wegt. Tenn die eigentliche Zentralfrage dieser Sozialpo­litik, die Frage der Arbeitsverbessernng der Großindu­strie, die ist es, die von der Sozialpolitik in dieser Periode in Angriff genommen wird. Als die kaiserlichen Erlasse von 1890 kamen, da wurde dies Problem, daß es sich um großindustrielle Verhältnisse handelt, zunächst klar herausgebracht. Es war der erste große Ruck der Ar­beiterschutzgesetzgebung in das Gebiet der Großindustrie hinein. Wenn wir aber das ansehen, was in den fast 10 Jahren, in denen Graf Posadowsky das Reichsamt des Innern sozialpolitisch vertritt, geschehen ist, so scheint mir das Wesentliche zu sein, daß jene Grundlage der Arbeiter­schutzgesetzgebung, die in der vorhergehenden Periode gelegt ist, in einer durchaus erfreulichen und anerkennenswerten Weise ausgedehnt worden ist, auf Gebiete, die vorher von der Soziaireform nicht erfaßt waren, die seemännische Be­völkerung, die kaufmännischen Angestellten, Gebiete der Landwirtschaft und es ging bis zu den Kindern. Das, was das eigentliche Zentrum der Sozialpolitik ist, eben jene Frage der Arbeitsverbesserung in der zentrali­sierten Großindustrie, das ist liegen geblieben in dieser Zeit. Bleibt also: das G ro s der sozialpolitischen Arbeit ist an der Großindustrie vorbeige­gangen. Zuerst bei der Z u ch t h a u s v o rl a g e, dann bei der Frage, ob die Arbeiteransschüsse in den Bergwerks- indnstrien vom Reichstag oder vom preußischen Landtag zu verlangen seien, und zuletzt bei der Frage der Rechts­fähigkeit der Berufsvereine. Das Gemeinsame im Cha­rakter dieser drei Vorkommnisse, wo sich Entwürfe der Reichsregierung mit dem eigentlichen Kernproblem der Sozialpolitik beschäftigen da sind zwei davon verflossen und einer vom Landtag erledigt ist bei allen dreien d«s Mißtrauen gegen die organisatorische Kraft und Leist­ung der Arbeitern. Denn woher kommt jene Uebcrladung mit polizeilichen und anderen belastenden Vorschriften in dem Gesetzentwurf über die Rechtsfähigkeit der Berufsver­eine als aus demselben Mißtrauen heraus, aus dem seiner­zeit die Formulierung der Zuchthausvorlage kam. »Sehr gut') Das ist eben die Kernfrage zuletzt, ob jenes tiefe, sachliche Mißtraueen, das der Bundesrat offenbar der Organisation der Arbeiter gegenüber hat, auf die Tauer fcstgehalten werden kann. Es hat sich die Organi­sation der Arbeiter, auch ohne daß die Gesetzgebung den Weg eigentlich frcigemacht hat, ganz von selbst durchge- drückr in fast allen kleineren Betrieben. Sowohl im Hand­werk wie in den kleinen und mittleren Industrien, den Industrien der Fertigfabrikation existiert an sich die ge- gewcrkfchaftlichc Bewegung als ein Faktor, der längst über die U 152 und 153 durch sein Dasein praktisch hinweg­geführt hat. Es haben sich unsere Handwerker längst daran gewöhnen müssen, daß sie mit den Arbeitern unter­handeln müssen, und sie haben gesehen, daß es geht; und es haben auch alle Industrien, die im begrenzten Umfang irgendeine fertigschafsende Tätigkeit haben, sich mit dem­selben Zustand, oft unter Reibungen und Schwierigkeiten, aber doch praktisch abfinden müssen und in Wirklichkeit fehlt

Kammer solche Komplikationen herbeiführt, baß die Gefast» ß Hände, die es zunächst aufgreifen wolltelt. WäV keü sehr groß ist, ein nächster Winter verläuft mit einem Ent- ^ Marxismus beabsichtigte, geschieht nur durch die vereinig­

