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mit Erzähler vom Hchwarzwald.

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kelelon Nr. 41.

Amtsblatt für die Ltadt Wildbad.

verkündigungsblatt

der Agl. Korstämter wildbad, Meistern, Lnzklösterle rc. mit

amtlicher Fremdenliste.

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M. IS8.

Samstag, dev 18. Iuui

MkmdsHau.

Konservative Beklemmungen. Die freikonscr- vative BerlinerPost" will einenr gefährlichen Plan der Sozialdemokratie ans die Spur gekommen sein, nämlich einer ncnen Art des politischen Massenstreiks. Ten An­laß dazu sollen die Petitionen bieten, die die sozialde­mokratische Parteileitung an den preußischen Landtag rich­tete und in denen die Abänderung des preußi­schen Wahlrechts gefordert wird. Tie Erledigung dieser Petitionen im preußischen Landtag steht für Ende dieses Monats bevor und ihre glatte Ablehnung ist so gut wie sicher. Tie Sozialdemokratie will nun in dieser Voraussicht Massenversammlungen cinberufen, und zwar sollen diese, um ihnen denn Charakter eines Massenstreiks zu geben zu diesem Zwecke in die Arbeitszeit, nämlich auf nachmittags 4 Uhr verlegt werden. Die Ankündigung der Versammlungen soll erst, genau wie in Hamburg, am Ta­ge vorher, erfolgen. Tie Versammlungen sollen nicht für alle Arbeiter, sondern nur für ganz bestimmte Betriebe anberaumt werden, und zwar für diejenigen, in denen sich die plötzliche Niederlegung der Arbeit für den Arbeit­geber am fühlbarsten macht.

Wenn an der merkwürdigen Geschichte etwas wah­res ist, so wird es wohl nur das sein, daß die Sozialde­mokratie neue Protestversammln nngen gegen das preu­ßische Wahlunrecht plant, was ihr niemand verdenken kann. Tas böse Gewissen der Konservativen, die sich innerlich wohl bewußt sind, daß das Dreiklassenwahlrecht in Wirklichkeit ein Hohn auf die Gerechtigkeit und die heu­tige Zeit ist, läßt sie allerlei umstürzlerische Pläne ver­muten.

* * *

Der disziplinwidrige Schnupfen. In Fragen der militärischenDisziplin" versteht die Militärbehörde auch bei nicht gedienten Leuten, soweit sie sich nur irgend noch in einemmilitärischen Verhältnis" befinden, kei­nen Spaß. Man verlangt, daß, wer eine Reise tut, sich beim Bezirksfeldwebel an- und abmeldet, man verbietet und bestraft, wenn etwa einer dabei mit Stock oder Schirm in die geheiligten Räume des Herrn Feldwebels tritt usw. Tas Non plus ultra in strammster Wahrung solcher Dis­ziplin scheint uns indessen vor kurzem ein Magdeburger Bezirksoffizier und nach ihm das dortige Bezirkskommando geleistet zu haben. Es hat sich dort nach dem B. T. folgender Vorfall abgespielt, der demnächst im Reichstag zur Sprache gebracht werden soll:

Im April dieses Jahres fanden in Magdeburg die diesjährigen FrühjahrskontrollversamMlungen statt. Am Dienstag, den 17. April, bei der Kontrollversamm- lung für die Ersatzreservisten der Jahresklasse 1897 er­hielt einer der Ersatzreservisten, ein Magdeburger

