daß sie ohne die Sozialdemokratie überhaupt keine Mehr­heit gesunden hätten? Wir haben eben von der Kultur­entwicklung ganz andere Anschauungen als Sie von der Rechten: wir sind eben nicht so rückständig. (Heiterkeit aus der Rechten). Frühere Reichstagsmitglieder, die nicht unserer Partei angehörten, haben es uns bezeugt, wie tat­kräftig wir in den Kommissionen mitgewirkt haben. Wenn solche Männer uns Anerkennung zollen, so ist das mehr wert, als das Urteil des Herrn Reichskanzlers, dem die ganze Sozialpolitik eine tarru iuovAnitu ist. (Leb­hafter Widerspruch. Vizepräsident Paas che: Sie dür­fen dem Reichskanzler nicht vorwerfen, daß er von einem wichtigen Teil der Gesetzgebung nichts kennt.) Nun, ent­weder kennt der Reichskanzler die Dinge nicht, dann ist der Passus in der Thronrede verzeihlich, oder er kennt die Dinge, dann ist das Verhalten des Reichskanzlers unverzeihlich. (Heiterkeit). Redner wendet sich sodann zur auswärtigen Politik. Trotzdem jetzt der politische Horizont klar sein soll, stehen neue Forderungen sür Mi? litär und Flotte in Aussicht. Ich bin gespannt, welche .Haltung die Zentrumspartei bei diesen Forderungen ein­nehmen wird und ob sie jetzt den 8 6 des Flottengesetzes, wonach die Lasten für die Rüstungen nicht den schwa­chen Schultern auferlegt werden sollen, anders auslegt, wie im vorigen Jahr. Jetzt ist die Mehrheit vorhanden, eine Reichseinkommen - und Reichsve r mögen s- isteuer zu schaffen, wenn Zentrum, Freisinnige und So­zialdemokraten zusammenstehen, (Zurufe bei den Natio­nalliberalen: Wir helfen auch mit!) Nun, mir soll es recht sein. Die Freude über einen reuigen Sünder ist größer als über 99 Gerechte. Wenn Sie gerechte und vernünftige Vorschläge bringen, werden Sie uns an Ihrer Seite finden. Wir sind gar nicht die Menschenfresser, als welche man uns immer hinstellt. (Heiterkeit). Daß eine neue Flottenvorlage kommen wird, das geht aus den Brie­fen des Flottenvereins nur zu deutlich hervor und der -Verein hat ja bekanntlich die allerhöchste Anerkennung. Wir werden ja noch Gelegenheit haben, mit dem Flotten- vcrein, mit demReichsverband zur Verleumdung der Sozialdemokratie" und dem Kolonialdirektor abzurechnen. Denn was der Kolonialdirektor bei seinen Agitations­reisen alles sür Märchen erzählt hat, das geht auf keine Kuhhaut. (Große Heiterkeit). Unsere ganze Kolonialpo­litik war bisher eine Karlchen Misnick-Politik. In der Thronrede heißt es, die Sozialpolitik solle fortgesetzt wer­den. Wie paßt denn dazu die Haltung der konservativen Presse, die Haltung des Zentralverbandes der Industriellen und der Wirtschaftsreformer? Wir sehen den Verhand­lungen des Reichstages mit Ruhe entgegen. Lne haben jetzt die Mehrheit. Sie können einmal machen, was Sie wollen. Jetzt können Sie Ihren Mittelstand retten, den Sie bereits seit 20 Jahren retten und dem es jetzt schlechter gehen soll wie je. Woher kommt es denn, daß Ihre Mittelstandsretterei nichts genützt hat? Weil Ihre ganze Gesetzgebung nur Pfuscherei war. Wir verlangen ein demokratisches Vereins- und Versammlungsrecht. Wenn der Staat Württemberg mit einem solchen Vereinsrecht Auskommen kann, dann kann es das Reich auch. Dann verlangen wir das allgemeine, geheime, gleiche Wahlrecht in den Einzelstaaten. Der Phrasen sind genug gewechselt, wir wollen endlich Taten sehen. (Sehr richtig! auf der Rechten.) Der Reichskanzler denkt nur an alles Mög­liche. Mit dem bloßen Denken kommen wir nicht weiter, wir wollen Taten sehen. Wir wollen ein freiheitliches Koalitionsrecht, wir wollen, daß man endlich aufhört, die Arbeiter zu terrorisieren. (Lebhafter Widerspruch, Zurufe Sie terrcrosieren ja!) Wir verlangen ein Reichsberg- gesetz, damit das Leben der Arbeiter geschützt wird. Wir verlangen Freiheit und gleiche politische Rechte für alle, ohne Ansehen der Person, des Standes und des Geschlechts. (Zurufe rechts: Boykott der kleinen Geschäftsleute!) Wenn dies von meinen Parteigenossen geschieht, so mißbillige ich das ebenso wie Sie. Aber wie geht man denn gegen die Sozialdemokraten vor. Ein Sozialdemokrat bekommt im Staatsbetrieb kein Stück Arbeit. Er bekommt kein Stück Arbeit von den Mitgliedern des Bundes der Land­wirte. (Lebhafte Unruhe rechts.) Wenn es darauf an­kommt, hüben und drüben abzuwägen, wo am meisten gesündigt wird, da wird bei Ihnen auf der Rechten zehn- tausendmahl mehr gesündigt. Wir wollen ein Staats­wesen, das aus der Höhe der Kultur steht. (Lebhaftes Lachen rechts.) Wir wollen, daß Deutschland ein Land werde, das in der Welt geachtet wird. (Große Heiterkeit rechts.) Wir wollen, daß die Macht der Junker gebrochen wird. Das preußische Junkertum ist die reaktionäre Masse, die existiert. Wir wollen vorwärts, und darum ist trotz Alledem und alledem unser die Zukunft. (Lebhafter Bei­fall bei den Sozialdemokraten. Zischen rechts.)

