Zunahme der Industrie und des Gewerbes angesichts der sogenannten Hungerpreise und Kolonialskandale sehr stark emporschnellen müssen. Daß sie nur mäßig zunahm, be­deutet in der Tat Stillstand und Rückgang. Die Etats­debatte war interessanter als seit Jahren. Fürst- low hat einen neuen Ton. Dieser Ton war mehr bür­gerlich als junkerlich. Man hatte zum erstenmal den Ein­druck, daß der verantwortliche Kanzler selbst die Politik macht. Dadurch erscheint er in höherem Sinn als «Staats­mann und nicht bloß als ein Minister; der Mut eigener Politik schafft Erfolg; der Erfolg gibt Kraft und scheint auch nach oben die Bewegung des Kanzlers freier gemacht zu haben. Wir müssen nach den Worten erst Taten abwar- ten. Haben wir auch keine volle Garantie gegen einen Rückfall der Reichsregierung, aber ein Trost ist heute, daß die rollenden Dinge ihr eigenes Gewicht haben. Bülow weiß, daß ein Bruch nur etwas Negatives ist und daß sein eigenes Handeln im Inland, Ausland und Geschichte zu einem positiven Handeln verpflichtet. Dieses Handeln kann aber nur in der Richtung des Fort­schritts liegen, sonst wäre es Schaumschlägerei oder Ent­täuschung. (Sehr richtig! Lebh. Beifall.) Der energische Liberalismus würde jeder politischen Befähigung bar sein, wenn er schablonenhaft die Lage von heute gleich behan­deln würde, wie die Lage von gestern. Diese Befähigung wird aber nicht in bloßer Kompromißseligkeit dokumentiert werden können. Die Wahlgegner des Zentrums und der Sozialdemokratie müssen von der heutigen Mehrheit ma­teriell ins Unrecht gesetzt werden, dadurch, daß man statt einer lavierenden Nebenregierung mit Neben- und Hin­tergedanken eine volkstümliche Politik macht, dadurch, daß man den Arbeitern beweist, daß man eine Arbeiterpo­litik gerade in einem Reichstag macht, in dem die So­zialdemokratie stark geschlagen einzieht. (Lebhaftes Bravo!) Die Demokratie muß wissen, daß sie nur ein Bruchteil ist und nichts allein i» diesem Reichstag erreichen kann, aber auch, daß die Energie ihrer liberalen Politik andere zUm Wettbewerb mitziehen muß. Im übrigen ist die Sache der Demokratie schon seit Monaten hoffnungsvoller als früher. Die innere Annäherung der drei linkslibernlen Gruppen hat im stillen und trotz mancher ungeschickter Ber­einigungsartikel bedeutende Fortschritte gemacht. Das Verheißungsvolle dabei ist, daß die früher am weitesten rechts stehende Gruppe der Freisinnigen Vereinig­ung, Sezessionisten und Nationalsoziale, durch hervor­ragende Wortführer sich offen und ausdrücklich zu demGrundgedanken der bürgerlichen De­mokratieerklärte. Da auch die frühere Fort­schrittspartei und heutige Freisinnige Volks­partei einen festen demokratischen Kern hat und sich des­sen nicht schämt, und da auch wir von der Deutschen Volkspartei Demokraten sind und bleiben wollen, so war eine allerwichtigste Voraussetzung schon im letzten Herbst vorder Auflösungssttuation geschaffen, als die Vertreter aller drei Gruppen in Frankfurt a. M. zu einer fruchtbaren Tagung zusammentraten. Der Wahl­kampf hat weitere Vorarbeiten geleistet; nicht zuletzt auch dadurch, daß wir Schwaben uns freuten, einem hervorra­gendsten Vertreter der Freisinnigen Vereinigung, dem Herrn Dr. Naumann, ein schwäbisches Mandat übertragen zu dürfen mit dem Auftrag, Volkspoliti? zu machen. (Bei­fall!) In den ersten Tagen des neuen Reichstags ha­ben dann die neugewählten Abgeordneten der bürgerlichen Linken das Eisen weitergeschmiedet. Es ist ein großer Schritt weiter vorwärts gemacht durch die neue Frak­tion sgemeinschaft, welche, wenn sie sich bewährt, sicher eine neue Stufe sein wird. Man soll ruhig und ohne Ueberstürzung in solchen Dingen vorwärts ge­hen, um Zweifelnde durch die Tat zu bekehren. Man er­weist der Sache einen schlechten Dienst, wenn man das Erreichte in seinem Wert heruntersetzt. Ich kann bezeu­gen, daß von allen Seiten, auch von der Freisinnigen Volkspartei, die den wichtigsten und mächtigsten Bestand­teil der neuen Vereinigung bildet, viel guter Wille mitge­bracht wird, und daß neben den alten Vertretern die jun­gen von dem Wunsch fruchtbaren Zusammenarbeitens er­füllt sind. Alle Mitglieder der neuen Fraktionsgemein­schaft haben die Meinung, daß sie auch persönlich liebens­würdig natürliche und politische Anziehungskraft ausüben. (Heiterkeit.) Die Haltung der neuen Fraktion ist vorge­zeichnet: Weder ausruhender Optimismus noch lähmender Pessimismus, weder Schablone noch Charakterlosigkeit. Sie darf keine einzige Programmforderung verleugnen; sie muß diejenigen am entschiedensten vertreten, die am aus­sichtsvollsten sind; sie muß versuchen, die Reichsregierung ehrlich zu beraten, wie man eine Politik macht, die das Volk befriedigt. Dem Zentrum gegenüber könne man die Strafe der Isolierung ruhig von sich aus wirken lassen und auch der Sozialdemokratie gegenüber wäre es nicht angebracht, den Prozeß den diese Partei jetzt durchzuma­chen habe, zu unterbrechen. Ein Fehler der Sozialde­mokratie sei, daß sie das Bürgertum hasse.

