teigenossen des 7. Wahlkreises geschrieben wurde. Da von hatte jedoch weder der Parteisekretär Wasner, noch sonst irgend ein Mitglied des Landesvorstandes Kenntnis. Tie dem Schreiben angefügte Unterschrift war deshalb nach jeder Richtung unberechtigt. Wir stehen auch nicht an zu erklären, daß wir dieses eigenmächtige Vorgehen des Genossen Oster entschieden verurteilen.
Herr Oster war der Gegenkandidat Schweikhardts, die Triebfeder ist demnach lediglich der Haß gegen einen glücklicheren Nebenbuhler. Ein trauriges Zeugnis für den Genossen Oster..
Das „D e u tsch e V o l k s b l a t t" hat alle Hände voll zu tun, um das Bündnis zwischen Zentrum und Sozialdemokratie in Bayern zu beschönigen, für Württemberg hat es nur wenige Zeilen übrig. Die „Reichspo st", die von Dr. Wolfs verleugnet worden ist, führt einen Seitenhieb gegen die Deutsche Partei in Heilbronn, der aber in die Luft geht. Mit den drei Mandaten für den Bauernbund ist die Reichspost im Hinblick aus die Menge ihrer offenen und geheimen Gegner zufrieden. Daß sie die Mandate im 4. und 12. Wahlkreis den Sozialdemokraten verdankt, sagt sie mit keinem Worte, vielmehr ist es im 4. Wahlkreis die Beliebtheit ihres Kandidaten in Arbeiterkreisen, die ihm „vollends -den schönen Erfolg verschafft hat."
In V»c nich<württe«derq»schen Presse
wird übereinstimmend sestgestellt, daß die Mehrheit vom 13. Dez. gebrochen ist, daß die Regierung auf das Zentrum in nationalen Fragen nicht mehr angewiesen ist. Während aber die konservativen Blätter diese auf der Schwächung der Sozialdemokraten sich gründende Tatsache uneingeschränkt freudig begrüßen, heben die liberalen Blätter hervor, daß die Regierung nur dann auf die neue Mehrheit sich verlassen könne, wenn sie jetzt liberal zu regieren beginne. Die Voss. Ztg. sagt: „Die Wahlen sind jetzt vorüber, jetzt erwartet das deutsche Volk vom Fürsten Bülow Taten. An-ihm wird es sein, aus dem von seiner Presse anerkannten Aufschwung des Liberalis- vus die Nutzanwendung zu ziehen. Er wird sicherlich nicht von heute auf morgen liberal werden. Soweit sind wir noch nicht. Aber er wird eine unparteiische Haltung einnehmen, die verheißene Umgestaltung der Verwaltung vornehmen sznd eine Menge Fortschritte bewirken können, die allenthalben ebenso freudig ausgenommen werden, wie die jüngste Kabinettsordre über die Majestätsprozesse." In diesem Sinn äußern sich äuch äußerdeutsche Blätter. Sie sagen, wenn das deutsche Volk getäuscht werde, dann werde es in den Radikalismus zurückfallen, der das Kennzeichen der Wahlen 1903 war.
Einen breiten Raum nehmen auch in den nichtwürt- tembergischen Blattern die Betrachtungen über die N i e- derlage der Sozialdemokratie ein. Die Frankfurter Zeitung sagt, daß nach den Hauptwahlen noch eine freisinnig-demokratische Mandatsziffer von 60 möglich gewesen wäre, wenn die Sozialdemokraten nicht aus Haß und Rachsucht mit Bündlern und Zentrum sich verbündet hätte. Und warum dieser besondere Haß? Lediglich weil diese Linksliberalen ihre Existenzberechtigung trotz Bebel und Singer behaupteten.
„Mit Reaktionären aller Schattierungen haben die Sozialdemokrat.n paktiert gegen die Demokratie. Dem konservativen Bündler haben sie Ansbach-Schwabach gegen Quidde erhalten, Blumenthal haben sie in Straßburg Land jund Colmar gegen die Klerikalen zu Fall gebracht, und in Württemberg wollten sie Zentrum und Bündlern nicht bloß durch Wahlenthaltung, sondern auch durch direkte Stimmabgabe helfen; allerdings nicht offen, sondern heimlich, gaben sie diese Devise aus, so „mutig" und „ehrlich" waren sie.
