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Rotationsdruck der Genoffenschaftsdruckerei Ebingen. Verantw. Redakteur I. V-: Paul Kienle, z. Z. in Ebingen.

Verlag der Beruh- Hofmanns'chen Buchdruckerei in Wildbad.

Nr. 88 Wildbad, Samstag den 2. November 1907.

Zm Hause hechtenberg.

Von Martin Bauer.

Nachdruck verboten.

Fortsetzung.

Es war ein bitterkalter Tag im Januar, die Sonne war früh zur Ruhe gegangen und die Sterne begannen draußen am klarblauen Himmelszelt aufzuziehen in kalter, glitzernder Pracht, der Schnee knirschte unter den Füßen und etliche vorwitzige Schulbuben mit roten Nasen und blauge­frorenen Fäusten versuchten der herrschenden Kälte zum Trotz ein regelrechtes Gefecht mit Schneeballen in Scene zu setzen. ES blieb bei dem bloßen Versuch, denn ein unweit postierter Schutzmann erinnerte sich seiner Pflichten und trieb die über­mütige Brut mit barschen Worten auseinander.

Es wurde strller denn zuvor, denn wer nicht absolut ins Freie mußte, hütete sich weislich, seine warme Behausung zu verlassen. Das Rechtenberg'sche Haus lag da, still und vornehm, gleichsam in unzerstörbarem Frieden.

Dicke Vorhänge, teilweise von den kostbarsten Stoffen, verhüllten die Fensterscheiben und nur hier und da huschte ein neugieriger Lichtstrahl hindurch und legte sich als glänz­ender Streifen auf die Straße, kündend, daß Leben in dem mächtigen Bau wohne. Drinnen in dem einen weitläufigen, prachtvollen Gemach, dem man vielleicht aus Laune den Namen Wohnzimmer beigelegt hatte, saß die Familie wirklich einmal zusammen, und dem flüchtigen Beobachter konnte dieses Zusammensein vielleicht sogar einen traulichen anheim­elnden Eindruck machen.

Wer schärfer zusah, mußte es freilich sehr bald gewahren, daß von wirklicher Traulichkeit kaum die Rede sein konnte. Kommerzienrat Rechtenberg blätterte in nervöser Hast in etlichen Zeitungsblättern umher.

Eine innere Unruhe, eine stete Rastlosigkeit kennzeichnete jede seiner Bewegungen. Sein Gesicht sah, scharf von der Lampe bestrahlt, zum Erschrecken alt und verfallen aus, ja selbst seine Toilette wies nicht ganz die ausgesuchte Sorgfalt früherer Zeiten auf.

Er war ein alter Mann und er hatte nicht mehr das Bedürfnis, diesen Umstand nach außen zu verschleiern. Das Brautpaar hatte in einem kleinen Ecksopha Platz genommen, Ruth handhabte eine wollene Häckelarbeit und Harald sah den flinken Fingern zu, aber die Wolke auf der Stirn, der Schatten in den Augen schienen jetzt stete Gäste in dem sonst so lebensfrischen Antlitz zu sein, und das Gespräch stockte viel öfter zwischen den beiden, als dies sonst bei Brautleuten der Brauch zu sein pflegt.

Liane hatte sich in einen niedrigen Sessel dicht neben dem Kamin gesetzt, in dem ein prasselndes, knisterndes Holz- seuer den allgemeinen Eindruck von Behagen erhöhen half. Der bis hoch hinauf mit Krepp garnierte Kleidsaum lag lang und finster neben ihr am Boden; das wundervolle Haar floß, einer mutwilligen Laune zuliebe, wie ein breiter Goldstrom den Rücken hinab, sich in blendender Pracht von dem düstern Untergründe abhebend, und wurde nur in Scheitelhöhe von

einer Florschleife zusammengehalten, die wie ein Trauerflor über dem goldigen Haupte zu schweben schien.

Ihre Hände hielten ein elegant gebundenes Buch, und sie schien zu lesen, aber meist gingen ihre Augen über den Rand des Buches hinweg und stierten in die auf und nieder zuckenden Flammen, oder und das geschah entschieden häufiger sie beobachtete heimlich, mit gespannter Aufmerk­samkeit, das Brautpaar und versuchte Haralds etwas unstäten Blick festzuhalten.

Er begegnete ihrem Blick, aber er wandte die Augen weg, und sein Gesicht drückte kalte, schroffe Abwehr aus. Ein häßliches Lächeln krümmte Lianens Mundwinkel abwärts, ihre Finger bogen eine Seite so hastig um, daß das Papier mit einem schrillen Mißton zerriß.

Ab, es beliebte ihm, sich auf den Tugendhaften hinaus­zuspielen, er hatte eine moralische Anwandlung von unbe­rechenbar langer Dauer! Gut, sehr gut, nur daß es doch eben nicht in seinem Belieben allein lag, diese moralische An­wandlung in die Unendlichkeit auszudehnen, daß sie, Liane, doch vielleicht da auch ein Wörtchen mit dreinzureden hatte.

Sie war die Herrin, und er der Sklave, das mußte ihm gelegentlich in Erinnerung gebracht werden. War sie es nicht, die die ihrer Umgebung, Marionetten gleich

an unsichtbaren lenkte?

Wenn es i .u Spaß machte, die Wahrheit hinaus­zuschreien, es mu.nr interessant sein, die verschiedenen Ge­sichter dahei zu beobachten. Was die Puppe da drüben, mit dem einfältigen Kinderherzen und dem Kinderverstand, wohl sagen würde, wenn sie ihr plötzlich zuriefe:

Der Mann, an den Du Dich so vertraulich lehnst, in dem Du Deinen Verlobten, Deinen zukünftigen Gatten siehst, ist mein Geliebter, mein Eigentum. Hörst Du es, mein Eigen­tum, an das Du keinen Anspruch hast. Eine Laune, ein Wink von mir, stellte Dich an seine Seite, aber es könnte doch sein, daß mir diese, wenn auch rein äußerliche Zusam­mengehörigkeit, aus die Dauer nicht gefiele."

Und der häßliche, alte Mann dort, der da glaubte, mit Gold alles kaufen zu können, auch die Liebe und Treue eines schönen, jungen Weibes! Sie liebten sie alle, mit überlegenem Triumpfgefühl wurde sie sich ihrer dämonischen Macht wie­der einmal voll bewußt.

Der alte Mann Lianne nannte ihren Gatten in Ge­danken jetzt immer mit dieser abfälligen Bezeichnung der kühle, verstandesklare Kaufmann, der stets mit gegebenen Zahlen zu rechnen verstanden, hatte vielleicht die einzige Torheit in seinem Leben begangen, als er ihr seine Hand geboten, freilich eine sehr große, nie wieder gut zu machende Torheit. Harald hatte sich für seine, heilig gehaltene Ehr« geopfert, und Felix war in den Tod gegangen.

Der Gedanke daran hatte bald alle Schauer für sie ver­loren, sie empfand im Gegenteil ein leises wollüstiges Be­hagen Labei. Wenn sie das alles jetzt aufzuzählen begann!

Sie mußte sich das Lachen verhalten. Es würde eine großartige, dramatisch bewegte Scene geben, die stagnierend« Langeweile ihres Daseins würde eine sehr pikante Unter-