Kiel, 6. Juli. Die aktive Schlachtflotte trat heute nachmittag durch den Kanal eine auf mehrere Wochen berechnete Uebungssahrt nach der Nordsee an.
London, 6. Juli. Mit Ablauf des Waffenstillstandes, der gestern mittag zu Ende ging, haben die Feindseligkeiten zwischen den englischen Truppen und den Tibetanern alsbald wieder begonnen. Dorf und Kloster Bechan wurden von den Engländern in Brand geschossen. Der Hauptangriff gegen die Stellung der Tibetaner bei Gyangtse ist inzwischen durch drei im ganzen 1200 Mann starke Kolonnen erfolgt. Truppen haben heute das tibetanische Fort gestürmt. Die Verluste sind unerheblich, soweit bekannt, ist ein Offizier gefallen.
Kopenhagen, 7. Juli. Die Kaiserjacht Hohenzollern mit Kaiser Wilhelm an Bord hat um 3 Uhr nachmittags Kopenhagen passiert. Der Kreuzer Hamburg feuerte Salut, den die Batterien beantworteten.
Kopenhagen, 7. Juli. Kaiser Wilhelm ließ durch den hiesigen deutschen Gesandten dem König und dem Kronprinzen seine herzlichste Teilnahme an dem großen Unglück aussprechen, daS die dänische Schiffahrt durch den Untergang der „Norge" erlitten hat.
Neuyork, 7. Juli. Der Dampfer „Kaiser Wilhelm II." hat wieder einen Rekord gemacht. Er hat die Reise von Bremen nach Neuyork in 5 Tagen 19 Stunden 10 Minuten zurückgclegt.
Neuyork, 7. Juli. Ein schwerer Zyklon hat im Staate Illinois große Verheerungen angerichtet. Ein Eisenbahuzug wurde einen Abhang hinabgestürtzt, wobei eine Person getötet und 20 verwundet wurden.
Rußland und Japan.
St. Petersburg, 7. Juli. Der Korre- spondent der Birschewija Wjedomosti telegraphiert aus Taschitschiao vom 6. Juli: Gestern fand hier ein heißes Gefecht statt, in deni sich die Abteilung des Generals Samsonow aus- zeichnete. Sie zwang den Feind durch einen verwegenen Angriff zum Rückzug nach Sen- jutschen. Die Kosaken warfen die feindlichen Vorposten zurück. Eine Batterie der Transbaikalkosaken richtete unter den Japanern Verheerungen an. Beim Heranrücken beträchtlicher Verstärkungen des Feindes mußte sich unsere Abteilung zurückziehen.
Mukden, 7. Juli. In den letzten Tagen
Rnstere Mächte.
Novelle von Conrad vom Walde.
2) Nachdruck verboten.
Bald darauf erreichte das Gefährt ein lang- gestrecktes Dorf.
„Wisolla!" meldete der Kutscher Wladimir zunickend.
Es waren viele kleine, schmutzige Häuser, an denen man vorbeifuhr; stattliche Gehöfte sah man wenig. — Wie es schien, wohnte hier herumziehendes Volk; das liebe Vieh schien Haus und Garten der Leute zu teilen.
Wladimir bemerkte dieses, worauf Suschu lachte und entgegnete: „Diese Sorte Menschen wird durch keine Kultur anders, Herr!"
Er wies mit der Peitsche geradeaus, wo sich ein schöner Park abhob. Durch daS Grün der Tannen schimmerte weißeS Gemäuer, dann tauchten Türmchen und Erker auf, bis der stolze, altertümliche Bau des Schlosses Wisolla stch voll vor ihnen abhob, ein echter, altersgrauer Herrensitz, welchem eine Anzahl moderner Gebäude, sämtlich mit weißgetünchten Mauern, zugefügt worden war. Durch ein eisernes Gittertor fuhr der Wagen in einen Vorgarten mit dunkelm Tannengehölz und wohlgepflegten Rasenplätzen, in deren Mitte ein Springbrunnen Plätscherte, bis zur Rampe; hier nahm ein Diener den Insassen in Empfang, mährend ein anderer den Koffer vom Wagen hob. Wladimir ! wurde in ein Erdgeschoß-Zimmer geführt, wo em Mann in den fünfziger Jahren, in russisch- polnischer Tracht, bei einem reichhaltigen Früh- ! stück saß. Er duftete stark nach Portwein. Das Haar war grau und kurz geschnitten, der dart lang und fast weiß, das Gesicht vom , Wein gerötet, die Augen unstät und falsch.
