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mit Erzähler vom Ächwarzwald.
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keleton Nr. 41.
Amtsblatt für die Stadt wildbad.
Verkündigungsblatt
der Agl. Lorstämter wildbad, Meistern, Enzklösterle rc. mit
amtlicher Lremdenliste.
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Nr. 50.
Donnerstag, ven 1. Mrz
1006 .
Die Mtchlreforrn in Oesterreich.
Am Freitag hat sich in Wien ein Vorfall von weit- tragender Bedeutung für die Zukunft des durch Nationalitätenhaß und eine vermoderte Ständeverfassung zerrütteten österreichischen Landes abgespielt. Herr von Gautsch, früher als konservativer Beamter verschrieen, hat mit klarem Blick erkannt, was dem Lande nottut, er hat den Forderungen der Zeit nachgegeben. Von den fünf Gesetzentwürfen, die der Ministerpräsident dem Abgeordnetenhaus am 23. Februar vorlegte, erwartet er „die Auferstehung des Parlaments auf dem Boden des gleichen Rechts". Erlangen die Vorlagen des Freiherrn von Gautsch Gesetzeskraft, so geht Oesterreich mit einem Schlag zum demokratischen Parlamentarismus über und läßt damit den Gegner von 1866 mit seinem verrotteten Dreiklassenwahlrecht weit hinter sich. Man muß anerkennen, daß mit der Gewährung dieser liberalen Ver- fassungsresorm der greise einsame Kaiser Franz Joseph sich selbst überwunden hat. Sein ganzes Leben lang hat es der alte Herr mit allen möglichen politischen Systemen versucht, um endlich einzusehen, daß das allgemeine Wahlrecht vielleicht die einzige Rettung für sein Land ist. Und wir erleben das seltene Schauspiel, daß die österreichische Sozialdemokratie, die von einem so befähigten und geistreichen Mann wie Viktor Adler geführt wird, sich plötzlich zur Regierungspartei erklärt, weil die Regierung so vernünftig ist, dem arbeitenden Volk sein politisches Recht zu gewähren.
Die Wahlreform des Herrn v. Gautsch beseitigt die bisherige Art der Erwählung der Volksvertreter vollständig. Der österreichische Parlamentarismus geht auf das Februarpatent vom Jahre 1861 zurück, das einen Reichsrat für den damals die ungarischen Länder noch mitumsassenden Gesamtstaat und daneben einen engeren Reichsrat für Zisleithanien schuf. Nach dem Ausgleich, der Ungarn seine selbständige Verfassung gab, wurde auch für Oesterreich ein neues Grundgesetz über die Reichsvertretung erlassen. Der Reichsrat bestand danach aus 203 Mitgliedern und ging nicht aus eigenen Wahlen hervor, sondern setzte sich ähnlich wie einst Preußens „Vereinigter Landtag", aus Deputationen von den Einzellandtagen der siebzehn Kronländer zusammen. An dieser Verfassung wurde nun dreißig Jahre lang, bis 1896, herumgebessert. 1873 geschah die erste große Reform: Nicht mehr die Landtage sollten aus ihrer Mitte den Reichsrat beschicken, sondern die Bevölkerung selbst hatte ihn von mm an zu wählen und die Zahl der Abgeordneten lvurde auf 353 erhöht. Aber diese wahlberechtigte „Bevölkerung" war in Wirklichkeit ein ganz kleiner Teil des Volkes. Man schuf vier Kurien, Großgrundbesitzer, Handelskammern, Städte, Landgemeinden,
Aus Kiede zur Kunst.
Roman vo» Viktor Rhein berg. 50
Lorchen ließ halten, stieg aus und trat in den Hausflur.
Es mochte etwa 10 Uhr vormittags sein. In der Wohnstube hörte sie sprechen und erkannte die Stimme der Frau Weller, sie klopfte an und auf das „Herein" öffnete sie die Tür, um im nächsten Augenblick mit dem Ausrufe: „Tante, liebe Tante!" auf Frau Henriette zuzneilen.
Diese konnte sich nicht von ihrem Sitze erheben, sie hatte ein allerliebstes, blondlockiges Kind von etwa einem Jahre auf dem Schoße und war damit beschäftigt, um die Morgentoilette der Kleine» zu besorgen, welche im weißen Hemd- chen mit den nackten rosigen Füßen sich gegen jedes fernere Kleidungsstück wehrte.