Reichskanzler Fürst Bülow: Ich will Bebel gegen­über feststellen, daß beim Wahlkampf nicht ein roter Heller aus amtlichen Mitteln gegeben wurde. Die Ausführ­ungen Bebels über Wahlbeeinflussungen habe er schon gestern zum Voraus widerlegt, er wolle sie aber dank­bar quittieren als Beweis, daß die Regierung bei diesen Wahlen nicht geschlafen hat, sondern auf dem Posten war. Bebel habe gesagt, die Sozialdemokratie habe eine lediglich resormatorische Tätigkeit entwickelt, Bebel scheine schon vergessen zu haben, daß er vor wenigen Jahren auf dem Parteitag in Dresden noch gesagt hat, er sei ein Tod­feind der bürgerlichen Gesellschaft und Ordnung und werde nicht ruhen und rasten, bis er sie vernichtet habe. Er wirft mir vor, daß ich Partei gegen die Sozialdemokratie nehme, allein solange die Sozialdemokratie die Monarchie bekämpft, solange wird jeder Minister gegen sie Partei nehmen müssen. Er nehme die sozialdemokratische Ge­fahr ernst, nervös mache sie ihn aber nicht. (Bravo! rechts.) Bebel habe die Niederlage seiner Partei zu be­schönigen gesucht. Geschlagene Feldherren benehmen sich verschieden: entweder sie schweigen, das ist das würdigste, «der sie bringen sich um (Heiterkeit), oder sie zeigen eine gereizte Redewilligkeit. Die Sozialdemokratie hatte die Vernichtung des Liberalismus verkündigt, dem es aber sehr wohl geht. Die Niederlage der Sozialdemokratie war «ber wohl verdient, weil sie die Strafe war für einen eng­herzigen, dogmatischen, kleinlichen, philiströsen Geist, der blind gegen alle Andersdenkenden wütet und trotz allen Geredes von Kulturhöhe an der Schwelle des 20. Jahr­hunderts eine Unterdrückung ausübt, eine Gesinnungs­

