Tokio, 15. Juli. Die Nachricht, die in Europa verbreitet ist, daß während eines nächt­lichen Angriffs am 11. Juli auf Port Arthur die Japaner mit einem Verlust von 30 000 Mann zurückgeschlagen worden seien, entbehrt jeder Begründung, da, abgesehen von kleinen Vorpostengsfechte'n, überhaupt kein ernstlicher Angriff ans die russischen Stellungen an jenem Tage gemacht worden war.

Berlin, 18 Juli. In Petersburg ist von der deutschen Regierung wegen Beschlagnahme von Postsäcken des deutschen Postdampfers Prinz Heinrich" energischer Protest erhoben und schleunige Remedur verlangt worden. Wie dieNationalztg." hört, liegt dem Protest die Tatsache zu Grunde, daß der russische Hilfs­kreuzerSmolenk" sich nicht auf eine für Kriegs­schiffe auch nach deutschen Begriffen völker­rechtlich zulässige Durchsuchung beschränkte, son­dern die deutsche Post an Bord nahm.

Die Maßregelung des Großfürsten Boris.

Von gut unterrichteter Seite wird dem Berliner Tageblatt folgender Kommentar zu der auffälligen Meldung von der Verbannung des Großfürsten Boris nach Archangel mitgeteilt: Als der Großfürst im Hauptquartier zu Mul­den ankam, stellte sich heraus, daß er einen ganzen Harem mitgebracht hatte. Kuropatkin Pellte ihn deshalb zur Rede und erklärte:Ich mache Euer Hoheit darauf aufmerksam, daß ich ein solches Treiben im Lager der russischen Armee nicht dulden kann!" Er forderte sodann den Großfürsten aus, dieDamen" sofort wieder zurückzuschicken.Was füllt Ihnen ein, Ex­zellenz", erwiderte der Großfürst,Wissen Sie Nicht, wen Sie vor sich haben?"Allerdings Hoheit", antwortete Kuropatkin,Sie sind der Leutnant im Garde-Husaren-Regiment Großfürst Boris Wladimirowitsch und ich bin Höchst­kommandierender der russischen Armee und be­fehle Ihnen, sofort die Damen aus dem Lager zu entfernen!" In großer Erregung zog der -Großfürst darauf den Säbel und verletzte damit den General and der Nase. Die Nachricht von diesem skandalösen Vorfall gelangte sofort nach Petersburg, die Abberufung des Großfürsten Ivar die Folge.

Unruhen in Deutsch-SudweftafrUa.

500 Buren, frühere Kap-Rebellen, sind, wie englische Blätter zu berichten wissen, von Deutschland angeworben worden, um sich an dem Kampfe gegen die Hereros zu beteiligen. An ihrer Spitze soll General Marry stehen. Auch Andreas Dewet und Kommandant Brus- minelen sollen in deutsche Dienste treten. Die Buren sollen darauf bedacht sein,2 mit Deutsch­land gute Beziehungen zu unterhalten.

Der Gouverneur von Südwestafrika, Oberst Leutwein hat nach derGermania" kürzlich dem Hauptmann a. D. v. Perbandt geschrieben, daß die Herero keinj.Pardon wollen und daß dieser Krieg noch zweijJahre dauern wird. Schöne Aussichten!

Verschiedenes.

Die nächste» internationalen Aus­stellungen. Eine internationale Industrie- Ausstellung wird im November d. I. in Kap­stadt eröffnet werden und ein Vierteljahr lang zusammenbleiben. Die Regierung der Kapkolonie beabsichtigt eine Gesamtausstellung der Erzeug­nisse des Gebiets. Besondere Preise sind von der Regierung ausgesetzt für leichte Lokomotiven, Motorwagen und andere Maschinen. Der Zoll für Ausstellungsgegenstände wird bei der Wiederausfuhr zurückerstattet werden. Die internationale Ausstellung in Lüttich, die im nächsten Jahre statifinden wird, hat eine Fläche von etwa 35 000 Quadratmeter der Abteilung für Maschinen, Kessel, Gaserzeuger und Eisen­bahnwagen zur Verfügung gestellt. Von diesem Raum sind etwa zwei Drittel an Belgien ge­geben, an zweiter Stelle steht Deutschland mit etwa einem Sechstel, dann folgt Frankreich mit etwa ebensoviel, während England und die Vereinigten Staaten nur kleinere Flächen be­legt haben. Das Gesamtareal soll um 9 v. H. größer sein, als das der entsprechenden Abtei­lungen in der Düsseldorfer Ausstellung von 1902.

