir, der Reichstag, müssen dafür sor­gen, daß durch ein solches fortgesetztes Hervortreten des Mon­archen das Reich nicht Schaden nimmt. Der konservative Partei­vorstand, m, H., hat eine ehrerbietig gehaltene Erklärung, eine ehrerbietige Bitte an den Kaiser erlassen. Ich habe nichts dagegen zu sagen. Aber das erste Organ der Konservativen, die Kreuz-Ztg.", hat dem Erläuterungen hinzugefügt, wonach es nur demmonarchisch gesinnten konservativen Volke" erlaubt sei, sich mit Vorstellungen an den Kaiser zu wenden, nicht aber dem Par­lament! Das ist eine Herabsetzung des Parlaments, m. H., der wir uns entschieden widersetzen. Vergessen wir doch nicht. Laß Kaiser und Reichstag an einem und demselben Tage geboren sind! Das Volk und seine Volksvertretung haben ein Recht, sich .über die Vorgänge zu äußern, die uns alle mit tiefer Besorgnis erfüllen müssen. Das Volk erkennt, daß dies per­sönliche Regiment in einem Umfang vorhanden, und in einer Art geübt wird, daß das weder den monarchischen Interessen noch den Staatsinteressen dienlich ist. (Sehr richtig!) Solche Impulsivität in den Aeußerungen des Monarchen und solche Plötzlichkeit auf dem Gebiete auswärtiger Politik schädigt uns. Deutschland hat Gegner genug, die jede unüberlegte derartige Aeußerung wie in einem Schachspiel für sich auszunutzen der- stehen. Nicht das ist das Schlimmste, wie es .möglich war, daß so etwas publiziert wurde, sondern, das es gesagt wurde. (Sehr wahr!) Die Stelle, die solche Veröffentlichungen ver­ursacht, hätte sich über ihre Bedeutung klar sein müssen. Wir wenden uns nicht gegen die Absicht der Veröffentlichung. Wir billigen sie. Wir wollen gute und freundschaftliche Beziehun­gen zum britischen Volke von Herzen, weil solche guten Beziehun­gen für beide Völker von Nutzen sind. (Beifall b. d. Freis.) Der Kaiser ist über die wirkliche Volksstimmung falsch informiert, wenn er glaubt, daß das deutsche Volk England feindlich ge­sinnt ist. Alle bisherigen Bemühungen, mit England auf einen guten Fuß zu kommen, sind nun mit einem Schlage zerstört Wördes weil der Kaiser behauptet, daß die Mehrzahl seines Volkes von England nichts wissen wolle. Wir dürfen unsere Finger nicht in Angelegenheiten stecken, die uns nichts angehen. (Beifall.) Wir dürfen für fremde Staaten keine Kriegspläne liefern. (Beifall.) Wir kommen mehr und mehr in eine Isolierung hinein, die durchaus nicht glänzend ist. (Sehr richtig!) Wir haben keine Ursache, einer Macht nachzulaufen und ihr Freundschafisdieiiste zu erweisen, die sie nicht schätzt und nicht erwidert. Ti: Folgen des Falles zeigen sich bereits. Man geht schon mit wirtschaftlichen Maßnahmen gegen uns vor. Das Zutrauen des Auslandes zur deutschen Zuverlässigkeit ist schwer erschüttert worden. Im hohen Gerade sind wir erstaunt, daß unsere Flotte einmal im fernen Osten wirken soll im Kampf gegen China und Japan. (Sehr richtig!) Daran haben wir nicht gedacht, wenn wir neue Schiffe bewilligten. (Sehr wahr! links.) Was gedenkt der Reichskanzler zu tun, um Abhilfe zu schaffen? Wie bringt er seine Verantwortung zur Geltung? Dauernde Abhilfe ist allein möglich durch die H erstellung eines wahrhaft konstitutio­nellen Systems. Nicht biegsame Höflinge dürfen die Verantwortlichkeit übernehmen, nicht bloß Bureau- kraten und Ziviladjutanten, sondern ihrer Verantwort­lichkeit bewußte Staatsmänner. Von seiten des Trä­gers der Krone ist 'Zurückhaltung, notwendig. Die Staatsmaschinerie verträgt keine ungeschickte und unbe­fugte Einmischung. Sollte die Reichstagsdebatte die ge­wünschte Besserung nicht herbeiführen, so wird dieFrage der Abänderung der Reichsverfassung auf­gerollt weiden müssen.

