deutsche .Herrschaft den Eingeborenen verhaßt zn machen. Ter Bezirk Dar es Salam war bekanntlich einer der schlimmsten Ausstandsherde, nnd der Umstand, daß der Auf­stand hier so bald ausbrach nnd Nahrung erhielt, wuroe au Ort und Stelle von Sachkennern mit auf Maßnah­men des Bezirksamts zurückgeführt. Gelernt scheint man leider auf dem Bezirksamt Dar es Salam durch den Anfsta nd nichts zu habe n. Aber man sollte doch eigentlich erwarten könnet!, daß auf die Maß­nahme dieser Behörde am Sitze des Gouvernements der Gouverneur den nötigen Einfluß übt, um solchem Unfug, denn in diesem Falle liegt derUnfug" auf der Seite des Bezirksamts und nicht der Eingeborenen, zn steuern. Wer in Deutschland das Trinken ans der Fla­sche mit Strafe belegen wollte, würde sich lediglich für immer der Lächerlichkeit preisgeben: wer aber ein sol­ches Tun in Afrika unter Strafe stellt, sogar strenge kör­perliche und Freiheitsstrafe dafür androht, der versün­digt sich an der ruhigen Entwicklung der Kolonie. Daß diese Maßnahme einen sanitären Wert habe, ist si­cher mcht zutreffend, sondern oas Gegenteil ist der Fall. Man ist, wohl und das ist beim Beginn der Godafa- brikation auch gerade in Dar cs Salam mit größtem Nach­drucke geschehen, in der Lage, an den Stellen, an denen die Sodaflaschen neu gefüllt werden, durch häufige Revision und hohe Geldstrafen oder Konzessivnsentziehung eine sorgsame Reinigung der Flaschen vor der Neufüilung zu erreichen. Die Reinhaltung der auf der Straße nnd an den Jndierläden gebrauchten Gläser zu überwachen, ist hin­gegen unmöglich. Aber es scheint uns fast, als wenn die Urheber und Verfasser dieser Mustervervrdnung von dem schrecklichen Gedanken ausgegangen seien, daß eine von dem Munde eines Eingeborenen berührte Flasche im Laufe der Wanderjahre der jetzigen dauerhaften Sodaflaschen auch einmal mit dem h o ch w o h l g eb o ren en Munde eines Europäers in Berührung geraten könne!"

Uebrigens berichtet dieKöln. Ztg.", daß sofort, als diese Verordnung zur Verbesserung der TrinksiUen der Eingeborenen in Berlin bekannt wurde, durch die Kolo­nialabteilung ihre W i e d e r a u fh eb uu g verfügt wor­den ist. - - Wenn ein Regierungsblatt wie die Köln. Ztg. solche scharfen Worte gebraucht, muß es in unseren Ko­lonien allerdings weit gekommen sein.

Hagm-GörvE.

Paris. 14. Juni. Der heutige Kabinetsratl unter Vorsitz des Ministeroräsidenleu Surrten beschloß, die ^ Initiative zur Einberufung einer internationalen , Konferenz zu ergreifen, an der alle diejenigen Staaten! leiinehmen sollen, in welchen eine Einkommensteuer und eine Erbschaftssteuer besteht. Die Konferenz soll über Maßregeln zur gemeinsamen Verhinderung und Bestrafung von Steuerhinterziehungen beraten.

Parts. 14 Juni. Der Senat hat in erster Lesung das Gesttz betr. ti- Verpflichtung zur Gewährung eines obligatorischen wöchentlichen Ruhetags an­genommen.

London. 14 Juni. Dem Bureau Reuter wird aus Kairo gemeldet: Als gestern eine Abteilung englischer Truppen von Kairo nach Alexandria marschierte gingen fünf Offiziere in cin Dorf bei Tantah, um auf Einladung der Dorfbeamten Tauben zu schießen. Tie Be­wohner des Dorfes nahmen den Offizieren die Gewehre und schlugen sie mit Keulen. Ein Haupt­mann starb nach wenigen Stunden; ein Leurnanl ist schwer verwundet, ein Hauptmaim leicht.

Stockholm, l 4. Juni. Die Regierung beabsichtigt, durch eine Kommission eine allgemeine Erhöhung der Einfuhrzölle ausarbeiteu zn lassen, um nach Ab­lauf des deutschen Handelsvertrags auf Grund höherer Tarife neue Verträge abmschließen.

