von 12 Mark aus dem Staube. Unter dem Sofa im Bureau fand man ein Rasiermesser und einen Prügel. Von dem Mörder selbst Hai man bis jetzt noch keine Spur.
Tübingen, 6. Dezember. Bei der Bürausschußwahl ging der Zettel der Deutschen Partei vollständig durch. Abgestimmt haben von 1431 Wahlberechtigten 689.
Aus Hohenzollern, 7. Dezember. Das Schwurgericht in Hechingen verhandelte heute die Anklagesache gegen den Fabrikarbeiter Wilhelm Walter von Grosselfingen, der in der Nacht vom 9. auf 10. Oktober den Fabrikar- beiter Martin Seifert von dort vorsätzlich tötete. Der erste Staatsanwalt geiselte das rohe Ver- fahren des Angeklagten aufs schärfste, nachdem die Mehrzahl der Zeugen zu Ungunsten des Angeklagten und zu Gunsten des Getöteten ausgejagt hatten. Die Geschworenen billigten, der Tübinger Chronik zufolge, dem Unhold mildernde Umstände zu, sodaß nur auf 5 Jahre Gefängnis, 5jährigen Ehrverlust und Kostentragung erkannt wurde.
Ravensburg, 6. Dezember. Zur Bürgerausschußwahl haben Volkspartei, Sozialdemokratie und Deutsche Partei gemeinsam eine Kandidatenliste aufgestellt. Das Zentrum eine besondere
Sigmaringen, 6. Dezember. Heute morgen fand die Beisetzung des Prinzen Fried- rich von Hohenzollern statt. Der Feier wohnten bei der deutsche Kronprinz, der Fürst von Hohenzollern, der Erbprinz von Hohenzollern, die Prinzessin Witwe Friedrich von Hohenzollern, Prinz Ferdinand von Rumänien, die Gräfin von Flandern, die Königin Witwe von Sachsen, die Prinzessin Karl von Hohenzollern, der Kronprinz und die Kronprinzessin von Belgien, die Herzöge Joseph und Siegfried in Bayern, Prinz Arnulf von Bayern, die Großherzogin und der Erbgroßherzog von Baden, die Herzogin und Prinz Eduard von Anhalt, der Fürst und die Fürstin von Thurn und Taxis, der Herzog von Vendome, Prinz Miguel von Braganza, der kommandierende General v. Bülow und viele Vertreter der regierenden Häuser und der Armee. Der Kaiser, der König von Rumänien, Prinzregent Luitpold von Bayern und die übrigen Fürstlichkeiten und deren Vertreter hatten prachtvolle Kränze gespendet.
Enterbt.
Roman.
Nach dem englischen frei bearbeitet von Klara Rheinau.
25 ) Nachdruck verboten.
Zum ersten Male seit dem Tode ihres Vaters begab sich Vivien dieses Jahr in Begleitung Lady Smeaton's und deren Töchter nach London. Hier traf sie mit Lord St. Just zusammen, dessen Erstaunen sofort in Entzücken überging.
„Wenn ich Sie nur begreifen könnte !" sagte er eines Tages zu ihr. „Sie sind mir ein Rätsel, Vivien. Aber wissen Sie, ich fange an zu glauben, daß Sie doch noch einwilligen, meine Gattin zu werden."
„Versuchen Sie es mit mir," sagte sie lächelnd und errötend.
„Sie wollen?" fragte er. „O, Vivien, kann es denn möglich sein, daß Sie mich wirklich glücklich machen wollen? Sie waren so kalt, so grausam gegen mich — ich kann es noch kaum glauben."
Sie reichte ihm beide Hände und blickte ernst zu ihm auf.
„Endlich sind Sie zur Vernunft gekommen, Vivien," sagte er; „ich muß gestehen, Ihr sonderbares Benehmen befremdete mich oft."
Im Juni fanden die Hochzeitsfeierlichkeiten statt und die Zeitungen brachten ausführliche Berichte darüber. Auch einem einsamen, verlassenen Manne in Amerika fielen diese Blätter in die Hände, und er beugte sein Haupt und brach in bittere Tränen aus.
„So wird sie endlich glücklich werden," sagte Gerald Dorman, „während' ich nie erfahren werde, was glücklich sein heißt."
27. Kapitel.
. „Glücklich vermählt!" Als die Glocken an ihrem Hochzeitstage läuteten, schien es Lady St.
Tages-Nachrichten.
