Daran Ludert auch der verblümte Hinweis ans die Förderung der reaktionären Pläne durch Zunahme der Sozialdemokratie nichts. Nicht durch Stärkung der Rechten, sondern der Linken werden solche Pläne unschädlich.
In ganz ähnlichem Sinne äußert sich das Berliner Tageblatt: „Es fehlt in kulturellen Fragen an jedem liberalen Zugeständnis. Wir hören kein Wort davon, daß der klerikale Druck, der heute nicht bloß auf der preußischen Volksschule, sondern auf dexy ganzen geistigen Leben des deutschen Volkes lastet, beseitigt oder auch nur gemildert werden soll. Unter diesen Umständen kann es wirklich die liberalen Wähler nicht locken, daß sie zu einer konservativ-liberalen Koalition mithelfen sollen, und erst recht nicht, wenn sie hören, daß der Reichskanzler noch immer die stille Hoffnung hegt, doch wieder mit dem Zentrum an bändeln zu können, Der entschiedene Liberalismus muß daran fest- halten, daß der Wahlkampf gegen Zentrum und Reakt ion geführt werden muß, wenn die Wahlen eine Besserung der politischen Lage im deutschen Reiche bringen sollen."
Andererseits schreibt die antisemitische „Staatsbürg crzeitung": Tie kleineren Gruppen der Rechten — Ehriftlichsoziale, Deutschsoziale, Bündler, Reformer - bleiben ganz außerhalb des Gesichtskreises dieser Kundgebung, obwohl gar leicht diese 19 Stimmen ausschlaggebend werden können. Sorgen wir, daß ihrer im neuen Reichstage mehr werden, so daß sie nicht mehr übersehen werden können! Alles in allem: des Reichskanzlers Kundgebung zeigt verborgen viele neue Schwierigkeiten einer liberalen Aera, im Moment aber soll sic als Kampfsignal uns zeigen, daß das entscheidende-Ringen beginnt, und hier wollen wir jeder: Nerv spannen, die deutschnationale Sache voranzuführen.
Tie „Freisinnige Zeitung" behält sich ihr Urteil über den Silvesterbrief des Reichskanzlers noch vor und bemerkt vorläufig nur:
Aus dem Schreiben des Reichskanzlers geht nicht hervor, ob die Absicht besteht, eine Aenderring des herrschenden Kurses herbeizufüh- L e n. Das Ziel des Wahlkampfes soll die Beseitigung der gegenwärtig bestehenden „schwarz-roten Majorität" des Reichstages sein. Das entspricht unserer Auffassung. Fürst Bülow wünscht eine Verstärkung der liberalen Parteien, Um die Bildung einer Mehrheit von Fall zu Fall gegen Zentrum und Sozialdemokratie zu ermöglichen. Seine Aeußerung über die bisherige Haltung der liberalen Parteien sind nicht einwandfrei. Der entschiedene Liberalismus, wie ihn die Freisinnige Volkspart i vertritt, erstrebt nicht „Einfluß auf die Regicrungsg schäfte", sondern verlangt, daß liberale Grundsätze im S.aatslclun P atz greisen. Die Freisinnige Volkspartei hat ihre Haltung nicht geändert. Eugen Richter hat den Kampf gegen die Sozialdemokratie von Anfang an entschieden geführt. Falsche Maßnahmen der Regierungspolitik, insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiet, haben das Anwachsen der Sozialdemokratie vor allem gefördert. Die Freisinnige Volkspariei, die in diesem W-Hlkampf auf S.iten d r Regierung steht, wird Maßnahmen der Regierungspolitik, die ihren Anschauungen nicht entsprechen, wie bisher auch in Zukunft entschieden bekämpfen.
Auudschan.
Der Machthunger der reaktionären Parteien.
Von der Parteien Gunst und Haß verwirrt, so schwankt das Bild voll den Ursachen, die am 13. Dezember zur Auflösung des Reichstags führten. Zu diesem Kapitel der Zeitgeschichte läßt sich manches sagen, was bisher nicht ausgesprochen wurde. So schreibt die Neue gesellschaftliche Korrespondenz n. a.: Das Zentrum war allmählich als ausschlaggebende Partei des Parlaments so rnacht- hungerig geworden, daß selbst eine Regierung, die, wie" auch ein Bismarck es getan, die Mehrheit dort nehmen wollte, wo sie sie fand, um eben Positive Arbeit zu verrichten, nicht mehr im Stande und nicht mehr des Willens sein konnte, diesen Machthunger zu sättigen. Die vom Kolonialdirektor Dernbnrg klargelegten Machenschaften des Herrn Rören waren nicht mehr als ein einzelnes
Beispiel. Geberdeten sich doch Mitglieder des Zentrums in Ton und Sprache, wie im Inhalte ihrer Wünsche wie absolute Machthaber. Stellungen, zum Beispiel, für Verwandte und Parteifreunde wurden nicht er- beten, sondern herrisch gefordert.