Das war der General Gulkowsky. Rasch Wusterte der Schloßherr die feine Erscheinung i des Sekretärs und blickte dessen ausdrucksvolles k
' ist auf dem Kriegsschauplatz keine bemerkenS- ^ werte Aenderung eingetreten. Der Regen, der l seit dem 28. Juni herrschte, hat aufgehört.
Gerüchtweise verlautet, daß in der Provinz ^ Mukden sich Anzeichen einer Boxerbewegung ^ bemerkbar machen.
Tokio, 7. Juli. Der japanische Kreuzer Kaimon stieß bei Talienwan auf eine Mine und sank. Der Kaimon gehörte zu einer Gruppe von Küstenverteidigern aus den Jahren 1877—91. Einen größeren Gefechtswert dürfte er nicht gehabt haben.
Petersburg, 7. Juli. Als dem Zaren mitgeteilt wurde, daß Rußland im fernen Osten nur über 18 Berggeschütze verfüge, hielt er dies für sehr unwahrscheinlich. Es wurde bei der Putilow-Fabrik in Petersburg unverzüglich angefragt, ob die Bestellung von 80 Berggeschützen noch nicht fertig sei. Dabei stellte sich heraus, daß der Auftrag schon längst erledigt war, doch niemand dachte an die Beförderung nach dem Kriegsschauplatz. Dieser Tage sind die Geschütze endlich an den Bestimmungsort abgegangen. Eingeweihte Kreise glauben, daß die Position des Generals Altvater durch diese Geschützlieferung erschüttert sei. Der Zar habe sich über die bodenlose Gleichgültigkeit sehr erzürnt.
London, 7. Juli. Die Japaner sollen auf einem Flankenmarsch nach Süden begriffen sein.
Unruhen in Deutsch-Südwestafrika.
Berlin, 6. Juli. Nach einem Telegramm der Deutschen Kolonialzeitung hat in Windhuk am Sonntag den 3. Juli in Anwesenheit des Gouverneurs Oberst Leutwein eine Versamm- lung der Abteilung Windhuk der deutschen Kolonial-Gesellschaft stattgefunden. Dr. Rohrbach hielt einen Vortrag über den durch den Aufstand verursachten Schaden. Er schätzt denselben auf Grund des von ihm bearbeiteten Materials auf insgesamt 7 Millionen. Davon sind Schäden der Farmer 3'/i Millionen, der Kaufleute 2^/t Millionen, kleinere Verluste V- Million, der ermordeten Farmer V- Million, der Händler ^/- Million.
Von 140 Farmen im Bezirk Windhuk, Oka- handja, Karibib, Omaruru und Gobabis sind nur 11 betriebsfähig, die meist von den Hereros geschonten Ausländern gehören. Einige sind,
Gesicht nachdenklich an, indem er sagte; „Wie
ist doch Ihr Name?"
„Ich heiße Wladimir Engelbrecht", lautete die Antwort, welche im elegantesten Russisch ge- geben wurde.
Der Schloßherr stutzte.
„Sind Sie ein Russe?" fragte er.
„Nein, ich bin Deutscher! Mein Vater war Beamter."
Der General atmete auf.
„Findet sich der Name oft in Deutschland?"
„Recht häufig."
„Aha! Aber so,- wie Sie, sprechen nur Russen unsre Sprache."
„Ich hatte geborene Russen zu Lehrern."
„Aha! Sie schreiben auch russisch?"
„Selbstverständlich! Wollen Sie mich gefälligst auf die Probe stellen?"
Der General erhob sich, eine große, auffallende Gestalt: „Dort ist der Schreibtisch. Teilen Sie meinem Freund, dem Oberstaatsrat von Worontscheff, mit, daß ich ihn für morgen zum Mittagessen einlade."
„Wohl!"
Wladimir schrieb und reichte das Schrift- stück dem General welcher es schmunzelnd durch- flog und sagte: „Ausgezeichnet! Ich gebe Ihnen jährlich sechshundert Silberrubel neben freier Station. Willigen Sie ein?"
„Ich nehme an!"
„Gut! Schreiben Sie jetzt in ähnlicher Weise an den Rittmeister Scheibest, den Verlobten meiner Tochter Nadine."
„Wie Sie befehlen!"
Schnell war der Brief fertig. Der General las ihn und sagte: „Vortrefflich!"
Eben trat Suschu ein.
„Suschu", befahl der General, „zeige dem Herrn Sekretär die röten Zimmer, welche derselbe einnehmen wird."