Die Japaner im Monde. Ein eng lischer Reisender, der unlängst von einem Besuche Rußlands zurückgekehrt ist, erzählt die folgende amüsante Anekdote, der man die Bezeichnung, bübsch erfunden zu sein, schwerlich versagen

kann: Bei meiner Reise kam ich eines Tages durch ein Dorf, und der Weg führte nach an einer Schießbude vorbei, vor der ein Häuflein Bauern stand, die begierig darauf warteten, an die Reihe zu kommen. Einer der Männer hatte sich eine Flinte geliehen und stützte diese auf eine in einen Baumstamm gespießte Heu­gabel. Als Zielscheibe hatte er sich den Mond erwählt und sobald der Schuß abgefeuert war, ertönte in der Schießbude eine Glocke und der schrille Schrei des Besitzers:Du hast getroffen!» Andere Schützen folgten, und jedesmal wieder­holte sich der Vorgang in der Schießbude. Halb amüsiert, halb erstaunt, erkundigte ich mich bei einem der Männer, was das Schießen zu be­deuten^ haben. Er antwortete, wobei er auf den Budenbesitzer -endete:Unser Freund sagt, daß der Mann im Monde ein Japaner (Makak) sei und daß bei jedem Treffschuffe zehn Japaner auf Erden von dem Teufel mit Beschlag belegt würden. Da wir den Makak im Monde bereits 80mal getroffen, gibt es auf der Erde jetzt 800 Japaner weniger."

Fronen im Postdienst früherer Zeiten.

Wir lesen in der Wiener Monatsschrift Neues Frauenleben: Der weibliche Postbeamte ist durchaus keine Errungenschaft unserer Zeit. Schon im 18. Jahrhundert wurden Frauen im Postdienst angestellt. Im Archiv des Reichs- postmuseums finden sich die Bestätigung zweier Postverwalterinnen aus den Jahren 1744 und 1748, eigenhändig ausgestellt vom Fürsten Ale­xander Ferdinand von Thurn und Taxis. Eine dritte Urkunde von 1779 bestätigt die Ernennung einer Frau zur Posthalterin in Warendorf. Sehr interessant sind auch die Bilder einiger weiblichen Postbeamten. Marianne, genannt dieZoppoter Schnellpost", besorgte zweiunddreißig Jahre den Postverkehr zwischen Zoppot und Danzig. Sie hätte ihn wahrscheinlich noch länger besorgt, aber abergläubische Bauern erschlugen sie im Walde. DieRagniter Schnellpost", Marie Zwicklinsky, hatte von 1823 bis 1868, also fünfundvierzig Tahre lang, den Postdienst zwischen Ragnit und Tilsit. Dreiunddreißig Jahre lang arbeitete die Witwe Hammerstein zwischen Wald und Elber­feld. Gesund scheint also der Schnellpostdienst der Frauen aus alle Fälle gewesen zu sein.

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Aber Wladimir wehrte in mit der Hand ab:Nicht doch, Exzellenz, später, später!" Damit war er hinaus.

Jetzt entwickelte der General eine fieberhafte Tätigkeit, verbrannte Papiere im Kamin, schrieb einen Zettel, holte dann ein Doppelpistol herbei, lud es sorgfältig mit Kugeln, legte den Zettel auf den Tisch und ging mit der Waffe in sein Schlafzimmer.

Noch einmal kehrte er zurück und rang die Hände, indem er murmelte:Jetzt leben zu können, sich in der Liebe zweier treuen Seelen sonnen zu können, welche Wonne! Ist denn kein Ausweg?"

Er blickte in den Park hinein, seufzte schwer auf und schritt wieder ins Schlafgemach.

Da dröhnte ein Knall durchs Schloß. Su- schu stürzte ins Zimmer und schrie laut auf.

Da standen sie auch schon, Nadine und Wladimir.

Letzterer griff nach dem Zettel und las:

Es ist für mich keine Rettung da, der Tod enthebt mich jeder Verantwortung. Nadine, höre ans die Stimme unseres Freundes. Ver­brennt dieses Schriftstück."

Nadine kniete bei dem toten Vater im

- >, > ^ . , .Schlafzimmer. Wladimir trat zu ihr, die

Sie wollen mich den Kosaken nicht über- tränenlos klagte und zeigte ihr die letzten Worte

des Generals. Sie las dieselben und verbrannte das Papier über dem noch brennenden Licht.

Als vierundzwanzig Stunden später ein Kvsakenhetman mit einer Kapitka erschien, den General zu verhaften, führte ihn Wladimir an die Leiche.

Der Offizier wendete sich ab und sagte: Mein Befehl betraf nur den Lebenden, über Tote habe ich kein Recht."