Gegen diese niedrigen Wahlschachereien hat sich der gesunde Sinn der Wählerschaft mit Erfolg betätigt, und er hat sich namentlich auch gewandt gegen den Terrorismus, gegen die persönliche Verunglimpfung und gegen den Anspruch, alles der einen Partei dienstbar zu machen. Im Vergleich zu der Preisgabe politischer Ileberzeugung ist der sozialdemokratische Mandatsgewinn lächerlich gering, und wir glauben, er wird mehr mit Scham als mit Freude empfunden werden. Die So- zieldemokratie hat erfahren müssen, daß. ihre bisherige
Methode gründlich Fiasko gemacht, daß sic auf den steigenden Widerspruch der Wählerschaft gestoßen ist. Wird sie daraus zu lernen wissen? Der entschiedene Liberalismus hat seine wachsende Kraft kennen lernen u. wie sein Einfluß im Parlament so wird auch das Verständnis für die liberalen Ideen in der Bevölkerung steigen und damit hoffentlich auch wieder mehr zur praktischen Gestaltung führen. Die jetzigen Wahlen waren, per Anfang. Eine weiter aufsteigende Entwicklung wird, wie wir hoffen, sich anschließen."
Interessant sind noch einige Urteile der liberalen und radikalen Blätter des Auslandes über das Schicksal der Sozialdemokratie. So sagt der Berliner Korrespondent des „Daily Chronicle", seiner Ansicht nach hätten sich die Sozialdemokraten diese Niederlage selbst zuzuschreiben. Denn während sie einigen Einfluß im Lande gewonnen, seien sie immer unversöhnlicher und unzugänglicher geworden. Sie beweisen stets einen unerklärlichen Haß gegen diejenigen, die in ihren politischen Auffassungen ihnen am nächsten standen, und waren überhaupt so unerbittlich, so tyrannisch unter sich, so verbohrt in dem uralten Dogma und so unfähig an irgend einer positiven Gesetzgebung mitzuarbeiten, daß das Löwenfell, in welches sie sich drei Jahrzehnte gehüllt, nunmehr rücksichtslos herunter gerissen worden sei.
Die Hauptfrage wird nun sein, ivie im Reich regiert wird, darnach wird sich auch die Parteikonstellation richten. * *
Das Grsamtergcbsis.
Nach einer Zusammenstellung des Wolsfschen Bureaus hat der neue Reichstag auf Grund der Neuwahlen folgende Zusammensetzung: 105 Zentrum, 59 Konservative, 55 Nationalliberale, 43 Sozialdemokraten, 28 Freisinnige Volkspartei, 21 Reichspartei, 20 Polen, 15 Wirtschaftliche Vereinigung, 11 Freisinnige Bereinigung, 10 Fraktionslose, 8 Bund der Landwirte, 7 Deutsche Volkspartei, 7 Elsässer, 6 Deutsche Reformpartei, 1 Welfe, 1 Däne. — Nachiunserer Zusammenstellung, bei der wir auch die in ihrer Parteistellung noch nicht ganz bestimmten Zraktionsgruppen auf Grund vorliegender Erklärungen zurechnen, haben Zentrum und Elsässer Klerikale zusammen 109, wie bisher, die Welfen 1 (gegen 4) der Block dev Lothringer 3 (-j- 1), die Nationallibcralen 57 (Z- 6), die Konservativen 58 (-s- 6), die Reichspartei 23 (Z- 1), die Sozialdemokraten 43 (— 36), die Freisinnige Volkspartei 28 (-j- 8), die Freisinnige Vereinigung 12 (Z- 2), die Deutsche Volkspartei 7 (-)- 1); dazu kommen 4 Wildliberale. Ferner sind gewühlt 14 Antisemiten verschiedener Schattierung (Z- 1), 2 Mittelstandsvereinler, 3 Christlich- Soziale, 8 Bündler und Bauernbündler, 2 Wirtschaftliche Vereinigung, 20 Polen, 1 Däne, 2 Unbestimmte.
Kundschrrv
Der ehemalige Oberst Gaedke war bekanntlich wegen unbefu gter Führung des Titels Ober st angeklagt, aber vom Kammergericht freigesprochen worden mit der Begründung, daß die betreffende Kabinettsordre ihm nicht ordnungsmäßig zugestellt worden ist. Nach Z 60 der Verordnung über die Ehrengerichte der Offiziere erfolgt bei Freisprechung oder Warnung die Bekanntmachung des Spruches durch den Kommandeur (leitenden) in Gegenwart des Ehrenrates oder durch die Post, worüber Bescheinigung zu den Akten zu bringen ist. In allen andern Fällen erfolgt sie durch den Ehrenrat oder durch das nächste Militärgericht in mündlicher Verhandlung. Jetzt ist nun eine neue Kabinettsorder ergangen, wonach diese Bestimmung ergänzt wird durch folgenden Zusatz: „Sofern die Bekanntmachung in der in Absatz 2 vorgeschriebenen Form nicht durchführbar ist oder nach Ermessen des Kommandeurs nicht angängig erscheint, ist dem Angeschuldigten eine vom Kommandeur beglaubigte Abschrift des Spruches und meiner Entscheidung durch Ersuchen der Staatsanwaltschaft zuzustellen. Die Zustellungsurkunde ist zu den Akten zu bringen." Diese Vorschrift, so heißt es in der neuen Kabinettsordre, findet auch auf früher ergangene ehrengerichtliche Sprüche und von mir getroffene Entscheidungen Anwendung.
