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celekon Nr. 41.

Amtsblatt für die Htadt Wildbad.

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Kr. 257-

Psnnersiag, den 2. Wovemöer

1905.

fentlichkeit noch nicht genügend unterrichtet. Die Redak­teure Eisner und Gradnauer waren nur deshalb dorthin gegangen, um ihr Verhalten in allen Parteifragen öffent­lich zu verteidigen. Sie kamen jedoch hiervon ab, weil Singer ihnen die bestimmte Zusicherung gab, daß keine Kündigungen beöorständen. Es solle nur noch ein be­sonderer Redakteur mit nationalökonomischen Kenntnissen neu eingestellt werden. Auf diese Zusicherung hin schwieg Eisner. Später hat dann der Parteivorstand erklärt, wenn Singer in Jena wirklich sich so geäußert habe, so sei das in versöhnlicher und verbindlicher Weise geschehen. Diese Ausrede sei aber schon deshalb nicht stichhaltig, weil gerade Singer seit längerer Zeit die Beziehungen des Par­teivorstandes zur Redaktion zu regeln gehabt habe. Reichs- tagsabg. Zubeil, der sonst sehr radikal ist, führte aus: Als Angestellter desVorwärts" ist es mir nicht leicht, in dieser Sache zu reden. Wie die Verhältnisse heute liegen, weiß man nicht, ob man seine Meinung frei aus­sprechen darf. Keineswegs kann zugegeben werden, daß der Herrenstandpunkt des Parteivorstands so hervorgekehrt wird, wie es hier geschehen ist. Es wäre das verhängnis­voll für die Partei. Wir, die wir auf dem flachen Land agitieren müssen, leiden am schwersten unter solchen Miß­griffen. (Sehr wahr!) Nach diesen Vorkommnissen kann man nur noch mit Zittern in gegnerische Versammlungen gehen, da man nicht weiß, was man auf die Anzapfun­gen der Gegner antworten soll. Dieser Skandal ,ist der größte Schmutz, mit de n>vir uns besudelten. Tief bedauerlich ist es, daß von der Maßregel Männer be­troffen wurden, die teils 10 bis 15 Jahre an hervor­ragender Stelle in der Partei standen.

Für die angegriffene Parteileitung traten Eber­hardt (Mitglied des Parteivorstands), Böske (Wahl­vereinsvorstand) und Hoppe (Preßkommission) in die Schranken. Sie bemühten sich, die Versammlung davon zu überzeugen, daß es nicht angehe, heute durch eine Protestresolution sich gegen den Partei»ovstand auszu- sprechen. Am nächsten Dienstag werde die in Aussicht gestellte Veröffentlichung des Vorstandes imVorwärts" erscheinen. Deshalb möge man, um nicht einseitig zu urteilen, von einer Beschlußfassung absehen. Ein in die­sem Sinne gestellter Antrag wurde jedoch abgelehnt. Da­gegen fand eine von Dr. Südekum und Zubeil verfaßte Resolution Annahme, in der das Vorgehen des Par­teivorstandes und der Preßkommission scharf verur­teilt wird.

Der sozialdemokratische Parteivorstand und die Preßkommission veröffentlichen im Vor­wärts die angekündigte Aufklärung über den letzten Par­teiskandal. Die langatmige Erklärung umfaßt 6 Druck­spalten. Der Parteivorstand resümiert sich dahin, daß aus seinen Auseinandersetzungen hervorgehe 1. daß es

nicht nur eine falsche, sondern eine böswillige Dar­stellung der 6 Redakteure sei, wenn sie in ihrer sogen. Aufklärung", die ebensogutVerwirrung" genannt wer­den kann, die Sache so drehen, als sei es der Parteivor­stand, der die ganze Angelegenheit auf eigene Faust ein­gefädelt habe, während doch aus den Erklärungen des Parteivorstandes hervorgehe, daß die Initiative von den Vertretern von Groß-Berlin ausging und daß alsdann alle Verhandlungen in voller Harmonie unter den Be­teiligten gepflogen wurden; 2. daß der Parteivorstand und die Gesamtvertretung von Groß-Berlin für sämtliche Schritte solidarisch die Verantwortung der Partei gegen­über übernehme.