heute die freie Organisati on der Arbeiter nicht dort, wo jene zahlreichen Tarifverträge vorhanden sind, nicht im Gebiet der Kleinbetriebe, sondern dort fehlt sic, wo die eigentlich modernste Form der großen Masse der Industrien zu finden ist. An dieser Stelle ist die Freiheit am geringste n. Da, wo die einzelnen Un­ternehmer am ehesten klagen und fragen möchten: Wie halte ich es aus, mit den organisierten Arbeitern mich zu verständigen, da hilft ihnen kein Mensch davor, da heißt es: Siehe du selbst zu, wie du damit fertig wirft! sondern die ganzen Hemmnisse der Gesetzgebung gegen die Organi­sation der Arbeiter kommen in Wirklichkeit nur da zum Ausdruck, wo große konzentrierte Betriebe sind. Da wird das wirtschaftliche Grundrecht, daß moderne Menschen sich dazu assoziieren und die Lebensverhältnisse bessern, dieses elementare Grundrecht, auf dem die ganze Entwickelung sozusagen anfgeoant ist, nicht anerkannt. Was will man denn vom Staatsgcdanken aus den Arbeitern sagen, die zwar das Koalitionsrecht haben, denen aber nie­mand hilft, wenn ihnen das Koalitionsrecht genommen wird? Was will man ihnen von Staats wegen sagen? Die alte Theorie der liberalen Epoche: Ein­zelmensch, du bist ein wirtschaftliches Sub­jekt (Sehr gut!), als Einzelmensch kannst du deine Arbeits­kraft verkaufen, so gut wie du willst! Das ist die Grund­lage der Gewerbeordnung von 1869! (Hört, hört! Leb­hafter Beifall im Zentrum und links.) Wo ist denn heute der Einzelmensch, der seine Arbeitskraft, an ein Bergwerk verkaufen kann und fragen kann: zu welchen Bedingungen? Da heißt es einfach: ein Platz ist frei ein Platz für eine Nummer ist frei! (Lebhafte Znftiin- »ng, Hört, hört! im Zentrum.) Das ist kein Vorwurf, sondern das liegt in der ganzen industriellen Entwickelung selber. Aber was gibt es dann, wäs jman heute den: ein­zelnen sagen kann, wenn nicht hinter dem elementaren Recht der freien Organisation die gesetzliche Strafbarkeit dessen steht, der es.kürzt? Solange ist es ein unfertiges Recht, ist es ein Recht, an das man nicht appelieren kann. Heute gibt es nicht mehr den Arbeitsvertrag des einzelnen in den Großindustrien, sondern gibt es entweder den Kol- lektivvcrtrag oder überhaupt keinen. Und darum ist die ^ Ermöglichung des .Kollektivvertrages die einzige wirkliche positive Wirtschaftsordnung, die man in­nerhalb der gegenwärtigen Gesellschaft machen kann denen, die in dem System der Großindustrien drin sind. Und es scheint mir, daß das ganze Problem der Organisation dev Arbeit in den Großindustriecn darin liegt, jeder Ausbau von weiter oben wird immer wieder an dem Mangel eines Unterbaues auseinandergehm. Wenn beispielsweise die Arbeitskammern verhandelt werden sollen, für die wir rintreten, so bedeuten diese doch im Aufbau einer gewerb- ! lichen Verfassung bereits ein sehr fortgeschrittenes Glied, k Wenn vorher eine Unternehmerkammer ans der einen und § eine Arbeiterkammer auf der anderen Seite da ist, dann stellt sich jene viel erörterte Streitfrage, ob man Arbeiter- kammern oder Arbeitskammern haben soll, einfach so dar : nächst die Organisierung der Interessen­gruppen für sich. (Sehr richtig!) Bon da aus kann man dann die VerbindNngsmöglichkeit gesetzlich schaffen. Wenn wir aber jetzt, ehe wir Arbeiterkammern haben, - über Arbeitskammern verhandeln sollen, so wird sich vermutlich ergeben, daß schon die Frage der Besetzung dieser

Wurf über Arbeitskammern ähnlich wie ein vorhergehender mit einem Entwurf über die Rechtsfähigkeit der Berufs­vereine, weil man beides nicht ausbanen kann ohne je­nen Unterbau, der vorher da sein muh. Und auch das, was man Arbeiterkammer nennt, also die entsprechende Formation für den Arbeiter, wie sie in den Handels- und ynd Handwerker- und Landwirtschaftskammern für an­dere Volksgruppen ist, setzt doch voraus, daß der organi­sierende Trieb, im Gewerbe arbeiten zu wollen, auch in der Gestaltung des Gewerbes arbeiten zu wollen, in den Einz-elsnbjekten dieser Gruppe bereits erweckt worden ist. Wenn Sie eine Arbeiterschaft haben, die von keiner ge­werkschaftlichen Arbeit berührt und durchgearbeitet worden ist, so können Sie mit ihr alles das nicht machen. Gewiß, man kann sie in jeden Ausschuß hineinsetzen, in jede Ar- beitskammer, aber es ist doch nichts drin. (Sehr- wahr !)