Singer (Soz.): Die Parteien des Hauses seien mit­schuldig an den gerügten Vorkommnissen, weil sie dem Byzanthinismus des persönlichen Regiments Vorschub leisten. (Große Unruhe. Lebh. Widerspruch). In einem Parlamente mit größerer Selbstachtung würden solche Zustände unmöglich sein. Die Behauptung, daß breite Schichten Deutschlands England feindlich seien, schlage den

tatsächlichen Verhältnissen ins Gesicht. Es sei gerade, als ob der Kaiser in den Wolken schwebe. Aufklärung sei nötig, wie der eine Herr, der das Manuskript ver­öffentlichte, .gur Kenntnis der übrigen Gespräche gekom­men sei. Melleicht bildete der Herr eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wobei jeder die Einlage in Gestalt xiner ihm gegenüber gemachten Aeußerung ge­bracht hat. (Heiterkeit). Ueber die Wertschätzung des kaiserlichen Manuskripts durch den Reichskanzler äußere ich mich nicht. (Heiterkeit). Ein armer preußischer Ge- heimrat ist derjenige, dem Deutschland die Blamage ver­dankt.

v. Heydebrand (kons.): Die Erregung ist auch in konservativen Kreisen gewaltig. (Zustimmung rechts, hört! hört!) Erfreulich ist es, daß das deutsche Volk in schweren Augenblicken nach einheitlicher Verständig­ung drängt. Mit allen Elementen, von denen die deutsche Nation vertreten wird, mögen diejenigen es sich gesagt sein lassen, die vielleicht außerhalb des Saales auf den Moment warten, das deutsche Volk nicht mehr einig zu sehen.

Fürst Hatzfeld (Reichsp.): Unsererseits meinen wir nicht, daß das Vaterland eine Einbuße an Ver­trauen öder Ansehen erlitten hat, wie vielfach befürchtet wird. Wir fragen aber den Reichskanzler, ob er ge­willt ist, in Zukunft solche Vorkommnisse zu verhüten. Von dem Inhalt der Antwort des Reichskanzlers wer­den wir unsere weitere Stellung abhängig machen.

Reichskanzler Fürst Bülow:

Ich werde nicht auf die Punkte eingehen, die von den Vorrednern berührt worden sind. Ich muß auf die Wirkung meiner Worte im Ausland sehen und will nicht neue Nachteile zu dem großen Schaden fügen, der durch die Veröffentlichung desDaily Telegraph" an­gerichtet worden ist. (Hört! Hört!) Seine Majestät hat zu ^ verschiedenen Zeiten gegenüber privaten englischen Persönlichkeiten private Äeußernngen getan, die anein­andergereiht imDaily Telegraph" veröffentlicht wor­den sind. Ich muß annehmen, daß nicht alle Einzel­heiten richtig wiedergegeben sind. (Hört! Hört! rechts). Von einem weiß ich, daß es nicht richtig ist, das ist die Geschichte mit dem Feldzugsplan. (Hört! Hört! rechts). Es hat sich nicht um einen ausgearbeiteten de­taillierten Feldzugsplan sondern um einige rein aka­demische Gedanken gehandelt. (Lachen links. Der Reichs­kanzler bittet um Ruhe). Ich glaube, sie waren aus­drücklich als Aphorismen bezeichnet über die Kriegführ­ung im allgemeinen, die der Kaiser im Briefwechsel mit der verewigten Königin Viktoria ausgesprochen hat. Es waren theoretische Gedanken ohne praktische Bedeutung für den Gang der Operationen und für den Ausgang des Krieges. Der Ehes des Generalstabes, v. Moltke, und sein Vorgänger erklärten, daß der Generalstab zwar über den Burenkrieg wie über jeden großen oder klei­nen Krieg, der auf der ganzen Erde im Laufe der letz­ten Jahrzehnte stattsand, dem Kaiser Vortrag hielt. Beide versicherten aber, daß der Generalstab niemals einen Feldzugsplan oder eine ähnliche aus den Burenkrieg be­zügliche Arbeit des Kaisers geprüft oder nach England weitergegeben hat. (Hört, hört! rechts und im Zen­trum.) Ich muß aber unsere Politik gegen den 'Bor­wurf verteidigen, daß sie den Buren gegenüber eine Zweideutigkeit gewesen ist. Wir haben, wie aktenmäßig feststeht, die Transvaalregierung rechtzeitig gewarnt, daß sie im Falle eines Krieges mit England allein stehen würde. Wir legten ihr daraus durch, die befreundete holländische Regierung im Mai 1899 nahe, sich fried­lich mit England zu verständigen,: weil über den Aus­gang eines kriegerischen Konflikts kein Zweifel bestehen könne. In der Frage der Intervention sind in dem Artikel desDaily Telegraph" die Farben zu stark aus- getragen. Bon einer Enthüllung kann keine Rede sein. Man sagt, die kaiserliche Mitteilung, daß Deutschland einer Anregung zur Mediation oder Intervention keine Folge gegeben habe, verstoße gegen die Regeln des di­plomatischen Verkehrs. Die sicherste Politik ist viel­leicht diejenige, die keine Indiskretion zu fürchten braucht. Um zu beurteilen, ob eine Vertrauensverletzung vorliegt, muß man inehr von -den näheren Umständen wissen, als im Artikel desDaily Telegraph" gesagt ist. Die Mitteilung konnte berechtigt sein, wenn von irgend .ei­ner Seite versucht worden ist, unsere Ablehnung zu entstellen oder unsere Haltung zu verdächtigen. Es kön­nen .Dinge vorausgegangen sein, die die Berührung der Angelegenheit in einer vertraulichen Korrespondenz zum mindesten erklärlich machen.

