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Nr. 29.
Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.
95. Jahrgang.
Erscheinung-weise: S mal möchenlk. VnzeigepreiS: Die klemlpaltlge Zeile SO Pfg. Reklamen 1.— Mk. — Tchlust der Anzelgenannakmie S Uhr vormittags.— fternsprechccÖ.
Donnerstag, den 6. Februar 1S20.
v«jU giprrt«! Ja der Stadt ml, rrdarrlohn Mk. c,5v »i-rt-Ij-ihrltch. P-stbeju««viei» Mt. 5.10 mit vefteit^rld »ab Zuschiafl.
Dar ANliesermBrgehrm der Enteale.
Ablehnung der Annahme der Anslieseeungsnote der Entente durch Frhr. von Lersner.
Berlin, 4 Febr. Die Note, in der die Entente die Auslieferung von etwa SOO Deutschen verlangt, ist von Herrn Millernnd gestern dem Vorsitzenden der deutschen FriedcnSdelegation in Paris, Freiherrn v. LerSner, übersandt worden. Obwohl Herr v. Lcrsnrr bereits am letzten Sonntag die ausdrückliche Weisung erhalten hatte, rine derartige Note ohne weiteres an daS Auswärtige Amt weiler- gulelten, hat er die Note an Herrn Millerand znrückgesandt mit der Erklärung, daß er eS mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne, bet der Auslieferung Deutscher mitzuwirken. — Herr v. Lersner hat telegraphisch seine Entlassung aus dem Reichsdicnste nachgesucht und sofort erhalten.
Paris, 5. Febr. (HavaS ) Freiherr v. LerSner hat Paris Mittwoch Abend 10 Uhr verlasse«.
Die Entente und der Schritt Lersners.
Paris, 5. Febr. (HavaS ) Mittwoch Nachmittag beschäftigte Man sich in den Wandelgängen des PalaiS Bourbon mit der durch die unerwartet« Abreise de- Freiherrn v. LerSner geschaffenen Lage. AuS Erklärungen, die Millerand einigen Parlamentariern obgab. geht hervor, daß dieser Akt nur als aus eigenem Antrieb erfolgte Manifestation eines Beamten ausgelegt werden müsse, dessen Demission die von den Alliierten verfolgte Mtion nicht unterbrechen werde. Das Schreiben, dessen Uebermitteiung an seine Negierung v. Lersner verweigert habe, werde daher mit der Liste der Beschuldigten direkt in Berlin übergeben werden.
Paris, 4. Febr. Die Bolschgsterkonserenz trat 'heule Vormittag unter dem Vorsitz von Millcrand zusammen. Sie nahm Kenntnis von dem Schreiben LerSncrS und diskutierte über die zu erteilende Antwort. Ferner wurde die Frage besprochen, auf welchem Wege der dcnlschen Regierung das Dokument übermittelt werden könnte, dessen Wciterleitnng V Lersner auSgeschlagen hat. Wahrscheinlich Wird man sich des französischen Geschäftsträgers in Berlin bedienen. Die Dotschasterkonscrenz beschäftigte sich am Nachmittag mit der nämlichen Frage. DaS Schreiben v. LcrSncrS und die Antwort der Alliierten werden voraussichtlich heute Abend veröffentlicht weiden.
Die Pariser Presse faucht.
(WTB.) Paris, 4. Fbr. (Havas.) Die Abendblätter besprechen das Verhalten des Freiherrn v. Lersner, indem sie die Schwere des Zwischenfalls hervorhebcn und der Hoffnung Ausdruck verleihen, daß die Alliierten sich durch dieses Manöver nicht beirren lassen werden, und von der deutschen Negierung die volle Erfüllung ihrer feierlich «»gegangenen Verpflichtungen verlangen.
Der Wortlaut der deutschen Antwort
zur Auslieferungsfor-eruna.