* * *

Die Fleischteuerung beginnt bereits die Schlag­fertigkeit unseres Heeres zu bedrohen. Die Handelskammer in Frankfurt a. M. hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob im Mobil machungssall im Handelskammerbezirk der erste, große Bedarf an Dauerfleisch mit Sicherheit gedeckt werden könne. Es wurde, nach derFranks. Ztg.", ermittelt, daß bei den jetzigen enormen Einkaufspreisen jeder Fabrikant sich nur mit soviel Schweinen deckt, wie er zum laufenden Geschäft nötig hat. Ein größerer Vorrat an Dauerfleisch wird nirgends gehalten; es ist daher die Deckung des ersten Bedarfes für den Mobilmachungsfall im Handelskammer­bezirke nicht möglich.

* * *

Ein Rachtragsetat für Deutsch-Dstafrika.

DieNordd. Allg. Ztg." schreibt: Zur Niederwerfung des Aufstandes im ostafrikanischen Schutzgebiete ist neben der Aussendung von Marinetruppen eine Verstärkung der dem Gouverneur zur Verfügung stehenden Machtmittel (Schutz- und Polizeitruppe) erforderlich geworden. Nach dem. in den letzten Tagen eingegangenen Berichte des Gouverneurs ist eine Verstärkung der Schutztruppe und Polizeitruppe um je etwa 1000 Mann auf rund 4200 Mann er­forderlich. Den größeren Teil der neuen Mannschaften liefert das Schutzgebiet, für den kleineren Teil sind An­werbungen in den neueren Territorien vorgesehen, Auf Grund dieser nunmehr vorliegenden Berichterstattung des Gouverneurs wird die Ausstellung eines Nachtragsetats für das Schutzgebiet Ostafrika so gefördert werden, daß derselbe dem Reichstag bei seinem Zusammentreten sofort vorgelegt werden kann.

Das bedeutet also eine Verdoppelung der ostafrika­nischen Schutz- und Polizeitruppe. So wird auch die ost­afrikanische Kolonie, für welche der Reichszuschuß für 1905 schon rund fünf Millionen Mark betrug, immer kostspie­liger. Die Kosten der Neuanwerbungen lassen sich noch nicht berechnen, da der Löhnungssatz nicht mitgeteilt wird.

Kundschau.

Die Krisis im Vorwärts ruft lebhafte Erörter­ungen innerhalb der Sozialdemokratie hervor. So hat eine außerordentliche Wähler Vereinsversamm­lung in Steglitz das Ausscheiden der sechsVor- wärts"-Redakteure zum Gegenstand der Verhandlungen ge­macht und dabei das Verhalten des sozialdemokratischen Parteivorstandes, besonders seine Verschleppungstaktik und sein beharrliches Schweigen in Angelegenheit der Mund- totmachung derVorwürts"-Redakteure sehr scharf kritisiert. Das Verhalten des Parteivorstandes sei geradezu unbegreiflich, da es den gewagtesten Kom­binationen Tür und Tor öffne und die Partei in ein schiefes Licht setze. Die Unterdrückung der freien Mein­ungsäußerung dürfe in der Sozialdemokratie- keinen Platz finden. Folgende Resolution wurde mit großer Mehr­heit angenommen:

Die Versammlung des sozialdemokratischen Wahl­vereins kann sich mit dem Verhalten des Parteivorstan­des in Sachen der Differenzen mit den sechs Redak­teuren desVorwärts" nicht einverstanden erklären. Die Parteigenossen haben das größte Interesse an völ­liger Klarstellung und erwarten deshalb von dem Par­teivorstand, daß er unverzüglich die erst für später in Aussicht gestellte Erklärung zu diesem bedauerlichen Vorfall veröffentlicht."