Warschau, 15i Juni. Wie derAngmau" berich- ^ tet, ist die Untersuchung gegen Rosa Luxem- t bürg beendet. Sie ist nur angeklagt, sich einues fal- ! scheu Passes bedient zu haben, weshalb ihr nur eine s geringe Strafe bevorsteht.

Atheu, 14. Juni. Die diplomatischen Be­ziehungen zwischen Griechenland und Ru­mänien find offiziell abgebrochen. Rußland übernimmt den Schutz der griechischen Untertanen tu Ru­mänien mit Ausnahme von Braila, wo dies der französische Konsul tut. Alle griechischen Konsuln in Rumänien sind abbenrfen worden

Tientsin, 14. Juni. Die Kämpfe der chin e fischen Truppen gegen die Chungusen verlaufen weiter unglücklich. Bei Hmghutsen hielten die Chunchusen einen Zug an und erbeuteten 3000 von Auanschikai an den Tartaren general Chao gesandte Gewehre mit Munition. Der Vertust auf Seiten der Regierungstrupperr betrug 60 Man«. _

Berlin.' 14. Juni. Die Stadtverordneten bewilligten 5000 Mk. für das deutsche Hilfskomitee zu Gunsten der durch denVesuvGeschüdigten und genehmigten sodann mit 46 gegen 34 Stimmen einen Antrag betr. Bewillang von 10 000 Mk. an den Hilfs- ausschuß für die notleidenden Deutschen Ruß­lands. Letztere Bewilligung war von den Sozialdemokraten unter Angriffen auf d e baltischen Deutschen bekämpft, von anderen Rednern, darunter Oberbürgermeister Kirschner, als eine humanitäre Forderung verteidigt worden.

Brems», 14. Juni. Heute fand der S 1 apella u f des großen Kreuzers ,,tz' auf der Werft der Aktienge- scLschaft Weser statt. Die Tauje vollzog tm Ausirage des Kaisers Generaloberst Graf Sch lies fen. Auf Befehl des Kaisers wmde das SchiffGneisenau" getauft. Der StapRauf ve:l>ef glatt und ohne Schwierigkeit. Nach dem Stapellauf besichtigten die Mitglieder der europäischen Fahrvlankon seren z die Weserwerst.

Karlsruhe. 14. Juni. Der schon gemeldete Kon­kurs des Konsumvereins erregt in allen Kreisen das größte Aufsehen. Ter Verein wurde im Jahre 1898 von den aus dem Lebensbedülsnisverein ausgetretenen mit der Leitung dieses Vereins unzufriedenen Elementen gegründet. Seine Mitgliederzahl betrug im Jahre 1899 723, sie stieg in den folgenden Jahren bis auf 1426. Ter Gewinn betrug bis zum Jahre 1904 89000 Mark jährlich. Von 1901 ab ging die Mitgliederzahl zurück. Tie Leitung wechselte mehrmals und der im Februar angeftellte neue Leiter stellte einen bilanzmäßigen Ver­lust von 19 574 Mark fest. Wie der Verlust entstanden ist, ist noch nicht mitgeteilt. Als Aktiva kommen in Be­tracht das in der Luisenstraße befindliche Anwesen mit 305 695 Mark, darauf ruhen aber Hypotheken im Be­trag von 229 000 Mark, Mßerdem sog. Hausanteile der Mitglieder mit 40 550 Mark, zus. 269550 Mark, sodaß nur 36145 Mark eigenes Geld des Vereins in der Liegen­schaft stecken. Mit Einschluß der Warenbestände und der Mobilien, der Guthaben und des Kassenbestandes be­ziffern sich die Aktiva auf 377 907 Mark. Unter den Passiven sind angeführt außer den beiden oben genann­ten Posten (Hypotheken und .Hausanteile) Warenschnlden 30 401 Mark, Baugläubiger 1697 Mark, Spareinlagen 40 681 Mark, Kautionen 9903 Mark, Bankschuld (bei der Vereinsbank) 27162 Mark, Geschäftsguthaben der Mit­glieder 18087 Mark, zusammen 297 481 Mark, woraus sich die Ueberschntdung von 19 481^Nark ergibt. Tie nicht bevorrechteten Guthaben sind nach der Mitteilung im Volksfreund sehr gefährdet. Tie Spareinlagen treten in die Reihe der Gläubiger, die Geschäftsanteile der Mitglieder sind jedenfalls verloren. Ter Fall zeigt wie­der aufs Neue, daß die Leitung eines Unternehmens nicht so leicht ist, wie es den Massen oft darzustellen gesucht wird.