Berlin, 4 Febr. ^k>!e am 26. Januar dem Präsidenten der Friedenskonferenz in Paris überreichte deutsche Note lautet: Di« deutlche Negierung hat den Regierungen der a und a. Hauptmächte anfangs November v. I die verhängnisvollen Folgen dargelcgt. die eine Durchführung der In dem Artikel 228 bis 230 des Friedens- Vertrages enthaltenen Bestimmungen über die Auslieferung von Deutschen haben würde. Diese Darlegungen sind damals In einer den Berlretern der a. und a. Hauptmächte überreichten, hier nochmals bcigefügten Aufzeichnung zusammengcfaßt worden. Die deutsche Negierung hat zur Vervollständigung dieser Darlegungen noch nachdrücklich darauf hing^miescn. daß das AiiSliefcnmgsbegehren der a. und a. Regierungen in Deutschland zweifellos die schwerste Erschütterung nicht nur auf politischem, sondern auch ans wirtschaftlichem Gebiete anslösrn müßten. Insbesondere würden die durchgreifenden Maßnahmen, welche die deutsche Regicning zur Vermeidung de« wirtschaftlichen Zusammenbruches vor allem auf dem Gebiete der Förderung der Produktion, insbesondere von Kohlen, zu ergreifen im Begriffe steht, auf das äußerste gefährdet, wenn nicht unmöglich gemacht. DicS würde natürlich die ernstesten Rückwirkungen für die Erfüllung der wirtschaftlichen Verpflichtungen aus dem FriedenSvcr- trage unmittelbar nach sich ziehen. In der Aufzeichnung vom 5. November v. Is, wurde zugleich der Weg einer für Deutschland erträglichen und praktisch durchführbaren Regelung der Angelegenheit angedeutet. Die alliierten und assoziierten Hauptmächte haben inzwischen auch Kenntnis von einem weiteren Schritte der deutschen Regierung erhalten, die erneut ihren ernsten Wüten beweist, die eines Kriegsverbrechens oder Kricgsvergehens schuldigen Deutschen der gerichtlichen Bestrafung zuzusühren. ES handelt sich um das von den
deutschen gesetzgebenden Körperschaften einstimmig angenommene, gleichfalls in einem Abdruck angescklosscne Gesetz zur Verfolgung von KricgSverbreche» und Kriegsvrrgehen vom 18. Dezember 1913. Der Friedensvertrag ist in Kraft getreten, ohne daß die alliierten und assoziierten Mächte ihren Willen zu erkennen gegeben hätten, in dieser Angelegenheit den dringenden Vorstellungen der deutschen Negierung Rechnung zu tragen. In der klaren, durch die Eindrücke der letzten Woche nur noch verstärkten Ueberzeugung von dem außerordentlichen Ernste der Situation hält eS die deutsche Regierung aber für ihre «nabweiSliche Pflicht, in letzter Stunde noch einmal an die alliierten und assoziierten Mächte heranzutreien, um die Angelegenheit einer die Interessen dieser Mächte befriedigenden, für Deutschland praktisch möglichen Erledigung zuzusühren. Sie wiederholt und präzisiert noch einmal den bereits früber zur Erwägung gestellten Weg und gibt demgemäß folgende Erklärung ab:
Die deutsche Negierung wird die deutschen Strafverfolgungsbehörden anweisen, gegen all« Deutsche, die tbr von den alliierten und assoziierten Regierungen als eine« Verschuldens gegen die Gesetze und Gebräuche de- Kriege« schuldig genannt werden, unverzüglich ein Strafverfahren ans Grund dcS zu übers-übenden Materials einzuleiten. Sie wird alle Gesetze, die der Einleitung eines solchen Verfahrens etwa entgcgenstehen, außer Kraft letzen, insbesondere die bestehenden Amnestieyesetze und so weiter ausheben. Zuständig für das Strafverfahren soll das höchste deutsche Gericht, dos Reichsgericht in Leivzig sein. Außerdem wird der jeweils beteiligten alliierten oder assoziierten Negierung das Recht eiuqeräiimt sein, an dem Verfahren sich unmittelbar zu beteiligen, lieber den Ilmsang dieser Beteiligung könnte eine besondere Vereinbarung getroffen werden. ES wäre zum Beispiel eine Regelung In dem Sinne denkbar, daß die beteiligten alliierten oder nlsoziiesten Mächte dem Verfahren einen Vertreter ihrer Interessen beiordneten, der befugt wäre, von allen die Sache berrcffcnden Schriftstücken und Akten Kenntn'S zu nehmen, neue Beweisstück« vorzulegen, Zeugen und Sachverständige zu benennen, sowie überhaupt Anträge zu stellen, und für die Interessen der verletzten Partei zu plaidicren. Allen von den Vertretern gestellten Beweisanträgen