Die Einnahme von Inkan und Niutschwang durch die Japaner wird bestätigt. Die Russen zogen ohne Kampf ab.
Wladiwostok, 14. Juli. Seit 10. Juli erscheint keine Zeitung mehr. Das Amtsblatt war seit Wochen auf Packpapier gedruckt.
Petersburg, 14. Juli. An amtlicher Stelle ist, wie gemeldet wird, entgegen ander- welliger Nachrichten bis 10 Uhr abends noch keine Bestätigung der Meldung aus Mulden über den Verlust der Japaner von 30 000 Mann bei Port Arthur eingetroffen.
Der Petersburger Korrespondent des „Echo de Paris" verzeichnet das Gerücht, wonach die Lage der Russen in Port Arthur sehr kritisch sei. Der „Matin" meldet gleichfalls, daß man in Mukden die Lage von Port Arthur als eine schlechte betrachtet. Die Japaner sollen sich bereits des Marinelagers bemächtigt haben, welches nur 3 Kilometer von Port Arthur entfernt liegt.
London, 14. Juli. Wie man der „Daily Mail" aus Petersburg telegraphiert, zirkuliert das Gerücht, daß Port Arthur gefallen sei.
Paris, 13. Juli. Der Petersburger Korrespondent des „Journal" meldet, daß Großfürst Boris vom Kriegsschauplätze zurückberufen worden sei und zum Zeichen der Ungnade des Zaren nach Archangel verbannt wurde. Der Großfürst habe trotz wiederholter Ermahnung des Zaren sich allerlei Exzentrizitäten zu Schulden kommen lassen und man erzählt über ihn zahl- reiche Skandal-Geschichten.,
Briefkasten.
G. T. in CH. Zur Beseitigung der von Ihnen beschriebenen üblen Gerüche im Hause empfehlen wir Ihnen den Gebrauch von Roh- Lysoform in 1—3°/° Lösung. Roh-Lysoform ist ohne Karbolgeruch und daher zur Zimmerdesinfektion rc. sehr geeignet. Es sollte in keinem Haushalte fehlen, besonders nicht bei Epidemien und ansteckenden Krankheiten.
Näheres erfahren Sie am besten durch direkte Anfrage bei der Lysoformgesellschaft Berlin 57.
Unvergleichlich.
Oed' ist der Töne schönster Schall
Dich Holde zu besingen;
Die Hoheit Deines Wesens kann
Ins Wort nicht widerklingen.
Rnstere Mächte.
Novelle von Conrad vom Walde.
5) Nachdruck verboten.
Wladimir setzte sich an das Piano und bald rollten die Klänge der Beethovenschen Sonate Lpsssiooata durch den Schloßflügel.
Scheibest und Nadine, welche eben die Pferde besteigen wollten, standen horchend still.
„Himmel, wie schön!" rief Nadine.
Schelbest zog ein verächtliches Gesicht und sagte: „Diese Deutschen sind alle Grübler und Possenreißer. Wenn er noch eine polnische Mazurka spielen könnte."
„Es ist, glaube ich, Beethoven."
„Mir unbekannt."
Nadine errötete und stieg mit Suschus Hilfe auf, Schelbest folgte ihrem Beispiel und dahin sausten sie.
Wladimir hatte sein Spiel abgebrochen; er sah ihnen nach. Er war selbst ein tüchtiger Reiter und die Lust wandelte ihn an, die erlernte Kunst einmal wieder zu üben.
Fünf Minuten später trug ihn Migrol, ein litauisches Pferd, stolz davon, die drei Herren im Salon aber spielten — Tempel.
Nadine und ihr Verlobter ritten eine Weile stumm neben einander her; — Muratschew war in der Tat reizbar, so daß die Reiterin, welche übrigens ein wunderschönes Bild darbot, aller Aufmerksamkeit bedurfte, ihn zu zügeln. — Schelbest kniff die Lippen zusammen, wie er wohl tat, wenn er unwillig war.
„Du scheinst diesen Deutschen zu begünstigen, Nadine," meinte er jetzt.
„Begünstigen?" gab'sie zurück. „Er ist kem Diener." Sie betonte dieses Wort.
„Bah, was ist ein Sekretär weiter?"
»Er ist hochgebildet."
»Bah, er mag gut spielen, das gebe ich zu, über er ist doch kein Edelmann — nicht vom Adel.»
Im Bilde auch vermag ich nicht.