Aber man darf nicht glauben, daß sich der Machthunger des Zentrums auf eine Behörde beschränkt. Glaubt man etwa, so fragt die Berl. Vzt. im Anschluß an die obige Korrespondenz, daß die Zentrumsh.iligen ihre Vettermichelschaft bloß in die K v l o nial v e r w a lt- ung hineinzutragen versucht haben? Gibt es nicht noch andere Ressorts im Reiche und in den einzelnen Bundesstaaten, die dem Machchungw dsZ ntrüms nachgege- ben haben? Gibt es nicht Verwaltung.n genug, in denen daS geflügelte Wort kolportiert wird: Man braucht nur Katholik zu sein, um auf schnelle Beförderung rechnen zu können?! Eine Statistik der Konfession der Beamtenschaft der höheren Aemtcr würde unzweifelhaft ersichtlich machen, wie sich das Bild zugunsten der katholischen Interessenten in den l.tzten zwanzig Jahren g ändert hat. Anscheinend gibt es bisher jedoch nur in der Kolonialverwaltung eine Dernburg-Natur, die den Aemteranwälten der „regierenden Partei" das Handwerk zu legen versucht.
Aber ist irgend ein deutscher Reichsbürger so uaiv, anzunehmen, daß nur die Z en tru insgewaltigen eine Vetternwirtschaft zu etablieren gewöhnt waren? Wie steht es in dieser Beziehung mit den Konservativen? Gibt es da so gar keine Ausnützung parlamentarischer und sonstiger Verbindungen zu Zwecken der Aemterjägerei? Gibt es da so gar keinen „Familiensinn", der nicht eher rastet und ruht, als bis der liebe Vetter hier oder da passend untergebracht ist oder erfreulich schnell befördert wird? Hat man in diesen Kreisen noch nie die Zaubermacht des Wortes „Konnexion" kennen und schätzen gelernt? Sind die Konservativen insgesamt, sind gewisse adelige Familien nicht geradezu daran gewöhnt, für den Schwert- wie für den Kunkelmagen durch die Staatskrippe bestens gesorgt zu sehen? Hat noch niemals ein konservativer Parlamentarier einen 'lieben Vetter odex Freund für irgend einen Posten als den geeignetsten Bewerber in empfehlende Erinnerung gebracht? Oder finden nicht vielleicht die Airgehörigen mancher konservativen und adeligen Familien andere Wege, unter Umgehung der parlamentarischen ehrlichen Makler, um beachtet und befördert zu werden? ?
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Tie „Genossen als Arbeitgeber. Unter der Spitzmarke „Humor in ernster Zeit" veröffentlicht der „Korrespondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer" einen Artikel über die Einführung des neuen Buch druck er tarif es in den sozialdemokratischen Partei druckereien. Danach haben gerade die sozialdemokratischen Blätter, die den Tarif als „Bettel" bezeichnten, bei seiner Einführung Schwierigkeiten gemacht. So hat ein „Genosse" den Buchdruckern erklärt, die Löhne der Angestellten im Parteigeschäft dürften nicht zu hoch werden, daran wäre er als Mitglied des Maurerverbandes besonders interessiert; denn dieser lasse viele Arbeiten in der betreffenden Druckerei Herstellen; wenn nun die Löhne der Buchdrucker zu hoch kärn.n, dann würden die Drucksachen für seinen Verband zu teuer! Dazu bemerkt der Korrespondent, daß man ja dann auch für die teuren Mieten die „begehrlichen"-Maurer verantwortlich machen könnte. In einer anderen Parteidruckerei hat man keine Alters zulage geben wollen und zur Begründung dieses Standpunktes angeführt, in den bürgerlichen Geschäften schmeiße man doch die Leute, wenn sie alt würden, einfach hinaus, denn sie würden mit den Jahren doch immer weniger leistungsfähig; in Parteigeschäften aber verlangten die älter werdenden Arbeiter sogar noch Zulage; das sei unverständlich. Am Schlüsse des Artikels meint der Korrespondent: „Da haben wir nur wieder eine Bestätigung dafür, daß, wenn einmal die Probe aufs Exempel gemacht wird, die Theorie und Praxis oft weit auseinanderlaufen. Es ist eben schon so mancher bei dem ersten Auslaufen in das gefährliche Meer der Wirklichkeit elendiglich gestrandet."
