durchaus keine rosigen. Es ist auch ganz verblüffend, wenn man hier hie Zeitungen aus der Heimat, alle über einen Monat alt, liest, das klingt altes so einfach und verständig, und wenn man selbst mitten drin steht und sieht, mit welchen unglaublichen Schwierigkeiten hier alles verbunden ist, sieht, wie hier selbst vom gemeinen Mann eine kolossale Selbständigkeit verlangt wird, wo jeder wirkliche Entbehrungen Wochen- und monatelang als etwas Selbstverständliches ertragen must, wenn man sieht, wie die Lazarette, für 30 Mann eingerichtet, mit etwa 100 Mann belegt sind, denen es an der geeigneten Kost vollständig fehlt, und dann aus den kurzen Zeitungsnotizen so das Gefühl bekommt, dast die große Mehrzahl kaum ein Interesse daran nehmen kann und ini Grunde denkt, dast die Kolonie die Millionen, die der Scherz schon gekostet hat nnd noch kosten wird, niemals, wenigstens in absehbarer Zeit nicht, wird verzinsen können, so möchte man selbst beinahe dazu raten, die ganze Geschichte aufzugeben."
Der Landtag
seyre in seiner Sitzung am Donnerstag zunächst die Beratung des Art. 246 der Gemcindeordnung, durch welchen der Regierung gegenüber renitenten Gemeindeverwaltungen das Recht der Zwangsetatisierung eingeräumt wird, fort. Nach einer längeren Debatte wurde ein Antrag Liesching hiezu mit 46 gegen 24 Stimmen abgelehnt. Die folgeirden Artikel 247—251 wurden ohne erhebliche Erörterung angenommen. Ter Art. 251a, der bestimmt, daß die gefaulte Polizeivcrwalwng irr den Gemeinden der Aufsicht des Obera mts, in Stuttgart derjenigen der Stadtdirektion, vorbehaltlich einzelner im Gesetz ausdrücklich vorgesehener Fälle, unterliegt, wurde in der Kommissionsfassung mit einigen von den Abgg. Nieder und v. Kiene beantragten Abänderungen angenommen.
„Postkarte»" von der LandeSversammlnng der Polkspartei.
I.
/X Stuttgart 5. Jan.
Im neuen Ratskeller.
Tie Stuttgarter Parteifreunde haben Heuer den Parteigenossen aus dem Lande den schönen Keller des neuen imposanten Rathauses zeigen wollen und darum die Vor- abendversammlung in den Ratskeller cingeladen. Ter starke Andrang, der auf einen starken Besuch der eigentlichen Landesversammlung schließen ließ, bewirkte eine Temperatur, die man sonst in „Kellern" nicht zu suchen pflegt. „Im warmen Keiler sitz' ich hier," stimmt ein Weinbast übermütig an. Doch merkt man, daß er sich dabei ganz wohl fühlt. Warm war aber auch die Stimmung nach den herzlichen Begrüßungsworten des Prof. Hofmann. ConradHaustmann spricht gute Worte über Wert und Wirkung der parlamentarischen Arbeit, die in Württemberg zurzeit viel Kraft und Ausdauer erfordert. Tas streitsüchtige Gebühren des sozialdemokra--. tischen Organs und seiner Sendlinge kennzeichnete Redner mit eindrucksvollen Worten, dabei auf die skandalöse Art hinweisend, wie die Sozialdemokraten sich untereinander behandeln. Es herrscht nur eine Stimme: Taß in der Sozialdemokratie zurzeit einige Schrauben recht locker sein müssen. Lange hält die angeregte Stimmung die Freunde zusammen.
II.
6. Januar.
In der Liederhalle.
Weit über 1000 Menschen drängen sich wieder im großen Liederhallesaal, als im Anschluß an eine Landesausschußsitzung die Landesversammlung eröffnet und Reichstagsabg. Schweickhardt zum Vorsitzenden gewählt wird. Redakteur Wcllnrann-Frankfurt übcr- bringt die Grüße des engeren Landesausschusses der Deutschen Volkspartei. Im Uebrigen ist der Beginn der Landesversammlung des Schillerjahres dem Gedächtnis unseres großen Landsmannes Schiller, des Dichters der Freiheit und der Menschenrechte, gewidmet. Tr. Elsas hält eine vortreffliche Schillerrede, die eine weihevolle Stimmung schafft. Ter Partei- und Kassenbericht — letzterer durch Galler erstattet — lauten befriedigend
Tt«ttgarter Brief.