würde statt,zugeben sein. Solche Zeugen und Sachverständige, die Angcbörige einer alliierten oder assoziierten Macht sind würden auf Antraa deS Vertreters von den zuständigen Gerichtsbehörden ihres Heimatstaates vernommen werden^ wobei dem Angeklagten oder seinem Verteidiger die Anwesenheit zu gestatten wäre. Die von dem Reichsgericht erlassenen Iltteil« würden mit ihrer Begründung verässenis'cht werden Die deutsche Regierung ist ferner bereit, über die Einseiiiina einer ^veilen Instanz In Verhandlung zu treten. D-e deutsche Regierung ist fest davon übcr-e-iat, daß sich auf diesem Wege und nur aus diesem Wege die den Artikeln 228 bis 230 des Friedcnsvertraaes zugrunde siegenden Absichten der alliierten und assoziierten Mächte tatsächlich verwirklichen lassen Würden die Mächle dem entgegen auf der Aussies-r-mg d-r ange schuldigten Vertonen besteb-n, to würden sich aller Voraussicht nach nur solche Vertonen freiw-'ittg d^n a»8^Znd'sthen Gerichten stellen die sich sch'-sickas fübten und desbalb aus eine Freilprechunn rechnen können. Die wirklich Schuldigen dagegen würden der B-strafunq ent gehen, da die Negier"Ng, wie in der anliegenden Aufzeichnung näher dargclegt ist leine Organe finden würde, die bereit wären, die Verhaftung und Ausli-fernng durch-ufs-c-r-n.
Feste Aattnng der Ne?rks''c'a??rnng.
Barlix 4 F-br, Die Neichsregierung hat sich in >*nsr h»utio.en Sitzung mit der durch dos B-kanniwerd-n der A-s^iek-riinaSliste geschaffenen Lage beschäftigt Durch die Weigerung b-8 Herrn von Lersner Note und L'fte entg-gen-un-t-men Ist sie allerdings vor-rst noch nicht im Belld d-e be'd-n Scheittflücke haben die Be
ratungen, die auf d-r Grundi------ d-r in-tN-ieg bekannt gen-a-d-nen
Lifte staiite-nben, volle EI"N"''"akeft dorvc-rr ergeben, daß an dem Standpunkt der aus der am 26 Januar in Pari? überreichten und inzwischen veröffeutticht-m Note ersichtlich 'ft unter oll-m Nmft'nden lefteub^ffen sei. Die Neichsreas-rung bat schon hei ttuter-eickinung deS skriedenSvertroas keinerlei dariA'-i- daß die
Durchfübriinq der v-rlanet-n cg„.>usek-r>-ng „--u-antich I» w?,-sx Neh--""n,nnug d'e fte mit der überar'ßeg Meb-be-t des deutschen Volkes ohne Unterschied der Perle! tritt w-rd sie b-i den weiter notwendig werd-nden iMatn-bmen und'Verüandk„ngeii leiten.
Eins Mn^nnna zur R"l»s.
Berlin, 4 -tzebo D-r Ob-rb'feb'?bober Vos'e «-läßt folgende Kundgebung: Die Würde wobrenl So groß auch Pie Erregung in der BetEkk-runq weeen des AuStteter»naShr?es,ls der Enc-ntereaie- rimgcn ist. muß doch der Erwartung Ausdruck geneben werken, daß «an jedermann die gebotene Würde auch iitto':-n bewahrt m'rd. daß jede Belästigung von Mitgliedern der fremdländischen Kommissionen
und militärischen Missionen unterbleibt, sodaß Ich nicht genötigt bin, weitergehende Cchutzmaßregeln zu treffen. Der Oberbefehls!) ber (gez.): Noske. Berlin, den 5. Februar 1920.
Die Berliner Presse zur deutschen Antwort.
* Berlin, 6. Febr. Unter der Ueberschrift „Die Schande der Entente" schreibt das „Berliner Tageblatt": Man kann der Entente nur ernsthaft antworten, daß sie nicht uns, sondern ihren eigenen Völkern und ihren eigenen Armeen einen beispiellosen Schimpf, «ine kaum tilgbare Schande zugefügt hat. Die Liste erhält ihren eigentlichen Charakter nicht durch Aufzählung von Männern, auf denen der Verdacht ruht, über das allgemeine Kriegsverbrechen hinaus frevelhafte Taten begangen zu haben, sie erhält ihre Bedeutung durch die Nennung fast aller deutschen Hecr'ührer, deren Auslieferung gemeinsam mit der des Herrn o. Bethmann man wünscht Vier Jahre lang hat man gezittert: jetzt sucht man Rache und Entschädigung für soviel Angst. Ein ausgehungertes Volk hat nach vier Jahre langem Krieg die Waffen strecken müssen, weil es nicht nur den vereinigten Ententcheeren gegenüberstand, dic es jo lange algewehrt hatte, sondern auch noch Amerika Jetzt kommen die Sieger, die nur durch ihre Ilebermacht siegten, und wollen in ihrem ausschweifenden Hochmut die besiegten Feldherren Im Triumphzug herumschlcifen lassen. Diese Liste ist ein Dokument, wie die moderne Geschichte kein ähnlicher kennt. Ehrenvoller ist es, besiegt zu sein.