T<rges-Kßranik
Berlin, 3. Jan. Wie die Abendblätter melden, trat der Kraftfahrerstreik in Berlin am Neujahrstag in großem Umfange ein. Die Fahrer, die sich nicht mit der' Neuregelung des Tarifs einverstanden erklären wollten, wurden ausgesperrt. Nur wenige selbständige Antomobilbesitzer konnten den Verkehr vermitteln.
Berlin, 3. Jan. Zweiundzwanjig Werke, darurUer Krupp- Essen haben wegen Zxplosio^Lschade» eine gemeinsame Schadenersatzklage gegen die Rvburufabrik- Annen erngereicht.
Frankfurt, 2.Jan. Mehrere Blätter bringen die Nachricht, das Verfahren gegen die Betriebsleitung der früheren R o b u ri t f ab r i! in Witten sei eingestellt worden, da es ergebnislos geblieben sei. Diese Nachricht ist nicht richtig. Die Unk rsuchung wird in voller Srrenge forlgeiührt.
Stratzburg, 2. Jan. In der Nähe von Altkirch erwarb der Kl oft erorden der Väter vorn heiligen Geist, die sogenannterr weißen Väter von Trier, einen Hektar Land zum Bau eines Seminars für fünfzig Zöglinge. Letztere befinden fick)! vorläufig noch im Kloster zu Trier. Als Lehrer sollen für diese zu-, künftiger! Missionare zwei weiße Väter dienen, die zur Zeit noch in Tunis weilen. Schüler der oberen Klassen dieses Seminars können das Gymnasium der Stadt All- kirch besuchen. Als Direktor des Seminars ist der Pater Frohberger in Aussicht genommen, der letzte Sproß der Grafen Gtiers von Montfoi im Sundgau,
Paris. 3. Jan. Der 21jährige Albert Musch aus Essen, der den Sohn seines Pariser Arbeitgebers Dorr im ah erschossen hat, ist von den Gerichten freigesprochen worden, da man Unzurechnungsfähigkeit konstatierte.
Sofia, 3. Jan. Nachrichten aus der Provinz zufolge, haben sich die Eisenbahnangestellten dem Aus st and angeschlossen. Der Betrieb ruht zum großen Teil und muß durch Militär bedient werden. Die Angestellten, die gleichzeitig Reservisten sind, wurden einberusen,. Um auf diesem Wege zur Arbeit gezwungen zu werden.
Einen schlimmen Ausgang nahm irr der Sylvesternacht eine harmlose Schneeballenschlacht in Mannheim. Aus dem Schneeballenwerfen kam man ins Raufen und der 18 Jahre alte Eisendreher Nikolaus Weismüller schlug dem 17 Jahre alten Schreiner Aloys Trunk ein blind geladenes Terzerol auf den Kovf. Dabei schnappte der Hahn zu und die Waffe entlud sich! mit gräßlichem Erfolg. Die .Hirnschale Trunks wurde auseinandergerissen und der junge Mann blieb auf der Stelle tot.
Die Mitteilung betreffend die Bluttat in Gilsa ist noch dahin zu ergänzen, daß die Täter in der Person der Brüder Roui ermittelt und festgenommen sind. Die Beiden hatten in einem Wirtshaus in Gilsa komische Vorträge gehalten und waren mit dem erstochenen Anton in Streit geraten. Die Beiden haben nachher den Anton überfallen und erstochen. Sie wurden in ihrer elterlichen Wohnung in Schlierbach verhaftet.
Aus Berlin wird gemeldet: Internationale Einbrecher raubten ans der Pfandleihe in der Nähe des Stettiner Bahnhofs 10 000 Mark in Bar, 5000 Mark in Papier, goldene Uhren und Kostbarkeiten. Die Verbrecher gelangten durch ein über der Pfandleihe gelegenes Hotel, in dem sie Zimmer mieteten, zu den Kasserr- ränmen. Die Diebe sprachen eine fremde Sprache und sind nnermittelt.
In Straßburg gerieten Soldaten des 15. Aeld- Artillerie-Regiments in der Kantine in Streit, den sie im Kasernenhof fortsetzten. Plötzlich zog der eine ein Messer und verletzte die drei andern so schwer, daß sie noch in der Nacht ins Lazarett gebracht werden mußten, wo der eine, ein Badenser, bald seinen Verletzungen erlag.