A4 Gtnttgorl, 7. Jan.
Nüchbrvck nc iure».
Mit offenen Armen und jubelndem Herzen haben wir nun das neue Jahr bewillkommt und jeder, selbst der ärmlichste und einfachste Glückwunsch! hat unserem Gemüt «ine frohe Minute bereitet. So ist ja der Mensch, jeden Wunsch sieht er eben gleich und- gerne als eine gewisse Berechtigung zu einer bestimmten Hoffnung an. Vielerorts ist das neue Jahr sogar mit Pauken, Trompeten und Toasten als Festjahr begrüßt worden, als das S ch i l l e r festjahr, das die Ehre und den Ruhm des schwäbischen Namens in dem einen unsterblichen Ver-- tretter wiede reinmal zu allen Sternen erheben würde. Aber ach, des Lebens so düstere Prosa tut auch schon wieder das Ihrige, um wie ein eisernes Fußgewicht die zum Himmel stürmende Sehnsucht gewaltsam' und zähe an die Erde zu fesseln. Wie war des neuen Jahres erster Anfang so unfreundlich und kränkettd!
Ich will nicht reden von des Kopses Wehen, Nicht sprechen von des Magens stillen Sorgen,
Tie vielen, ach, wer hätt's geahnet Beschieden waren am Neujahrsmorgen! —
Tas geht vorüber in gar wenig Stunden,
Viel schlimmer ist des Wetters grimme Tücke, Tie uns gar schauderhaft von Tag zu Tage Geschädigt hat an der Gesundheit Glücke. Sibirisch war am ersten Tag die Kälte Mit einem Schlag erstarrt die Welt im Eise Am zweiten Tage kam dann Schnee in Massen, Erschwerend jede Kuß- und Wagenreise; —
und zeugen von Interesse und Regsamkeit. Eine energische Demonstration für die Abschaffung der Ersten Kammer konnte, wie der Referent Elsas bemerkte, die von der „Tagwacht" anwesenden Herren davon überzeugen, daß sich nicht ein württembergischer Demokrat findet, der nicht mit allem Nachdruck die Beseitigung der Standes- herrenkammer anstrebt. Lebhabte Stimmung löste eine Ansprache des Vorstandes der Jungdemokraten, des Stadtgeometers Ke rcher aus. Redner setzt gewandt und packend die jungdemokratischen Bestrebungen, die fick) mit den Bestrebungen der Volkspartei decken, auseinander. Abg. Schmidt giebt eine Skizze der politischen Lage in Württemberg. Eine üarauf einstimmig beschlossene Resolution drückt die Verfassungswünsche der Versammlung und den Tank an die Abgeordneten der Partei für ihre Bemühungen in dieser Angelegenheit aus. Landtagsabgeordneter Liesching giebt ein anschauliches Bild der Beratungen der Gemeindeordnung und ihrer voraussichtlichen G. stalt. Auch dieser Redner muß Gelegenheit nehmen, die widerspruchsvolle und recht unverständliche Haltung der Sozialdemokratie zu kennzeichnen. Kammerpräsident Payer zeichnet in bekannt meisterhafter Rede ein naturgetreues Bild der Zustände im Reich, die immer unhaltbarer werdet:. Wir kommen auf diese wie auf die anderen Reden, die alle mit stürmischetil Beifall ausgenommen wurden, zurück. Tas aber sei noch sogleich ausgesprochen, daß auch die heurige Landesversammlung wieder die alte Lebenskraft und den bewährten Lebensmut der Demokratie überzeugend bewiesen und die Freunde im Lande wieder gestärkt und erfrischt hat für die politische Arbeit.
III.
Das Mittagsmahl.
Alles hat ordentlichen Appetit als nach Erledigung der umfang- und inhaltsreichen Tagesordnung um 3 Uhr endlich das gemeinsame Mittagsmahl unter Beteiligung von vielen Hunderten beginnt. Tie Reihe der Toaste eröffnet« der Vorsitzende Schweickhardt mit einem Hoch auf ein freies deutsches Vaterland. In einer geistvollen Tischrede würdigt Conrad Haußmann die fortschreitende demokratische Entwicklung in Rußland, Frankreich und Deutschland, Was die Sozialdemokratie au guten Ideen aufzuweisen hat, das sind die alten Forderungen der Demokratie. Was sie dazu tut, ist gefährlich für die Sozialdemokratie selbst. Doch wir wollen mildernde Umstände gelten lassen, denn die Sozialdemokratie ist gegenwärtig krank — sie leidet an Gallensteinen. Wir sind bereit, mit der „roten" Sozialdemokratie gemeinsam voranzuschreiten, wir lehnen es aber ab, mit der „gelben" Sozialdemokratie gemeinsame Sache zu machen. Ter vortreffliche Trinkspruch Hauß- manns klingt aus in einem Hoch auf die demokratische bürgerliche Gesellschaft. Mayer-Ebingen feierte die treue Zusammenarbeit zwischen Alt- und Jungdemokraten
D*. Wilhelm von Breitli«.