Dir huldigend zu sagen.
Wie Deines Anblicks Liebesreiz Läßt meine Pulse schlagen.
Kein Pinsel malt so farbenreich Die Majestät zu künden, ,
Die von Dir ausgeht sonnengleich.
Auf keinem Thron zu finden.
Du bist so hehr. Du bist so licht;
Von keinem zu erreichen.
Selbst Gottes Engel sind mit Dir Mein Lieb nicht zu vergleichen.
S. Rieser.
Paul Präger P.
Der Expräsident der Südafrikanischen Republik, Stephan, Johann, Paul Krüger ist, wie wir noch in unserm letzten Blatt melden konnten, in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag in Clärens (Kanton Waadt, Schweiz) gestorben. Krüger, unter dem Namen „Ohm Paul" in der ganzen Welt bekannt, war am 10. Februar 1825 im Distrikt Colesberg in der Kapkolonie geboren, er hat demnach ein Alter von 79 Jahren erreicht. Als 12jähriger Knabe verließ er mit seinen Eltern, die sich der ersten Burenauswanderung nach Natal angcschlossen hatten, die Kapkolonie, siedelte sich später im Oranje-Freistaat und zu- letzt dauernd in Transvaal an. Schon in frühester Jugend war Krüger als Feldcornet tätig und in der Folgezeit begleitete er bis wenige Jahre vor seinem Lebensabschluß in seinem Vaterlande bürgerliche und militärische Aemter.
Krügers Name ist mit der Burenrepublik Transvaal für allezeit aufs engste verknüpft. Während des Krieges, der die ganze Welt in Spannung hielt, trat Präsident Krüger ganz besonders in den Vordergrund des Interesses. Bald nach Beginn der Feindseligkeiten schiffte Präsident Krüger sich nach Europa ein, um persönlich die Vermittlung der Mächte in dem ungleichen Kampfe nachzusuchen.
Der alte Präsident Krüger, für den der Nichtempfang bei Kaiser Wilhelm ein harter Schlag war, begab sich von Deutschland sodann nach dem stammverwandten Holland, wo er mit
„Alexei, ich bitte Dich, muß man adlig sein,
um eine schöne Seele zu haben? Unser Adel ist manchmal sehr roh."
Es klang bitter, herbe — fast zornig.
Er hielt das Roß an und sprudelte sehr rücksichtslos hervor:
„Für eine Russin; eine Vaterlandsfreundin, redest Du sehr frei."
„Ein Unglück ist's", gab sie zurück, „daß in Rußland manches so — unfrei ist."
Sie waren auf einen Weg geraten, der zu dem nächsten Dorf führte, ebenso schmutzig, ebenso vernachlässigt, wie das heimische Wisolla. Schon hatte er eine böse Antwort auf der Zunge, als durch die nachfolgenden Ereignisse einem Zerwürfnis in diesem Augenblick vorgebeugt wurde.
Eine Kibitka mit weißem Plan, welcher an einem Zipfel nicht festgeknüpft war und im Winde flatterte, kam daher.
Muratschew scheute und bog rechts ins Feld, indem er regelrecht durchzugehen anfing. Bald hatte Nadine die Herrschaft über ihr Pferd völlig verloren. Dasselbe raste im weiten Bogen Wisolla wieder zu. Schelbest aber sah der kühnen Reiterin, deren Not er nicht ahnte, gleichgiltig nach. Schon nahm das Tier eine niedrige Lehmmauer, welche zum Gut gehörte und setzte an zum Sprung über die Gartenmauer, anderem halbes Dutzend eiserner Eggen umgekehrt lagerten. Ein Fehlsprung und Roß wie Reitern mußten an den starken Eisenkeilen zerschmettern. Da hörte Nadine, vor deren Augen es Nacht wurde, den Tritt eines zweiten Pferdes. Eine starke Hand ergriff die Zügel Muratschews, brachte ihn in gleichmäßigen Trab und wußte ihn geschickt an der gefährlichen Mauer Hinzuletten und schließlich mit starkem Ruck zum Stehen zu bringen. Es war dicht an dem Gittertor des Schlosses. Nadine sank ohnmächtig vom Pferde in die Arme ihres Retters.