schnüffelei betreibt, eiu gegenseitiges Joch bereitet, wie es die Welt kaum im Mittelalter gesehen hat (sehr richtig!), daß selbst der Gesinnungsgenosse Herr Jaures sich genötigt gesehen hat, über den intoleranten Dogmatismus der deutschen Sozialdemokratie zu seufzen. Soll ich Sie dg- ran erinnern, daß ein Parteigenosse den Abg. Bebel den neuen Cäsar der Sozialdemokratie nannte! Julius- sär gleich August Bebel! (Stürmische .Heiterkeit). Soll ich Sie an das Ketzergericht von Dresden erinnern? Soll ich Sie erinnern an die Art und Weise, wie später die sechs armen Redakteure des Vorwärts au die Luft gesetzt wur­den? lVätat e'ost moi (der Staat bin ich) sagte Lud­wig XIV. Das scheint auch Ihre Losung zu sein.

Die Niederlage der Sozialdemokratie war wirklich ver­dient, weil sie die Strafe für die politische Kampfesweise und für eine proletarische Methode, wie sie so brutal die gebildete Welt wohl noch kaum gesehen hat. (Sehr richtig!) Ith habe hier nun in dem Erlaß des sozialdemokratischen Parteivorstandes und in der Kundgebung des Parteivor- ftandes nach den Wahlen, in der sogenannten Wahlepistel (Große Heiterkeit), gelesen, künftig würde der Ton der So­zialdemokratie ein feinerer werden. Nun, ich will es ab- warten. Der Ton mit den? der Abg. Bebel mir gegenüber die Formen der guten Gesellschaft außer Acht gelassen und mir grobe Unwahrheit vorgeworfcn hat, läßt in mir noch einige Zweifel aufkommen. (Sehr richtig.) Ich bin viel herumgekommen: ich habe durch meinen Berus viel im Aus­lande gelebt, ich entsinne mich nicht, irgendwo derartige Rüpeleien erlebt zu herben, wie sie namentlich seit denr Dresdener Parteitag die sozialdemokratische Presse in un­serer früheren vornehmen Oefsentlichkeit zu wecken und emzusühren versucht hat. Das war eine logische Entwick­lung, denn aus Haß geboren, mußte die sozialdemokratische Presse bei dem Sauherdenton bleiben. Aber nicht nur die Monarchie, die Armee, das Vaterland, die Nation, alles, was der großen Mehrheit der Nation kostbar und teuer war, wurde mit Wut und Angriffen verfolgt und diesh T o n- a r l, der' sich die Sozialoemokratie auch in diesem Wahl­kamps befleißigte, war der Grund für die Nie­derlage. Ich kann wohl ohne Uebertreibung sagen, wie eine Jndianerbaude aus dem Kriegspfade war die Sozial­demokratie in diesen Wahlkampf gezogen. Sie zog nicht nur die nationalen Empfindungen und Gefühle herunter, auch in der Beschimpfung der Gegner hat die Sozialde­mokratie bei diesem Wahlkampf sich selbst übertroffen. Die Niederlage der Sozialdemokratie war die gerechte Strafe sür den so rücksichtslos geführten Wahlkampf, für ihre Gehässigkeit, sür ihre Taktik der Verhetzung. Sie war wohl verdient gegenüber der terroristischen Art und Weise, gegenüber der Einschüchterung, gegenüber der Unterdrück­ung, gegenüber den terroristischen Allüren der Sozialde­mokratie. Der Abgeordnete Bebel hat darauf hingewie­sen, daß die streikenden Arbeiter gegen Exzesse geschützt werden sollten. Ich erinnere demgegenüber nur an die tief-bedauerlichen Exzesse in der Nacht nach der Wahl in Bremen, Elberfeld, Anhalt und Magdeburg. Ich erinnere daran, daß diese Exzesse getragen waren von terroristischem Geist. Ich hoffe, daß die nationalgesinnten Bürger es den Organen der öffentlichen Ordnung überlassen, wo sich