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mit Erzähler vom Schwarzwald.

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crlelon Nr. 4!.

Amtsblatt für die Stadt Wildbad.

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HkittwoO, den 13 . Aeöruar

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Mu^dschsn.

Der Kaiser und die Liberalen. Der Berliner Vertreter desTemps" sendet seinem Blatt ein langes Telegramm über eine Unterhaltung, die er mit einer deni Reichskanzler sehr nahestehenden Persön­lichkeit gehabt hat. Diese Persönlichkeit, deren Namen aus »nichtigen Gründen verschwiegen wird, hat gesagt:

Der Kanzler henkt nicht daran, mit dem Zen­trum zu regieren, er wird seine Stimmen nicht zurück­weisen, aber sie nie zu gewinnen versuchen. Er kann zunächst nicht eine Politik in ausschließlich liberalem Sinne machen, denn dazu brauchte er eine große und starke li­berale Partei; aber erjwird den Liberalen KeitenSpiel- raum geben in Erwartung der großen libe­ralen Partei, die vielleicht die Zukunft bringen wird, und die dem Fürsten v. Bülow, ja, die sogar dem Kaiser durchaus nicht unwillkommen wäre. Da der Kanzler auf eine feste Majorität nicht rechnen kann, muß er eine solche von Fall zu Fall zu gewinnen suchen. Er wird dabei von den Liberalen kein Äufgeben ihrer Grund­sätze verlangen, setzt aber voraus, daß sie klug genug sein werden, die natürliche Entwickelung der Dinge nicht zu hindern und Zentrum uno Konservative einander nicht in die Arme zu treiben.

Der Einfluß des Zentrums ist zurzeit so gering wie nur denkbar, hhnd der Kaiser ist noch weniger für das Zentrum eingenommen als sein Kanzler. Wir selber (Bü­ch w und sein Intimus) haben sogar die Empfindung ge­habt, als wäre in der letzten Ansprache des Kaisers, in der niemand in Deutschland etwas anderes gesehen hat als eine. Aufforderung zum Kampf gegen die Sozialdemokratie, auch eine Spitze gegen das Zentrum gewesen. Unter einernationalen Mehrheit" verstehen wir eine Mehrheit, die uns nicht bei jeder militärischen oder kolonialen Ausgabe Schwierigkeiten macht, eine nationale. Mehrheit, wie sie zum Beispiel im französischen Parlament sich findet. Weder der Kanzler noch gar der Kaiser hat dabei nationalistische oder gar pangcrmanistische Absichten. Wenn Herr Cambon nach Berlin'kommt und sich mehr, als das bisher geschah und geschehen konnte, über mancherlei Dinge unterhalten will, wird er rasch bemer­ken, daß weder die Wahlen noch der Reichstag, noch die Regierung diese Aussprache erschweren.

Wenn der Kaiser und der Kanzler eine große liberale Partei haben wollen, dann können sie sie haben. Voraus­setzung sind nur zwei Dinge: Erstens daß die Regierung liberal regiert und zweitens, daß die liberale Partei demokratisch genug ist, tun die breiten Massen oes Volkes zu gewinnen. Ein drittes givts nicht.

Für die Verschmelzung der drei linkslibera- j len Gruppen, Freisinnige Volkspartei, Freisinnige Per- I einigung und Deutsche Volkspartei, tritt das Berl. Tagbl. ! ein. Nachdem cs dargetan, daß die Schuld an dem Schick- - sal des entschiedenen Liberalismus seine Zersplitterung war, schreibt es:Die Zeit für eine Verschmelzung der drei linksliberalen Parteien ist gekommen. So­weit der Einigungsgedanke an dem Widerstande enrzelner allzu selbstherrlicher Persönlichkeiten scheiterte, ist heute die.Lage geklärt. Es gibt im entschiedenen Liberalismus keinen überragenden Führer, der sein Veto einer liberalen Einigung cntgegenstellen könnte. Aber mehr als das; auch die äußeren Umstände drängen gebieterisch auf den libe­ralen Zusammenschluß hin. Zwischen Zentrum und Re­gierung ist es zum Bruch gekommen. Fürst Bülow will den Liberalisnrus mit dem Konservatismus paaren. Da muß der Liberalismus sehen, daß er nicht zu kurz kommt. Er wird dein Reichstage sich mit ganz anderer Wucht durchsetzen können, wenn er einig ist, als wenn er sich in drei Fraktiönchen zersplittert.