Ans Amerika wird schon wieder ein schreckliches Eisenbahnunglück gemeldet: Unweit AltaVista stießen auf der Rockisland-Bahn zwei Züge zusammen. Etwa dreißig Personen wurden getötet; viele wurden verletzt und verbrannt, da die Züge sofort in Flammen standen.
Aewestles Keben. .
Roman von Max von Meißenthurn 4?
„Sie sind eine Dame der ovenehmeu Welt, eine Dame, die im Lause der Jahre ihre im Geuade gcnvmmen begheidene Herkunft vergessen zu haben scheint. Ich besitze ein Geheimnis, weiches säe Sie vv»hohem Werte sein muß, da es Sie ins Ver- derben stürzen kann, und all das von Ihnen zu nehmen im stände ist, was in ihren Angen dein Leben Reiz verleiht und ich frage nur an, welchen Preis Sie bereit sind, für dieses Geheimnis zu bezahlen?"
„lim J»re Frage beantwvrle» zu können," entgegnete die Fnrsiin nach einer kurzen Pause, während welcher sie sich Mühe gegeben hatte, nach Fassung zu ringen, „mähte man in erster Linie wissen, was Sie zu tun gedenken, wenn ich mich weigere, irgend einen Preis zubczahlen; müßte man auch klar nnd deutlich wissen, uin waS es sich handelt, damit man ermessen könne, ob da», was gekauft werden soll, eines Preises überhaupt wert sei"
Sie verstand eS, ihre Karten klug zn mische», diese Frau, das selbst mußte der Neid ihr lasse»; keiner, der vernommen, wie ruhig und gemessen sie diese Worte sprach, wurde geahnt haben, daß ihr daS Herz vor Angst bis zmn Halse hinauf poche, daß sie die Linpsindniig habe jetzt und letzt müsse sie leblos zu den Füßen ihres Peinigers »iederstärzen.
Emil Sternau sah ihr lies i» die Augen und mußte sich gestehen, daß diese Frau, deren ganze Existenz in seinen Händen ruhte, ihm unwillkürlich Bewiiüderniig eiuflöße wegen der Kaltblütigkeit, welche sie bekundete. „Ich hoffte, »reine Gnädigste, Sie würden e« mir ersparen, die Dinge bei häßlichem dünnen zn nennen. Es wäre dies sür beide Teile leichter nnd angenehmer gewesen. La Sie aber daraus bestehen, die Wahrheit ohne jede Beschönigung zu hören, so muß ich nimmwniiden cmsspre- cheu, daß es sich um gefälschte Papiere handelt. Würde einerseits die vieliache Verjährung der begangenen Fälschung dieselbe vielleicht, was ich übrigens bezweifle, vor Gericht wertlos erscheinen laßen, so wären Loch wohl der Fürst LichtenfelS als auch Ihr Herr Sohn sicherlich anderer Meinung und würde» ein strenges Urteil über die Frau nnd Mutter säßen,welche es nicht verstände» hat, die Ehre ihre» Namens hoch zu halte». In Ihrer Hand liegt eS. gnädige Frau, das zn bestimmen, was
zu geschehen habe, wählen Sie, Entweder Sie bezahlen mir den Preis, welchen ich fordere, vder die beiden genannten Herren erfahren durch mich die Geschichte der Vergangenheit und sind, ich bi» dessen gewiß, sofort bereit, selbst um hohen Lohn das geheim zn halten, was ein ewiges Brandmal der Schande für die alten GeschlechlerAnlenhof nnd Lichtensels wäre"
Die Fürstin hatte das Antlitz in den Hände» verbergend, lautlos seinen scharf und schneidend gesprochenen Worten znge- hört. Jetzt schnellte sie plötzlich empor und, indem sie mit funkelnden Augen den Mann betrachtete, in dessen Gewalt sie sich offenbar befand, sprach sie: „Vor allem nennen Sie mir die Summe, weiche Sie von mir begehren, dann zeigen Sie mir die Papiere, nur die eS sich handelt, damit ich sie auf ihre Echtheit hin prüfe
Wer bürgt mir dafür, daß ich nicht das Opfer eines Betrügers sei, der es darauf abgesehen hat, eine wehrlose Frau einzuschnchtern nnd zn übervorteilen."