Rechtsanwalt 24 Stunden Mittelarrest, weil er wegen heftigen Schnupfens sichdieNaseputzte, obwohl 5 Minuten vorher:Stillgestanden!" kommandiert war. Ter Vorfall trug sich wie folgt zu: Nach dem Kom­mando:Stillgestanden!" setzte der Kontrolloffizier Haupt­mann v. Her wart den Erschienenen in längerer Rede auseinander, welcher Strafgewalt sie an diesem Tage un­terständen. Ter mit erschienene Rechtsanwalt Dr. S. litt an heftigem Schnupfen, der, als der Offizier schon eine Zeitlang geredet hatte, zu wirken begann. Tr. S. merk­te, daß ihm der Nasenschleim über die Lippen laufen würde, und verspürte euren heftigen Nießreiz. Unwill­kürlich und ohne sich etwas dabei zu denken, zog er das Taschentuch und putzte sich die Nase. Das genügte, um ihm eine Freiheits- und Ehrenstrafe zuzuziehen, die durch die Art des Strafvollzuges (bei Wasser und Brot und hölzerner Pritsche ohne Decke oder Bett) empfindlich verschärft wurde. Als der Rechtsanwalt sich erst seinerTat" bewußt wurde, glaubte er, daß der Offizier sich nur darum so aufrege, weil er vielleicht an­nehme, daß er ostentativ gehandelt habe. Er ging daher nach der Kontrollversammlung an den Hauptmann von Helwart heran, ent s ch ul d i g t e si ch und trug den Sach­verhalt vor. Obwohl nun Hauptmann v. Herwart er­kennen mußte, daß Tr. S. nicht bewußt gegen die Disziplin verstoßen hatte, sondern nur ein ganz unwillkürlicher Akt vorlag, für den ein nicht gedienter Ersatzreser­vist wohl kaum verantwortlich zu machen war, lehnte er die Bitte um Erlaß der Strafe oder um Strafaufschub brüsk ab mit den Worten:T as ist mir ganz egal!" Tr. S. wurde sofort abgeführt und erst nach mehreren Stunden auf dem Bezirkskommando entlassen, da ihm ausnahmsweise" aus wiederholtes Ersuchen gestattet wurde, die Strafe erst vom Samstag bis zum Sonntag ab­zubüßen. Seine Beschwerde wurde vom Kommandeur des Landwehrbezirks als unbegründet zurück ge­wiesen, da nach dem Kommando:Stillgestanden!" nicht gestattet sei, die Nase zu putzen. Ein Mann aus den gebildeten Ständen sei wegen disziplinärer Vergehen härter zu bestrafen als ein anderer.

Tie Sache ist eigentlich tragikomisch, hat aber auch eine bitter ernste Seite. Die verhängte Strafe ist zwei­fellos nicht aufrecht zu erhalten, leider wird sie aber der verschnupfte Rechtsanwalt inzwischen längst verbüßt ha­ben.

* * *

Las Befinden des Papstes. In-Vatikanischen Kreisen wird mit Rücksicht auf die schlechte Gesund­heit des Papstes und den Rat der Aerzte die Frage ernstlich erwogen, den Papst nach Castel Gandolfo ziehen zu lassen. Bekanntlich war Pius schon im vori-

Gsfttßrvolks Wege.

Nonian von Ewald August König. 14

Mein Bruder hätte vor Beginn seiner leichtsinnigen Unter, nehmungen Euch dieses Vermögen sicherstellen müssen; da er das nicht getan Hai, so braucht Ihr Euch auch kein Gewissen daraus zu machen . . ."

Bah, ich hege in diesem Punkte keine Skrupel!" fiel Ar- nold ihm in die Rede.Jeder ist sich selbst der Nächste und ich weiß sehr wohl, was mir blüht, wenn mein liebenswürdiger Schwager znrückkehrt. Er wird mich in der ersten Stunde nach seiner Rückkehr vvr die Tür werfen, wir sind nie gute Freunde gewesen."

In den dunklen Augen Emmys blitzte der Zorn ans, trotzig erhob sie das Haupt.Wenn er das tut, so verletzt er die Rechte, die ich hier habe," sagte sie mit scharfer Betonung.Ich würde dann auch keilte Rücksichten mehr nehmen und Dich begleiten. Tas Leben in diesem Hause ist mir schon lange unerträglich, nur meines Kindes wegen habe ich hier ausgeharrt."

Und ich rate Dir, noch länger auszuharren," erwiderte Onkel Heinrich;Du bist die Erbin des großen Vermögens, wenn Baron Rüdiger von seiner Reise nicht znrückkehrt."

Er wird znrückkehren!"

Hat er Dir geschrieben?"

Nein!" erwiderte die Baronin verächtlich.Was sollte er mir auch schreiben? Versicherungen seiner Liebe ? Ich würde darüber lachen. Was gelte ich ihm? Nichts! Er liebt nicht ein- mal sein Kind. Seit seiner Abreise habe ich noch keine Zeile von ihm gesehen. Mit dem Verwalter Wurzel unterhält er einen lebhaften Briefwechsel, ihm hat er ja alles übertragen, sogar die Auszahlung der armseligen Monatsrente, die mir ausge- setzt worden ist. Wurzel wollte mir einmal einen Brief vor- legen, ich habe mich geweigert, ihn zu lesen. Mein Entschluß steht fest, sobald Rüdiger zurückgekehrt, verlange ich gerichtliche Scheidung unserer Ehe."