Wir haben schon erwähnt, daß sich die Abgeordneten der freisinnigen Vereinigung Schräder und MommsenGsür eine Verschmelzung der linksliberalen Parteien ausgespro­chen haben. Die Zeit für diese Verschmelzung ist unseres Erachtens erfüllt. Durch das Frankfurter Miudestprv- grainm sind die Richtlinien einer gemeinsamen liberalen Politik gezogen worden. Was noch überwunden werden muß, das sind weniger sachliche als Persönliche Hinder­nisse. Sie müssen zurückstehen hinter dem, was die poli­tische Lage, »vas die Zukunft des Liberalismus fordert.

Wir sind überzeugt, daß man im Lande die liberale Verschmelzung rückhaltlos willkommen heißen wird. Weiß doch ohnehin der Zehnte nicht, wodurch sich die freisinnige Vereinigung von der freisinnigen Volkspartei unterschei­den. Die Grenzen fließen völlig ineinander über. Es ist Zeit, die längst außer Kraft gesetzten Grenzsteine zu entfernen.

Eine große liberale Partei, die auch die National- liberaftn einschließt, ist heute nicht möglich. Der jungliberale Sauerteig braucht noch längere Zeit, um die nationalliberalen Wähler zu dnrchsänern. Bis dahin wird entschieden der Liberalismus seine Sache allein führen müs­sen.Aber er wird nicht umsonst kämpfen, wenn er ei­nig ist."

Bei den lehren Reichstagswahlen sind 28 Mitglieder ? der freisinnigen Volkspartei, 14 Mitglieder der freisinni- ^ gen Vereinigung und 7 Mitglieder der deutschen Volks- - Partei gewählt worden. Da noch zwer Wildliberale der z freisinnigen Vereinigung sehr nahe stehen and voraus- j sichtlich sich ihr anschließeu werden, so umfaßt die liberale - Linke insgesamt 51 Abgeordnete, also eine Zahl, die wenn ^

sie energisch anftrilt, gehört werden muß. Verschiedene Anzeichen sprechen dafür, daß innerhalb der drei freisinni­gen Gruppen der Gedanke der Verschmelzung bereits greif­bare Gestalt gewonnen hat.

* -i- * »

Die Schuld an der Niederlage der Sozial­demokratie. Der sozialdemokratische Parteivorstand ver­öffentlicht eine umfangreiche Erklärung über den letz­ten Wahlkampf. In dem Aufruf heißt cs:Wir sind ge­schlagen aber nicht besiegt." Die markanteste Stelle des Aufrufs untersucht die Ursachen der sozialdemokratischen Wahlniederlage. Es heißt darin:

Es soll nicht verschwiegen werden, daß!virselbst auch einen Teil der Schuld an unseren Niederla­gen tragen. . . . Ein großer Teil unter uns gab sich selbst dann noch einer fast unglaublichen Vertrauens­seligkeit hin, als ein aufmerksamer Beobachter über die Tätigkeit unserer Gegner und aufmerksame Beobach­ter sollten »vir alle sein erkennen mußte, daß diese nie dagewesenc Vorbereitungen trafen, uni uns den Sieg zu entreißen. Warnungen waren vergeblich. Viele unter 'uns sahen erst, wie die Gegner gearbeitet hatten, als der Sieg in deren Hand war, Konnte auch in einer ganzen Reihe Fälle die Niederlage nicht verhütet wer­den, ans Ursachen, die man sich in jedem Wahlkreis selbst wird sagen können, eine Anzahl Wahlkreise konnten bei besserer Organisation und weiterem Blick der lei­tenden Genossen gehalten werden. Dem für künftig vor- zubeugcn, ist unsere vornehmste Aufgabe, und zwar durch umfassenden Ausbau unserer Organisation, intensivere Verbreitung unserer Parteipresse und Literatur und eine wirksamere Aufklärungsarbeit, über die wir mit den zu­ständigen Organen ins Vernehmen treten werden.