Das -Bürgertum dürfe nicht in den selben

Fehler verfallen. Wir werden ehrliche und nicht weichliche Gegner der Sozialdemokratie sein, solange sie einer fal­schen Methode und einer falschen Führung folgt. (Stür­mischer Beifall!)

Naumann über den Liberalismus.

Von jubelndem Beifall begrüßt nimmt nunmehr Reichstagsabg. Dr. Naumann das Wort und führt zu­nächst aus: Auch er wolle über liberale Einigung reden und müsse hierbei vielfach das nämliche sagen wie Hauß- mcknn. Es schade aber nichts, wenn dieselbe Sache in zweierlei Sprachen geredet werde. Vom Vorsitzenden der Freisinnigen Vereinigung dem Abg. Schräder und ebenso vom Vorsitzenden der freisinnigen Volkspartei habe er herz­liche Grüße zu Überbringern Grüße seien allerdings eine leichte Ware, aber in diesem Falle doch von einer größe­ren Bedeutung als wie sonst. Die vorsichtig gefaßten Be­schlüsse für das Zusammenarbeiten der liberalen Gruppen gehen manchen noch nicht weit genug; es komme aber nicht auf die äußere Form der Einigung sondern auf den Geist an, welcher der Einigung innewohne. Es sei ja immer dieselbe Melodie, aber es sei gut, daß endlich dieselbe Melodie geworden, daß wir einen demokratisch-libe­ralen Rythmus haben, der alle Füße lebendig mache zum gemeinsamen Marsch ins politische Kampfgebiet. Wir