Ich sagte vorher, im Artikel desDaily Telegraph" sind manche Ausdrücke zu stark. Das gilt zunächst von der Stelle, daß der Kaiser gesagt haben soll, die Mehr­heit des deutschen Volkes sei England feindlich gesinnt. Zwischen Deutschland und England fanden Mißverständ­nisse statt, ernstlich bedauerliche, aber ich weiß mich einig mit dem ganzen hohen Hause in der Auffassung, daß das deutsche Volk auf der Basis gegenseitiger Achtung fried­liche und freundliche Beziehungen zu England wünscht. (Lebh. Bravo!) Ich konstatiere, daß die Redner aller Parteien in gleichem Sinne sich ausgesprochen haben. Die Farben sind auch zu stark aufgetragen in der Stelle, die Bezug hat auf unsere Interessen im pazifischen Meer. Sie ist in einem für Japan feindlichen Sinne ausgelegt worden; mit Unrecht! - Wir dachten, im fernen Osten nichts anderes, als für Deutschland einen Anteil an dem Handel Ostasiens zu erwerben und zu behaupten. Wir denken nicht daran, uns dort aus maritime Aben­teuer einzulassen. Aggressive Tendenzen liegen unserem deutschen Flottenbau im Stillen Ozean ebenso wie in Europa fern. Im übrigen stimmt der Kaiser vollstän­dig mit der verantwortlichen Stelle in der Auslands­politik überein in der Anerkennung der hohen politischen Bedeutung, die das japanische Volk durch patriotische Tat­kraft und militärische Leistungsfähigkeit errungen hat. Die deutsche Politik betrachtet es nicht als ihre Auf­gabe, dem japanischen Volke den Genuß und Ausbau seines Erwerbs zu schmälern.

Wenn materielle Dinge in richtiger Forni einzeln bekannt geworden wären, wäre die Sensation keine große gewesen. Vor allem sollte man über die materielle Seite

nicht die psychologische Tendenz der Sache vergessen. Seit zwei Jahrzehnten ist der Kaiser bemüht, unter oft sehr schwierigen Verhältnissen freundschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und England herbeizuführen. Die­ses ehrliche und aufrichtig« Streben hat init Hindernissen zu kämpfen gehabt, die manchen entnrntigt hätten. Die menschlich begreifliche Teilnahme des Volkes für die Buren hat zu ungerechten, vielfach maßlosen Angriffen gegen England geführt. Ebenso sind englischerseits unge­rechte und gehässige Angriffe gegen Deutschland gerich­tet worden. Es wurden uns feindliche Pläne gegen Eng­land unterschoben, an die wir nie' gedacht haben. Ter Kaiser ist mit Recht von der Ueberzeugung durchdrungen, daß dieser Zustand für beide Länder ein Unglück und eine Gefahr für die zivilisierte Welt wäre. Er hielt un­entwegt an dem Ziele fest, das er sich vorgesteckt. Ueber- haupt geschieht dem Kaiser mit jedem Zweifel an die Rein­heit seiner Absichten und der idealen! Gesinnung und seiner tiefen Vaterlandsliebe ein schweres Unrecht. Wir wollen alles unterlassen, was wie übertriebene Werbung um fremde Gunst aussieht. Aber ich; verstehe, daß der Kaiser, gerade weil er sich bewußt war, eifrig und ehrlich au dem guten Verhältnis mit England gearbeitet zu ha­ben, sich gekränkt fühlt, wenn er immer wieder Gegen­stand von Angriffen gewesen ist, die seine besten Absich­ten verdächtigten. Es wurden doch seinem Interesse für die britische Flotte geheime Absichten gegen die englischen Lebensinteressen untergeschoben, die ihm vollständig fern­liegen. Ta wollte er in privaten Gesprächen mit engli­schen Freundeil durch den Hinweis ans sein Verhalten in einer für England schwierigen Zeit den Beweis führen, daß er in England verkannt und falsch beurteilt werde.