Aus Bayer». 14. Juni. Zur Teilnahme an der, Sonntag, 17. os. Mrs, in Nürnberg stattfindenden Landesversammlung der Deutschen Volks­partei tn Bayern sind alle Parteifreunde berechtigt, die einer bayerischen Organisation als Mitglied angehören. Ais Gäste sind außerbayerische Parteifreunde herzlich will­kommen.

Metz, 14. Juni. Der Gemeinderat von For- bach ist durch landesherrliche Verordnung vom 13. d. M. aufgelöst worden. Den Anlaß haben offenbar die seil längerem bestehenden Zwistigkeiten zwischen Bürgermeister und Gemeinderat gegeben.

Brüssel, 14. Juni. Zu dem Brief des Königs, tn dem er so energisch betont, daß der Kongostaat ein durch­aus persönliches Unternehmen sei, erfährt dieGazette", daß der belgische Ministerpräsident deSmet deNayer, sowie der Minister des Aeußeren de Favereau, die Absicht haben, in ebenso respektvoller als entschiedener Form Len Brief als unannehmbar für Belgien zu erklären.

Ter im fürstlichen Elektrizitätswerk in Tvnan- eschingen angestellte verheir. Mechaniker M. Gei- nartz hat falsche 100 Markscheine angeferligt und ver­sucht, einen solchen auszugeben, wobei er ertappt und verhaftet wurde.

Einen großen Auflauf hat es vor einem Friseur­geschäft in der Jakobstraße nr Nürnberg gegeben, da es hieß, daß einem Herrn beim Rasieren ans Unvor­sichtigkeit der Halshalb abgeschnitten" worden sei. Tie Sache verhielt sich aber etwas anders. Zwischen dem Friseur und einem Stadtreisenden hatte es aus alter Feindschaft wieder einmal ein Wortgefecht gegeben. Als hierbei der Friseur dem Reifenden ein böses Schimpf­wort zurieb, antwortete dieser mit einer Ohrfeige. Nun ging der Friseur mit einem Rasiermesser auf feinen Geg­ner los und schnitt ihni das G esicht v. o m M unde bis zum Auge auf. Ter stark blutende Schwerver­letzte mußte, nach Anlegung eines Notvcrbandes, . ins Krankenhaus verbracht werden.

Ans Nürnberg wird gemeldet: Während einer Ver­handlung der Zivilkammer in Ansbach rief cin im Zuschauerraum befindlicher Mann plötzlich den Richtern zu: Ihr habt mich für vogelsrei erklärt" und warf sodann mit faustgroßen Steinen nach den Richtern; auch ein Spuck napf diente ihm als WurfgesRoß. Ve letzt wurde niemand. Die Polizei nahm den Mann in Ge­wahrsam ; es stellte sich heraus, daß inan es mit einem vor kurzem entlassenen Irrsinnigen zu tun harte.

Von der G a r n is o n I n g o lst a d t sind fünf Mann an Trichinose erkrankt. Zur Verhütung von weiteren Erkrankungen hat die Militärverwaltung angeordnct, daß sämtliches an die Truppenteile geliefertes Schweinefleisch, einer Trichinenschau unterworfen wird. Es sind bereits Unteroffiziere ansgebildet worden, um die Untersuchungen vornehmen zu können. In Bayern ist die Trichinenschau bekanntlich noch nicht eingeführt.

Wegen Tenkmalschänduttg wurde gestern in Dres­den ein dort auf der Durchreise weilender, angeblich r ö- misch-katholisch er Geistlicher aus Wilna ver­haftet. Er hat im Albertineum auf der Brühlschen Ter­rasse die Statuen des sterbenden Fechters, des Merkur und Alexanders des Großen in skandalöser Weise beschädigt. Tie abgeschlagenen Teile wurden bei ihm in der Tasche gesunden. Als Motiv gab der Verhaftete bei seiner Ver­nehmung an, daß ihn der Anblick der nackten Figuren chokiert hätte. Vor seiner Anwesenheit in Dresden will er sich in Berlin und Leipzig vorübergehend ansgehalten haben, wo er ebenfalls die Sehenswürdigkei­ten in Augenschein genommen habe. Er wurde dem Ge- richtsgesängnis zugesührt.