Noch viel energischer sprach man sich aus einer in Berlin stattgefundenen Generalversammlung des Wahl­kreises Teltow-Beeskow gegen den Parteivorstand ans. Zunächst sprach, wie dasTageblatt" berichtet, der Reichstagsabgeordnete Südekum, der dem Parteivor­stand gröbliche Verletzung der Parteigrund­sätze vorwarf, und sein Verfahren mit dem bei Militär­prozessen auf eine Stufe stellte, bei denen auch die Öf­fentlichkeit ausgeschlossen sei. Die sechs Redakteure seien wie Schulbuben behandelt worden. Aufgabe der Partei­genossen sei es nun, den einmal verursachten Schaden von der Partei abzuwenden und zwar dadurch, daß sie jenes Vorgehen verurteilen und klar zu erkennen geben, daß sie einem solchen Treiben nicht zustimmen können. (Leb­hafter Beifall)^ Wetzger, einer der entlassenen Redak­teure, nahm nun das Wort. Er erinnerte an das Wort Bebels:Erbärmlich ist dieKlasse, die sich wie ein Hunds­sott behandeln läßt" und wandte dann diesen Ausdruck auf die Redakteure an. Unter großer Heiterkeit der Zu­hörer verlas er Artikel aus derPost" und derKreuz­zeitung", in denen der Parteivorstand gelobt wird, und meinte, eine härtere Strafe wünsche er ihm nicht. Habe doch Bebel wiederholt erklärt, daß er sicher jedesmal eine Dummheit begangen habe, wenn er in solchen Zeitungen gelobt werde. Ueber die Vorgänge in Jena ist die Oef-

Aer Falschmünzer.

Nvinnn von Alexander Wilbrandt. 44

Ich vermag Ihnen meinen Schmerz, meinen Kummer und meineBerzweiflung, welche mich neben der Dahingeschiedenen er­griff, nicht zn schildern, und obwohl schon zwanzig Jahre seit jenem Üngiückstage verflossen sind, so empfinde ich doch noch heute denselben Schmerz und rnse zn Gott, daß er mich von mei­nen Leiden erlösen wolle. Fast stand ich im Begriff, mir das Leben zu nehmen ; aber neben dem Totenbette stand eineWiege, in welcher ein unschuldiges Wesen schlummerte; ich sagte mir, daß ich höhere Pflichten zu erfüllen hätte, und daß der gütige Himmel mir Kraft geben würde, ein neues Leben zu beginnen. Andererseits hatte Ich seit meiner Ankunft in Paris auch viele Freunde gewonnen, unter welchen ein Mann durch sein frei- wütiges, offenes Verhalten es besonders verstanden hatte, meine Sympathie zu gewinnen. Meine arme Bianka und ich fühlten uns stets heiter in seiner Gesellschaft; endlich war es >hm gelungen, daß ich seinen Vorschlägen Gehör lieh, und dem­gemäß beschloß ich, mich ans immer in Paris uiedcrznlassen."

Er batte mich glücklich gekannt, und kaum sah er, daß die Verzweiflung sich meiner bemächtige» wollte, als er zu mir zog und mich mit so vieler Liebe und Freundschaft überhäufte, daß ich dadurch wirklich wieder neuen Lebensmut gewann."

Und wie hieß dieser Mann?"

Bonrsault!" antwortete Fersen.Er schien sich so lebhaft >n meine unglückliche Lage zu versetzen, indem er jeden Schein de» Egoismus zu meiden suchte, daß ich tief davon gerührt war und in den Vorschlag willigte, mit ihm ein Geschäft zu be­gründen, welches sehr hohen Gewinn versprach.

Ich hatte niemals kaufmännische Geschäfte betrieben, in­dessen Boursault verstand sich auf alleS ; ich übertrug ihm daher die absolute Leitung. Nach Verlauf eines Jahres hatten wir schon das günstige Resultat, daß der Geivinn sich bei weitem hoher stellte, als wir anfangs erwarten konnten. Andererseits mute ich auch bald wieder Grund zu neuen Freuden haben. Mein Töchterchen, meine Bianka, ich hatte sie nach ihrer Mutter w taufen lassen, entwickelte sich mehr und mehr, es gab mir und Beruhigung, wenn ich in nieinen Mußestunden, welche meine Beschäftigungen mir vergönnten, bei ihr zubringen

Sv hätte ich nun den Umständen nach mich wiederum glück­lich gefühlt, wenn nicht schreckliche Umstände eingetreten wä­ren, die meine Zukunft zerstörten und mir jedenFriedeu rau­ben sollten."

Was geschah denn?" fragte Albert mit der größten Teil­nahme.

Als ich mich eines Abends allein in meinem Zimmer be­fand, und wie gewöhnlich mit meinein Kinde spielte, öffnete sich plötzlich die Tür, und Boursault trat herein. O, welch' eine Szene! Noch weilt sie in meinem Gedächtnisse, als wenn sie sich erst gestern zugetragen hätte. Auf den ersten Blick sah ich, daß Bonrsault sehr bewegt und von schweren Gedanken erfüllt war. Ich stand sofort auf und trat zu ihm."