Was hätten Sie dann in solchen Arbeitskammern? Keine Arbeitskraft, keinen Verstand, keine Elastizität! Denn olle jene Elemente wachsen erst durch die freie Or­ganisierung. Daher gibt es nichts anderes, das hier hel­fen könnte, ols jenes Urelement, daß man zu al­le r e r st j e n e K o a l i t i v n s f r e i h e i t s i ch e r t; es muß unmöglich gemacht werden, daß gerade auf dem Gebiet der entscheidenden Industrien die Arbeiterverbändc entwe­der überhaupt verhindert oder auf einem so niedrigen Niveau gehalten werden, daß nichts Rechtes dabei heraus­kommen kann. Es entsteht als) für uns die Notwendig­keit, den A usba n einer nach oben steigenden Jn- d n st r i e v erf assnn g von Grund auf in Angriff zu nehmen, und zwar durch die Durchführung der alten l i- beralen Forderung der Sicherung der Koa­litionsfreiheit. Stufe für Stufe muß. der Ban wei­ter in die Höhe gehen bis zu seiner Krönung durch den Ind nstriep alamentarismus zu jenem System oer Mitwirkung der Angestellten und Arbeiter an der Arbeitsverfassung der Industrie im ganzen. Daß dieses Problem heraufrückt, daß wir ihm nicht ausweichen können, davor können wir doch unmöglich die Augen verschließen. Wir können doch nicht dauernd Sozialpolitik treiben so schätzenswert die einzelnen Reformen auch sind ans den Stellen, ans denen die Zukunftsentwicklung der Indu­strie in Deutschland nicht beruht. (Sehr wahr!) Die industrielle Arbeit muß zur gewolltenEigenarbeit der arbeitenden Personen selbst werde n. Bis dahin müssen wir die Frage wenigstens durchdenken. So l gut vor hundert Jahren die Stein-Hardenbergsche Gesetz- ! gebung den Landmann mit der Parole befreite: Du x mußt 'deine eigene Sache zu treiben haben, dann H wirst du ein anderer Mensch sein, so besteht auch tu der ^ Industrie die Frage, ob es die Möglichkeit gibt, verfas- ^ sungsmüßig im Laufe der Zähre einen Zustand herbeizn- t führen, wie er im Staatswesen tm Laufe der letzten hnn- » dert Jahre eingetreten ist, wo ans Untertanen Bürger ge- r macht sind. So heißt es auch für die Industrie aus In- ^ d u st r i en nt ert a n en I n dustr iebürg er zu gestal- « ten. Und dieses Problem in seinen Anfängen ist eben z die Koalitionsfreiheit. ?

Hier setzt das Gebiet ein, von dem ich noch mit wenigen z Worten zu sprechen habe. Daß die Organisation der Ar- S beiter nicht die Beseitigung des autoritären Prinzips in: r Betrieb sein kann, ergibt sich daraus, daß auch nicht-demo- r kratisch angelegte Organisationen der Arbeiter vorhanden ^ sind. Es wird also immer dasselbe Problem wie imtc-taat auch in der Industrie vorhanden sein, aber es wird für die Industrie dasselbe mitreden, was wir im Staatsleben haben, daß die ganze Elastizität der nationalen Kraft um so viel gewonnen hat, als es möglich geworden ist, das Interesse der einzelnen Bürger dem Staatsganzen zu- ^ zusühren. Welches sind jetzt die Staaten, deren Existenz j am ruhigsten hingeht? Doch schließlich diejenigen, in de- r neu liberale Gesinnung am meisten im Volke zur S Geltung kommt und deren Verfassung am liberalsten ^ dürchgebildet ist, (Sehr richtig! links), nicht aber k diejenigen, wo man das zweite Prinzip neben der Au­torität, die Mitwirkung der Bevölkerung am Gemeinwe­sen, am wenigsten beachtet. (Sehr richtig! links.) Die­selben Grundsätze, die wir in der Geschichte des Staats­lebens erfahren haben, gehören ebenso in die Geschichte des Wirtschaftslebens. Damit ist auch die Frage beant­wortet, ob der Staat bei diesem Prinzip eine Gefähr­dung seiner Ordnu ng zu besorgen hat. Wer sind denn im Staate die gefährlichen Menschen? Die, welche