Ui-es-Khrsnsü
Berlin, 6. Febr. Der Kaiser und die Kaiserin statteten heute vormittag einen Besuch im Reichskanzlerpalais ab und beglückwünschten die Fürstin Bülow zum Geburtstag. Der Kaiser hatte dann eine Besprechung mit dem Reichskanzler und empfing später im K. Schloß die Arbeitskommission für ein Volksliederbuch für Männerchor. Der Kaiser nahm das erste Exemplar des Liederbuches entgegen. Er verlieh dem Vorsitzenden der Kommission, W. Geh.-Rat Frhr. v. Liliencron, die Brillanten zum Roten Adlerorden 1. Kl. mit Krone, dem Professor Felix Schmidt und dem Verlagsbuchhändler Henrichsen-Leipzig den Kronenorden 3. Kl., dem Prof. Prof. Bolle, dem Direktor der Singakademie Schumann, dem Prof. Kretzschmar und dem Musikdirektor Ferdinand Hummel den Roten Adlerorden 4. Kl., dem Komponisten Hegar in Zürich und dem Ehrenchormeister Kremser in Wien sein Bildnis.
Berlin, 6. Febr. Bezüglich der in Aussicht genommenen Einführung des Motorwagen-Betriebes auf einzelnen Strecken der p r e uß is ch - hessisch e n S t a a t s ba hnen meldet die „Berliner Korrespondenz", daß die ersten mit Akkumulatoren zu betreibenden Motorwagen nunmehr fertiggestellt sind, und, nachdem die am 4. Februar unternommene Probefahrt zufriedenstellend ausgefallen ist, in den nächsten Tagen der Eisenbahndirektion in Mainz zugeführt und auf den Strecken Mainz-Ingelheim, Maiuz-Rüsselsheim- Raunheim und Mainz-Oppenheim in den Dienst gestellt werden.
Berlin, 6. Febr. Ein Telegramm meldet aus Windhuk: Oberarzt Arthur Strahler, geboren am 13. Febr. 1877 zu Schneidemühl, früher Füsilier-Regiment Nr. 37, am 1. Febr. 1907 im Feldlazarett Lüderch- bucht an Atemlähmung nach Typhus verstorben.
Berlin, 7. Febr. Der Zentralverband deutsch« Industrieller hat aus Anlaß des Ausfalls der Wahle» an den Reichskanzler ein Glückwunschschreiben gerichtet, worin betont wird, daß es der Verband als eine ernste Pflicht ansieht, den Reichskanzler im Kampfe gegen die Sozialdemokratie zu unterstützen.
Posen, 6. Febr. Abgeordneter v. Czarlinski der in zwei Wahlkreisen gewählt ist, hat sein Reichstagsmandat für Wreschen-Pleschen-Jarotschin abgclehnt. Die Neuwahl findet am 12. Februar statt.
Dresden, 6. Febr. Der König hat heute vormittag an den Oberbürgermeister Beutler folgendes Telegramm gerichtet: „Meine Freude und mein Stolz über meine lieben Dresdener ist groß, größer noch mein Dank ftr die patriotische Aufopferung so vieler ausgezeichneter Männer. Es ist ein Vergnügen, jetzt zu leben! (gez.) Friedrich August."
München, 6. Febr. Nach den „Münch. Neuesten Nachrichten" zogen um Mitternacht nach einer Ovation vor dem Palais des Prinzen Ludwig 2000 Personen vor die Wohnung des Zentrumsführers Dr. Orterer und brachten ihm eine akademische Katzenmusik.
Nach dem „Bayer. Kur." waren 400 bis 500 Studenten dabei.
Brüssel, 7. Febr. Der Wagen des Königs kollidierte mit einem Straßenbahnwagen. Die Deichsel zertrümmerte die Wand des Straßenbahnwagens. Der König wurd'e vom Sitze geschleudert. Verletzt ist niemand.