Es soll ferner auch nicht verschwiegen werden, daß die vielfachen Meinungsdiffercnzen, die wir in den letzten Jahren hatten, in derPresse und in Z u- s a mme nkü nf t cn a l ler Ar t oftmals in einer Weise ansgetragen wurden, die unseren Gegnern Stoff zu An­griffen lieferte, namentlich »veil die Ausschlachmng in der üblichen tendenziös entstellten Weise geschah. Hier haben wir künftig, ohne Ausnahme, ,nns die größte Reserve aufzüerlegcn. Müssen Meinungsverschieden­heiten im Interesse der Partei ausgetragen werden, so darf dieses nur i n der streng sachlichsten Weise geschehen. Wir dürfen keinen Augenblick vergessen, daß wir Parteigenossen sind und jeder von uns das Recht hat zu verlangen, das; seine abweichende Meinung als ehrlich gemeint jünd im Interesse der Partei geltend gemacht angesehen wird. Man unterlasse aber auch den Kampf für kleinliches und nebensächliches. Der Aus­gang des jetzigen Wahlkampfes zeigt uns, daß »vir unsere ganzen Kräfte und Fähigkeiten im Kampfe gegen die

Kie Schönheit von Wemörow.

Roman von Bogurnil von CzartorSki. 31

Er unterließ es auch nicht anzndeiiten, daß das Mädchen be- ftimmt sei, dereinst eine Stellung von Rang in der Gesellschaft einzunehme».

Fräulein von Plattwitz, im Pensionat kurzlveg Madame ge­kannt, versprach, ihrerseits Liska in ihre besondere Obhut neh­men zu wollen und dafür zu sorgen, daß des Mädchens ländliche Manieren nicht Veranlassung zu Spötteleiey seitens der anderen Pensionärin»«» gäben. So befand sich denn das Wohl Liskas vorläufig in guten Hände», n»d Ruck konnte seine übrige Zeit «nn ernstlich den geichästlichen Arrangements widmen, die für die Adoptierung und Sicherstellung seiner Nichte erforderlich waren.

Was Liska selbst aubelraf, so schien sich diese nicht gerade behaglich zu fühlen, als ihr väterlicher Beschützer stein das inäch- tig große, neumodische PensionshauS führte, als dessen Pforten sich dröhnend zwischen ihr und der sonnenbeglänzten Straße schlossen, und sie nun in einen engen, modische» Reiseanzug, wo­ran die langen dänischen Handschuhe nicht das am wenigsten Unbequeme waren, gepreßt, in einem eleganten Empfangszim­mer stand, bis Madame geruhen würde, zu erscheine»».

Dieser Nauru war hervorstechend modern eingerichtet und der darin herrschende künstliche Wohlgernch erweckte, im Verein mit de» fremden, blendenden Farben und Gegenständen rings­umher, ein Gefühl der Beklemmung in Liska. Jedes Bild, jede Statue hier schien dazu angetan, sie zu erschrecken und einzu- schüchteru. Madame selbst wirkte-mtt ihrer Hohen, stattlichen Ge­stalt, ihrer ausgesucht geschmackvollen Kleidung und ihren ta­dellos vornehme» Manieren sehr ähnlich aus das Mädchen.

Liska verriet indessen sowenig wie möglich davon und machte einen außerordentlich günstigen Eindruck auf die Vorsteherin. Fräulein von Platlwitz meinte es diesem saust erscheinenden, hin­reißend schönen Kinde gegenüber, das mit gesenkten Augen und einem lieblich bescheidenen Lächeln auf den Lippen vor ihr stand, sehr leicht niit dem Lehren und Erziehen zu haben.

^Mir werden gut miteinander auSkommen, dessen bin ich gewiß," stmtc sie in ihrer liebenswürdige» Manier mit der küh­nen gepflegte» Hand leicht LiSkaS Wange berührend. .SS soll

Sie in Erstannen versetzen, was »vir ans Fräulein von Ruck ma­chen, verehrter Baron. Lernten Sie bereits tanzen, liebes Kind?"

Mein Himmel, nein!" entgegnete die Angeredete mit so er­stauntem Anblick, als habe man sie über ihre Kunstfertigkeit auf dem Seile befragt.

Madame ließ ein wohlklingendes Lachen ertönen.Um so besser! Dann haben »vir nichts zu korrigieren. Ihre Nichte wird ein Wunder von Grazie werden, Baron, ich verspreche eS Ih­ne» !" sagte sie.Wollen »vir jetzt das Zimmer der jungen Dame in Augenschein nehmen? Es liegt nahe dem meinige», und ich wünsche zu erfahren, ob alles darin Ihren Wünschen entjvricht. Für die erste Zeit beabsichtige ich meine nene Pflegebefohlene ein weilig isoliert zu halten; sie muß erst in Formen und Ge­bräuche dieses Hauses hiiieimvachsen."

Ich hoffe, daß es bald geschieht. Ich hoffe, daß meine kleine Liska Ihnen wieniir Ehre machen wird," erividerte der Baron, liebevoll seine Hand aus das gesenkte Haupt des Mädchens le­gend.