ten großen Industrien, und dort entsteht eben ;ene zen­trale Machtstellung und eine Steuerfähigkeit, die über die Steuerfähigkeit des Slaatswesens hinansgeht. Es wird dem Kohlenkartell verhältnismäßig leichter, 60 Millionen aufzubringen, als es der deut - scheu Reichsverwalt n n g wird. (Sehr richtig! ünd Heiterkeit), und es wird dem Kohlensnyüikat und dem Stahlwerkssnydikat verhältnismäßig leichter, hoch begabte Beamte sich anzugliedern, als es der Staatsverwaltung ! wird. Kurz, es ist ein K o n kurrenzbetrieb derin- ! dnstriellen Herrschaft neben dem Staatsbe­triebe. lind die Machtfrage zwischen den beiden wird vorläufig in Freundlichkeiten nicht öffentlich erwogen. Aber diese Machtfrage rückt weiter heran. Es scheint im Staats­interesse zu liegen, die Kräfte, die imstande sind, die zen­tralisierte Macht der Großindustriellen in gemessenen Gren­zen zu halten, nicht zurückznstoßcn, sondern mit zu stär­ken. Der Zeitpunkt kann geschichtlich sehr leicht kommen, wo die Staatsregierung ihrerseits gar nicht unzufrieden ist, wenn sie gegenüber der Syndikatsmacht Hilfsmächte hat, die gewisse gemeinsame Interessen haben, jene Mächte nicht übermäßig anwachsen zu lassen.

Jetzt heißt es: Sozialresorm überall, nur nicht dort, wo die eigentliche industrielle Herrschaft nötig ist. Jetzt heißt es: den lieber gang von Jndustriennter- tanen z u 'I nd nstri ebür g ern, selbst wenn er ein­mal kommen sollte, in fernere Zukunft hinanszuschiebcn, da er in der Gegenwart schwierig ist. Tie Majorität des Reichstages für Sozialpolitik tritt ein für jene elementaren Grnndforderungen, auf denen sich die Arbeiterverfassnng auch in der Großindustrie in der Zukunft aufbant. Die Majorität im Reichstage ist vorhanden. Was nicht vor­handen ist, für diese Arbeit, das ist die Mitwirkung des anderen -Faktors in der Gesetzgebung. (Lebhafter Bei­fall links.)

(Tie Rede hat im Hanse große B e w e g n n g her­vorgerufen, die auch noch andauert, nachdem bereits der Staatssekretär Graf Posadowsky das Wort ergriffen hat, so daß sich dieser anfangs nur mühsam Gehör ver­schaffen kann.)

PeMcher Wei-KstM.

Berlin, 12. April.

Präsident Graf Srolberg eröffnet die Sitzung um 1.20 Uhr. Am Bundesratstisch ist Staatssekretär Gras Posadowsky erschienen.

Zunächst wird ein Antrag ans Einstellung eines gegen den Abg. Mielzynski (Pole) schwebenden Strafverfahrens für die Dauer der Session angenommen.

Die Etatsberat nng wird fortgesetzt beim Re ich samt des Innern, Titel: Gehalt des Staatssekret ärs. Abg. P a n l i-Potsdam (kons): Wenn der Abg. Hoch meint, es könne keine Sozialpolitik gemacht werden, weil das Großkapital nicht wolle, so hat er doch vergessen, daß gerade die Sozialdemokratie das Großkapital unterstützt. Die sozialdemokratischen Anträge gehen direkt darauf aus, den Mittelstand und das Klein­gewerbe zu vernichten. Ich will dem Abg. Naumann nicht folgen darin, zu untersuchen, wo die Schuld an dem sozial­politischen Stillstand liegt. Man muß aber bedenken, daß man auch einmal, nachdem in den Jahren vorher Gesetz auf Gesetz gemacht worden ist, aufatmet und prüft, wie das Gesetz wirkt. Erst dann kann man Verbesserungen und Erweiterungen vornehmen. Im übrigen war die Rede des Herrn Naumann sehr schön, aber sie gehörte eher in die Hörsälc einer Universität hinein. (Sehr richtig!) Sie war vom hochgebildeten Standpunkt aus gedacht; mit der Praxis hatte sie nichts zu tun. Wenn mit der sozialen