Der Diener verbeugte sich, die Exzellenz aber wendete sich an Wladimir: „Wenn Sie einmal etwas wünschen — die Dienerschaft ist bisweilen '
teilweise betriebsfähig, in allen übrigen die Betriebsmittel völlig vernichtet. In den Bezirken Grootfontein und Ontje sind von 40 Farmen 24 betriebsfähig, die zumeist Buren gehören. Weil die Lage geklärt erscheint, wird eine amtliche Nachricht über die Zusammensetzung der Entschädigungs-Kommission gewünscht, die bald ihre Arbeiten beginnen soll. In dem Aufstande sind bisher 123 deutsche Ansiedler ermordet und 35 im Kampfe gefallen.
China.
Peking, 6. Juli. Die chinesische Kaiserin soll die Absicht ausgedrückt haben, sich zurückzuziehen und dem Kaiser freie Hand zu lassen. Man erklärt diesen Entschluß damit, daß Unruhen in der Luft liegen, für die die Kaiserin nicht die Verantwortung übernehmen will.
Verschiedenes.
Ein schreckliches Ende fanden zwei deutsche Matrosen beiLongsand im sogenannten Wash, an der britischen Küste. Der deutsche Schauer Hans lag dort vor Anker. Der Kapitän des Schiffes, Karl Jeusen, und ein Matrose namens Ludwig Hannigsen, verließen das Schiff in einem kleinen Kahn, um Jagd auf die Seehunde zu machen, die am Strande in der Sonne lagen. Sie nahmen den Schiffs- jungen Ernst Hansen mit. Der Junge wurde beim Landen in dem Boot gelassen, während die beiden Erwachsenen auf die Seehunde losgingen. Plötzlich wurde das Boot von einer Welle loS- gerissen, und die Flut trieb das Boot immer weiter davon, ohne daß der Knabe mit dem Ruder etwas ausrichten konnte Der Kampf mit den Wellen dauerte noch lange fort, aber der Knabe konnte das Boot nicht wieder in seine Gewalt bekommen. Ersah, wie die beiden Leute verzweifelt um Hilfe riefen und wie das Wasser immer höher stieg, bis schließlich die Wellen ganz über ihnen zusammenschlugen. Der Knabe trieb in dem Boot die ganze Nacht um- her, bis er schließlich von einem andern Schiff ausgenommen wurde, wo er seine Erlebnisse er- zählte.
Ein französischer Kolonialmör-er.
Der frühere „Adjunkt der eingeborenen Ange- legenheiten im französischen Sudan", Girard, ist unter der Anschuldigung, einen Neger ermordet zu haben, vor einiger Zeit verhaftet worden.
etwas träge — so wenden Sie sich gefälligst an
Suschu; er ist zuverlässig."
Wladimir verbeugte sich.
„Zu Tisch sehen wir uns wieder", wendete die Exzellenz sich um und griff nach dem Port- weinglas. Suschu aber schritt Wladimir voran zu seinen Zimmern, brachte Erfrischungen und verabschiedete sich darauf.
Wladimir durchmaß seine Räume in großer Erregung.
Erreicht war das Ziel, das er sich gesteckt: er war Sekretär des Mannes, welcher daS Glück seiner Familie gestört hatte, er wollte diese Tat an dem Schändlichen rächen. Gerade in dieser Stellung hatte er dazu Gelegenheit, da er die Geheimnisse des Generals erfahren mußte.
Er hatte über schöne Zimmer zu verfügen, ein Wohn-, ein Schlaf- und ein Ankleidezimmer, alles fein ausgestattet; die Fenster gingen nach dem Park hinab.
Wie schön! Viel Nadelholz, dazwischen Buchen und Ulmen, welche eben den frischen Blattschmuck ansetzten. Wie friedlich, wie still dort alles. Lustige Eichkätzchen trieben ihr fröhliches Spiel an den Stämmen bis zu den Parkwegen. Jetzt huschten sie beiseite, und ein leichter Schritt erschallte; durch den Park kam eine junge, kaum achtzehnjährige, schlanke Dame daher. Von wunderbarer Schönheit war das schmale, längliche Oval des Gesichts, belebt von einem Paar dunkler tiefer Augen. Den Strohhut hielt der Arm am Band; lange, dunkle Locken fluteten über Nacken und Schultern. Wladimir sah die Dame voll Staunen an. Hatte er je so viel Schönheit vereinigt ge» funden? War ein Modell der alten Maler des klassischen Zeitalters lebendig und zu Fleisch und Blut geworden? Der Künstler regte sich in ihm. Wenn diese Dame ihm sitzen wollte! Nun schritt sie ins Schloß. Wer war sie? War es des Generals Tochter, die Verlobte? Alle Gedanken Wladimirs wurden in ein-