Vor dem Polizeigefängnis in Kyritz kam es zn einem Zusammenstoß, zwischen 18 polnischen Schnit­tern und 3 Schutzleuten. Letztere zogen blank end ver­wundeten 8 Schnitter schwer.

In einem Genfer Hotel wurde die Leiche einer Frau namens Spolianskt mit einer Kugel im Kopf gesunden; neben ihr fand man, noch lebend, ebenfalls mit einer Kugel im Kops, ihre neunjährige Tochter Alexandra. Tie Tante des Opfers, Gräfin Gorodefky, er­klärte, ihre Nichte sei neurasthenisch gewesen und habe nicht gewollt, daß die Tochter sie überlebe.

Während einer religiösen Prozession in Braty stock kam es zu einer Schlägerei und Ruhe­störungen, bei denen eine Anzahl Personen getötet und verwundet wurden. Es wurden Läden geplündert, die Truppen gaben Schüsse ab.

Der von Newyork nach Hamburg abgegangene DampferBlücher" wird den von Frankfurt wegen Mords- verdachts verfolgten Möbelhändler Meyer und dessen Begleiterin Sophie Chrfftiani nach Deutschland zurückbringen.

Der belgische DampferMe use", der von der spani­schen Küste kam, ist in der Nordsee gesunken. Es heißt,

er sei von einem Kriegsschiff gerammt worden. Zehn Mann der Besatzung sind ertrunken, fünf gerettet. Das Kriegs­schiff mit dem dieMeuse" zusommenstieß war der nie­derländische PanzerPtet Hein".

Der englische DampferHaverford" war am 13. aus Philadelphia in Liverpool angekommen. Ahe Passagiere hatten schon gestern das Schiff verlassen und heute sollte die Ladung gelöscht werden. Die Lucken des Schiffsraumes wurden geöffnet, als plötzlich eine furcht­bare weit hörbare Explosion ertönte. Die Lucken - decket und die Männer aus Teck wurden nach allen Richt­ungen weggeschlendert, ein Mann wurde ganz in Stücke zerrissen, andere wurden in die Luft geschleudert, viele erhielten furchtbare Verletzungen. Auf die Explosion folgte ein heftiges Feuer im Schiffsräume, das jedoch bald gelöscht wurde. 6 Mann sind tot, 13 verwundet. J» den Hospitälern befinden sich 26 Mann, die leichter ver- mundet sind. Die Explosion war nach unten gerichtet und man vermutet eine Höllenmaschine. Bei der Exploson sind nach neueren Meldungen 9 Personen ge toter und etwa 40 verwundet worden.

Zur Lage tn Mutzland.

Demission des Ministeriums?

Ter Premierminister Goremykin motivierte, wie dieBirschewyja Wjedomvsti" behaupten, sein Ent­lass nn g s g e su ch damit, daß die agitatorischen De­batten in der Duma, den Zweck hätten, in der Gesell­schaft den Glauben zu erwecken, daß das Ministerium die Verantwortlichkeit von sich ans den Monarchen ab­wälzen wolle. Tie Entlassung wurde nicht bewilligt.

Schipow erklärte, falls ihm die Bildung des Ka­binetts übertragen werde, wolle er eine solche nicht über­nehmen, da seiner Ueberzeugnng nach nur aus der Du­ma-Majorität ein Kabinett gebildet werden könne.

Die Jndenfrage.

Im Ministerium des Innern in Petersburg ist eine Vorlage zur Regelung der Jndenfrage ausgearbcstet worden. Tie Juden dürfen darnach ihre Wohnorte frei wählen und ohne Einschränkung Handel treiben.

Die Agrarfrage.

Gerüchtweise verlautet, die Regierung beabsichtige die Gründung eines Länderfonds von 20 Millionen Deßjatinen, um länderarme Bauern zu befriedigen.