die Sozialdemokratie in so schurkenhafter Weise benimmt, den Exzessen fest und mutig die Stirn zu bieten, und ich er­warte, daß die Beamten ihre Schuldigkeit tun werden und die Ordnung und Freiheit gegenüber sozialde­mokratischem Terrorismus schützen werden. (Lebhafter Bei­fall rechts.) Die Mederlage der Sozialdemokratie war weiter wohl verdient, weil sie die Strafe war für die von ihr betriebene Verneinungs- und Nörgelpolitik. Nun hat ja der Abg. Bebel!aüf eine Reihe von Fällen hinge­wiesen, aus denen das Gegenteil hervorgehen sollte. Ge­rms) hat die Sozialdemokratie Anträge eingebracht, aber mit Hintergedanken, Sie waren auf die Absicht zurückzu­führen, Unzufriedenheit zu erwecken und darauf zugeschnit­ten, daß sie in diesem Umfange von niemandem angenom­men werden konnten, indem sie unerfüllbare Wünsche ent­hielten. Wenn nun aber die verbündeten Regierungen aus allen phantastischen Forderungen und Wünschen ei­nen vernünftigen realistischen Kern herausgeschält hatten, so hat die Sozialdemokratie sich immer dagegen erklärt. Die Sozialdemokraten waren ja von Anfang an mehr auf die Kritik, auf das Negative als auf das Positive ange­wiesen. Aber dieser kritische Zug hatte sich besonders he­rausgebildet seit dem Dresdener Parteitag, seit dem Bade in dem Jungbrunnen des Herrn Bebel, seit dem Unter­tauchen der Revisionisten. Gewiß, es hat eine Zeit gegeben, da konnten Hoffnungen auf den Revisionismus gesetzt wer­den, und ich bin selbst von solchen Hoffnungen nicht ganz frei gewesen, aber nachdem in Dresden der große Kotau der Revisionisten stattgefunden hat, nachdem die Revisio­nisten dort zusammengeklappt waren wie ein Taschenmesser, da war es aus mit dem Revisionismus. Ich glaube nicht, - daß Bernstein einem ausländischen Journalisten über Be­bel gesagt hat, daß dieser sich in einen Revisionisten ver­wandeln werde und daß er dem Revisionismus Abbitte leisten werde. Ich glaube, der Abg. Bebel wird immer der Abg. Bebel bleiben. (Sehr richtig!) Aber bedauer­lich ist, daß so viel hohe Kraft, so viel Gaben wie sie das will ich noch einmal wiederholen sich im deut- i schen Arbeiter verkörpert, dem Fanatismus hingeopfert wird. Ich habe vor Jahren Ihnen zugerufen: Betreten Sie den Boden der Legalität, den Boden der Vernunft! Hören Sie auf Gefühle zu verletzen, die der großen Mehr­heit des deutschen Volkes heilig sind. Welche Gegensätze können Sie denn mildern! Sie haben meine Ausforüer- ^ ung mit Gelächter ausgenommen und nicht befolgt. Die ! deutsche Sozialdemokratie hat zum Schaden der Arbeiter : Streiks hervorgerufen, sie hat mit der Idee des Massen- ! streiks, der Revolution ein frivoles Spiel getrieben. Sie - ist immer fanatischer, immer terroristischer, immer kultur- , widriger geworden. (LebhaftesSehr richtig!") Wenn > Sie sich in dieser Beziehung nicht wandeln, ist kein Pak- : tieren, kein Verständigen mit Ihnen möglich. Die Nie- ! dcrlage der Sozialdemokratie war aber auch wohl verdient ! aus einem Grunde, den einer der besten Köpfe der So- ! zialdemokratie, Herr Schippet, in einem Artikel genannt ! hat. In diesem Artikel wird die Wahlniederlage zurück- j geführt, wie sich Herr Schippet ausdrückt, auf die Unwahr­haftigreit in der Agitation der Sozialdemokratie. Sie ! haben gesagt, der Zolltarif würde niemals zu Stande kom­