„Wenn ich den Preis auf zwanzrgtausend Kronen taxiere, so glaube ich damit nicht zu hoch gegriffen zu haben," erwiderte Einil Sternau mit unerschütterlicher Ruhe, „und was den Umstand betrifft, daß Sie wünschen, ich möchte Ihnen die fraglichen Dokumente vvrlrgen, so könnte daS nur in notariell beglaubigter Abschrift geschehen. Ich habe eine viel zn hohe Meinung von Ihrer Klugheit, gnädige Frau, als daß ich die Originale der Gefahr anssetze, durch einen raschen Griff Ihrer schönen Hände vernichtet und unschädlich gemacht zu wissen, wodurch sich ihr Wert sür mich annullieren würde. Müsse» sie wirklich noch ans ihre Echtheit hin geprüft sein, so mag seine Durchlaucht der Fürst, so mag Ihr Herr Sohn diese Prüfung vornehmen.
Um die Situation also klipp und klar zn kennzeichnen, verhält sie sich, wie folgt: Entweder, Sic zahlen mir widerspruchslos den von mir geforderten Preis, oder die Sache wird Ihrem Herrn Gemahl, rote Ihrem Herrn Sohn vorgelegt und ich-sehe mich gleichzeitig in keiner Weise veranlaßt, sie dem Urteile der Oefsentlichkeit zn entziehen."
„Aber mein Gott, abgesehen von allem anderen, überschätzen Sie mein Können. Wie soll ich mich denn in die Lage versetzt sehe», Ihne» einen Betrag von der Höhe, welche Sie fordern, zur Verfügung zn steilen, ohne daß der Fürst darum ersahre?"
„Sie sind so erfinderisch, gnädigste Frau, daß eS Ihnen sicherlich auch keine Mähe kosten kann, für diese Frage die r ichtige
Lösniig zn finden. Sv viel steht fest, daß ich nicht gewillt bin, vvn meinen Bedingungen abzugehen. Sie müssen selbst am besten wissen, ob Ihre Ehre Ihnen den Preis wert ist, welchen ich fordern kann."
Finster starrte Lenore vor sich hin. Sie war zur Erkenntnis dessen gekommen, daß sie in eine Klemme geraten, aus der sich schwer ein Ausweg finden ließ. Wie sich das Geld verschaffen, dessen sie bedurfte, denn, so freigiebig ihr Gemahl auch stets gegen sie gewesen, sie hatte für ihr eigenes Ich immer zuviel ausgegebeu, als daß ihre Ersparnisse auch nur annähernd dazu hiugereicht hätten, SternauS Forderung zu decken. Wie aber verhindern, daß jener an den Fürsten herantrete, wie ihn dazu bewegen, daß er das dunkle Geheimnis der Vergangenheit auch fernerhin wahre. Sie sann hin und her, grübelte, ohne eine befriedigende Lösung finden zu können und Sternau ließ ihr Zeit, Erst nach einer langen Wette sprach er, jetzt leiser, als er bisher geredet, also offenbar nicht wünschend, daß der Sohn, welchem er selbst im Nebenraniue einen Hvrcherposten angewiesen, seine Worte vernehme.
„Vielleicht, gnädige Frau, wird Ihrer Phantasie, welche zweifelsohne über einen Ausweg nachsinnt. dadurch geholfen, daß ich daraus Hinweise, es könnten dein Fürsten auch »vch weitere interessante Enthüllungen gemacht werden, bezüglich eines Kindes, das vor Jahren in einem einiamen Hanse eines Wiener VorvrteS das Licht der Welt erblickte, seither allerdings verschwunden ist, nnd von Ihnen angeblich gesucht wurde, über dessen Vorhandensein dein Fürsten aber trotzdem anthentijche Beweise geliefert werden könntr», Tie Freude freilich, welche diese Enthüllungen einerseits dem hohen Herrn bereiten dürsten, ließe sich wesentlich dämpfen durch den Umstand, daß das Kind laut Taufscheiil den Namen Sternan führt nnd inan schwer Nachweise» könnte, daß es vollen Anspruch besitzt ans einen voll' klingenden Titel."
Jeder Blutstropfen schien aus den Wangen der Fürstin gewichen, „Sie sind ei» Satan in Menschengestalt," flüsterte sie mit zuckende» Lippen, während sie knapp an Sternau Hera»' trat und mit bebender Stimme fragte: „Was wissen Sie von meinem Kinde?" 131,20
„Die Aufklärungen, welche ich zu geben in der Lage bi», hängen davvn ab, vb wir bezüglich des Preise» einig werde», den ich begehre," erwiderte Sternau mit luierschntterlicher Ruhe-