Der „Beobachter" schreibt hinsichtlich der Stichwahl u. a.: „Von ihrer (der Sozialdemokratie) Entscheidung hängt es nun ab, ob die ausgesprochene Reaktion in der Stichwahl den Profit aus dem ganzen Wahlgang erhalten soll." — Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang eine Aeußerung des Abg. Keil am Vorabend der Hauptwahl: Wenn die Wähler der Volkspartei wünschen, daß Konrad Haußmann und vielleicht auch Wagner in Oberndorf und Schweickhardt in Calw durchfallen, dann brauchen sie' bloß Hieber zu wählen. Der sozialdemokratische Kandidat des 9. Wahlkreises, Arbeitersekretär Mattutat, hat in einer Wahlversammlung, die am Tag vor der Hauptwahl in Schwenningen stattfand, ein Wort des gekannten Sigl aus dem Bayer. Vaterland zitiert und betont, ein Zusammengehen mit dem Zentrum sei für liberale Männer unmöglich. — Das Stärkeverhältnis in den an den Stichwahlen beteiligten Wahlkreisen ist folgendes: 9. Wahlkreis: Haußmann 10 423, Schellhorn 8306; die Sozialdemokratie, die hier den Ausschlag geben kann, entweder durch Wahlenthaltung oder durch Eintreten für einen der beiden an der Stichwahl beteiligten Kandidaten erhielt 7077 St., — Im 8. W a h l- kreis stehen den 8536 volksparteilichen Stimmen 6455 Zentrumsstimmen gegenüber; auch hier kann die Sozialdemokratie in der genannten Weise durch Stimmenthaltung oder Beteiligung an der Stichwahl für den einen wie für den anderen Kandidaten ausschlaggebend sein. Ebenso ist es im 7. Wahlkreis wo 7894 volksparteilichen Stimmen 7086 des Bauernbundes gegenüberstehen und 3439 sozialdemokratische Stimmen ausschlaggebend sind. — Im 3. Wahlkreis, wo trotz des volksparteilichen Charakters der Kandidatur Naumann, die Verhältnisse bezügl. der zu erwartenden Stellungnahme der Sozialdemokratie im Hinblick auf die Persönlichkeit Naumanns, der an der Konstellation der beiden Parteien — Sozialdemokratie und Volkspartei — unbeteiligt ist, wesentlich anders liegen, als in den angeführten anderen Wahlkreisen des Landes, scheint man in den Kreisen des Bauernbundes bereits mit dem Verlust des seitherigen innegehabten Mandats zu rechnen. Das bauernbündlerische Organ: Die Deutsche Reichspost schreibt nämlich: „Die Quertreiberei Naumanns kann uns (dem Bauernbund) möglicherweise einen Wahlkreis kosten. — Das bauernbündlerische Organ fügt allerdings noch bei, sicher sei der Sieg aber noch keineswegs. Man gewinnt jedoch den Eindruck, daß man sich in den Kreisen des Bauernbundes auf den Verlust des 3. Wahlkreises schon gefaßt gemacht hat.
Schließlich sei hier noch eine Bemerkung wiedergegeben, die Conrad Haußmann gegenüber einem Mitarbeiter des Berliner Tageblatts getan hat. Er beurteilt die Wahlstatt in Württemberg also: „Das Z en trum hat keinen materiellen, aber moralischen Schaden erlitten. Sein Vorgehen im zehnten Wahlkreis zu Gunsten der Sozialdemokratie vermochte die Volkspartei doch nicht niederzuwerfen. Es demaskiert die antisozialistische Entrüstung des Zentrums. Ein starker Zug nach links innerhalb der bürgerlichen Parteien ist unverkennbar. Die ju nge Generation hat den gestrigen Wahlsieg erfochten. Die Idee der liberalenEi- nigung bewährte ihre werbende Kraf t."
Fr.ßstirnmkn zum ZSahliurfsss
Uebereinstimmenv stelle die führenven Parteiblätter fest, daß die Kosten der RetchStag-auflösung nicht das Zentrum, sondern die Sozialdemokratie zu tragen hat.