der württemb. Ministerpräsident, der am 4. Januar seinen 70. Geburtstag feierte.
und Hau n i-Biberach überbringt die Grüße der Freunde aus dem Oberland, versichernd, daß trotz der dortigen Zentrumsvorherrschaft die Volkspartei mit ungebrochenem Mute auf dem Plane stehe.
vom oft asiatische« Krieg.
Port Arthur ein Trümmerhaufen.
Ter Befehlshaber des letzten russischen Dampfers, der Port Arthur Montag verließ, berichtet nach einer Tschifuer Meldung, daß die letzten beiden Tage vor der Übergabe kein Schuß abgefeuert wurde. Ter Pulverlärm, der vernommen wurde, rührte davon her, daß die Russen die Forts, Schisse, Lagerhäuser und die Docks in die Luft sprengten. Tie Zerstörung der Kriegsschiffe war ein mühevolles Werk. Es mußten mehrere Explosioneu hervorgerufeu werden, um die Vernichtung zu vollenden. Tie „Sewastopol" zersprang, nachdem sie in Brand geraten war, und schlug dann um. Tie Hafeneinfahrt ist durch die gesunkenen Schiffe gesperrt. Es ist nur ein kleines Häuflein völlig erschöpfter Mannschaften, die sich ergeben, und nur eine Wüste zerstreuter Trümmer fällt den Japanern in die Hände. Von den schönen öffentlichen Bauten irr Port Arthur ist nichts mehr übrig.
*
Gesang e n
wurde» in Port Arthur nach japanischen Angaben: 8 Generale, 4 Admirale, 57 Obersten und Majore, 100 Schiffskapitäne bezw. Kommandanten, 531 Hauptleute und Leutnants des Landheeres, 200 Schiffsleutnants und Marinebeamte, 90 Heercsbeamte, 109 Stabsärzte, 20 Kapitäne, 22 434 Unteroffiziere u. Gemeine, 4560 Marine- manuschastm, 3645 Nichtkombattantm des Landheeres und 500 solche von der Marine, insgesamt 32 207 Personen. Die Freiwilligen sind in der Mehrzahl bei den Nichtkombattanten mit eingeschlossen. Außerdem befinden sich 15 bis 16 000 Kranke und Verwundete in den Hospitälern. An Pferden wurden 100 Sattelpferde und 1870 Zugpferde übergeben.
»
Dein Bureau Reuter wird aus Tschifu gemeldet, Stöffel wollte noch an: 1. Januar kämpfen. Seine Wunden hatten ihn etwas belästigt, aber seine Entschlossenheit zu kämpfen, solange noch ein Mann am Leben sei, blieb fest. Seine Generale sagten: Wir können nicht kämpfen, unsere Leute können sich nicht rühren, sie schlafen ini Stehen, sie sehen nicht, wenn ein Bajonett an ihrer Brust ist. Wir können befehlen, aber sie können nicht gehorchet:. „Tann kämpft Ihr Generale", rief Stöffel, oie Fäuste ballenc». Admiral Wiren und die Generale Smir- now, Fock und viele andere rieten zum Teil mit gebrochener Stimme zur Ue Vergabe, »vorauf Stöffel nachgab. Ten größten Verlust erlitt Port Arthur vor 14 Tagen, als General Kondratenko getötet wurde. Als sein Tod bekannt wurde, sank der Mut der Soldaten sichtlich. Kon- dratenko saß in einer Kasematte und sprach mit sieben Offizieren über die beste Methode des Kontreminierens gegen die Japaner, als plötzlich ein elfzölliges Geschoß explodierte und alle tötete. Vor drei Monaten war ein japanischer Prinz gelötet worden und Parlamentäre kamen, um seine Leiche zu suchen. Sie wurden von den Russen höflich empfangen und erhielten die letzte Flasche Bier ruhig vorgesetzt, um den Eindruck zu erwecken, es sei noch genug vorhanden. In Wirklichkeit hatte die Garnison drei Monate lang nur Reis gegessen, wodurch Hunderte an einer skobbutartigen Krankheit erkrankt waren.