Neben den beiden in einem großen Lehnstuhl, ganz in sich zusammengesunken, saß Meister Weller. Er spielte mit den Händchen seiner Enkelin, brachte zuweilen unzusammenhängende Worte hervor, nickte mit dem Kopfe und lächelte, aber dies Lächeln hatte etwas Blödsinniges.
„Lorchen, ist es möglich, Du hier?" rief Frau Weller ebenso erstaunt wie erfreut, „das ist hübsch von Dir, daß Du nicht an uns vorüber gehst, seit Du eine große, berühmte Dame geworden bist!"
„Tante, das hast Du hoffentlich auch nie von mir geglaubt," sagte Lorchen ihren Hut absetzend und stch niederkauernd, um ihr Patchen, das kleine Lorchen, näher in Augenschein -u nehmen. „Die Kleine ist reizend, Tante, und sie weiß es noch nicht," damit holte das junge Mädchen ein Kästchen auS ihrer Tasche, öffnete es und befestigte dem Kinde eine Kette mit goldenem Kreuze um den Hals. „Zum Andenken an Deine Bäte," sagte sie.
Die Kleine jauchzte vor Vergnügen und der Alte lächelte, man wußte nicht, ob er Lorchen erkannt habe.
„Wo sind denn Heinrich und Luise?" fragte diese jetzt.
„Heinrich ist in der Werkstatt, Luise in der Küche, ich werde sie gleich rufen," sagte dieTante, ihr Enkelchen auf den Arm nehmend.
Wenige Minuten später kamen Heinrich und Luise, die Freude dev Wiedersehens war groß, man konnte kein Ende finden mit Fragen und Erzählen.
Lorchen erfuhr von ihrer Cousine beiläufig, daß Mar Reck-
und verteilte unter sie die Mandate. Die beiden ersten Kurien sind keine Ständevertretungen. In vielen Fällen sind die Gruppen, die Abgeordnete zu wählen haben, lächerlich klein. In den beiden letzten Kurien ist das Stimmrecht an einen Steuersatz geknüpft. Der Zensus wurde unter dein Einfluß klerikal-reaktionärer Parteien im Laufe der Jahre gerade so tveit ermäßigt, daß er das vielfach zurückgebliebene Kleinbürgertum noch ins Wahlrecht hineinließ. So kam man bis zum Jahre 1896. Damals schuf man, um das Drängen der Ausgeschlossenen zum Schweigen zu bringen, noch eine fünfte „allgemeine" Kurie, in der jedermann wahlberechtigt ist. Aber der neuen Kurie gab man nur 72 Mandate, die gegen die alten 353 der privilegierten Stände niemals etwas ausrichten können. Dieses Wahlrecht war es, gegen welches das österreichische Proletariat sich Ende vorigen Jahres so stürmisch erhob und in Kundgebungen von imposanter Größe und Geschlossenheit demonstrierte.
Die Vorlage hebt alle Kurien aus. Sie fügt zur jetzigen Zahl der Mandate dreißig hinzu, sodaß der umgewandelte Reichsrat aus 455 Abgeordneten bestehen wird. Das Stimmrecht ist allgemein, gleich und direkt. Mit vollem Recht hat die Regierung es verschmäht, den Gegnern der Reform in irgend einer Form des Pluralrechts eine Konzession zu machen, die am ganzen nichts ändern und nur die Freunde der Vorlage ärgern und teilen würde. Sie hat das Stimmrecht auch nicht an eine Bildungsqualifikation wie die Kenntnis des Lesens und Schreibens, geknüpft. Auch das kann man verstehen, denn bei dem Kulturunterschiede zwischen den Kronlän- dern, würde eine Einschränkung dieser Art zu allen möglichen Komplizierungen führen, das Wahlrecht ganzer Bevölkerungen vielleicht gar illusorisch machen.