Kadetten gegen Sozialisten.

Ans St. Petersburg meldet die Voss. Ztg.: In Moskau traten die Kadetten energisch gegen die Sozialisten auf, die zu einem bewaffneten Aufstand drängen. Viele von den Kadetten sind der Ansicht, daß die revolutionäre Partei und ihr Auftreten lediglich der Regierung Dienste leisten.

MürLL. LtMdes«achrrchLen.

Zur Verfassungsrevlsion. Zu der Schlnßab- stimmnng der 2. Kammer über die Bersassnngsrevision bemerkt die gesamte württembergische Presse, soweit sie der Revision freundlich gegeuübersteht, in Uebereinstimm- ung mit unseren gestrigen Ausführungen, daß die Ent­scheidung und die volle Verantwortung für das Zustande­kommen oder Scheitern der Vorlage nunmehr bei der 1. Kammer ruht. In scharfen Worten wird auch ver­schiedentlich die Haltung des Zentrums gegeißelt, das bald sein christlich-konservatives, bald fein volksfreund­liches Mäntelchen nmhing, um dem Zustandekommen der Reform noch möglichst viel Steine in den Weg zu rollen. Das hat ihm aber diesmal nichts geholfen. Die Ab­stimmung der 7 .Sozialdemokraten, die am Mittwoch unmo­tiviert erfolgte, erfährt in der Schw. Tagw. folgende nachträgliche Motivierung:

Aber der Umstand, daß es unter den plötzlich ein­getretenen Verhältnissen auf ihre Stimmen ankommen würde, war für die Entscheidung unserer Vertreter nicht das ausschlaggebende Motiv. Sie wußten übrigens bei Beginn der Abstimmung noch gar nicht, wie viehrit- terschaftliche Abgeordnete mit Nein stimmen würden. Unsere Fraktion hatte schon am Montag b es ch l oss e n, b ei der Sch l u ß ab sti m mun g mi t Ja zu stimmen. Ausschlaggebend dafür war, daß die Zweite Kammer an der ungeschwächten Zwei­ten Kammer, beruhend auf dem allgemeinen Wahl­recht, festgehalten und auch das königliche Recht auf Ernennung erblicher Mitglieder äbgelehnt hat. Die Konzession der Mehrheit in der Budgetrechtsfrage wurde von unserer Fraktion als eine sehr wichtige angesehen. Es konnte aber nicht bestritten werden, daß ein solches Zugeständnis unter der bestehenden Situation unerläß­lich wäre, wenn die reine Volkskammer endlich erreicht werden sollte. Unsere Parteigenossen sind der Meinung, daß diese Situation zu vermeiden und daß eine Verfassungsreform ohne dieses wichtige Zugeständnis an die Erste Kammer dnrchzu setzen gewesen wäre, wenn nur die Parteien, die den Ton in dieser Resormbewegung angaben, zur rechten Zeit entschieden gewollt hätten. Darum haben sie in der Einzelab­stimmung über die Bndgetrechtsfrage durch ihre ver­neinende Abstimmung deutlich zum Ausdruck gebracht, daß dieführenden" Parteien auch die Verantwort­ung dem Volke gegenüber zu tragen haben für die Beschränkung, welche das Steuerbewilligungsrecht der Zweiten Kammer erleidet. Diese Anschauung hat unser Redner, Genosse Keil, mit Schärfe in der gestrigen Vormittagssitzung entwickelt, und er hat es dabei auch nicht an einer Kennzeichnung derjenigen Partei fehlen lassen, die wegen ihres an der Bersassungsreform be­gangenen Verrats die Hauptschuld an der heutigen Si­tuation trägt: der Zentrumspartei.

Aus dieser Auslassung geht also unzweideutig her­vor, daß die Sozialdemokratie auch für den Kommissions­antrag gestimmt hätte, falls es nicht auf ihre Stimmen angekommen wäre. Nun hat also, wie gesagt, die 1- Kammer das Wort, die 2. Kammer hat, wie Friedrich Hanßmann bemerkte, ihr letztes Wort gesprochen.

Stuttgart, 14. Juni. In dem Befinden des Lanv- tagsabg. Fr. Hanßmann, der in der gestrigen Nachmit­tagssitzung des Landtags von einem schweren Ohn-