Baden-Baden, 6. Dezember. Der Erbprinz und die Erbprinzessinn von Meinigen haben heute abend 7 Uhr 43 Minuten unsere Stadt nach sechswöchentlichentlichem Kurgebrauch wieder verlassen. — In der heute vormittag stattgefundenen Sitzung des Bürgeransschusses wurde ein Antrag des Stadtrats betreffend Aufnahme eines neuen Anlehens im Betrage von 3'/r Millionen Mark mit allen gegen eine Stimme angenommen.
Offenburg, 6. Dezember In Willstätt hat sich eine Automobil-Gesellschaft gebildet, welche vom 1. Januar ab einen regelmäßigen Personenverkehr zwischen Offenburg und Kehl (an Sonntagen auch bis Straßburg zur Ermöglichung des Theaterbesuches) vermitteln soll. Wie die „M. Nchr." erfahren, wurde der Betrag von 24,000 Mk. gezeichnet.
Heidelberg, 5. Dez. Auf dem Friedhofe zu Neckargemünd wurde lt, „Hdlb. Tgbl." in einer Schachtel verhüllt die Leiche eines Kindes aufgefunden. Die Mutter ist noch unbekannt.
Lu-wigshafen, 5. Dez. In den Stadt- rat wurden gewählt 3 Nationalliberale, 4 Zen- trumsleute, 11 Sozialdemokraten und 8 Unabhängige.
Radolfzell, 6. Dezember. Ein schweres Eisenbahnunglück ereignete sich heute morgen bei der Einfahrt des Zuges 1627 in den Bahnhof Singen. Drei Arbeiter, welche bei einer Weiche beschäftigt waren und infolge des herrschenden SüdweststurmeS den herannahenden Zug nicht bemerkten, wurden überfahren und alle drei getötet. Die Verunglückten heißen Julius Gnädig, Sebastian Keller und Adolf Bensinger.
Mannheim, 5. Dez. Mit der Errichtung eines zoologischen Gartens in unserer Stadt wird es jetzt Ernst. Es geht soeben ein Aufruf an die gesamte Einwohnerschaft zwecks Gründung einer Gesellschaft, welche über die Mittel und Wege zur Errichtung des vorgesteckten Zieles zu beraten und zu beschließen hat. Als Terrain kommt der längs des Rheins sich hinziehende Neckarauer Wald am meisten in Betracht.
Paris, 6. Dezember. Im Justizpalaste sprach heute eine Frau in mittleren Jahren vor und wollte zu dem Generalprokurator geführt werden. Man machte ihr begreiflich, daß dies nicht möglich sei, und wies sie an den
Just, als sei nun aller Kummer für sie zu
Ende.
Dann kam Nachricht von Paris — Mylady hatte schließlich doch den Comte de Calloux geheiratet und sandte ihre Vermählungsanzeige an Lady St. Just. Lord St. Just wünschte, daß seine Gattin diese ignoriere und konnte nicht begreifen, warum sie dieser Frau, die sie doch verabscheute, wie er wußte, ein kostbares Hochzeitsgeschenk übersandte. Aber Vivien betrachtete es als eine kleine Vergütung für das, was sie ihrem Sohne geraubt.
Vivien fühlte sich wunderbar glücklich und es gab Zeiten, wo sie in Demut ihr Haupt neigte und sich selbst gestand, sie habe ein solches Glück nicht verdient.
Dann wurde ein Sohn und Erbe geboren — der Erbe von King's Rest und seines Vaters Titel.
Noch ein Sohn wurde Vivien geschenkt und nun war ihr Glück vollständig.
„Dieser Kleine soll ein Neßlie werden," sagte Lord St. Just. „Wir wollen ihn nach Deinem Vater Arthur nennen und er soll Lancewood als Erbe haben."
Viviens zweiter Sohn, Arthur Neßlie, der zukünftige Herr von Lancewood, war ein schöner starker Knabe, er glich ganz den Neßlies, auch die prachtvollen dunklen Augen waren wie die seiner Mutter.
In langen Zwischenräumen erhielt sie Nachricht von Gerald und seine Briefe waren so traurig, daß sie noch tagelang darüber betrübt war; in allen sprach Gerald zum Schluß die offnung aus, daß er sie vor seinem Tode in ngland Wiedersehen würde.
Lord St. Just hatte stets darauf gehalten, die Saison in London zuzubringen» woselbst er ein prachtvolles Haus besaß.
An einem schönen Maimorgen stand Vivien in dem Frühstückszimmer von Herton House und wartete auf Lord St. Just.
Er betrat bald darauf das Zimmer, als der
Sekretär der Staatsanwaltschaft beim Kassan-ns- hofe. Als er ihr erklärte, die unenb- i lche Rechtsprechung könne ihr nicht gewährt -den, feuerte sie drei Revolvrrschüsse aus ihn a >, von denen einer ihn streifte und zwei in die Lecke gingen.