Er schritt klirrend die Treppe hinab, bestieg sein Roß, gab seine Befehle, und der Trupp zog ebenso leise ab, wie er gekommen.

Sulkowsky wurde in aller Stille beigesetzt.

*

O, besäße ich die Vergebung der Aermsten, welche ich so elend machte! Wüßte ich sie ver- -söhnt, ob meiner Schändlichkeit!"

Bewegt war Wladimir aufgesprungen.

Exzellenz," sagte er schwer atmend, darf'Sie dieser Vergebung versichern!"

Des Generals Augen erweiterten sich.

Sie?" sagte er erschrecken.

Ja, ich!" gab Wladimir zurück.Irmas Mann, Paul Engelbrecht, war mein Vater, und sein Bruder Stephan mein Onkel. Ich kam hierher, um diese Tat an Ihnen zu rächen."

Sulkowsky sah ihn verstört an und sank dann mit lautem Stöhnen auf dem Sopha Nieder.

Aber," fuhr Wladimir fort,meine Mutter hat Ihnen verziehen, ich selbst habe Ihnen ver­geben; ich bin gerächt."

Und ich gerichtet!" schrie Sulkowsky auf.Wohin hat mich der Ehrgeiz gebracht? Du sollst nicht andere Götter haben neben mir."

Hier trat Wladimir zu ihm und sagte: Nun ist's genug. Exzellenz; rüsten Sie sich zur Flucht."

Sulkowsky sprang auf:Wie," fragte er erstaunt,Sie beschäftigen sich mit meiner Ret­tung?

geben, wenn die Kabitka auf den Hof fährt?"

Ich? Der Himmel bewahre mich! Es ist alles vergessen. Retten Sie sich, Exzellenz."

Aber der General erhob staunend die Hände: Verdiene ich das? O mein Himmel, o heiliger Demetrius, mein Schutzpatron, verdiene ich so­viel Liebe von meinem Kinde, von diesem Fremden?"

Aber Wladimir forderte ihn auf:Trinken Sie, stärken Sie sich und dann fort!"

Sulkowsky blickte starr ins Leere und er- rviederte:Ja Sie haben recht; ich muß an die Reise denken. Lassen Sie mich allein. Doch halt, ich muß Ihnen doch danken, Sie edler, lieber Mensch."

«SS»--

Du armes Heiz, »ein Ichiecklich Ringen Wird Dir nicht Lnst nach Segen bringen; Ban Wüstenlandschait ring« umgeben, Machst Du zur Höste Dir das Leben.

Die weitere Untersuchung gegen den General war niedergeschlagen worden. Die Wertsachen hatte Wladimir Engelbrecht versteigern lassen, er selbst mit Suschu und Nadine in einem Warschauer Gasthaus Wohnung genommen. Hier ließ Nadine am folgenden Tage Wladimir zu einer Unterredung auf ihr Zimmer laden.

In der dunklen Trauergewandung sah sie noch schöner aus, als sonst, aber ihr Angesicht ivar bleich, die dunkeln Augen brannten in düsterm Feuer. In ihrem Wesen herschte eine Ruhe, welche von einer unbeugsamen Willens­kraft hervorgerufen wurde.

Herr Engelbrecht," sagte sie leise,es darf sie nicht beleidigen, daß ich Ihnen neben dem herzlichsten Dank auch die prosaische Aus­gleichung für alles, was sie getan, anbiete. Hier sind von den mir übermittelten Geldern achttausend Rubel."

Wladimir blickte sie groß an.

Wie," fragte er,Sie bieten mir für diese Dienste schnödes Geld? Sie konnten doch wohl wissen, daß ich es ausschlagen würde."

Sie wendete den Kopf ab, als sie entgeg- nete:Ich wußte es, aber es ist Ihr Eigentum."

Ich verzichte."

Auf Ihren Gehalt?"

Ich kam-zu Ihnen aus andern Gründen."

Nadine errötete leicht.

Sagen Sie mir lieber," fuhr er fort,was Sie beginnen wollen."

Sie blickte ihn fest an und erwiderte:Sie können es erraten, wenn ich Ihnen gestehe, daß ich jetzt Ihre Erklärung Über den Charakter des Shylock verstehe; Borikow und die Nihi» listen haben meinen Vater vernichtet, ich muß den Schändlichen und mit ihm seine Maulwurfs» Partei zur Rechenschaft ziehen."

" (Schluß folgt.)

Druck und Verlag der Beruh. Hosmann'schen Buchoruckcrei in Wile»io Hin sie Redakuyn ocrannvortt^ Reiuhaivt daselbst.