alle glauben an die alsolute Notwendigkeit einer liberal­demokratischen Politik, weil der Fortschritt der deutschen Kultur auf dieser Politik basiert. Es giebt nichts kultur­förderndes als die freiheitliche bürgerliche Politik. Alle großen Fortschritte entspringen der großen demokratischen Strömung, die im Anfang des letzten Jahrhunderts einge­setzt, in der Mitte des Jahrhunderts sich gesteigert hat und am Ende des Jahrhunderts wieder zurückgegangen ist. Al­les haben wir dieser weltgeschichtlichen Bewegung zu ver­danken. Wenn heute die Bauern den Konservativen nach­laufen, soll man fragen, wer hat sie dahin gebracht, daß sie freie Bauern sind, wer hat ihnen das Maß von Schulbildung beigebracht, daß sie heute politisch tätige Männer sein können? Nicht bei den Konservativen und nicht beim Zentrum können sic sich bedanken, sondern in diesen Kreisen hier, deren Väter ihnen diese Rechte er­stritten haben. Auch die Handwerker sind durch dieselbe Kulturbewegung aus der früher sprichwörtlich gewordenen Handwerkerärmlichkeit herausgekommen und höher gekom­men. Das ist das größte, was wir dem Mittelstand ge­geben haben und alles was jetzt daran hernmgedoktert wird, sind nur kleinliche Etiketten gegenüber dem Heraus­kommen aus der Zunftarmut. Mit den Lorbeerkränzen der Vergangenheit könne man aber keine Volksbewegung machen, es muß deshalb zu demHaben" des Liberalis­mus auch dasSoll" hinzukommen. Die Gesamtlage des Liberalismus ist sehr viel günstiger als seit langer Zeit. Auch in der Hinsicht, daß wir je länger desto mehr beobach­ten, daß alle unsere Gegner mit den Waffen kämpfen, die sie aus dem Zeughaus des Liberalismus genommen ha- . den. (Lebhafte Zustimmung.) Die Führer des Bauern­bunds sagen, sie seien auch liberal, das Zentrum sagt, es sei für Wahrheit, Recht und Freiheit (Gelächter!), drei Dinge, die dem Liberalismus entstammen. Recht und Freiheit war die Parole der Väter der heute hier Ver­sammelten. Die Gegner können sich dieser Parole nicht entziehen, sie reißen einen Fetzen von der al­ten liberalen Fahne und decken damit ihre Blöße. (Lebhafter Beifall!) Und so sind auch die So­zialdemokraten liberal. In ihren Flugblättern stehen nur demokratische Dinge und man kann deshalb ruhig sagen, lange bevor ihr existiert habt, gab es eine Demokratie, die diese Grundsätze vertreten hat. Die Wahlrechtsreformbe­wegungen der süddeutschen Staaten sind der Wellenschlag des großen liberalen Gedankens. Und wenn während der Reichstagswahlbewegung Exz. Dernburg im Reich herum­reist u. zum Volk spricht, so ist das auch eine Anerkennung des alten demokratischen Gedankens, daß ohne dieMasse des Volkes die Regierung nichts machen kann. Das geht noch weiter. Wenn im alten Berliner Schloß das Fenster aufgemacht wird und der Kaiser mit den geliebten Staats­bürgern das Resultat des Wahltags bespricht, so ist das, wenn wir auch gewünscht hätten, daß dabei das Reiter­lied nicht gesungen worden wäre, doch ein Zeichen von Demokratisierung der Sitten überhaupt. (Stürmischer Bei­fall!) Welche alte Majestät würde das getan haben. Wie sei es aber gekommen, daß die parteipolitischen Gefäße des Liberalismus nicht so aufnahmefähig geblieben seien, als sie früher waren? Das komme daher, daß der Li­beralismus wohl den Parlamentarismus, die Möglichkeit politischer Versammlungen, Reden, Vereine geschossen, aber ihn nicht genügend ausgenützt habe, während die Kleri­ker, die Arbeiter, die Bauernführer sich in diese vom Liberalismus geschaffenen Möglichkeiten eingelebt und sie für sich ausgenützt haben. Die Einigung, die jetzt er­zielt worden ist, sei bedeutsam als Einigung der Ent­schlüsse aller einzelnen Individualisten, gemeinsam Vor­gehen zu wollen im Lande. Die Demokraten und Li­beralen könnten viel mehr sein, wenn sie mehr arbeiten wollten. Er meine damit nicht diejenigen, die seither schon gearbeitet haben, sondern die andern. (Heiterkeit). An der Person Bismarcks habe sich der Liberalismus in zwei Hälften gespalten und sei teils zur Rechten, teils zur Linken gegangen. Auf die eine Hälfte habe das Wort zugetroffen: Eure Rede sei Ja, Ja, während für die andere Hälfte gegolten habe: Eure Rede sei Nein, Nein! (Große Heiterkeit). Aus dieser Arbeitsteilung des Liberalismus müssen wir heraus, wir müssen positiv für des Vaterlandes Macht eintreten und gleichzeitig gegen diese Macht auftreten, soweit sie für die innere Politik und für privatwirtschaftliche Vorteile mißbraucht werde. Wir wollen ehrlich liberal Mitarbeiten, aber wir wollen uns von Bülow nicht verschieben lassen. Wir wollen uns nicht von einem Scheinliberalismus blenden und in die Irre führen lassen, sondern uns erinnern, daß die Exi­stenzberechtigung des Liberalismus in sei­nem Gegensatz zu den Konservativen liegt. (Sehr richtig!) Wenn wir diesen Satz vergessen, dann würden wir uns selb ft als nicht vorhan­den betrachten. (Lebhafte Zustimmung!) Den letz­ten Wagen im Kreuzzeitungszug wollen wir nicht bilden. Deshalb ist unsere Ansicht, wir machen mit den Andern mit, was wir auch ohne sie machen würden, aber weiter gehen wir nicht. Unser Problem heiße nicht die Paarung von Ostelbien und Süd- und Westdeutschland; wir wollen keine Verbrüderungsbrücke über die Elbe; wir wollen den Zusammenschluß der westelbischen Gesinnungen, um dann die Angriffsbrücke über die Elbe schlagen zu können. (Beifall.) Aber diese Gesinnung, die wir untereinander austauschen, geht weiter. Das Einigende rollt und der Liberalismus lebt davon, daß er liberal ist. Wir wollen zurückkehren zur politischen Naturheilmethode, daß der Körper durch die Kraft erhalten wird, durch die er ent­standen ist. Wir erhalten uns durch das alte Feuer, das neu angebläsen wird, und von der Jugend denen vor­angetragen werde, die etwa durch die Zeit müde geworden sind. Wir müssen das alte Buch von den Menschen­rechten, das uns von den Vorkämpfern in der Paulskirche überkommen ist, wieder umblättern und Seite für Seite lesen, was die alten Liberalen von Menschen gehalten ha­ben. Was wahr sei, sterbe niemals. In diesem Geist leben wir miteinander. (Jubelnder, nicht endenwollender Beifall.)