men. Er ist zu Stande gekommen. Sie haben gesagt, auf der Basis des Zolltarifs würden niemals Handelsverträge abgeschlossen werden können. Die Handelsverträge fins abgeschlossen. Sie haben gesagt, die Handelsverträge ivm- den die Industrie schädigen und jeden Wohlstand vernich­ten. Der Wohlstand steigt und unsere Industrie blüht wie nie zuvor. Das Volk ist solche Flunkerei endlich ein­mal satt geworden. (Lebhafte Zustimmung.) Und die Niederlage der Sozialdemokratie ist endlich wohlverdient wegen der unpatriotischen Politik, in die sich die Sozial­demokratie leider immer inehr und mehr verrannt hat. Nur der deutsche Sozialdemokrat stellt die Partei über die Na­tion. Die Sozialdemokraten anderer Länder stehen mit verschwindend kleinen Ausnahmen in großen nationalen Fragen für ihx Volk ein. Wann hat je eiu namhafter aus­ländischer Sozialdcinokrat erklärt, das Vaterland nur ver­teidigen zu wollen, wenn das Parteiprogramm es zulasst. Denken Sie nur an Herrn'Jauros! Aber das war der Sinn mancher Ausführungen, die wir hier von .Herrn Bebel oft gehört haben. Das nenne ich unpatriotisch und vaterlandslos (Lebhafte Zustimmung), wenn man die Par­tei über das Vaterland stellt (erneute Zustimmung) und wenn man dem Vaterlande ein Jena wünscht. (Lebhafte Zustimmung.)

Wenn der Vorwärts schrieb, wir hätten die Truppen, in Südwestafrika zurückgehalten, um auf England los­schlagen zu können, so war das eine niederträchtige Verleumdung, d n rch di e u ns das Ausland ans den Hals gehetzt werden sollte. Hoffentlich wer­den die übrigen deutschen Städte dem Beispiel von Bres­lau, Frankfurt usw. folgen. Dann wird wohl auch Ber­lin nicht im Dunkeln bleiben. (Sehr gut, Heiterkeit.) Ter Wahlerfolg ist aus eigener Kraft des Bürgertums zusrande- gekommen. Wir werden den Arbeitern beweisen, daß wir die Sozialpolitik ausbilden werden. Es wird die Zeit kommen, wo Kopf und Hand einträchtiger als bisher Zu­sammenwirken werden und wo wir auf die heutige So­zialdemokratie zurückblicken werden, wie der Genesene auf eine böse Krankheit, wie der Erwachende aus einen bösen Traum. (Lebhafter anhaltender Beifall rechts und links, Zischen bei den Sozialdemokraten.)

Rich th of e n-D a ms d o rf (kons.) spricht seine Freude, darüber aus, daß die Sozialdemokratie so geschwächt zurückgekehrt ist. Die Erklärung des Reichskanzlers, daß die Sozialpolitik nicht bloß ans die Arbeiter beschränkt, sondern auch auf den Mittelstand ausgedehnt werden soll, begrüße seine Partei freudig. Ten Soldaten in Afrika spre­chen wir unfern Dank ans. (Lebhafter Beifall.) Eine Neuregelung der Beamtenverhältnisse nicht nur der un­teren Beamten, sondern auch der mittleren, halte seine Partei für erforderlich. Die großen Parteien und die na­tionale Mehrheit werde tatkräftig mitzuwirken haben an der nationalen Arbeit dieses Reichstags (lebh. Beifall.) Weitcrberatung morgen 1. Uhr. Schluß 5ch Uhr.