In Pößneck brannte die Flanellfabrik Siegel und Schütze teilweise nieder. 200 Arbeiter sind brotlos.
D e Sköffnun? de i württ Ländta-W Stuttgart, 7. Febr. Nach vorausgegangenem Gottesdienst fand heute vormittag 11 Uhr die Vereidigung der Ständemitglieder und die Eröffnung des Landtags durch eine Thronrede statt. Kurz vor 11 Uhr fuhr der König in einer Galakutsche vor dem Ständehaus vor und wurde am Eingang von den Präsidenten der beiden Kammern, oben an der Freitreppe von einer ständischen Abordnung empfangen. Beim Eintritt des Königs in den Saal wurde er mit einem dreifachen Hoch begrüßt. Rechts vom Throne hatten die K. Prinzen, die Mit-
Aie Schönheit von WemVrow.
Roman von Bvguniil von CzartorSki. 25
Noch hatte kein menschliches Wesen seinen Weg gekreuzt, als er endlich ans eine kleine Lichtung hinanStrat, in deren Mitte da» Wobnhans. ein zweistöckiges, graues Gebäude, seinen Blicken sichtbar ward. Es machte trotz seiner offenbaren Beicchrlheit einen keineswegs tristen, wildern äußerst wobnlichen Eindruck. Die im Sonnenlicht glitzernde», altmodischen Bogenfenster, die kleine von wüdem Wein »mrankte Altane, auf deren Stufen ein schlankes. junges Kätzchen friedlich schlnmnierte, endlich der hübsche von rötlichem Manerkranze umschlossene Vorgarten, worin es im Sommer zweifellos einen Ueberflnß an Duft und Farben gab, alles das vereinigte sich zu einem überaus harmonischen und ansprechenden Ganzen
Der Rittmeister harte aber leider zur Zeit wenig Sinn und Empwuglichkeit inr die anspruchslosen Reize dieser Waldidylle; seine LnxnSangcn spähten mit gewohnterSchärfe und Geschwindigkeit umher in dem Bestreben, irgend etwas, da» wie der Faden ru einem Roman anSsah, zu entdecken. Leider fanden sie durchaus nichts Ungewöhnliches an den, alten Hnnie, auch nicht in der Erscheinung der Frau, die soeben ans den Altan heraus- trat und, die Hand über die Altgen breitend, den Waldweg hin- abipäyte: Sebold drückte sich eng gegen die Mauer, nm nicht gesehen zu werden, und näherte sich erst dann wieder vorsichtig dem Hause, als die Frau in das Innere znrückgekehrt war.
Gleich daraus sah er sie in ein freundliches Varterrezim- mer treten, dessen geöffnete Fenster freien Einblick gewährten. Seine Blicke sielen zuerst ans den in der Milte des Raumes stehenden, augenscheinlich zu einer Mahlzeit hergerichtetcn Tisch und er nahm wahr, daß er drei Gedecke trug. Die beiden andere» würden sich ohne Zweifel bald einstellen. Vielleicht war es angenehmer und leichter für den unerwarteten Besucher von Sielanka, das HauS zu betrete», so lange die Frau sich noch allein befand „Ter Moment ist günstig. Vorwärts also!" monologi- sierle Sebold.
Kurz daraitf erstieg der Rittmeister elastischen Schrittes die Stufen des Altans, bewegte energisch die Glocke an der Haustür und sah sich bald darauf einer kleinen, unverkennbar ängstlich dreinschanenden Dienerin gegenüber, die ihn sofort vor die Wirtschafterin führte.
Dieselbe nannte sich Frau Zacher, und war in der Tat niemand geringeres als die Haushälterin, für jetzt Bize-Herrin von Sielanka.
Der scharfsichtige Sebold machte die Bemerkung, daß auch in ihren Augen ein ängstlicher, mißtrauischer Ansdruck sich einstellte, als sie seiner ansichtig wurde. Derselbe verschwand aber zuin großen Teil, um einer entgegenkommenden Miene Platz zu machen, nachdem sich der Rittmeister als einen Freund des neuen Hausherrn vorgestellt und die Bemerkung hinzugefügt hatte, er komme auf dessen besondere Anregung.
„Da treffen Sie es leider sehr ungünstig," sagte sie bedauernd und rückte höflich einen Stuhl für den Gast zurecht; „abgesehen davon,'daß der schönste Erdenfleck öde und trübselig ansschaut, wenn überall welke Blätter umherliegen. Unser Herr ist abwesend; wann er wiederkehrt, wissen wir nicht, erhielten jedoch Auftrag, in kommender Woche alle Räume des Oberstockes für die Handwerker hcrznrichten, die der Herr Baron senden wird, uni sie neu in stand zu setzen. Nicht, daß es nötig wäre! Abernnser neuer Herr scheint viel auf Sielauka verwenden zu wollen."