Nur das nicht!" rief der alte Herr bestürzt.Es gibt an« dere, bessere Wege, die zu dein von Dir ersehnten Ziele führen! Wenn das Gericht die Scheidung ausspricht, so bestimmt es auch die Summe, die Dir jährlich gezahlt werden muß, und derAdvo- kat Rüdigers wird schon dafür sorgen, daß die Rente nicht zu hoch ausfällt. Außerdem verlierst Du das Kind, das wahrschein.

lich dem Vater zugesprochen werden wird, und mit dem Kinde verlierst Du auch die Erbberechtigung. Harre aus, einen bes. seren Rat kann ich Dir nicht geben; führe den Kampf mit Dei­nem Gatten weiter, er wird eher ermüden, als Du, und höchst- wahrscheinlich nach kurzer Zeit Dir abermals das Feld räumen. Nach seine»: Tode bist Du hier die Herrin, das vergiß nicht, dieser Lohn ist des Kampfes wert. Anders lagen die Dinge, als Dein Vater noch ein reicher Mann war, heute kannst Du nicht mehr so auftreten wie damals."

Aber ich will es, ich lasse mir nichts gefallen," erwiderte sie mit wachsender Gereiztheit,ich will hier meinen eigenen Willen haben und die Stellung einnehmen, die einer Baronin von Ravenberg gebührt!"

Ist es nicht erniedrigend für mich, daß ich auf eine Rente angewiesen bin, die ich ans den Händen des Verwalters emp- fangen muß? Was ich auch tun mag, nichts findet die Billi- gung Rüdigers, aber schweigen wir jetzt, da kommt Vera, sie wird uns zur Tafel rufen wollen."

Ein Mädchen von etwa sieben Jahren mar schüchtern ein- getreten, ein bildschönes Kind mit lang hernnterwallenden, licht- blondem Haar und großen, tiefblauen Augen.

Nun, willst Du den Onkel nicht begrüßen?" fragte die Ba- ronin scharf.Weshalb kommst Du allein? Wo ist Minna?"

In: Speisezimmer, Mama," antwortete das Mädchen, dem alten Herrn die Hand bietend,die Snppe wird eben aufgetra- gen."

Emmy erhob sich, ohne weiter das Kind zu beachten.

Onkel Heinrich reichte ihr den Arm, Arnold folgte mit Vera, die am unteren Ende der reich gedeckten Tafel schweigend Platz nahm. .

Sv lange der alte Kammerdiener in seiner ruhigen, geräusch- losen Weise die Schüsseln servierte, wurde nur wenig gesprochen. Zumeist führte Onkel Heinrich das Wort; er sprach von Poli- tik, kritisierte die Reden einiger Landtags-Abgeordneten und er­zählte verschiedene Anekdoten aus der vornehmen Gesellschaft; auf den Tod seines Bruders und die Folgen, die daran sich knüpften, kam er mit keiner Silbe zurück.

Emmy hörte schweigend; die Falten auf ihrer Stirn ver­rieten, daß ihre Gedanken sich mit andern Dingen beschäftigten.

Arnold warf dann und wann eine kurze Bemerkung ein, alle aber schienen sich ungeduldig nach dem Ende der Tafel zu seh­

1906.

gen Sommer fest entschlossen, dorthin zu reisen. Ter Plan scheiterte aber am Widerstand der Intransigenten, die darauf hinwiesen, daß dieser Bruch der Theorie der Gefangenschaft bei knn ausländischen Katholiken nicht verstanden und als eine gänzliche Unterwerfung unter Italien aufgefaßt werden könnte. Jetzt aber scheint man: diese Bedenken fallen gelassen und die Formel gefunden zu haben, die beweist, daß die Reise des Papstes an den offiziellen Beziehungen des Vatikans und des Staates nichts ändere.

* * q-

Die Untersuchung des Madrider Attentats.

Tie Untersuchung in Bezug auf das Attentat soll den Direktor der modernen Schule in Barcelona, Ferrar, bei dem Moral beschäftigt war, stark belasten. Nach demJmparcial" hat bis zum Tage vor dem Attentat Ferrar mit Morral in brieflicher Verbindung gestanden. Tie Ansicht des Richters ist, Ferrar habe von dem Plan gewußt, und er glaubt, einer Verschwörung auf der Spur zu sein, da mehrere hunderttausend Peseten auf den Namen Ferrars als Bankdepot gefunden wurden. Ter Jmparcial" behauptet unter Mitteilung von sensatio­nellen Einzelheiten, im Park von Retirv sei in eine Baumrinde die Ankündigung der Ermordung des Königs am Hochzeitstag eingeschnitten. Nakens ist, wenn er auch vorher mit Ferrar bekannt war, offenbar in das eventuelle Komplott nicht verwickelt.