Der „Beobachter" schreibt:
Die Sozialdemokratie wird erkennen müssen, daß mit ihrer Haltung und rhier Parole weder eine sruch bare Polilik zu machen, noch ein zuveiläisige« Wachstu« der Partei zu erreichen ist Die »Pariei der Unzufriedenen" schwankt ungern.in je nach der ausgegebenen Wahlparole. Und wer die Herausforderung hinwtrft: „Toofetnoschast der bürgerlichen Gesellschaft" und auf- foroerl „mehr G-ft und Galle", darf sich nicht wundern, wenn sich die herauSgewrderte Gesellschaft zur Wehr setzt. Und wenn auch die Eintracht der letzteren keineswegs eine durchaus erhebende war, so hat das Bürgertum doch gezeigt, was e» zu leisten vermag, wenn man zusammen hält.
lieber die liberale Einigung schreibt der Beobachter":
Hochersreulich ist das Gelingen der ersten Probe auf die Wirksamkeit der liberalen Vereinigung. In Württemberg, wo in größter Entsagung von selten der Demokratie, der erste entschiedenere Schritt gemacht worden ist, liegen die F üchte klar auf der Hand. Diese Erfolge werde» der wetteren Enlw.cktung mächtigen Voischud leisten, hat es sich doch gezeigt, oaß durch diese liberale Einigung tatsächlich ein stischer Zag in die bürgerliche Wählerschaft gekommen ist und batz sich nun auch wieder diejenige» K eise an der Politik beieiligen, die sich seither, zurück- gesioßen fühlend, zur Seite gestellt haben. Besonders dt» Jagend stiömt nun wieder massenhaft zu den Wahlversammlungen.
Die „Frrnkf. Z ei t u n g", die der Sozialdemokratie stets objektiv gegenüberstand, schreibt:
Im Jahre 1903 konnien die Sozialdemokraten mit einen, Gewinn von 23 Mandaien paradieren und im eisten Anlauf brachun sie bk Abgeordnete durch; 35 kamen in den Stichwahlen da»u. Und jetzt? Ein einziges Mandat hat sie erobert, aber, soweit schon bekannt, 17 rw^ebüßt. Eine Wettenwenoe künde en die Blätter der Loz'olvemoklutre damals an, der Ausstieg ihrer Partei schien ihnen unbegrenzt und sie wußien sich vor Hochmut ge, en andere Paneun, namenil ch gegen die Liberale», nichi zu sassin. ES schien fast, als ob sie glaubten, ihren Av tt >i d.klieren zu können Aber der tatsächliche politische E i fluß stand gerade infolge ihre» GevahrenS im Miß- v rna ln!S zu ihrer Siimmenzahl, und statt einer H lse iu, r-ie irclyelilichen Parieren gerlrrte sie sich mit dem Schl gwvil von der einen reukir, ä.en Masse al» ihr hei Wirer Gegn.r. Äui diese Wche ist eine eigemliche s-ldilversländUche Eliiiwcktnng, em Zusammenarbeiten mit anderem n> viele« pottmcdcn Dingen ihr am nächste» st v'no>» Parie.ea verhindert worden und den Borteil hat nur r»e Reaktion gehabt. Die Wirkung dttses Ver Habens ist j tzl ringei-eien, ailvers al» ote Soztilvemo- krane »s erwartet«. E n« Zuname der sozaldemokcatische« Mandaie yai Singer noch kurz oor den Wahlen al»
selbstverständlich bezeichnet und sie zum wenigsten auf 10 beziffeit und in gleicher Weise träumten alle Genoffen von einem unaufhaltsamen Stegeszug. „Der Tag be» Bolksgericht» ist gekowmen", so schrieb der „Loiwärt- am Wahltage. Ob er j-tzl auch das Volksgertcht so, wie es ausgefallen ist, anerkennen wird? Atter Besitzstand ist der Sozialdemokratie verloren gegangen: Königsberg, BreSlau, Braunschweig, Greiz, Gera, Eolha, Halle, Magdeburg, Naumburg u. a. m. Und tm bisher ,,roten Königreich" Sachsen dürfte sich der sozialdemokratische Verlust einschließlich der Sltchwohlen allein auf 13 bis 14 Sitze belaufen. Auch die sonstigen Stichwahlen sind für die Sozialdemokratie zum Teil ungünstig «nd stellen sozialdemokratischen Besitzstand in Frag«, so in Bremen, Frankfurt a. M., Aliona-Jserlohn, Stettin, Berlin II u. a. Man kann danach jetzt schon mit einer Verminderung der sozialdemokratischen Mandate um 30 bis 30 rech»«n.