Sie werden Ihre Nichte in wenigen Wochen nicht wieder- erkennen!"

Diese von einer charakteristischen Handbewegnng begleiteten Worte der erfolgssicheren Dame veranlaßten Liska, sich stram­mer aufzurichten und ihre zehn gespreizten Finger in eine et­was gefälligere Form zu bringen, während sie verstohlen seuf­zend dachte:Wenn sich alle Pflichten meines neuen Lebens so einengend wie diese Handschuhe erweisen, dann werde ich es wahrscheinlich niemals erkennen, eine Dame nach den» Sinne meines Herrn und Gebieters zu werden!"

Nachdem Baron Ruck die notweudigen geschäftlichen Ange­legenheiten in der Hauptstadt erledigt hatte, griff er zufricde- neu Gemütes wieder zum Wanderstabe.

Liska schien ihn ohne besondere Unruhe scheiden zu sehen, ob- schon sie eine große Zuneigung und Anhänglichkeit für ihn an den Tag legte in ihrer wortkargen Und dennoch beredten Sprache, wobei Auge»»- und Mienenspiel das meiste tun mußte». Sie hatte den festen Vorsatz gefaßt, das Heimweh in sich nicht aufkommen zu lassen, sich stark und fest zu zeigen während dieser notwendi­gen Lehrzeit. IsiemalS und niemand zu verraten, wie angstvoll ihr vereinsamtes junges Herz in der Fremde pochte! Aber schon während der ersten Woche nach des liebevollen Oheims Entfer­

nung, nachdem die erste Erregung sich gelegt hatte und der An­blick des vielen Neuen und Fremdartigen in ihrer Ümgcbqng ihre Sinne und Gedanken nicht mehr völlig in Anspruch nah»», trat eine trostlose uinere Leere ein, ein Gefühl der Verlassenheit des Heimverlangens, so intensiv, so mächtig, daß sie kaum seiner Herr zu werden vermochte.

Allabendlich versammelten sich die zwölf Schülerinnen des Instituts in dem großen Arbeitssaal zu ebener Erde, um unter Aufsicht einer Lehrerin ihre Aufgaben zu erledigen. Liska hatte in dieser ersten Zeit viel zu tun, da sie sich noch mit dein ABT alles LernenS abqnälen mußte, und so benutzte sie gut die Hälfte der festgesetzten Arbeitszeit dazu, ihre Gefährtinnen eine- ver­stohlenen Musterung zu unterziehen, vergeblich bemüht, in einem oder dein anderen Antlitz etwas wie Güte und Teilnahme, eine»« einzigen warmen, weiche» Zug zu entdecken.

Wenn sie nur wüßten, wer ich einmal sein werde!" sagte sie sich;cs ist nicht cmzniiehmen, daß viele unter diesen Mädchen einen ähnlich vornehme» Freier im Hintergrnnd haben wie ich. Und keine von ihnen ist auch nur zur Hälfte so schön wie Liska Steinert!

Während derartige Gedanken ihren Sinn durchkreuzten, er­hob Liska nnwillkürltch das reizende Haupt. Ihre schwarzen Au­gen glühten auf, mit halb verachtungsvollem, stolzen Blick die halbe Reihe gesenkter Mädchenköpfe streifend. Da begegnete ihr Blick einem still aus sie gerichtete» Angcnpaar, das einen Aus­druck trug, der ihr das Blut in die Wangen trieb. Diese Augen mußten in den Seelen zu le'en verstehen. Die Besitzerin der­selben hatte ihr Haupt, es war ein vornehmes, dunkelhaariger Haupt, in eine schmale, von wertvolM.p alten Spitzen mnsäiimre Hand gestützt und schien über der Beobachtung Liskas ihr Ven- jum vergessen zu haben. Jetzt, als sie wahrnahni, daß das V.'äd- chen verwirrt wurde, kehrte ihre Aufmerksamkeit zu dein vor ihr liegenden Buch zurück, und Liska erhielt dadurch Gelegen­heit, nun ihrerseits die interessante Erscheinung in allen Einzel­heiten zu prüfen. Sie wußte, daß die Besitzerin der sprechenden Auge» von besonders vornehmer Abkunft war, und hatte sie immer sehr bewundert, obschon kalr gesunden.

Diesen Abend lag ein Schein von Güte »vie Mondlrch» ührr dem blaffen, stolzgeschilittenen Mädchengesicht, und Liska l c mg es bei dieser Wahrnehmung warm zum Herzen. 1S8.W