* * *

Wie in Afrika regiert wird. In einer Notiz derTeutsch-ostafrikanischen Zeitung" konnte mau lesen:

Um dem bei der Eingeborenenbevölkerunng in letzter Zeit sehr überhandnehmenden Unfug zu steuern, der darin besteht, daß die Schwarzen den an den So- daverkaussstellen erkauften Soda nicht erst in ein Glas gießen, sondern stets erst die Sodaslasche an den Mund setzen, und das für sie begehrenswerte Getränk hinuntergießen, hat das Bezirksamt am letzten Diens­tag bekanntgegebcn, daß jeder, der beim Trinken aus der Sodaflasche betroffen wird, strenger körperlicher u n d Fr eih eits str a fe ge w är ti g ist, während dem verkaufenden Indier eine hohe Geldstrafe auserlegt wird."

Eigentlich ist," so bemerkt dazu dieKöln. Ztg.", der Inhalt dieser Verordnung, die sich würdig der Gruß- Verordnung und der Hundeverordnung ostafrikanischen Angedenkens anreiht, derartig, daß man ihre Kritik den deutschen Witzblättern überlassen sollte. Sie hat aber auch ihre anderen Seiten, denn sie ist ein typisches Beispiel dafür, daß es lieber in unseren Kolonien im­mer noch amtliche Stellen gibt, die es verstehen , durch zweckloses behördliches Schikanieren die

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nen, um das im Zinimer abgebrochene Gespräch wieder aufzu­nehmen.

Endlich trug Gottfried das Dessert auf, er stellte die schwe­ren, silbernen Schüsseln, die mit Obst und süßen Näschereien ge­füllt waren, auf die Tafel und verließ nach einer tiefen Ver­beugung schweigend das Speisezimmer.

Im Korridor begegnete ihm die Zofe; sie blieb stehen und sah ihn erwartungsvoll an.Wie ist die Stimmung ?" fragte sie leise.

Wie mir scheint, Ruhe vor dem Gewitterstnrm," erwiderte er lakonisch.

Onkel Heinrich hatschlimmc Nachrichten mitgebracht?"

Hm, haben Sie vielleicht gute erwartet?" spottete er.

Das nicht, aber der alte Herr schien in seiner gewohnten, heiteren Laune zu sein!"

Warum auch nicht? Er kann nur behaupten, daß der Leicht­sinn in seiner Familie ein Erbfehler sei; niemand wird das nach dem Vorgesallenen bestreiten."

Sie bleiben der bissige Spötter, der Sie immer gewesen sind," sagte Minna ärgerlich.Bei Tisch ist doch jedenfalls über die Geschichte gesprochen worden."

Keine Silbe!" unterbrach er sie.Mich geht es ja nichts an, ich bin nur ein bezahlter Sklave, dem man einen Tritt gibt, sobald man seine Dienste entbehren kam:, und das Kind soll nichts erfahren, damit es nichts ansplaudert."

Trotzdem erfahren wir alles, auch das Kind!" sagte die Zofe spöttisch.Vor nur hat die gnädige Frau keine Geheim- nisse." Sie schritt nach dieser schnippischen Erwiderung leicht­füßig an ihm vorbei.

Er sandte ihr einen sehr geringschätzenden Blick nach und setzte achselzuckend seinen Weg fort.Wie das noch enden wird, mag der Himmel wissen," murmelte er;nur tut der Baron in der Seele leid; er findet unter seinen: eigenen Dache kein ruht- geL Heim, kein Glück und keinen Frieden mehr, so lange er nicht die Bande zerreißt, die ihn an diese Familie ketten." Er verließ das Schloß und ging durch de» Obstgarten in das Hau­kes Verwalters.

* * *

Konrad Wurzel saß in seinem Wohnzimmer im hartgepolster­ten Sorgenstnhl und hielt sein gewohntes Mittagsschläfchen; er war schon ein bejahrter, breitschulteriger Mann, aus dem wet­tergebräunten Antlitz sprach eiserne Willenskraft. 12S.30