Aber diese ziffernmäßige Verminderung ist nicht das Wesentliche: die Hauptsache tst ihr« erzieherische Wirkung aus die Wählerschaft wle auf die Partei selbst, die daraus doch vielleicht Lehren für ihr fernere» politisches Verhalten zu anderen Parteien zehen wird. Sie hat den Liberalismus als eiwaS UcberledteS ansehen zu können geglaubt, auf den man eine Rücksicht nicht zu n hmen brauche. Zerreißen wollte ihn Bebel. Der entschiedene Lidcralismus hat sich aber als noch recht lebenskräftig und entwicklungsfähig erwiesen und im Norden wie tm Süden einen guten Aufschwung genommen. Ohne ein Mandat im ersten Wah gang und mit 15 Verlusten im ganzen schnitt er 1903 ad. Diesmal haben Freisinnige unb Demokraten, soweit bisher b-kannt, schon 9 Mandate >n der Hauptwahl erlangt und zahlreiche aussichtsreiche Stichwahlen gewähtlcistcn eine ansehnliche Vermehrung dieser Parteien. Und das, obgleich die Neuwahlen zu einem für sie wenig günstigen Zeupunkt erfolgten. Die liberale Einigung war zwar schon angebahnt, aber noch nicht organisatorisch durchgeführl und so fehlte es diemul vielfach an der zureichenden Vorarbeit und die Schwierigkeit der Kandidatenauswahl beelnträchttgte erst recht die Wühltätigkeit. Wenn trotzdem bas Ergebnis ein günstige» gewesen ist, so tst dies der beste Beweis für die innere Kraft des Liberalismus.
Die Franks. Zig. stellt dann fest, daß die Demokratie i» Württemberg sehr gut abgeschnitten have und sagt zur Wahl im 3. württ. Reichstags Wahlkreis:
Einen Glanzpunkt tn Württemberg bildet Heilbron» wo Flirdrich Naumann tn sicherer Stichwahl mildem dauern- bündlertjcden Verrreier führ. Die Demokratie, als die eigentliche Trägerin dieser Kandtdaiur, darf stolz sein, daß sie dieser «eil aufragenden Persönlichkeit den Weg zum Parlament hat bereuen helfen. Erfreulich tst auch, daß die Deutsche Partei tm Wahlkreise so fest zu Naumann steht. Das Zentrum hat hier ein übles Spiel gespielt »»d eine geradezu erschreckende Mißachtung vor dem Wesen der Persönlichkeit bekundet.
Die „Berliner V o l k s z e i tu n g", deren gut demokratische Gesinnung auch von soztaldemokrattichen Blättern schon oft heioorgehoben worben tst, hält der Sozialdemokratie folgendes Spiegelbild vor:
Der Sozialdemokratie tst am gestrigen Tage eine L hre erteilt worden, über die sie nicht mit den sonst üblichen Mitteln der politischen Klopffechterei wirb hin- wegsetzrn können. Ihr Stimmenverlust tn verschiedenen Wahlkreisen zeigt, daß tue Zahl derjenigen Mitläufer zusammengeschrumpft tst, die früher nur für die Sozialdemokratie gestimmt haben weil diese ihnen als der Ausdruck der stärksten Opposition gegen das reaktionäre Regiment galt. Nicht minder aber scheint tn Betracht zu kommen, daß innerhalb der Sozialdemokratie manche Genossen schwierig geworden sind, die mir der gegenwärtig beliebten An der Pfl ge des Dogmas von der Unfehlbarkeit Bebels und seiner unemweglen Personalanhänger sowie mit dem gegtn die Gewerkschaften ausgeübten Parteilerroirsmus nicht einverstanden sind. Offenbar ist aber auch die Zahl derjenigen Wähler aus dem bürgerlichen Lager zmückgegangen, dle für die Sozialdemokraten gestimmt haben, solange sie von ihr erhofften, daß ln ihr der Revisionismus zu immer größerem Einfluß gelangen werde. Seit Dresden und Jena, und seitdem das „Nochrupptgerwerden" in der sozialdemokratischen Presse zum Prinzip erhoben worden ist, haben sich diese Elemen-e ersichtlich wieder von der Sozialdemokratie abgestoßen gefühlt, so baß auch diesen Umfiäilden Rechnung getragen werben muß, wenn man die U suchen des „gehemmten Siegeslaufes" der Sozialdemokratie in Berlin und im Reiche richtig würdigen will. Am bezeichnendsten für diesen unleugbaren Tatbestand ist jedenfalls der Verlust Leipzigs für die Sozialdemokratie. Dort, am Sitze des klassischen .Sauherdenionrs", dessen sich die journattstischen Partetpäpste an der Plertze mit besonderem Srolze rühmten, ist den Mehring und Genossen eine eklatante Niederlage bereitet worden, an der sicherlich die Leipziger Buchdrucker nicht unschuldig sind. Denn welcher Paileigenoffe, und wäre er sonst bereu, sich jeder Parteidrsztplin zu unterwerfen, läßt eS sich gefallen, waS einem Rexhäuser und anderen verdlenten Männern der Gewerkschass- und Albetterbew gung passiert ist; nämlich daß sie von den journalistischen Ketzer- richrern des Klüngels B bel-Mehrtng andauernd wie Schulbuben oder wie Lua penhunde behandelt werden? Im ganzen scheint die Sozialdemokratie, Innerhalb deren die orthodoxe Richtung den Revisionismus an die Wand gedruckt hat, etwa 30 Sitze sofort im ersten Rennen etngebußl zu haben. Das wrrd ihren Uebermut ein wenig dämpfe . Vielleicht lernt sie auch daraus, daß der Glaube an sie innerhalb der Wählermaff-n selbst nicht vor jeder Erschütterung sicher ist.