Die „Dossische Zeitung" meint, es lasse sich schon jetzt soviel sagen, daß nur ein Volk, das vollkommen aui jedes nationale Existonzrecbt zu verzichten beabsichtige uns das jeder nationalen Ehre bar sei, die Hand dazu biete Sol daten und Diplomaten, die ihrem Vaterland genau so ge dient haben, wie es die militärischen und politischen Führe: auf der Gegenseite getan Hätten, von sich zu stoßen und sie in die Fremde zur Aburteilung zu schicken.
Der „Berliner L o k a l a n z« i g e r" schreibt, die Ab sicht, nicht Recht zu schaffen, sondern unauslöschliche Schmack über Deutschland zu bringen, gehe aus dem Schriftstück ix Entente so klar hervor, daß jeder Einzelne fühle, hier geb. es »m den letzten Nest deutscher Ehre.
Im „Vorwärts" heißt es, dos Kabinett habe einstim mig beschlossen, auf dem Erandpunkt der Rote vom 2ü. Janncn zu beharren. Dic'e Not« gebe nickst Meinungen wieder, son dein stelle Tatsachen fest, die durch Mehr^eiisbeschlaß nick geändert werden könnten. Man könne wobl einen Menschen mit vorgehaltener Pistole z" dem Ver>vreck>en zwingen, er werde auf den Mond klettern, aber man werde ihn auch durch oerstörfte Drohungen nicht dazu bringen, dieses Versprechen aus,zufiihren.
Freiherr v. Lersner Hab« mit seiner Ablehnung, sich als Erster In den Schergendienst der Entente zu stellen, wie die ,K r e u z z e i t u n g" schreibt, das Einzige getan, was er als deutscher Veamt"r habe tun können. Jn-dieicr Stunde kon-me cs darauf an. ob zum letzten Mal der deutsche Stolz siege über alle Kleinlichkeit, über persönliche und parleivolttftche Rück- llbten und sich noch einmal wiederfinde In dem geschlossenen Widerstand gegen das Unterfangen der Entente
Wie die „Tägl. Rundschau" ausftsihrt, wird das deutsche Volk vor die bä rieste llZyn^e geresst. Es wer^e ans dieser siegreich hervorgebcn wenn es lieber Niedcrtre^tiges leiden als Niederträchtiges tun wolle. An dem festen Millen des ganzen Volkes, sich nicht selbst zu entehren, müsse der Vcrnichtiingssckstag der Entente abvrallen.
Die „Germania" ick-reibt: Der Deutsche ffiblt sich beute nicht weniger ehrlos. Das mag man in Paris wobt be- ä-onlei wenn man r»r letzten Entscheidung kommt Auch'der Enteutebogen ist nicht gegen die Folgen des Ueberspannenc gefeit.
Die „Deutsche Allgemeine Zig." führt aus, daß die Nekchsregierung seit Unterzeichnung des Fncdensvertrags kein Mittel unversucht gelassen habe, die llndurchlührbarkeit der Ausfteferung von Deutschen an fremde Gerichte klarzustellen und eine sowohl den tatsächlichen Verhältnissen als auch den berechtigten Interessen beider Teile gerecht werdende Nebelung der Angelegenheit hcrbeizuführen.
Einsenglische Stimme zur Anslieferungsforderung
* Amsterdam, 4. Febr. „Daily Mail" schreibt in einem Leitartikel zu der Frage der Auslieferung der Deutsche», die beschuldigt sind, Kriegsverbrcchen begangen zu haben, man könnte nicht verstehen, wie vernünftige und ehrliche Leute anders cffs mit Besorgnis die Auslieferungssorderung der alliierten Negierungen in der Form, wie sie gemeldet wurde»