Die Landesversammlung wurde alsdann mit kurzen Dankesworten des Vorsitzenden, Landtagsabg. Käs, ge­schlossen. Die Rede Naumanns soll nach einem mit stür­mischem Beifall zum Beschluß erhobenen Antrag Hauß-

- manns als Flugblatt gedruckt und im ganzen Lande ver­teilt werden.

An die Versammlung schloß sich ein gemeinsames Mittagsmahl, wobei Professor Nägele auf das Vaterland und Präsident Payer auf die Partei toastierte. Unter leb­haften Gesprächen nahm das Essen einen anregenden Ver­lauf.

VlUkicher

Berlin, 2. März. Präsident Graf Stolberg er­öffnet die Sitzung um 11 Uhr 20. Am Bundesrats­tisch Graf Posadowsky und Dernburg. In der fortgesetzten Etatsberatung führt Schüdler (Ztr.) aus: Wir können dem Reichskanzler für die Reichstags- auflösung nur danken, denn uns fehlte bisher ein Groß­meister, ein Oberscharfmacher und ein Oberzeremonien­meister. Unser Antrag, bis zum 31. März neben der Heimsendung von weiteren 4000 Mann Vorbereitungen zu treffen, daß die Gesamtstärke der Schutztruppe auf 2500 Mann herabgemindert werde, hat seine Grundlage in den Erklärungen des Reichskanzlers, daß der Haupt­aufstand gebrochen sei. Unser Antrag ging auf die Zu­kunft. Das ist das ganze Staatsverbrechen, das wir begangen haben. Wir verlangen nicht, daß ab 1. April die Schutztruppe 2500 Mann betrage, sondern trafen nur die Vorbereitungen, damit, wenn der Friede hergestellt ist, die Regierung nicht sagen kann, es fehlte an den nötigen Vorbereitungen, um die Truppen heimzuschaffen. Auch wir anerkennen dankbar die Tapferkeit unserer Truppen, die größtenteils unserer Wählerschaft angehören. Wir sind eine Verfassungspartei, ein Hort zum Schutze des Rechts und der christlichen Ordnung. Im deutschen Reich ist durch Gesetz die Friedenspräsenzstärke der Truppen­macht festgesetzt, aber es besteht kein Gesetz für den Reichstag, die Forderungen für die Unterhaltung einer bestimmten Truppenmacht in den Schutzgebieten zu be­willigen. Wäre die Abstimmung über die Bahn Keet- manshop-Kubub im Plenum erfolgt, so hätte das Zen­trum, ohne auf seinem Antrag zu bestehen, mit Ja ge­stimmt. So war der Mann mit der roten Mappe d« und der Reichstag wurde aufgelöst. Der Redner kommt dann auf die von verschiedenen Seiten geforderte Ab­änderung des Reichstagswahlrechts zu sprechen, nennt einige Zeitungen in dieser Hinsicht und sagt, daraus gehe hervor, daß die durch die Reichstagsauslösung geschaffene Lage zur Wahlrechtsänderung ausgenützt werden solle. Auch bezüglich der Einmischung der Beamten in die Wah­len haben wir andere Anschauungen. Bezüglich der Tä­tigkeit Dernburgs während der Wählen citiert der Red­ner das Wort Bismarcks von 1881, daß es der Würde von Beamten nicht entspreche, sich in den Wahlkampf zu mischen, namentlich nicht durch öffentliche Reden. (Hört, hört! im Ztr.). Der Redner fragt dann, wo eigentlich die Wahlgelder geblieben sind, die beim Reichskanzler zu­sammenliefen. Die Beamten dürfen nicht zu Hand­langern der Regierung gemacht werden. Von anderen Parteien, namentlich den Nationalliberalen, erfolgte ein viel heißeres Liebeswerben um die Gunst der Sozial­demokratie als auf unserer Seite. Die Erklärungen der bayerischen Bischöfe bedauere ich, wegen der daran ge­knüpften falschen Deutungen. Der Redner polemisiert dann gegen den Flottenverein und sagt zum Schluß: Wir stehen auf unserem alten Standpunkt. Versuchen Sie noch einmal uns anzugreifen, so werden Sie auf Granit bei­ßen. Wir werden Treue um Treue bieten. (Beifall im Zentrum.)