Berlin, 27. Febr. In der heutigen Sitzung des Reichstags, die um 1.20 Uhr von Graf Stolberg er­öffnt wird, wird die Etatsdebatte fortgesetzt. Der Freisinnige Wymer sagt, Bebel habe in seiner Rede al­les getan, um den Mut der Genossen wieder zu heben. Der entschiedene Freisinn kehre gestärkt in den Reichs­tag zurück. Man wird mit ihm zu rechnen haben. Wir werden alles bewilligen, was das Reich nötig hat zu sei­ner Entwicklung, aber nicht das, was mit der Wohlfahrt des Volkes nicht in Einklang gebracht werden kann. Wir verlangen eine Reform des Börsengesetzes, die Einschränk- ^ ung des Majestätsbeleidigungsparagraphen, eine Reform ' des Strafrechts. Das Vereins- und Versammlungsrecht, das in Aussicht gestellt ist, wird hoffentlich in freiheitlichem ^ Sinne gestaltet werden. Weiter verlangen wir: Ausdeh- ^ nung des allgemeinen direkten Wahlrechts auf alle Bun- - desstaaten, Aenderung der Wahlkreiseinteilung und Schutz i für die Privatangestellten.

j MtMdkÄtM.

! Die Freifinnigen an der Arbeit. Zu der Kam

s Mission, die von den drei linksliberalen Par- ! teien mit der Formulierung der Anträge betraut wor­den ist, gehören von der Freisinnigen Volkspartei die Abgeordneten Gyßling und Dr. Mugdan an, von : der Freisinnigen Vereinigung die Abgeordneten Gothein und Dr. Pachnicke sowie von der Deutschen Volkspartei der Abgeordnete Oeser. Die Kommission hat eine Sitz­ung abgehalten und unter anderem folgende Anträge über folgende Gegenstände formuliert: 1. über die meck­lenburgische Verfassungsreform (gemeinsam mit den Nationalliberalen), 2. über die Strafprozeß- ! ordnung, 3. über das Koalitionsrecht, 4. über Veteranenbeihilfen, 5. über Beamtengehäl- ter, 6. über das Vereins- und Versammlungs­recht, 7. über Arbeiterausschüsse, 8. über das Reichs tags Wahlrecht (Wahlurnen, Aenderung der Wahlkreiseinteilung, Bestimmungen zum Schutze des Wahlgeheimnisses usw.), 9. über Ausdehnung der Krankenversicherung auf land- und forstwirtschaft­liche Arbeiter, auf Dienstboten, aus Familienangehörige, Erleichterung des Beitritts für Handwerksmeister, kleine Gewerbetreibende, Landwirte und alle Personen mit ei­nem Einkommen von unter 3000 Mark, Einsetzung von Einigungskommissionen zur Schlichtung von Streitigkei­ten zwischen Kassenärzten und Krankenkassen und 10. über die Verhältnisse der Privatbeamten.

! * * *

! Die deutsche Berufs- und Betriebszählung

- soll Mittwoch den 12. Juni ds. Js. vorgenommen werden.

! Damit diese möglich ist, muß der Reichstag baldigst dem

- vom Bundesrat bereits am 31. Januar angenommenen

- Gesetzentwurf ' über die Kosten dieser Ergebung zustim- ! men; denn es sind umfassende Vorbereitungen zu treffen, i damit jener Termin eingehalten werden kann. Es ist zu

- hoffen, daß der Reichstag in dein über die Notwendigkeit der Zählung allseitige Uebereinstimmung herrscht, sich

- nicht bloß auf die Geldbewilligung beschränkt, sondern : recht nachdrücklich auch seine Wünsche hinsichtlich der Art

- der Erhebung ausspricht, insbesondere bezüglich den- ! tigen Ermittlungen für die Witwen- u. Waisenversorgnrrg,

' über die Arbeit schulpflichtiger Kinder. Gerade diese drei

Gebiete müssen besonders sorgfältig erforscht werden, da ihre