Was ist vorgefallen?" fragte ich erschrocken.

Boursault schüttelte traurig den Kopf.Höre!" antwor­tete er,seit einigen Tagen bin ich von Gedanken bestürmt, welche ich Dir noch nicht habe Mitteilen wollen, ich muß offen mit Dir sprechen."

Hat Dich ein Unglück betroffen?"

Bonrsault drückte mir die Hand und setzte sich stillschwei­gend neben mich.Einer meiner Verwandte», der entfernt von hier lebte, ist gestorben; ich hielt ihn für reich, muß nun aber zu meinem Bedauern hören, daß seine Tochter wahr­scheinlich in das größte Elend sinken wird."

O, wenn nur Geld nötig ist ..."

Es bedarf noch einer anderen Hilfe."

WaS ist es?"

Das Mädchen ist jetzt etwa zwanzig Jahre alt und von strahlender Schönheit. Ich kann sie dort nicht allein lassen, unbeschützt und ohne jeglichen Halt. Andererseits kann ich sie auch nicht zn mir nehmen, da ich noch unverheiratet und zu jung bin Unter diesen Verhältnissen wollte ich Dich nun fragen, ob Du sie zu Dir nehmen wolltest, sie könnte ja teilweise die Erziehung Deines Kindes überwachen."

Dieser so plötzlich gemachte Vorschlag überraschte mich zuerst, ich wußte eS mir selbst nicht zn erklären, ich fühlte ein gewisses Unbehagen; indessen verdankte ich Boursault so viel, er hatte mir in meinem Unglücke so viel Güte erwiesen, daß ich ihm unmöglich seine Bitte abschlagen konnte. Ich willigte also ein, und nach vier Wochen fand seine Nichte, denn als

solche stellte erste mir vor, Aufnahme in meinem Hause. Ich muß gestehen, daß die Abneigung, welche ich zuerst gegen sie empfand, bald verschwand, es waren mir kaum einige Monate in der Gesellschaft des jungen Mädchens verflossen, als ich anfiiig, ihre Anwesenheit als ein wahres Glück zu betrach­ten, denn auch mein Kind schien es so lieb gewonnen zu ha­ben, als wenn es seine eigene Mutter wäre."

War dieses Laura?" fragte Albert hastig.

Ja, mein Herr. Sie war außerordentlich schön, mein Ge­schick führte mich an jenen Abgrund, vor welchem ich nicht mehr znrnckweichen konnte. Nach einem Jahre wurde ich Lau­ras Gatte, es schien mir das Glück abermals lächeln zu wol­len; schon Wiegteich mich in den schönsten Träumen. Aber wehe mir, wie schrecklich sollte das Erwachen sein!" Der Un­glückliche strich mit der Hand über die Stirn, gleichsam, als müßte er seine Gedanken sammeln.

Was trag sich zu?" fragte Albert, als er mit dem Stuhle näher rückte.

Zu meiner Bestürzung sollte ich erfahren, daß Laura mit ihrem früheren Geliebten noch im Einverständnisse war. und daß beide, Boursault und Laura, sich gegen mich verschworen hatten."

O, welche Schmach!" stammelte derjunge Mann.

Der Alte Pausierte einen Augenblick, um Atem zu schöpfen, sein Gesicht war bleich und in seinen Blicken leuchtete Groll und gerechter Haß. Er schien zu dem Hauptpunkte seiner Er- zählung gekommen zu sein, es war. als wem, Furcht und Scham ihn an der Fortsetzung seiner Berichte hinderte». All- mählich gelang es ihm, sich zu überwinden. 126,20

Nichts nichts," fuhr Fersen fort,ist dem furchtbaren Un­glück zu vergleichen, welches über mich kommen sollte! Sie müssen wissen, daß ich nach meiner Verheiratung das Schloß gepachtet hatte, das jetzt den Namen Bonrsault trägt und welches damals einem verarmten Edelmann gehörte. Wir hat­ten uns darin niedergelassen, als wenn wir unser ganzes Le­ben darin zubringen wollten. Bvursault, der ein leidenschaft- licher Jäger ist, fand hier die angenehmsten Zerstreuungen, er schien uns nicht verlassen zu wollen. Eines nachts, gequält von unüberwindlicher Schlaflosigkeit, wer weiß, vielleicht war «seine Warnung des Himmels, hatte ich mein Lager verlassen."