Es Mar Wladimir Gngelbrecht.
offenen Armen ausgenommen wurde. Doch konnte er auch dort nur wenig für die Sache seines Volkes ausrichten. Der blutige ^Kampf in Transvaal nahm seinen Fortgang und dau- erte noch über zwei Jahrn mit größter Heftig- keit an, bis das Burenvolk allmählich verblutete und das Land auf weite Strecken verwüstet und in Trümmer gelegt war. Erst um die Mitte des Jahres 1902 kam der Friedensschluß zu Stande, demzufolge Transvaal England einverleibt und unter britischer Oberhoheit gestellt wurde. Krüger blieb noch längere Zeit in Holland und nahm später, nachdem inzwischen seine Gattin im fernen Heimatland gestorben war und sein Gesundheitszustand des öfteren viel zu wünschen übrig ließ, seinen Aufenthalt in der Schweiz, wo ihn nun auch der Tod ereilt hat.
Mit „Ohm Krüger", der all sein Leben lang ein Bur von echtem Schrot und Korn war, der seinem Vaterland unschätzbare Dienste geleistet hat als langjähriger Präsident der Republik und als treuer Wahrer und Hüter seiner Verfassung, ist ein Mann von seltener Größe dahingegangen, ein Mann von unerschütterlichem Gottvertrauen und von ihm selbst oft genug betonter Glaubensstärke, ein großer Held, dessen Andenken überall und namentlich beim Burenvolk immerdar hochgehalten und lebendig bleiben wird.
Genf, 15. Juli. Aus Anlaß des Ablebens von Präsident Krüger ist eine große Anzahl Kondolenztelegramme eingetroffen, u. a. von der schweizerischen Regierung, vom Präsidenten Stein, Cronje u.s.w. Es heißt, Krüger hinterläßt ein bedeutendes Vermögen.
Berlin, 14. Juli. Blätter aller Parteirichtungen widmen „Ohm Paul" Nachrufe von höchster Anerkennung. Auch die Nordd. Allg. Ztg. enthält einen längeren Aufruf, der darin gipfelt, daß der Erscheinung Krügers in der Geschichte ein ehrendes Andenken gesichert bleiben werde.
Verschiedenes.
Der verliebte Stieglitz. In Rudolstadt in Thüringen wurde dieser Tage der Besitzer eines Stieglitzweibchens angenehm überrascht. Schon seit mehreren Tagen hatte er bemerkt, daß den im freien hängenden Käfig, in dem sich
Der überall anwesende Suschu führte schon die Rosse hinein, Wladimir trug die schöne Reiterin ins Schloß, wo sie im Bedientenzimmer auf dem Svpha wieder zu sich kam. — Aengstlich blickte ihr Wladimir ins Angesicht; da schlug sie die Augen auf, schaute sich erstaunt um, schauderte und sagte: „Sie haben mich vor einem gräßlichen Tode bewahrt, Herr Engelbrecht; wenn ich Ihnen das je im Leben vergäße!"
Suschu reichte ihr schon ein Glas Wein, sie nippte daran, stand dann auf und schritt ihren Gemächern zu.
Nun erst erfuhren die Herren drinnen durch den Diener das Vorgefallene. Sulkowsky war außer sich und dankte Wladimir verbindlich. Schelbest, welcher jetzt erst ankam, nahm die Nachricht sehr unwirsch auf und klopfte an Nadines Boudoir, erhielt aber den Bescheid, sie sei unwohl, er müsse sie entschuldigen.
Auf dem Rückwege mußte der Rittmeister an Wladimirs Zimmern vorbei. Er guckte hinein und sah das noch offene Piano, indem er murmelte: „Verwünscht, wer doch auch auf den schwarzen und weißen Dingern Bescheid wüßte!"
Dabei nahm er die Staffelei wahr, warf die Sammetdecke halb zurück und rief erstaunt aus: „Nadine! — Sitzt denn in diesem Deutschen der Teufel?"
Wütend kehrte er nach dem Salon zurück. Unterwegs begegnete ihm Wladimir.
„Herr", schrie jetzt Alexei Schelbest wütend, „ich verbiete Ihnen, meine Braut zu malen!»
Aus Wladimirs Gesicht wich alle Farbe.
„Herr Rittmeister", entgegnete er, „ich mal« was — ich will."
„Dann bekommen Sie die — Peitsche!" stieß Schelbest maßlos heraus.
„Von Ihnen?" fragte Wladimir kalt. „Si< müßtett zu den Kosaken versetzt werden."
Schelbest schäumte vor Wut, aber in diesem Augenblick schwebte Nadine daher.