Und nun zu den Leidtragenden selbst: Die Schwäbische Tagwacht sagt, daß der Reichskanzler mrt dem Ausfall der Wahl sehr zufrieden sein könne. Die Hoffnung des Regierungskarlells, bet der Aktion eine Schwächung des Zentrums zu erreichen, sei nicht tn Erfüllung gegangen: daß Zentrum werde in ungeschwächler Zahl wieder ln die „Neben- rrgicrung- etnztehen »nd müsse eine Schwächung seiner Position durch den Ausfall sozialdemokratischer Srtze am «eisten beklagen. Sodann sagt die „Tagwacht":
Mehr Erfolg hatte Bülow mit seinem wvhlorgani- fierten Angriff auf den Besitzstand der Sozialvem»kratte.
Seine an die „Liberalen" aller Nuance» gerichtete« Lo«k. ruf« zu einer Phalanx gegen die Sozialisten haben gefruchtet, die schönen Seelen fände» sich, und die Livkr- libeialen dürfen sich heute rühmen, daß sie die konservativ nattonalliberalen Kastanien aus de« Feuer hrr««S- geholt haben, ohne sich selbst einen nennenSwuten Nutze» verschafft zu haben. Dieses Verschwinden der kleinen politischen Gruppen des Freisinns, der Antisemiten und sonstiger reaktionärer Spielarten, brachte in mehr Kreise», al» das früher der Fall war, schon bet der ersten Wahl die Enrschetduug und vermehrte durch ihre sofortige Häufung die Zahl der Stimmen der Angreifer so sehr, daß die aus ihre eigene Kraft angewiesene Sozialdemokratie trotz Srimmenzunahme tn t n meisten Fällen in die zweite Linie kam und das Mandat verlor. Solche Verluste wird die Sozialdemokratie in größerer Zshl zu verzeichnen haben. Neu gewonnen har die Soztaldemv- kcatie den Eisässir Wahlkreis Mühlhausen; bei den Stichwahlen wird die Haltung des Zentrums ore Richtung des Schlutzicsuttais entscheiden.
Wenn die Tagwacht konstatiert, daß das Verschwinden des Freisinns eine Häufung der Stimmen und die Entscheidung brachte, so gibt sie damit das Falsche der sozialdemokratischen Taktik, die Zerreißung des Freisinns, zu. Ts ist so, wie wir schon oft gesagt haben, den Vorteil davon hat die Reakrion. Eine bürgerliche freiheitliche Partei ist das beste Bollwerk gegen ein Anwachsen der Stimmen nach Rechts, zertrümmert man dieses Bollwerk, dann stärkt man damit die Reaktion. Daraus muß sich mit zwingender Gewalt für die Sozialdemokratie die L hre ergeben, eine andere Stellung zum bürgerlichen Freisinn elnzunehmen. Wir wisftn, daß es auch in der Sozialdemokratie nicht an Männern fehl', die ähnlich wie wir denken, sie wurde« aber tn den letzten Jahren in den Hintergrund gedrängt.
Im Gegensatz zur Tagwacbt, die die Wahl als einen harren Schlag für die Arbeiterklasse bezeichnet, sucht der „Vorwärts" die Niederlage noch elwaS zu umschreibe». Er brklagt sich über die Agitation der Gegner und schreibt:
„Das starke Aufgebot der „Nichlwähler", d. h. der durch eine unerhörte Agitation auf die Beine gebrachtes kleinbürgerlich indifferenten Massen hat der konservativ- liberalen Koalilion tn einigen Kreisen eine n cht »»beträchtliche Srärkung ihrer Position verschafft; denn z» einem wesentlichen Teile haben diese durch alle mögliches Schreckmittel zur Wahlurne gehetzten bisherigen „Nichtwähler" sich für dle weit- und kolonialpolitische« Pläne der Regierung einfangen lasten und für die Kandidaten der ltberalkonservaitoen Blocks gestimmt."