Die Wahlreform ist minutiös peinlich in der Abgrenzung der Wahlbezirke nach nationalen Gesichtspunkten vorgegangen. Kein Volksstamm ist bevorzugt, keiner zurückgesetzt. Jeder erhielt soviel politischen Einfluß, wie ihm nach den statistischen Daten der Regierung gebührt. Zufrieden ist mit der Vorlage die Sozialdemokratie, deren Chancen allerdings sehr günstig stehen. Unzufrieden sind die Deutschen, weil sich ihr Einfluß im neuen Parlament nicht unwesentlich vermindert. Die Tschechen begrüßen die Vorlage, denn sie werden mehr Mandate als bisher bekommen. Aber die Vertretung der Tschechen wird nicht größer sein, als es der Volkszahl dieses Stammes entspricht und also gerecht ist; immer noch sind die Deutschen, wenn man durchaus bloß nach dem nationalen Gesichtspunkt fragen will, viel günstiger gestellt. Ferner aber kann eine Auseinandersetzung mit den Tschechen an dieser Stelle der Ausgang für eine Verständigung in den Einzelländern werden, und den Deutschen ist doch
an einem böhmischen Ausgleich, der sie endlich national sicherstellen würde, fast noch mehr gelegen als den Tschechen. Richtig ist, daß die Deutschen von ihren 205 Mandaten eine verhältnismäßig große Zahl einbüßen ! werden, die von Sozialdemokraten gewonnen und deshalb für die „rein nationale" Politik verloren werden dürften. Aber erstens ist es Zeit, daß mit dem Elend dieser beschränkten Nationalpolitik einmal aufgeräumt werde, zweitens sind die Deutschen in so viele Parteien gespalten, daß ihre starke Vertretung ihnen national sehr wenig hilft, und drittens sind die Tschechen, als industriell nächst den Deutschen am meisten tätiger Stamm, ebenfalls !dier Gefahr ausgesetzt, Boden an die Sozialdemokratie zu verlieren.
Das Schicksal der Wahlreform ist noch ungewiß, da aber die große Mehrheit der Abgeordneten für das allgemeine Wahlrecht ist, so wird die Vorlage wohl, wenn auch mit einigen Abänderungen, Gesetz werden, schon deshalb, weil es sich, wie Herr von Gautsch richtig bemerkte, um eine Lebensfrage für Oesterreich handelt.
Nuudscharr.
Zu den Stempelsteuerprojekten, die jetzt bei der Jnseratensternpelsteuer angekommen sind, schreibt der Beob. mit berechtigtem Spott:
„Wir meinen, wenn einmal gestempelt werden will, dann stemple nran gleich auch die Auflagen der j Blätter und Blättchen, die Gebet- und Schulbücher mit Ausnahme der für hie Volksschule, die Romane und Traktätchen, man stemple die Kutschen und Schlitten, man stemple die Katzen und Hunde und Kanarienvögel und Papageien, man stemple im Deutschen Reich die großen und kleinen Viecher aller Art — 's ginge bald in einem hin!" —
Tages-KHronik.
Berlin, 27. Febr. Die „Berliner Politischen Nachrichten" melden: Die Novelle zum Reichskassen- schetngesetze sieht die Einführung von Kassenscheinen zu 10 Mark und die Vermehrung derjenigen zu 5 Mark vor. Hingegen scheiden die Kassenscheine zu 50 und zu 20 Mark infolge des Gesetz s über die kleinen Banknoten aus.
Berlin, 27. Febr. Dem Vorsitzenden des Deutschen Uhrmacher-Bundes, Carl Marfels, Berlin, ist infolge seiner Bemühungen um die Errichtung des Peter Hen- lein-Denkmals in Nürnberg vom Prinzregenten von Bayern das Verdienstkreuz des Ordens vom Heiligen Michael verliehen worden.
Berlin, 28. Febr. Eine chinesische Stu-
lebeu unverheiratet mit seiner alte» Mutter nach wie vor im Forsthanse lebe, und daß man ihn selten in der Stadt zu sehen bekäme. Nur zu schnell enteilte die Zeit, man hatte sich noch so viel zu sagen, als schon der Wagen wieder vor der Tür hielt und Lorchen Abschied nehmen mußte.
Nun ging es nach Nhlingen durch den Wald und am Forsthause vorbei. Wie klopfte Loi chens Herz, aber nichts war zu sehen und zu hören von de» Bewohnern des Hauses. Lautlose Stille rings umher, nicht einmal die Hunde schlugen an.
Ein Seufzer entrang sich Lorchens Brust. Doch sie konnte stch nicht lange ihren Gefühlen hingeben, denn schon hielt der Wagen vor dem Schlosse.