Ter Berichterstatter des Reuter'schen Bureaus vor Port Arthur meldet vom 3. ds.: Tie ganze Garni- s o n und alle Nichtkonibattanten werden morgen aus der Stadt nach dem Dorfe Japutywie, nahe der Küste an der Taubenbucht ausmarschieren. Von diesem Ort werden die Offiziere nach Talny gebracht, von wo sie hinbefördert werden, wohin sie wünschen. Tie Kriegsgefangenen werden so lange in der russischen Kaserne im Torfe bleiben, bis sie nach Talny und von dort nach Japan gebracht werden können.
Reuters Bureau erfährt: Tie in russischen Blättern verbreitete Meldung, wonach britische Kriegsschiffe den Geschwadern der baltischen Flotte Nachfahren, ist
Am dritten Tage Regen, warnte Winde,
In Schmutz verwandelnd alle Weg' und Stege,
In Wasscrrinnen alle Bürgersteige
Von allen hohen Dächern tropft es träge. —
Und im Gefolge schlimmer Husten, Schnupfen Und Kinderkrankheit, Scharlach, Flecken, Fieber Und der erst klare, stolze, schölte Himmel Wird alle Tage traurig, düstrer, trüber.
Gar glücklich kann sich preisen, wem da plötzlich Nicht auch beschert noch wurde Hauszinssteigerung; In solchen schlechtenZi iten bleibt nichts andres übrig Für dieses Fordern, als die strikte Weigerung! —
Tann spricht die Wohnungsnot ihr ernstes Wort Und Umzugsfreuden blüh'n dem Mann, dem
armen!
Ist da die Jahreswende noch ein Segen?
Fühlt jedes Herz nicht da gelind Erbarmen? —
Doch bitt' ich Euch, laßt nicht all Hoffnung sinken. Vielleicht gestaltet altes sich! aufs Beste!
Und reichts im neuen Jahr zu keinem Anzug, Tann reichts ganz sicher doch — zu einer Weste!
Japanischer Geisterglaube.
Bei der Gelegenheit einer Gedächtnisfeier, die in Tokio für die Offiziere und Mannschaften der Flotte gehalten wurde, die bei dem Kampf um Port Arthur geblieben sind, redete Admiral Togo die Geister seiner Kamcraden in einer Weise an, die in Europa merkwürdig berühren wird. Er stattete ihnen sozusagen Bericht ab und sagte Folgendes: „Wenn ich vor euren Güstern stehe, so fällt es mir schwer, meinen Ge. >
fühlen Ausdruck zu geben Eure Persönlichkeit ist mir noch frisch im Gedächtnis. Eure körperliche Existenz Hai aufgehört, aber Ihr seid aus der Welt geschieden in tapferer Erfüllung Eurer Pflicht, und infolgedessen ist die Flotte deS Feindes auf dieser Seite des Erdballs vollkommen unbrauchbar gemacht worden Unsere verünten Flotten blieben in unbestrittenem Besitz der See. Ich bin überzeugt, daß diese Nachricht Euch Geistern Ruhe und Frieden bringen wird. ES ist meine angenehme Pflicht, die Gelegenheit meiner Gegenwart in der Hauptstadt wahrzunehmen, wohin mich der Kaiser gerufen hat, um den Geistern derjenigen, die ihre Existenz für eine so große Sache opferten unsere Erfolge zu melden. Diesen Bericht statte ich hiemst in aller Demut in eigener Person ab Heihatschiro Togo, Admiral der vereinigten Flotten "
Woher hat Port Arthur seinen Namen?
Das am 8. Dezember 1857 von der englisch-französischen Kriegsflotte ausgeführte Bombardement von Kanion eröffnte den Krieg Englands und Frankreichs geaen China, der bis 1860 währte. Während dieser Wirren in Ostasien ge,chah es, daß das englische Kanonenboot „Alg er ine" als erste« fremdes Kriegsschiff in die treffliche Bucht an der Spitze der Halbinsel Liaotung einlief und dort die englische Flagge hißte Der Kommandant des engl. Schiffes. daS die Bucht besetzte, hieß W. Arthur, nnd nach ihm erhielt der Hafenpl rtz seinen heutigen Namen. Später mußte die englische Flagge eingezogen und der Platz s.inem rechtmäßigen Besitzer, China, zuiückgcgeben werden, abe. der Name Port-Arth ur wurde bis auf unsere Tage beibehalten.