Gothein (srs. Vgg.): Mich wundert die Aufregung des Zentrums über die Wahlbeeinflussungen. Gerade die Kanzel wurde hierzu benützt. Das Wahlbündnis mit ir­gend einer Partei nehmen wir niemand übel. Das Bünd­nis der Sozialdemokratie mit dem Zentrum bei der Be­kämpfung unserer süddeutschen Kollegen Haußmann und Blumenthal ist aber viel schlimmer als unser Zusammen­gehen mit einigen Kreisen der Rechten. Wir wollen nicht einen neuen Kulturkampf, sondern reinliche Scheid­ung von Kirche und Staat. Die Polenpolitik der Re­gierung machen wir aus nationalem Bewußtsein nicht mit, da sie stets das Gegenteil erreichte. Die Zoll- und Wirtschaftspolitik bekämpften wir immer. Zu positiver Arbeit sind wir stets bereit, doch müssen wir unsere völlige Unabhängigkeit wahren. (Beifall.)

Staatssekretär Graf Posadowsky: Die von Schäd- ler zitierte Aeußerung aus den Memoiren Hohenlohes über eine Unterredung mit Miguel ist nicht beweiskräftig. Von dem Direktor Ballin bedauere ich, daß er bei seinen gro­ßen wirtschaftlichen Kenntnissen nicht Mitglied dieses Hau­ses ist. Meine gestrigen Aeußerungen über die Zollbelastung Englands halte ich vollkommen aufrecht. Die Antialkoholbewegung halte ich für ungeheuer wert­voll für das Volk. Die Theorie, daß Schutzzölle ganz anders wirken, weil sie die Inlandspreise erhöhen, aN Finanzzölle, halte ich in dieser Schärfe ausgesprochen für unbedingt unrichtig. Die Verteuerung hängt wesent­lich von dem Prozentsatz ab, was eingeführt wird, zu dem Prozentsatz dessen, was das Land selbst erzeugt. Nach einigen persönlichen Bemerkungen vertagt sich das Hass auf Montag Nachmittag 2 Uhr. Schluß 31/4 Uhr.

Allerlei aus dem politischen Leben. Bei dem

vom Reichskanzler erwähnten großen Wahl­fonds handelt es sich, wie dasBerliner Tageblatt" feststellen zu können glaubt, um eine ausgesprochen pri- v a t e. Sammlung. Nach Informationen des Blattes sind die freisinnigen Parteien jedenfalls an dem Sammelwerk nicht beteiligt gewesen. An der Spitze des Ausschusses soll der vielgenannte freikonservativc Abg. Frhr. v. Zed­litz gestanden haben.

Der Etat des Reichstags enthält, wie die Berliner Zeitung am Mittwoch" erfährt, keine Re- präsentationsgeldcr für den Präsidenten. Graf Stolberg hat ausdrücklich gebeten, von der Einstellung eines solchen Postens abzusehen.

Im preußischen Abgeordnetenhaus haben sich die Fraktionen der freisinnigen Volkspartei und der freisinnigen Vereinigung ebenfalls zu gemeinsamer