Luxemburg, 7. Dezember. Eine -hxben zusammengetretene Aktiengesellschaft beabsichtigt die Errichtung großer Spielsäle in Luxeinburg, wie sie in Monte Carlo bestehen. Die Angelegenheit beschäftigt den Gemeinderat unn die Kammer der nächsten Sitzung.
Magdeburg, 7. Dezember. Bei der Reichstagsersatzwahl in Jerichow l und il wurden bis jetzt gezählt für Rittergutsbesitzer v. Brauchitsch (konservativ) 3416, Legationsrat v. Rath (nationalliberal) 2876, Rechtsanwalt Dr. Wohlfahrt (Antisemit) 1605, Lehrer M n ten (Freisinnige Volkspartei) 4399 und Stadtrat Voigt (Sozialdemokrat) 5289 Stimmen. Stichwahl zwischen beiden letzteren. Das Mandat hatte der verstorbene Fürst Herbert Bismark inne.
Schlettstadt, 5. Dez. Das 8chJährige Töchterchen des Schuldieners Wilhelm vom hiesigen Gymnasium wurde heute morgen tot hinter der städtischen Sägemühle aufgesunden. Der Leichnam war der „St. P." zufolge in einem schrecklichen Zustand, so daß der herbeigerufene Vater das Kind kaum erkannte. Man scheint dem Mörder bereits auf der Landstraße im Jll- walde, an der Hand eines Mannes geführt, begegneten.
Berlin, 6. Dezember. Die Leiche des Landgerichtsrats Paul Hoffmann, der mehrere Tage vermißt worden war, wurde heute vormittag aus dem Landwehrkanal geländet. Es scheint ein Unglücksfall vorzuliegen.
Berlin, 6. Dezember. Die Kaiserin, welche bei der Pflege der an Influenza erkrankten Prinzessin Luise ebenfalls von Influenza befallen war und zeitweilig das Bett hüten mußte, befindet sich, ebenso wie die Prinzessin auf dem Wege der Besserung.
Berlin, 6. Dezember. Aus Rom wird gemeldet : Prinz Albrecht von Preußen begab sich von der Gesandtschaft beim Heiligen Stuhle nach dem Vatikan, um dem Papste einen Besuch abzustatten. Die Audienz währte eins Viertelstunde, wobei sich der Papst in herzlichster Weise mit dem Prinzen unterhielt. Vorher
Lakai die Posttasche brachte.
„Lege sie hierher," sagte Lord St. Just und wandte sich dann lachend zu seiner Gemahlin. „Ich muß es immer bedauern, daß die Briese gerade um die Frühstückszeit ankommen," sagte er, „eine unangenehme Nachricht ist meistens darunter und diese verdirbt die übrigen."
Vivien hatte ganz auf den Brief vergessen, welcher an sie gerichtet war, und erst als der Diener kam, um den Tisch abzuräumen, wurde sie wieder daran erinnert.
„Ah, mein Bettelbrief," dachte sie, „denn ein solcher ist es ohne Zweifel. Nun, will ich sehen, wer in Not ist."
„Wollen Sie sogleich zu mir kommen," lautete derselbe, „Lady St. Just? Meine Ende ist nahe, aber ich kann nicht sterben, ehe ich Sie gesehen habe. Kommen Sie allein — ich habe Ihnen etwas zu sagen. Zögern Sie nicht — kommen Sie noch heute zu Ihrem ergebenen
Gerald Dorman."
Also er war in London — war von Amerika zurückgekehrt!
Was konnte er ihr zu sagen haben? Was sollte sie noch fürchten?
„Ich will sogleich zu ihm gehen," sagte sie und erhob sich rasch, mußte sich aber wieder niedersetzen, denn sie zitterte wie Espenlaub.
Lady St. Just bestieg den Fiaker und gab dem Kutscher die Adresse; dann wandte sie sich zu ihrer Zofe.
„Ich kann Dir jetzt sagen, wohin ich gehe, Joan," sagte sie. „Herr Dorman liegt am Sterben und hat nach mir geschickt."
Es war ein großes, respektabel aussehendeS Haus, vor dem nach kurzer Zeit die Droschke anhielt.
.Joan läutete an der Türe, und ein Dienstmädchen erschien und blickte verwundert auf Lady St. Just. Vivien hatte sich so einfach als möglich gekleidet, aber sie konnte ihre impochute Figur, ihre edlen, schönen Züge nichi ganz verbergen. Das Mädchen starrte die ungewohnt?