k

hoffen können, oder die nichts zu hoffen haben? Doch wohl die letzteren. Und diese Organisation ans dem Boden der Freiheit öffnet der geordneten Hoffnung die Tür und k wird unter Umständen in nicht zu ferner Zeit dem Staat eine Hilft werden bei der großen und schweren Auseinan­dersetzung, der er entgegengeht, mit der Macht der großen Syndikate. Die dritte Ausgabe der Denkschrift, die uns jetzt vom Reichsamt in die Hand gegeben worden ist, über die Organisation des Kohlenkontors und des Koh­lenverkaufssyndikats hat uns einen neuen Beweis gege­ben, in wie kurzer Zeit sich doch die größten industriellen Quantitäten zur Masse znsammenfügen. Es entstehen Stellen, welche die Produktion in viel größerem Maße regeln, als früher überhaupt für möglich gehalten wurde. (Sehr richtig! links.) Gerade dieser Augenblick, wo das Mitglied des Hauses, der Abg. Auer, aus seiner lan­gen irdischen Tätigkeit abbernfen worden ist, erinnert an die Debatten in der Mitte der neunziger Jahre, in denen dieser eine, auch anderen als seinen Par­teigenossen unvergeßliche Rede gehalten hat.

In jener Debatte über die Frage des zukünftigen Staates hieß doch die Fragestellung : Ist es möglich, daß die Pro­duktion im ganzen geregelt werde? Von den Sozialdemo­kraten wurde eingewendet: das ist eine Illusion. Heute lesen wir das WortRegelung der Produktion" in der Denkschrift des Reichsamts des Inneren über die Kartelle, wir lesen es in jedem Bericht soweit Berichte in die Oeffentlichkeit kommen über die Versammlungen der Syndikate und Kartelle. Das, was als Marxismus, teils als Illusion und teils als brutaler Angriff gegen die ge­genwärtige Gesellschaft früher gebrandmarkt wurde ist heute in der Verwirklichung begriffen von Händen, die feinere Handschuhe haben als die

Gesetzgebung, namentlich mit der Zusammenlegung der drei Versicherungsarten wieder eine Belastung des Mittel­stands verbunden sein sollte, so werde seine Partei dafür nicht zu haben sein. Die Unternehmer hätten stets soweit wie möglich den Lohnforderungen entsprochen. Dem Sub- missionsnnwesen wirke seine Partei stets entgegen. In dem sozialpolitischen Programm Posadowskys habe man leider die Sicherung der Bauforderungen vermißt. Seine Partei wünsche, daß Z 34 des Gewerbennfallversicherungs- gesetzes aufgehoben und die frühere Bestimmung über die Ansammlung des Reservefonds wiederhergcstellt werde.

Breisky (Pole) unterwirft die Polenpolitik der preußischen Regierung einer eingehenden Kritik. Gesetz­gebung und Verwaltung gingen gleichmäßig daraus aus, den Polen ihre Rechte zu verkürzen. Bei dem burean- kratischen Regiment der L^stprovinz fühle sich weder der Deutsche noch der Pole wohl; das beweise die große Aus­wanderung. Die staatssozialistischen Experimente hätten im^Osten gründlich Fiasko gemacht. Die Polen verlangen Koalitionsfreiheit auch für den ländlichen Arbeiter. Der Redner bekämpft schließlich die knltnrwidrige preußische Schulpolitik und verlangt für die Polen vollständige Frei­heit zur Errichtung unabhängiger höherer und niedriger Schulen. (Zustimmung bei den Polen).

Stresemann (natl.): Den Staatssekretär wolle seine Partei in der Bestrebung zur Weiterführung der Sozialpolitik gerne unterstützen; möge er seinerseits die­jenigen Bestrebungen der deutschen Industrie, die auf För­derung des Außenhandels unter Mitwirkung des deutschen Reichs ausgehen, fördern. Der Redner verlangt Sub­vention einer Zentralauskunftstelle für Landwirtschaft, In­dustrie, Handel und Gewerbe, Ausdehnung der Kranken­versicherung auf die Heimarbeiter und energische Fort­führung der Sozialpolitik.

Unterstaatssekretär Wermuth: Die Reichsregierung sei bestrebt, die Einrichtungen und Neuschöpfnng zur För­derung des Außenhandels zu unterstützen und werde gerne mit einer Auskunftsstelle für den Handel arbeiten, wenn die 3 großen Verbände der Industrie eine solche gründen. Ueber eine chemisch-technische Reichsanstalt werde der Staatssekretär sich äußern.

Giesberts (Ztr.) wünscht eine Revision der Ar­beitsverhältnisse in den Walz- n id Hüttenwerken, nament­lich in Elsaß-Lothringen und in Oberschlesien, wo die schlimmsten Zustände herrschten. Notwendig sei Regelung der Arbeitszeit. Die Arbeiter wollen nicht Zank und Streit, sondern nur eine Milderung der Mißstände.