Der Rittmeister strich sich seinen Bart und lächelte. „Das setzt mich einigermaßen in Erstaunen, Frau Zacher, ich muß es gestehe». Die Gewohnheiten und Passionen meines lieben Frenn- des sind für gewöhnlich überaus einfacher Natur. Außerdem ist es undenkbar, daß er hier jemals dauernd verweilt. Wozu also die innere Umgestaltung des Hauses?" '
„Ich weiß es Ihnen wirklich nicht zu sagen, gnädiger Herr, und es bleibt sich für mich auch ziemlich gleich. Vielleicht hat der Herr Baron besondere Pläne mit Sielanka. Was mich anbetrifft, so kann ich jeden Tag gehen, da in dem Hanse meines Sohnes, er ist Förster auf Naschkoiv, dem großen, gräflich Wo- dinskischen Besitztum, genug Raum für mich ist, selbst wenn Nikolaus heiraten sollte. Raschkow ist die angrenzende Herrschaft; Sielanka gehörte in früheren Tagen dazu, wie Sie vielleicht wissen werden."
Jedenfalls weiß ich, daß Du eine richtigePlappertasche bist! dachte Sebold sehr befriedigt, und das gilt mir mehr! Laut sagte er mit zuvorkommendem Lächeln: „Ich darf Sie nun aber nicht länger aufhalten, liebe Frau Zacher, und will sogleich den Rückweg »ach der Station murrten. Es ist mir angesichts der Ver-
hältnisse lieb, daß ich meinen Neisekoffer drüben aus dem Bahn- Hofe ließ und Sielanka zu Fuß aufsnchte."
Die Flügelhaube der guten Frau geriet in zitternde Bewegung und das große Schlüsselbund rasselte dazu. „Ich weiß, was ich den Gästen meines Herrn schuldig bin, gnädiger Herr!" lautete ihre würdevolle Entgegnung. „Binnen kurzem wird ein Imbiß bereit sein, so gut ihn Sielanka zu bieten vermag, und danach .. ."
Der Rittmeister schnitt diese Rede durch eine energische Handbewegung ab. „Nichts davon, wenn ich bitten darf, Frau Zacher! Dergleichen besondere Veranstaltungen würden mich wahrhaftig erzürnen. Wenn es denn Ihrer hausmütterlichen Ehre zuwiderlänft, einen Gast unbewirtet von dannen ziehen zu lassen, so räumen Sie mir vielleicht ein Plätzchen an Ihrem eigenen Tische ein. Das entspräche schon eher meine» Wünschen."
Die Haushälterin von Sielanka war völlig bezaubert durch die Herablassung und Liebenswürdigkeit des vornehmen Gastes. „Sie ehren uns ans das höchste, gnädiger Herr, wenn Sie es wirklich nicht verschmähen, mit meinem Sohne und mir zu speisen! Ich bin froh, wenigstens ein gutes Glas Wein zur Hand zu haben, welches Ihnen das ungewohnt einfache Mahl hoffentlich etwas genießbarer machen wird," sagte sie, den tiefsten und ausdrucksvollsten aller Knickse exekutierend. „Danach kan« Ihne» Nikolaus einiges von der Umgebung Sielankas zeigen, im Fall Ihnen das interessant sein sollte. Und es gibt auch eine romantische Geschichte, die sich vor gar nicht langer Zeit hier abgespielt hat und jeden gruseln macht! Mein Sohn wird sie Ihnen gewiß gern erzählen; er hat etwas gelernt und weiß gut zu spreche». Seine Talente . . da kommt er schon selbst!"
Nikolaus' Gruß hatte etwas gleichzeitig Unterwürfiges und Herausforderndes; das Aenßere des Rittmeisters flößte ihm ersichtlich Reipekt ein, und dennoch hätte er ihn zweifelsohne sofort vor die Tür gesetzt, wenn das so ohne weiteres gegangen wäre.
Sebold fühlte das deutlich heraus und lachte innerlich dazu. Er befand sich so recht in seinem Fahrwasser. „Die Sache beginnt interessant zu werden," sagte er zu sich selbst. „Herr Nikolausist keineswegs erbaut davon, mir die Honneurs machen zu müssen, aber dieser Umstand verdoppelt nur meinen Wunsch, zum mindesten einige Stunden unter diesem Dache zu verweilen." 138.«