HanS half ihr beim Anssteigen, alle andern begrüßten sie herzlich in der Halle. Tausend Erinnerungen stürmten auf sie ein in den alten, wohlbekannten Räumen, vorwiegend aber blieb das Gefühl des DankeS, und sie sprach es immer wieder auS, wie sie alle die Güte und die Wohltaten nicht vergessen werde, welche Fräulein Brigitte und der Freiherr ihr erzeigt.
Von den Segenswünschen aller geleitet, schied Lorchen am Abend desselben Tages. Wieder fuhr sie durch den Wald und wieder hoffte sie heimlich, den Geliebten noch einmal zu sehen. Da erblickte sie plötzlich seine hohe Gestalt, welche sich dem Wagen näherte.
Mit den Worten: „Darf ich mir erlauben, Sie zu begrüßen, Fräulein Manzoni?" reichte er ihr die Hand.
„Ich freue mich herzlich, Ihnen zu begegnen," sagte Lorchen. „ES würde mir sch wrzlich gewesen sein, die Heimat zu ver- lasten, ohne Sie gesprochen zu haben."
Sie ließ den Wagen halten, sprang heraus und befahl dem Kutscher, in der Nähe des Forsthauses auf sie zu warten, sie wolle eine Strecke zu Fuß gehen.
So schritten die beiden wieder mitsammen durch den Wald, deren Herzen immer noch für einander schlugen, deren Lebenswege sie aber so weit auseinanderführten.
„Vor zwei Tagen hatte ich das Glück, Sie singen hören, Fräulein Manzoni," Hub Max an, „ich möchte Ihnen meinen Dank aussprechen für den großen Genuß, den Sie auch mir damit bereitet haben."
„Ich habe Sie wohl bemerkt im Theater, und ich sang an dem Abend mit doppelter Lust, da ich so viele alte bekannte Gesichter gewahrte "
„Verzeihen Sie mir eine Frage, Fräulein, die vielleicht indiskret klingt, aber doch aus warmer Teilnahme hervorgeht: Fühlen Sie sich wirklich glücklich und befriedigt durch Ihren Beruf?"
Lorchen sah ihn mit ihren großen Augen voll und strahlend au.
„Meine Knust ist meine Welt," sagte sie, „die Lebenslust, in der ich atme. Es gilt noch viel Schönes und Großes zu erstreben und zu erreichen, dieses Streben verleiht meinem Leben Wert und Reiz. Aber Glück, vollkommenes Glück, und dabei senkte sie den Blick, gibt eS wohl auf Erden überhaupt nicht."
Er bückte sich, um seine Bewegung zu verbergen, und pflückte einige blühende Maiblumen, welche seitwärts vom Wege standen.
„Darf ich mir erlauben, wie einst dem kleinen Lorchen, jetzt der gefeierten Künstlerin dies bescheidene Sträußchen zu reichen ?"
Hocherglühend nahm sie die Blumen aus seiner Hand.
Dann hob Max Reckleben sie in den Wagen, noch ein Händedruck, ein letzter Gruß, und dahin fuhr sie, neuem Glanze und neuem Ruhme entgegen Doch die Erinnerung an ihre erste, reine Jugendliebe blieb für sie ein schützender Talisman in allen Versuchungen ihres Berufes.
In Uhlingen aber herrschte jedesmal große Freude, wenn gute Nachrichten von Leonore Manzoni einliefen.
Fräulein Brigitte hielt den Briefwechsel mit ihrer jungen Schutzbefohlenen aufrecht. Die treue, alte Seele war durch den Verkehr mit der Jugend selbst innerlich wieder frischer und jünger geworden, und Onkel Gebhard behauptete, seine Gicht lange nicht mehr so schmerzhaft zu fühlen, wenn Melanie ihm die warme Decke über die Knie breitete.
Das Glück des jungen Paares war der Sonnenschein für Schloß Uhlingen und seine Bewohner.
Hans hatte den Staatsdienst quittiert und ließ stch vom Oheim in alle Interessen der Landwirtschaft nnd Forstknltur einweihen.
Der alte Freiherr pflegte zu sagen, wenn er mit seinem Neffen durch den Wald schritt: „Nun weiß ich, wofür ich im Leben gearbeitet und gesorgt habe. Wenn ich längst tot bin, werden Eure Kinder und Kindeskinder unter dem Schatten der Bäume wohnen, die ich einst pflanzte, und so Gott will, geht mein letzter Wunsch in Erfüllung und unser liebes Uhlingen bleibt allezeit eine Stätte des Friedens und des Segens.
— Ende. — 136,20
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