Tie Ansicht, daß die Veröffentlichung der Gespräche in England die vom Kaiser gewollte Wirkung nicht her­vorgerufen habe, verursacht in unserem Lande tiefe Erreg­ung und schmerzliches Bedauern. ,

Eine feste Ueberzeugung habe ich in diesen schweren Tagen gewonnen, nämlich, den Kaiser dahin zu führen, fernerhin auch in Privatge­sprächen jene Zurückhaltung zu beobachten, die im Interesse einer einheitlichen Politik und für die Au­torität der Krone gleich unentbehrlich ist. (Lebh. Bravo.)

Wäre dem nicht so, so könnte weder ich noch mein Nachfolger die Verantwortung tragen. (Wie­derholtes Bravo.) ^

Für die Fehler, die bei der Behandlung der Manuskripte gemacht wurden, trage ich die ganze Verantwortung. Auch widerstrebt es meinem persönlichen Empfinden, Beamte, die ihr Leben lang ihre Pflicht taten, zu Sündenböcken zu stempeln, lveil sie sich in einem Falle zu sehr darauf verließen, daß ich! meist alles selbst lese und entscheide. Ich bedanre, daß sn der Maschinerie des Auswärtigen Amtes, die 11 Jahre lang unter mir tadellos funktionierte, sich einmal ein Defekt zeigte. Ich stehe dafür ein, daß cs picht wieder vorkommt und ohne Ungerechtigkeit und ohne Ansehen der Person das Er­forderliche veranlaßt wird. (Bravo.)

Als der Artikel erschienen war, reichte ich mein Ab­schiedsgesuch ein. Jener Entschluß war geboten. Er wurde mir nicht schwer. Der ernsteste und schwerste Ent­schluß, den ich je in me irrem politischen Leben gefaßt habe, war der, dem Wunsche des Kaisers folgend, im Amte zu bleiben. Ich! habe mich« hiezu nur entschlossen, well ich es für ein Gebot der politischen Lage ansah, in dieser schwierigen Zeit dem Kaiser und dem; Lande weiter zu dienen. (Lebhaftes Bravo.) Wie lange mir das möglich sein wird, steht dahin. Im Augenblick, wo die gesamte Lage eine ernste Aufmerksamkeit erheischt, wo es daraus ankommt, unsere Stellung nach außen zu bewahren, ohne uns vorzudrängen, mit ruhiger Stetigkeit unsere Inte­ressen zur Geltung zu bringen, dürfen wir nicht vor dem Ausland uns kleinmütig zeigen, dürfen pur das Unglück nicht zur Katastrophe machen.

Ter Schaden, das wird die .ruhigere Betrachtung einsehen, ist aber nicht so groß, das; er nicht mit Um­sicht wieder ausgeglichen werden könnte. Gewiß soll keine Warnung vergessen werden, welche die Vorgänge dieses Tages uns allen gegeben haben. Aber es ist keine Ursache, Fassungslosigkeit zu zeigen, die bei den Gegnern die Hoff­nung erweckt, als wäre das Reich 'im Innern und nach außen gelähmt. An den berufenen Vertretern, der Na­tion ist es, diese Besonnenheit zu zeigen, die dem Ernste der Lage der Zeit entspricht. Ich; sage nicht für mich, sage für das Land, die Unterstützung hiebei ist keine Gnade, sondern ist Pflicht, der sich das hohe Haus nicht ent­ziehen wird. (Lebhaftes Bravo.)

Nachdem ein Vertagungsantrag abgelehnt worden worden war, wurde in die Besprechung derJnter- pellationen eingetreten. Es sprachen noch Frhr. v. Hertling (Ztr.) und Liebermann v. Sonnenberg (wirtsch- Vgg.). Morgen Fortsetzung der Besprechung.

Rundschau.

Die Casablanca-Affäre

hat einen vorläufigen friedlichen Abschluß gefun­den. Man kann nun ordentlich ausatmen, denn nach dem, was die übereifrige Sensalionspresse über die Angelegen­heit in die -Welt posaunte, hätte man meinen können, die beiden Staaten könnten die diplomati­sche Unvernunust so weit treiben, wegen dreier Tagediebe einen Krieg anzufangen. Das Ueber- einkommen, das von denk Berliner Auswärtigen ÄiK nnid der französischen Botschaft unterzeichnet wurde, har folgenden Wortlaut: Die deutsche und französchG/ Regierung bedauern die Ereignisse, die sich ^ 'Casablanca am 25. September d. I. zngetragen un untergeordnete Organe zur Anwendung von Gewalt un zu Tätlichkeiten geführt haben. 'Sie beschließen, die Ge­samtheit der hierdruch entstandenen Fragen ^ einem Schiedsgericht zu unterbreiten. In beidersemg Anerkennen verpflichten sich die beiden Regierungen, iw Bedauern über die Handlungsweise dieser Organe l Gemäßheit des Spruches ausznsprechen." ^

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