Das sozialdemokcoiische Blatt tröstet sich damit, daß vor zehn Jahren die Stimmenzahl der Sozialdemokraten viel kleiner gewesen sei. Schließlich ermahnt eS zur Agitation für die Stichwahlen. „Noch ist nicht das Geringste verloren. Durch emtnenle, intensive Arbeit kann mehr als nachgeholt werden, was vor der Hauptwahl versäumt worden ist. Vorwärts zu neuer Arbeit, zu neuem Kampf! Alle Kräfte müssen eingesetzt werden!"
Die deutfchpartetlichen Blätter, soweit solche tn Württemberg noch vorhanden sind, sind natürlich erfreut über die Wahl HteberS und über den Ausfall tm Reich. Im übrigen dreien ihre Besprechungen nicht viel bemerkenswertes.
Das „Deutsche Volksblatt" jubelt über de» Stimmenzuwachs des Zentrums, der allerdings zeigt, daß die Reform Katholiken gegenüber dem festgefügten klerikalen Bund vorläufig noch nichts auSzurichten vermögen. Die Schlacht gegen das Zentrum wird nicht in Wahlversammlungen, sondern tn der Schule gewonnen. Dort liegt die Entscheidung für die Zukunft.
Die agrar-konservative „Reichspost" schließt ihre Wahlbesprechung mit folgenden Sätzen:
Das Erfreulichste tst, daß der „nationale Gedanke" seine bewährte Stoßkraft wieder einmal erwiesen hat. Für Kaiser und Reich, für demsche Macht und Ehre, für bas „größere Deutschland" mit seinen Kolonien tst eis Sieg erfochten. Möge der frische Luftzug nationaler Begeisterung anhalten, so daß die Fahne des Reichs nach langer Zelt der Windstille wieder lustig flattert, zur Freude und zum Stolz aller Vaterlandsfreunde!
Und »te stehiS mit der Hilfe des „anrinationalen' Zentrums, tst die ganz vergessen, verehrte Retchspost?
Wundschau.
Kaisers Geburtstag. Der „Reichsanz." veröffentlicht in einer Sonderausgabe zu Kaisersgeburtstag folgenden kaiserlichen Erlaß: „An den Ministerpräsidenten und den Justizminisier! Es entspricht meinem Wunsche, daß wegen Majestätsbeleidigung, oder Beleidigung eines Mitgliedes meines kgl. Hauses nur solche Personen die gesetzliche Strafe erleiden, welche sich jener Vergehen mit Vorbedacht und böser Absicht Und nicht blos aus Unverstand, Unbesonnenheit und Uebereilung, oder sonst ohne Wissen schuldig gemacht haben. Ich beauftrage daher Sie, den Justizminister, mir solange nicht ein Gesetz, eine entsprechende Einschränkung der Strafbarkeit enthält, fortlaufend von Amts wegen über alle nach dem angeführten zu berücksichtigende Verurteilungen behufs meiner Entschließung über die Ausübung des Begnadigungsrechts zu berichten. Berlin, 27. 1. 07, Wilhelm I. U. — Fürst v. Bülow. - Beseler. — Das „Militärwochenblatt" bringt aus Anlaß des Kaisers Geburtstags auch u. a. folgende Nachricht: Herzog Robert von Württemberg zum Oberstleutnant, bisher Major beim Stabe des 2. pommerschen Ulanenregiments Nr, 9 ist dieser Stellung behufs Ernennung zum Kommandeur des Dragonerregiments „König" (2. württemb.) Nr. 26. enthoben.
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Patriotischer Wahlspektakel in Berlin. Es
wird aus der Reichshauptstadt von: Samstag geschrieben: In der verflossenen Nacht soll sich der bedauerliche Zwischenfall ereignet habe.:, daß eine große Anzahl von Wählern, die vor dem Palais des Kronprinzen ihrer patriotischen Freude über die Verwirklichung des nationalen Gedankens bei den Hauptwahlen Ausdruck geben wollten, von derPolizei angeblich mit der b l a n ken Waffe und unter Vornahme von Verhaftungen irr dem Augenblick auseinandergetrieben wurden, als sie ein Lied anstimmen wollten. Wie wir hören, ist der Reichs-